Der dreißigjährige Krieg

[362] Der dreißigjährige Krieg. Die Ursachen dieses Krieges, welcher dreißig Jahre hindurch (von 1618 bis 1648) Deutschland verwüstete, und in eine allgemeine Verwirrung zu kürzen drohete, liegen in der Reformation des 16. Jahrhunderts, in dem unbestimmten Religionsfrieden zu Ausgburg von 1555, in den Vergrößerungsabsichten des Hauses Oesterreich, die mit einem unversöhnlichen Hasse gegen die protestantische Lehre verbunden waren, und in den furchtbaren Machinationen der Jesuiten. – Schon lange hatten sich die Katholischen und Protestanten in Deutschland mit gleich starker Eifersucht beobachtet, und nur die gegenseitige Furcht hatte bisher den Ausbruch der Feindseligkeiten zurück gehalten. Durch die 1610 geschlossene Union der protestantischen Fürsten, welcher von katholischer Seite die so genannte Ligue entgegen gesetzt wurde, erhielt das unter der Asche glimmende Feuer neue Nahrung, bis es endlich in Böhmen zu hellen Flammen aufloderte. Hier war es, wo die evangelische Lehre, die sich nach und nach selbst in den Oesterreichischen Erbstaaten ausgebreitet hatte, durch den von Rudolph II. erzwungenen Majestätsbrief größere Freiheiten und Rechte erlangt hatte. Als daher die Böhmischen Protestanten unter dem Kaiser Matthias in diesen Rechten [362] gerkänkt wurden, ergriffen sie, aufgewiegelt von dem ehrgeitzigen Graf von Thurn, nach der Mißhandlung der kaiserlichen Räthe zu Prag, 1618 die Waffen. Mitten unter diesen Unruhen starb Matthias (1619, den 10. März). Nun erklärten die Böhmen seinen Nachfolger in der Oesterreichischen Monarchie, der unter dem Namen Ferdinands II. zum Römischen Kaiser erwählt worden war, und als ein Feind der Protestanten gefürchtet wurde, der Böhmischen Krone verlustig, und übertrugen dieselbe dem Churfürsten von Pfalz, Friedrich V. der sie auch nach einigen Bedenklichkeiten, vorzüglich auf das Dringen seiner ehrgeitzigen Gemahlin, annahm. Aber schon im folgenden Jahre endigte der große Sieg der liguistischen Truppen auf dem weißen Berge bei Prag (1620 den 8. Nov.), welcher die Flucht des neuen Königs nach sich zog, die Böhmischen Unruhen, mit völliger Unterdrückung der dasigen Protestanten. Ferdinand, noch nicht zufrieden damit, erklärte nunmehro Friedrich V. in die Reichsacht, dessen Untergang bei der bereits aufgelößten Union unvermeidlich war. Die Pfalz wurde sonach von Bayerischen und Spanischen Truppen überschwemmt, und obgleich zwei tapfere Männer, Graf Peter Ernst von Mannsfeld und Herzog Christian von Braunschweig, mit ihren von Raub und Plünderung sich nährenden Truppen zur Hülfe herbei eilten, dennoch bald erobert Allein, die Uebertragung der Pfälzischen Churwürde an den Herzog Maximilian von Bayern (1623), wodurch die katholische Partei in dem Churfürstenrathe das Uebergewicht erlangte, und die Fortschritte des Bayerischen Generals Tilly an den Grenzen des Niedersächsischen Kreises erweckten endlich die protestantischen Fürsten dieses Kreises aus ihrem Schlummer, welche nun in Verbindung mit dem Könige von Dänemark, Christian IV. zu den Waffen griffen. Dagegen war die kaiserliche Macht durch das von Wallenstein, nachmahligem Herzoge von Friedland, auf eigene Kosten angeworbene Heer, das seine Spuren mit den schrecklichsten Verwüstungen bezeichnete, ansehnlich verstärkt worden. Und nachdem der König von Dänemark 1626 bei Lutter am Barenberge gänzlich geschlagen, und in dem schimpflichen Frieden zu Lübeck von 1629 zu dem Versprechen genöthiget [363] worden war, sich nie wieder in Deutsche Reichssachen zu mischen, war der Kaiser mehr als je in Deutschland Sieger, und die Sache der Protestanten und mit ihr die Deutsche Freiheit in der äußersten Gefahr. Ein Beweis davon war das berüchtigte Restitutionsedict, nach welchem alle seit dem Religionsfrieden von den Protestanten eingezogenen geistlichen Güter wieder heraus gegeben, und die von ihnen besetzten unmittelbaren Stifter an die Katholischen angetreten werden sollten. Aber jetzt erschien der Retter Deutschlands, der große Gustav Adolph, König von Schweden. Von dem Kaiser auf mancherlei Weise beleidigt, und von heißer Liebe zu seiner Religion entflammt, landete er 1630 am 24. Juni in Pommern mit nicht mehr als funfzehntausend Mann, die sich jedoch bald gar sehr vermehrten. Allenthalben trieb er die Kaiserlichen vor sich her, und nachdem er sich durch ein Bündniß mit Frankreich und mehrern Deutschen Fürsten, welche zum Theil dazu gezwungen werden mußten, wie die Churfürsten von Brandenburg und Sachsen, ein größeres Ansehen verschafft, und Tilly in der Schlacht bei Leipzig (1631, d. 7. Sept.) zu Grunde gerichtet hatte, eilte er siegreich in das innere Deutschland bis an den Rhein, und von da nach Bayern bis an die Grenzen von Oesterreich. Durch diese betäubenden Fortschritte des Nordischen Königs, durch die Siege seiner Feldherren und Bundesgenossen in Niedersachsen und Westphalen, und durch das Eindringen der Sachsen in Böhmen gerieth der Kaiser und die Ligue der katholischen Fürsten in das größte Gedränge. Da aber Wallenstein, der 1630 auf dringendes Verlangen der Reichsstände verabschiedet worden war, und dessen unbiegsamer Stolz jetzt nur durch Ferdinands erniedrigende Bitten erweicht werden konnte, mit einem furchtbaren Heere und unumschränktem Ansehen wieder auf dem Schauplatze erschien; so sah sich Gustav Adolph genöthiget, Bayern zu verlassen, um sich mit diesem großen Gegner zu messen. Schon bei Nürnberg trafen beide Heere auf einander; aber erst bei Lützen kam es zu jener mörderischen Schlacht (1632, d. 6. Nov.), in welcher dieser erhabene König mit seinem theuern Leben einen nicht ganz entschiedenen Sieg erkaufte. Sein Tod würde von den schlimmsten Folgen für die Protestanten gewesen sein, [364] wofern nicht sein großer Kanzler, Oxenstierna, durch kluge Unterhandlungen ein neues Bündniß unter den Deutschen Fürsten zu Stande gebracht, und der tapfere Herzog Bernhard von Weimar und Gustav Horn den Schwedischen Waffen fast in ganz Deutschland die Oberhand verschafft hätten, wozu das zweideutige Benehmen Wallensteins, der 1634 als Verräther gegen den Kaiser ermordet wurde, nicht wenig beitrug. Doch plötzlich änderte die blutige Schlacht bei Nördlingen (1634) die Lage der Sachen. Denn da zu Folge derselben nicht nur der Churfürst von Sachsen in dem Prager Frieden 1635 die Partei der Protestanten verließ, und sich sogar mit dem Kaiser gegen die Schweden verband, sondern auch noch mehrere Reichsstände diesem Frieden beitraten, so konnten die Schweden nur in einer engern Verbindung mit Frankreich ihre Rettung finden. Durch den siegreichen Feldzug Bernhards von Weimar, welcher 1639 in dem Laufe seines Sieges starb, und durch die glücklichen Unternehmungen Banners, der 1638 selbst in Böhmen eingedrungen war, erhoben sie sich bald wieder zu einer furchtbaren Größe, die aber schon im Jahr 1640 zu wanken anfing, bis Torstenson, der mit erstaunenswürdiger Schnelligkeit von einem Ende Deutschlands bis zu dem andern flog, hier die Oesterreichische Monarchie erschütterte, und dort den König von Dännemark demüthigte, den Ruhm des Schwedischen Namens vollendete, den Wrangel auch bis an das Ende des Krieges zu behaupten wußte. Erst nach dem Tode des Herzogs Bernhard von Weimar hatte Frankreich einen ernstlichern Antheil an diesem Kriege genommen, und wiewohl es Anfangs nicht viel ausgerichtet, selbst bei Düttlingen 1643 eine große Niederlage erlitten hatte, so erfochten doch nachher Turenne und Condé die glänzendsten Siege über die kaiserlichen und Bayerischen Truppen. So wurde endlich Ferdinand III. – denn Ferdinand II. war bereits 1637 gestorben – zu dem Frieden genöthiget, der nach siebenjährigen Unterhandlungen zu Münster und Osnabrück in Westphalen 1648, d. 24 Oct. unterzeichnet wurde, und unter dem Namen des Westphälischen oder Münsterischen bekannt ist. Dieser Friede, dessen Garantie von Schweden und Frankreich übernommen wurde, gab den [365] Deutschen Protestanten beinahe gleiche Rechte mit den Katholischen, sicherte Deutschlands Verfassung und Freiheit, und entschädigte die in ihren Rechten gekränkten Fürsten. Frankreich erhielt Elsaß nebst den Bisthümern Mez, Tonl und Verdun, und Schweden die Herzogthümer Bremen, Verden, einen Theil von Pommern und Wismar. Noch wurden in diesem Frieden der Schweizerische Bund und die Vereinigten Niederlande als Republiken anerkannt. Eine überaus geistvolle Geschichte des dreißigjährigen Krieges haben wir von Schillers Meisterhand in dem historischen Calender für Damen 1791 – 1793.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 362-366.
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