Würtemberg

[759] Würtemberg (das Königreich) liegt im südwestl. Deutschland zwischen Baden, Baiern und dem Bodensee und hat auf 362 ! M. gegen 1,700,000 Einw., von welchen sich etwa 1,150,000 zur protestantischen, 500,000 zur katholischen Kirche bekennen, ein kleiner Theil andern christlichen Bekenntnissen anhängt und etwa 12,000 Juden sind. Seinen Namen hat das Land wie das regierende Haus von der 1819 abgetragenen Stammburg Wirtineberg auf dem 1175 F. hohen Rothenberge am Neckar, wo noch eine steinerne Inschrift besagt, daß die Burgkapelle am 7. Febr. 1083 vom Bischofe Adalbert von Worms geweiht wurde. Erbauer der Burg war Graf Konrad und den Namen erhielt sie seiner Gemahlin (Ehewirthin) Hedwig zu Ehren; hielt Grafenwürde war von seinem Vater Ulrich durch seine Verheirathung mit Luitgard, der reichen Erbtochter Konrad's von Beutelspach, Grafen im Remsgau, erworben worden. Die frühere Abstammung leitet man bis auf Bertold. Herzog von Alemannien (724) zurück, aber erst mit Ulrich I. dem (großen) Daumen, 1240–65, auch der Stifter genannt von Erneuung des Stiftes zu Beutelspach, wo bis 1310 das Erbbegräbniß des Hauses war, hebt die fortlaufende Geschichte an. Obgleich er nur die Besitzungen in Niederschwaben bei der damals vorgenommenen Theilung erhielt (während die an der Donau der andern Linie zufielen, die immer mehr herabkam und die Namen von Gruningen, von Landau annahm, nach Verkauf aller schwäb. besitzungen neue in Östreich erwarb, dort von Haus und Rappetenstein, Herren in Neidharding, Dürnkrut, Ebenthal und Rodaun hieß und nach 1650 erlosch), gehörte er doch zu den mächtigsten Herren in Schwaben. Gleich ihm verstanden es auch mehre seiner Nachkommen, durch kluge Benutzung der Zeitumstände, Heirath und Kauf, wozu Sparsamkeit die Mittel lieferte, ihre Besitzungen zu erweitern. Ulrich des Stifters Nachfolger waren seine Söhne Ulrich II. und der 16 Tage nach des Vaters Tode geborene Eberhard I. (II.), der Erlauchte, der nach Ulrich II. Ableben (1279) allein, anfangs unter Vormundschaft seines Oheims Hartmann, regierte. Die deutschen Könige Rudolf I. und der anfangs von ihm gegen Adolf von Nassau nachdrücklich unterstützte Albrecht I. fanden an ihm (dessen oft misdeuteter Wahlspruch »Gottes Freund aller Welt Feind« war) einen Widersacher, der nur in Güte zu versöhnen war, und nach des Letztern Tode bewarb er sich selbst um die deutsche Krone, die aber Graf Heinrich von Luxemburg erhielt. Streitigkeiten mit diesem brachten endlich Krieg und Acht über Eberhard II., der sogar landflüchtig werden mußte, nach Heinrich's Tode (1313) aber seine Besitzungen schnell wieder eroberte und noch vor seinem Ableben (1325) [759] ansehnlich vermehrte. Durch ihn ward Stuttgart zum Hauptsitze seines Hauses und 1321 auch das Stift und Erbbegräbniß von Beutelspach dahin verlegt. An seinem Sohne und Nachfolger Ulrich III., welcher auf der Rückreise von Metz 1344 ermordet wurde, hatte Kaiser Ludwig der Baier einen treuen Freund. Er hinterließ das von ihm wieder beträchtlich vermehrte Land seinen Söhnen Ulrich IV. und Eberhard II. (III.), genannt der Greiner (d.i. Streitsüchtige) oder der Rauschbart, einem tapfern, im Reiche angesehenen Manne, der die bis 1361 mit seinem schwachen Bruder (der 1366 kinderlos starb) gemeinsam geführte Regierung durch Verträge allein in seine Hand zu bringen wußte. Er focht mit Rittern und Reichsstädten eine Menge Fehden aus, da während der nachlässigen Regierung des Kaisers Wenceslaus (s.d.) kein Landfriede aufrecht zu halten war. Da sein Sohn Ulrich 1388 in der Schlacht bei Döffingen fiel, durch welche die Reichsstädte jedoch zum Frieden gezwungen wurden, so folgte dessen Sohn Eberhard III. (IV.), der Milde (1392–1417), welcher durch Verbindung mit Fürsten, Adeligen und Städten Ruhe im Lande zu erhalten suchte, deshalb auch den Adelsbund der Schlegler bekämpfte und zur Auflösung nöthigte. Sein Sohn Eberhard IV. (1417–19) hatte durch Heirath die Grafschaft Mömpelgard und mehre Herrschaften in Burgund erworben und seine Gemahlin Henriette führte nach seinem schnellen Tode die Vormundschaft über ihre minderjährigen Söhne Ludwig III. und Ulrich V., die nachher bis 1442 zusammen regierten, dann aber das Land theilten und einer zu Urach, der andere zu Stuttgart residirten. Ludwig III. starb 1450 und Ulrich hatte nun die beschwerliche Vormundschaft über dessen Söhne Ludwig IV., gest. 1457, und Eberhard V. (VI), später Eberhard im Bart, zu führen, welcher Letztere indeß aus einem wilden Jüngling das Muster aller Fürsten seiner Zeit wurde, von des 1480 verstorbenen Ulrich's Sohne und Nachfolger durch den münsinger Vertrag vom 24. Dec. 1482 dessen Landestheil an sich brachte und so die würtemb. Lande wieder vereinigte. Auch deren künftige Untheilbarkeit ward von ihm festgesetzt, die landständische Verfassung fester begründet, die Universität Tübingen (s.d.) gestiftet und auf dem Reichstage zu Worms 1495 erkannte Kaiser Maximilian I. die großen Verdienste Eberhard's dadurch an, daß er ihn zum Herzoge von W. und Teck erhob. (S. Eberhard im Bart.)

Herzog Eberhard I. starb 1496 ohne Leibeserben und sein ihm nachfolgender Vetter Eberhard II. wurde wegen schlechter Regierung mit kais. Zustimmung schon 1498 abgesetzt und dafür dessen Neffe Ulrich I. Herzog, der aber erst 1503 die Volljährigkeit erlangte und die Regierung selbst antrat. Diese ließ sich gut an, nahm aber bei der Leidenschaftlichkeit und Verschwendung Ulrich's bald die übelste Wendung; zwar wurde gegen Einräumung wesentlicher Rechte noch eine Versöhnung mit den Ständen durch den Vertrag von Tübingen (s.d.) geschlossen, allein des Herzogs fortgesetzte Verschwendung und sein Mord an Hans von Hutten, welchen er verbotenen Umgangs mit der Herzogin beschuldigte, sowie der Überfall der Reichsstadt Reutlingen führten Aufstände, die Reichsacht und endlich seine Vertreibung durch den schwäb. Bund herbei, welcher W. 1520 an Östreich verkaufte. Karl V. belehnte seinen Bruder Ferdinand damit, und es ergingen nun strenge Verbote wider die Reformation, welche hier und da schon Eingang gefunden hatte; der Bauernkrieg (s.d.) verheerte das Land und Viele singen an, den vertriebenen Herzog zurückzuwünschen, der sich auch mit dem Beistande des Landgrafen Philipp von Hessen 1534 wieder in den Besitz von W. setzte, dasselbe aber im Frieden von Kadan als Afterlehn von Östreich annehmen mußte. Die Reformation wurde nun eingeführt und Ulrich trat auch dem schmalkaldischen Bunde bei, ward daher auch in dessen Unglück verwickelt (s. Ulrich I.) und des Kaisers Bruder Ferdinand nahm das Land als verwirktes Afterlehn in Anspruch, als Ulrich im Nov. 1550 starb. Mit großer Mühe nur gelangte sein einziger Sohn Christoph zum Besitz der würtemb. Lande, an dem er sich als einer der ausgezeichnetsten Fürsten bewährte. (S. Christoph, Herzog von W.) Ihm folgte 1568 Ludwig I., seiner theologischen Kenntnisse wegen auch der Fromme genannt, aber ein Säufer und untüchtiger Regent, der 1593 ohne Leibeserben starb. Daher wurde sein Vetter Friedrich I., ein vielseitig gebildeter, aber nach Willkür trachtender und in Lieblingsneigungen befangener Fürst, sein Nachfolger, der an seine prächtige Hofhaltung, an die Erlangung des Steins der Weisen, zu welchem ihm nach und nach über 20 Goldmacher verhelfen wollten, und andere von Liebedienern schlau gepflegte Lieblingspläne große Summen verschwendete und beständig danach trachtete, die von der Landesverfassung ihm auferlegten Beschränkungen umzustoßen. Obgleich die Schuldenmasse zunahm, löste er doch 1599 die im Vertrage von Kadan 1534 aufgebürdete östr. Lehnsherrlichkeit mit 400,000 Gldn. und 100 Ctr. Schießpulver ab und machte nicht unbeträchtliche Erwerbungen durch Kauf, sogar außerhalb Deutschland, wie 1605 das Herzogthum Alençon in Normandie, welches aber von seinem Nachfolger und Sohne Johann Friedrich, 1608–28, schon 1612 wieder verkauft wurde. Unter diesem schwachen Fürsten wurden die von seinem Vater eingeführten Neuerungen wieder abgeschafft. Die Verwirrung in den Finanzen aber ward nicht gehoben. Dazu gab er sich ganz dem Einflusse der Geistlichen hin, die mit den kirchlichen Angelegenheiten auch die weltlichen der protestantischen Länder durch ihre heiligsten Streitigkeiten verwirren halfen. Ihre rücksichtslosen Schmähungen auf Kaiser und Papisten nach Ausbruch des dreißigjährigen Kriegs trugen mit dazu bei, daß W. von den kais. Truppen unter Wallenstein besetzt und hart behandelt wurde. Entgegen dem die Untheilbarkeit der würtemb. Lande bedingenden Vertrage verlieh 1617 der Herzog die Grafschaft Mömpelgard an seinen Bruder Ludwig Friedrich (welcher die 1713 wieder erloschene Linie W.-Mömpelgard stiftete) und seinen Bruder Julius Friedrich Weillingen und Brenz [wodurch die 1705 ausgestorbene Linie W.-Weillingen entstand, von der ein Nebenzweig bis 1792 im Fürstenthume Öls (s.d.) sich erhielt]. Beide Brüder führten nacheinander die Vormundschaft über ihren 1628 minderjährig zur Regierung gelangenden Neffen Eberhard III., welcher sich den Schweden anschloß, nach der unglücklichen Schlacht bei Nördlingen (26. Aug. 1634) aber flüchten und W. den Kaiserlichen preisgeben mußte, von denen es nach dem schon ausgehaltenen Drangsalen vollends zu Grunde gerichtet und einer weiten Einöde gleich gemacht wurde. Der Herzog dankte es patriotischen Dienern (dem die Bergveste Hohentwiel behauptenden [760] Commandanten Wiederhold, dem Vicekanzler Löffler und nach ihm Burkard, dem Abgesandten Varenbüler, welcher die entscheidende Fürsprache Schwedens gewann), daß er 1638 zurückkehren konnte und im westfäl. Frieden sein Land völlig wieder bekam. Günstige Umstände beschleunigten die Herstellung des verlorenen Wohlstandes, sodaß schon nach 15 Jahren die meisten Spuren des verheerenden Kriegs verwischt waren. Eberhard III. hatte 1649 an seinen Bruder Friedrich die Stadt Neustadt am Kocher und einige andern Besitzungen abgetreten und dieser stiftete die 1742 wieder erloschene Linie W.-Neustadt; Nachfolger des 1674 verstorbenen Eberhard III. war sein Sohn Wilhelm Ludwig, dem schon 1677 sein Sohn Eberhard Ludwig unter Vormundschaft seines Oheims Friedrich Karl folgte. Die franz. Anmaßungen wegen Einverleibung der Grafschaft Mömpelgard nöthigten W. zur Theilnahme am östreich.-franz. Kriege, was aber gleich dem spätern Antheil Eberhard Ludwig's am span. Erbfolgekriege höchst verderbliche Folgen hatte. Dazu kam noch seit 1708 die Maitressenregierung eines Fräuleins v. Grävenitz, welche den Herzog so zu fesseln verstand, daß er ihr nach ihrer durch kais. Befehl erfolgten Entfernung aus W. nachreiste und da sich ein Graf von Würben fand, welcher für Geld und den Titel Landhofmeister sie sich antrauen ließ, sie unter diesem Deckmantel wieder an den Hof zurückbrachte. Hier schaltete sie bald unumschränkt, trieb rücksichtslose Verschwendung, setzte ihr misfällige Beamte ab, verhandelte die Stellen an den Meistbietenden und trotzte selbst dem Herzoge, als dieser ihr 1731 von Berlin aus das Land verbot, weshalb er sie nach dem Schlosse Urach bringen, aber bald unter vortheilhaften Bedingungen wieder frei ließ, sodaß sie erst nach seinem Tode (1733) ihre widerrechtlichen Besitzthümer wieder verlor.

Da keine männliche Leibeserben von Eberhard Ludwig vorhanden waren, kam die von seinem Oheime Friedrich Karl gestiftete winnenthaler Linie mit Karl Alexander, 1733–37, zur Regierung, der sich im östr. Dienste zu einem ausgezeichneten Feldherrn gebildet hatte, aber auch katholisch geworden war. Daher mußte er vor der Thronbesteigung durch strenge Bürgschaften die evangelische Kirchenfreiheit sichern. Bestrafte er in den Anhängern der Grävenitz frühere Unbilden, so gab seine Eigenmächtigkeit und daß er dem ihm stets Geld liefernden und zu seinem geheimen Finanzrathe ernannten Juden Joseph Süß Oppenheimer gewissermaßen alle Regierungsgeschäfte überließ, erneute Veranlassung zu den heillosesten Misbräuchen und Unterschleifen. Auch zu gewaltsamer Herstellung der katholischen Kirche in W. hatte er sich vom Bischofe von Würzburg bestimmen lassen, als des Herzogs plötzlicher Tod die Ausführung hinderte. Ihm folgte sein ältester, noch unmündiger Sohn Karl Eugen, 1737–93, und die vormundschaftliche Regierung rächte sofort W. an Süß, welcher in seinen Staatskleidern am Galgen starb, und an dessen Anhängern. Schon 1744 trat der am Hofe Friedrich's des Großen erzogene Herzog selbst die Regierung an, deren Glanz selbst die Aufmerksamkeit des Auslandes anzog, aber durch kostspielige. Hofhaltung, Bauten, Maitressen, die Theilnahme am siebenjährigen Kriege das Land erschöpfte und den Herzog in Streitigkeiten mit den Ständen und seiner Familie verwickelte.

Die Stände führten endlich deshalb Klage beim Kaiser und so kam 1770 ein Vertrag, der sogenannte Erbvergleich, zu Stande, welcher Verminderungen in den Ausgaben und neue Bürgschaften für Beobachtung der Verfassung mit sich brachte. Allein erst im letzten Drittel seines Lebens und besonders nach seiner zweiten Vermählung mit Franziska von Bernardin, Gräfin von Hohenheim, wendete er seine Thätigkeit der Gründung nützlicher Anstalten, unter welchen besonders die Karlsschule berühmt wurde, der Beförderung der Wissenschaften, Künste und Gewerbe zu, besudelte aber noch sein Andenken durch den Verkauf mehrer Regimenter (1787) an die Holländer zum Dienst in den afrikan. Colonien. Dem Kinderlosen folgte sein Bruder Ludwig Eugen, 1793–95, der in franz. Diensten Generallieutenant gewesen war und schwach und bigot von Schmeichlern und Pfaffen sich leiten ließ. Sein Nachfolger wurde sein Bruder Friedrich Eugen, 1795–97, welcher lange im preuß. Heere gedient und, mit einer Nichte Friedrich's des Großen vermählt, auf dessen Anrathen seine Kinder hatte protestantisch erziehen lassen. W. wurde während seiner kurzen Regierung in den franz. Revolutionskriegen von den Heeren beider Theile arg mitgenommen und verlor seine Besitzungen am linken Rheinufer, bekam jedoch unter Friedrich II. (Wilhelm Karl), dem Sohne des Vorigen, 1803 neben ansehnlichen Entschädigungen durch die Propstei Ellwangen, neun Reichsstädten und mehren Klöstern und Stiftern auch die Kurwürde. Hierauf seit 1805 Bundesgenosse Napoleon's, erwarb er durch denselben, mit beträchtlichem Zuwachse an Land (die Grafschaften Ober- und Niederhohenberg, Landvogtei Altorf, Landgrafschaften Nellenburg, Herrschaften Triberg und Ehingen, die Donaustädte) auch die Königswürde, hob zu Ende 1805 die alte Landesverfassung auf und regierte seit 1. Jan. 1806 als König Friedrich I. (Wilhelm Karl) (s.d.). Land und Regierung unterlagen einer gänzlichen Veränderung in Bezug auf administrative. Eintheilung und Gliederung der Behörden; auch gehörte W. seit 1806 zum Rheinbund und erhielt für die Theilnahme an den Kriegen Napoleon's noch manchen Gebietszuwachs, sodaß der Umfang der würtemb. Lande, welcher 153 ! M. bei Friedrich's Regierungsantritte betrug, sich verdoppelte. Eine Tochter des Königs ward mit einem Bruder Napoleon's, dem Könige von Westfalen (s. Hieronymus Bonaparte) vermählt. Die Schlacht bei Leipzig machte im Nov. 1813 durch den Vertrag von Fulda und nachdem der erlangte Besitz und die Souverainetät verbürgt worden war, auch W. zum erklärten Gegner der Franzosen, und würtemb. Truppen halfen 1814 und 1815 unter ihrem tapfern Kronprinzen Wilhelm den Frieden Europas erkämpfen.

König Friedrich I. hatte bisher unumschränkt geherrscht und die Mittel zum Kriegführen und zu einer prunkenden Hofhaltung durch drückende Steuern sich zu verschaffen gewußt. Daher war er mit den vom wiener Congresse aufgestellten Ansichten über die Verfassungen der deutschen Staaten keineswegs einverstanden, verließ Wien vor dem Schlusse der Verhandlungen und trat erst 1. Sept. 1815 der deutschen Bundesacte bei. Vorher schon hatte er den Ständen anstatt der aufgehobenen alten eine neue Verfassung versprochen, konnte sich aber mit ihnen darüber nicht einigen, da sie die alte zurückverlangten. Des Königs Tod [761] (1816) brachte seinen Sohn Wilhelm I. auf den Thron, der sogleich das in Folge des allgemeinen Miswachses im J. 1816 herrschende Elend zu mildern hatte. Bevor noch nach langen und oft lebhaft geführten Verhandlungen am 25. Sept. 1819 die neue Verfassung W.'s auf dem Wege des Vertrags mit den Ständen verabschiedet worden war, traten nicht unwichtige Verbesserungen der Staatsverwaltung ins Leben; Industrie und Handel wurden sorgfältig beachtet, der übermäßige Wildstand vermindert, die Abgaben gemindert, Monopole aufgehoben. Preßfreiheit ward am 30. Jan. 1817 gegeben und durch die Verfassung im Sept. 1819 zum verfassungsmäßigen Rechte, aber am 1. Oct. schon durch die Bundesbeschlüsse wieder verloren. Zu den wichtigsten, mit den nächstfolgenden Landtagen zu Stande gebrachten Gesetzen gehören die ständische Geschäftsordnung, ein Staatsdienergesetz, ein Statut über Staatsschuldenzahlung, das Gesetz wegen einer neuen Landesvermessung (1821), die Strafproceßordnung, das Pfandgesetz, das königl. Hausgesetz, Rekrutirungsgesetz, die allgemeine Gewerbeordnung (1828). Den lebhaftesten Widerspruch fand das 1829 erlassene organische Statut für die Universität Tübingen, durch welches Lehr- und Studienfreiheit ganz aufgehoben wurde und das die Regierung 1831 wesentlich ändern mußte. Ohne unruhige Bewegungen hervorzurufen, regte die franz. Juliusrevolution doch auch in W. die Theilnahme am politischen Leben wieder mächtig an, die Foderungen nach Preßfreiheit wurde erneut, patriotische Gesellschaften wurden gebildet, die Wahlen zum Landtage 1832 mit außerordentlicher Sorgfalt betrieben. Bevor indeß im Jan. 1833 die Ständeversammlung eröffnet wurde, hatte der Bundestag einen Theil der freisinnigen Zeitungen unterdrückt und als in der Kammer vom Abgeordneten Pfizer die Bundesbeschlüsse vom 28. Jun. 1832 als unverträglich mit der würtemb. Verfassung angegriffen wurden, wollte die Regierung diesen Antrag mit »gerechtem Unwillen« verworfen wissen. Allein die Kammer verwahrte sich in einer von Uhland (s.d.) verfaßten Adresse mit Würde gegen solche Zumuthungen der Regierung und ward daher aufgelöst. Dennoch wurden mancher Wahlbeeinträchtigungen und kleinlicher Drohungen (wie z.B. die Residenz von Stuttgart, die Universität aus Tübingen zu verlegen) ungeachtet, die angesehensten und meisten Mitglieder der Opposition wieder gewählt. Obgleich die Berathungen meist Budgetangelegenheiten betrafen, gab doch die für Censoren verlangte Besoldungssumme Anlaß, die Censur für verfassungswidrig zu erklären und jene Besoldungen deshalb zu streichen. Die erste Kammer benutzte dagegen eine Gelegenheit, die Ablösung der Feudallasten weder für nothwendig noch für gerecht oder vom Volke gewünscht zu bezeichnen. Noch 1836 erkannte diese Kammer solche Verbesserungen nicht als zeitgemäß an und beeinträchtigte die Gesetze über Expropriation (s.d.), Ablösung der Frohnen und Lasten. Bei der vortheilhaften Lage der Finanzen konnten indeß mehr Steuerverminderungen gewährt werden. Die 1833 entdeckten Versuche, eine Militairverschwörung gegen die Regierung zu stiften, wobei besonders ein Lieutenant von Koseritz compromittirt war, hatte mehre Verurtheilungen und die von Koseritz zum Tode zur Folge. Der König begnadigte ihn jedoch und versah ihn mit den Mitteln, um nach Amerika auswandern zu können. Dem preuß.-deutschen Zollverein trat W. am 1. Jan. 1834 bei. Der Landtag von 1838 berieth das neue Strafgesetzbuch, das in seiner bei zunehmender Nachgiebigkeit und Charakterlosigkeit der zweiten Kammer zu Stande gekommenen Form den schärfsten Tadel erlitten hat. Auch wider die theilweise Verwendung der starken Überschüsse der Landeseinkünfte, welche hauptsächlich aus dem Mehrertrage der Staatsgüter und der Einnahme aus der Zollvereinskasse hervorgingen, zu unnöthigen Bauten, Besoldungserhöhungen und Vermehrung der ohnedies sehr zahlreichen Beamten, scheint Grund zu Misbilligung vorhanden. Befremdend war die Nachsicht, mit welcher Regierung und Kammern bisher den Nachdruck behandelten.

Nach der Verfassungsurkunde von 1819, deren unverbrüchliche Festhaltung jeder Thronfolger bei seinem königl. Worte zusichern muß, bevor die Stände ihm den Huldigungseid zu leisten haben, und nach dem Hausgesetze von 1828 sind im Könige alle Rechte der Staatsgewalt und deren verfassungsmäßige Ausübung vereinigt. Das Königreich ist ein unzertrennliches Ganze und als Glied des deutschen Bundes den organischen Beschlüssen der Bundesversammlung, nach Verkündigung derselben vom Könige, unterworfen. Die Stände werden alle drei Jahre und außerdem bei wichtigen Veranlassungen vom Könige einberufen und versammeln sich in zwei Kammern. Die erste, Kammer der Standesherren, besteht aus den Prinzen des königl. Hauses, den Häuptern der fürstlichen und gräflichen Familien und den Vertretern der standesherrlichen Gemeinschaften, auf deren Besitzungen früher eine Reichstag- oder Kreistagsstimme ruhte, sowie aus vom Könige ernannten erblichen (die ein auf Fideicommiß begründetes und nach dem Erstgeburtsrechte vererbendes Grundvermögen besitzen, das nach Abzug der Zinsen für darauf haftende Schulden 6000 Gldn. Einkünfte gewährt) oder lebenslänglichen Mitgliedern ernannt werden; es dürfen jedoch alle ernannten zusammen nie das Drittel der übrigen Mitglieder übersteigen. Die zweite Kammer, Kammer der Abgeordneten, zählt 13 vom ritterschaftlichen Adel gewählte Mitglieder, sieben gewählte Abgeordnete der seit 1811 sogenannten »guten Städte« Stuttgart, Tübingen, Ludwigsburg, Ellwangen, Ulm, Heilbronn, Reutlingen und 64 andere von Oberämtern; dazu kommen sechs protestantische Generalsuperintendenten, der katholische Landesbischof und älteste Dekan, der Kanzler der Universität Tübingen, die gewählten Mitglieder, welche 30 Jahre alt sein müssen, unterliegen alle sechs Jahre einer neuen Wahl. Die Sitzungen der zweiten Kammer sind in der Regel öffentlich und die Verhandlungen derselben müssen, was auch wenigstens mit denen der ersten geschehen soll, durch den Druck bekannt gemacht werden. Von einem Landtage zum andern besorgt ein ständischer Ausschuß, bestehend aus den Präsidenten beider Kammern und zehn gewählten Mitgliedern derselben, die Geschäfte. Berufen sind die Stände zur Geltendmachung der Rechte des Landes auf den Grund der Verfassung, zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung durch ihre Zustimmung zu vorgelegten Gesetzentwürfen, zur Bewilligung der Steuern nach gewissenhafter Prüfung ihrer Nothwendigkeit u.s.w. Für den gerichtlichen Schutz der Verfassung besteht ein Staatsgerichtshof, vor welchem Anklagen (durch Regierung oder Stände angebracht) und Vertheidigung öffentlich verhandelt werden. Eine Civilliste in Geld und Naturalien wird für die Lebensdauer jedes Regenten [762] festgesetzt. Als Mitglied des deutschen Bundes hat W. die sechste Stelle im engern Rathe und vier Stimmen im Plenum der Bundesversammlung, stellt 14,000 M. mit 24 Geschützen zum achten Armeecorps und bezahlt zur Bundestagskanzlei 2000 Gldn. Freiwillige Bürgergarden bestehen in mehren der größten Städte. Die drei bestehenden Orden sind: der Orden der würtemb. Krone (seit 1818), der Militairverdienstorden in vier Classen (seit 1800) und der 1829 gestiftete Friedrichsorden. Die Staatseinkünfte betragen etwas über, die Ausgaben etwas unter 10 Mill. Gldn., die Staatsschuld etwa 24 Mill. Gldn.

W. umfaßt den größten Theil des vormaligen schwäb. Kreises und ist durchaus Hügel- und Gebirgsland, ohne eigentliche Ebenen, aber mit weiten und höchst fruchtbaren Thälern. Hauptgebirge sind die östliche Abdachung des Schwarzwaldes, welcher die Grenze gegen Baden macht und sich meist sehr sanft in das nördl. streichende, herrliche, an Städten, Ortschaften, Rebenhügeln und Feldfluren reiche Neckarthal hinabsenkt, in welches sich auch die zahlreichen, meist malerischen und romantischen Querthäler des Schwarzwaldes öffnen, von welchen das Zaber-, Enz-, Ammer-, Glattthal die vornehmsten sind. Der höchste Punkt des würtemb. Schwarzwaldes ist der 2925 F. hohe Roßbühl auf dem Kniebiß. Das zweite Hauptgebirge ist die rauhe Alp mit ihren Verzweigungen (Aalbuch, Hochstraß, Herdtfeld), Alles Theile des deutschen Jura, welcher den Südosten von W. durchzieht, unbedeutend gegen das Donauthal, sehr steil gegen Nordwesten abfällt, indessen in seinen höchsten Punkten nicht über 3150 F. ansteigt. Diese fallen um so weniger in die Augen, da sie mehr Hügel auf einer wenig bewaldeten wasserarmen Hochfläche sind, welche aber von tiefen Thälern durchschnitten ist, die von hellgrauen, an Höhlen reichen, oft mit Burgen malerisch besetzten Felsen begrenzt sind. Hauptfluß ist der bei Schwemmingen 2148 F. hoch im Schwarzwald entspringende, schon von den Römern beschiffte Neckar, der mit Benutzung des 1821 eröffneten Wilhelmskanals bei hohem Wasser für Schiffe von 2–300 Lasten bis Kannstadt fahrbar ist. Seine bedeutendern, für die Holzflößerei wichtigen Nebenflüsse sind die Enz, Erms, Zaber, Fils, Rems, Murr, Lauter, Kocher und Jaxt. Die durch W. fließende Donau wird erst an der Grenze bei Ulm schiffbar, wo sie die aus Tirol kommende Iller aufnimmt. Das beinahe durchgängig milde, auch der Gesundheit zuträgliche Klima begünstigt den auf 85,000 Morgen betriebenen Weinbau, der besonders im untern und mittlern' Thale des Neckar (s.d.), in einigen Seitenthälern und am Bodensee blüht, den allgemein gepflegten Obstbau und höchst einträglichen Ackerbau. Von Getreide wird viel Dinkel, auch Mais erbaut und davon, sowie von Obst, Wein, Hanf, Flachs, Holz, viel ausgeführt. Von Mineralien wird nur Eisen in einiger Menge, sowie Salz gewonnen, das W. vielen schweiz. Cantonen vertragsmäßig liefert und von dem noch in den letzten Jahren neue Lager entdeckt worden sind; auch Torf und Steinkohlen sind vorhanden, sowie einige Mineralquellen. Die industrielle Betriebsamkeit ist noch wenig zu großen Fabrikanlagen vereinigt und liefert hauptsächlich Leinwand, Garn, Uhren im Schwarzwalde, Holzwaaren in Ellwangen und Adelmannsfelden, Tuch, Saffian, baumwollenes Garn, grobe Zwirnspitzen, Eisenwaaren; besondere Wichtigkeit hat der Buchhandel erlangt; die Branntweinbrennerei ist nicht unwichtig, Pferde- und Rindviehzucht, auch die Schafzucht sind im Zunehmen. Der Ein- und Ausfuhrhandel dreht sich um den jährlichen Austausch eines Werthes von 16–18 Mill. Gldn. Die Bevölkerung ist durchaus deutsch, meist schwäb. Abkunft und in Hinsicht der Bildung keineswegs hinter der Gegenwart zurück, obgleich Religionsschwärmerei, Pietismus und Mysticismus von je, sowie abergläubige Geisterseherei (s. Prevorst, Seherin von) ganz vorzüglich in neuer Zeit Anklang und Beförderer gefunden haben. Auffallend ist die von jeher vorwaltende Neigung zum Auswandern, zum Theil nach weit weniger gesegneten Ländern, wie Polen und Rußland, obgleich der in frühern Zeiten herrschende Druck nicht mehr dazu veranlaßt.

Das ganze Land ist in vier Kreise eingetheilt, an deren Spitze zunächst unter dem Ministerium vier Kreisregierungen als Oberaufsichtsbehörden der 64 Oberämter stehen, in welche die Kreise zerfallen; außerdem bestehen 9 standesherrliche Ämter. 1) Der Neckarkreis mit 16 Oberämtern hat auf 62 ! M. als der kleinste von allen vieren doch die stärkste Bevölkerung von 438,000 Einw., gehört überhaupt zu den am stärksten bevölkerten Gegenden in Europa. Hier liegt am Nesenbach die erste königl. Residenz-und gute Stadt Stuttgart (s.d.). Auf der 1 St. davon entfernten Domaine Hohenheim befindet sich eine landwirthschaftliche Bildungsanstalt. Nur 3/4 St. von der Hauptstadt liegt in reizender Umgebung an dem hier schiffbar werdenden Neckar das sehr alte Städtchen Kannstadt mit 4000 Einw., einigen Fabriken und 37 Mineralquellen, darunter drei berühmte Sauerbrunnen, und Bädern. Jährlich am 28. Sept. findet hier ein landwirthschaftliches Fest statt. In der Umgebung werden allerlei Überreste aus der Römerzeit, im nahen Seelberge aber höchst merkwürdige Überreste vorweltlicher Thiere, Knochen des Mammuth, Rhinoceros u.a. gefunden. Hier liegen auch die königl. Luftschlösser Bellevue und Rosenstein. Auf dem Rothenberge am Neckar lag das in seiner letzten Gestalt 1525 erbaute, jetzt abgetragene Stammschloß Würtemberg, an dessen Stelle eine griech. Kapelle errichtet und darin die 1819 gestorbene Königin Katharina, eine geborene Großfürstin von Rußland, beigesetzt worden ist. Das gewerbfleißige, alte Eßlingen am Neckar mit zwei Brücken hat 6800 Einw. und war ehedem Reichsstadt; bei den schönen Dörfern Bernhausen, Echterdingen, Plieningen wird in den sogenannten Fildern (Feldern) berühmter Kopfkohl (Kraut) in großer Menge gebaut (gegen 6 Mill. Köpfe jährlich) und zu Sauerkraut benutzt. Waiblingen an der Rems hat 3000 Einw., gehörte vor Alters den Hohenstaufen und war Veranlassung des Parteinamens Ghibellinen. Lauffen am Neckar hat 4000 Einw., Weinbau und ist durch die 1534 dort vom Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Ulrich gegen die Östreicher gewonnene Schlacht merkwürdig. Die zweite königl. Residenz- und gute Stadt Ludwigsburg mit 6000 Einw. liegt in fruchtbaren Umgebungen nicht weit vom Neckar und wurde erst 1718 auf Betrieb der berüchtigten Maitresse v. Grävenitz angelegt, kam auch blos durch den Hof empor, hat ein prächtiges Schloß mit einer Gemäldesammlung, der fürstl. Familiengruft, schönen Gärten und ist der Sitz der Kreisregierung [763] und Kreisfinanzkammer. In der Nähe liegt die einzige Festung W. s, die zum Staatsgefängnisse dienende Bergveste Hohenasperg. Auf Marktgröningen an der Glems mit 2600 Einw. haftete das Recht der Reichssturmfahne, welche daher in Reichskriegen von den würtemb. Herzogen geführt wurde; am Bartholomäustage findet dort ein Volksfest, der Schäfermarkt, statt, wo Schäfer und Schäferinnen einen Aufzug und Wettlauf um gewisse Preise halten. In Marbach am Einflusse der Murr in den Neckar ward 10. Nov. 1759 Schiller geboren. Im Kloster Maulbronn am Salzbach besteht ein theologisches Seminar. Vaihingen an der dort schiffbaren Enz hat über 3000 Einw.; bei Beilstein liegt die unbedeutende Ruine der Burg Wunnenstein, des ehemaligen Sitzes Wolfs von Wunnenstein's, Stifters des Schläglerbundes. Bei Murrhard an der Murr mit 2200 Einw. liegt der als ehemaliger Wallfahrtsort bekannte Walderichshügel, wo Kaiser Ludwig der Fromme von einem Einsiedler und durch ein Gesicht zur Stiftung eines Klosters bewogen worden sein soll, in welchem er begraben liegt und dessen erster Abt jener St.-Walderich genannte Einsiedler war, dessen Bildsäule in der über 1000 Jahre alten Klosterkapelle noch vorhanden ist. Anmuthig am Neckar liegt die ehemalige Reichsstadt Heilbronn mit 9000 Einw., ansehnlichem Weinbau, dem lebhaftesten Handel am Neckar und einigen Fabriken; merkwürdige Gebäude sind die gothische Hauptkirche und das alterthümliche Rathhaus. Zwei St. davon liegt die seit 1818 angelegte, sehr reiche Saline Friedrichshall; Neuenstadt am Kocher oder an der Linde hat letztern Beinamen von einer 600 Jahre alten Linde mit einem Stamme von 36 F. im Umfange, die von mehr als 100 steinernen Säulen gestützt ist. Jaxthausen mit 1100 Einw. ist der Geburtsort von Götz v. Berlichingen; mitten in Weinbergen liegt Weinsberg (s.d.) mit dem Schlosse Weibertreu. 2) Der Schwarzwaldkreis hat 87 ! M. mit 413,000 Einw., und der Sitz der Kreisregierung und Finanzkammer ist die vormalige Reichsstadt Reutlingen (s.d.). In Rottenburg mit der Altstadt Ehingen am Neckar, 6000 Einw., ist der Sitz des katholischen Landesbisthums und ein Priesterseminar; 3/4 St. davon liegt in einem waldigen Thale das Bad Niederau. Gönningen mit 2500 Einw. treibt bedeutenden Obstbau und Handel mit Obst, Sämereien und Obstbäumen bis nach Rußland; Ehningen mit 5000 Einw., von denen viele herumziehende Krämer sind und wo auch Band und Spitzen verfertigt werden; im obstreichen Echazthale liegt die vormalige Reichsstadt Pfullingen mit 3800 Einw., in der Nähe die Nebelhöhle, eine Tropfsteinhöhle mit sechs Kammern. Von weiten Obstpflanzungen umgeben ist das gewerbfleißige Urach mit 3000 Einw., der Hauptsitz der Leinweberei und des Leinwandhandels in W.; auf einem nahen Berge liegen die Burgtrümmer Hohenurach. Calw mit 4500 Einw. im engen Thale der Nagold hat Zeuch-, Tuch-, Lederfabriken und wichtigen Holzhandel; in der Nähe liegen die schönen Überreste der von den frühern mächtigen Grafen von Calw 830 gestifteten Benedictinerabtei Hirsau, welche 1692 durch die Franzosen eingeäschert wurde. Bei Neuenburg mit 1800 Einw. sind Eisenwerke; das Bad Liebenzell ist vergessen, nicht so das Wildbad (s.d.). Freudenstadt an der Murg mit 3600 gewerbfleißigen Einw. wurde 1599 zur Beförderung des Bergbaus vom Herzoge Friedrich gegründet und nach ihm Friedrichstadt, vom guten Fortgange des Bergbaus aber Freudenstadt genannt. Bei Sulz am Neckar mit 2500 Einw. ist ein Salzwerk; Oberndorf hat eine Gewehrfabrik; Rottweil mit 3500 Einw., die stark nach der Schweiz handeln, hat ein katholisches Lyceum und Gymnasium und war als ehemalige Reichsstadt durch sein kais. Hofgericht berühmt. Das gewerbsame Tuttlingen unterhalb der Burgruine Honberg an der Donau mit 4800 Einw. ist nach dem Brande 1803 regelmäßig aufgebaut; Dasselbe gilt von dem 1809 durch Feuer verheerten Bahlingen mit 3200 Einw., einem Schwefelbade, Lein- und Wollfabriken und Getreide und Viehhandel. Ganz im bad. Seekreise liegt die 1800 den Franzosen unvertheidigt übergebene und darauf von ihnen gesprengte, vorher für uneinnehmbar gegoltene Bergveste Hohentwiel. 3) Der Jaxtkreis, 991/2 ! M. und 353,000 Einw., dessen Kreisregierung und Kreisfinanzkammer ihren Sitz in Ellwangen im Virngrunde an der Jaxt, der vierten guten Stadt mit 3000 Einw., haben, welche vordem Sitz eines Fürstpropstes war, von dessen leckerm Leben das Sprüchwort herkommt: »Er läßt sichs wohl sein wie der Propst von Ellwangen.« Es werden hier wichtige Pferdemärkte gehalten und es besteht ein katholisches Seminar und Gymnasium, Holzwaaren, Wachsbleichen, viel Handel. Öhringen mit 3200 Einw., die baumwollene und Bijouteriewaaren verfertigen, gehört mit Neuenstein, Pfedelbach, Waldenburg, Kupferzell mit 1166 als Landwirthe ausgezeichneten Einw., Kirchberg, Langenburg, Nieder- oder Haltenbergstetten, Bartenstein, dem gewerbfleißigen und davon Klein-Nürnberg geheißenen Künzelsau mit 2500 Einw., Ingelfingen, Jaxtberg, Weikersheim, Forchtenberg und andern Ortschaften zu den Besitzungen des fürstl. Hauses Hohenlohe (s.d.), welche beinahe den dritten Theil des Jaxtkreises ausmachen. Das befestigte Schorndorf im weinreichen Remsthale hat 4000 Einw., die Teppiche, Manchester, Pferdedecken verfertigen und Weinbau treiben, ist mehrmals belagert und zu Ende des 17. Jahrh. einmal unter Mitwirkung der Frauen gegen die Franzosen unter Melac vertheidigt worden. Bei Lorch mit 1800 Einw. liegt auf einer Anhöhe das 1122 gestiftete, im Bauernkriege zerstörte Kloster Lorch mit dem Erbbegräbniß der Hohenstaufen; die alte Reichsstadt Gmünd (Schwäb.-Gmünd) an der Ems mit 5500 Einw., die viel baumwollene und Bijouteriewaaren verfertigen, hat eine Taubstummen- und Blindenanstalt. Der Marktflecken Beutelspach mit 1800 Einw. ist durch seine Stiftskirche mit der ehemaligen Gruft der Grafen von W. merkwürdig; zu Unterkochern, Aalen, Wasseralfingen, Königsbronn sind Hütten-, Hammer- und Drahtwerke. Neresheim, Zöbingen, Aufhausen sind fürstl. Öttingen-Wallerstein'sche Besitzungen. Crailsheim hat 3000 betriebsame Einw.; die alte Reichsstadt Schwäb.-Hall am Kocher hat 6700 Einw., große Salzsiedereien, ein schönes Rathhaus, eine ausgezeichnete altgothische Kirche und soll die ersten nach ihr Heller benannten Scheidungen geprägt haben; das ehemalige Benedictinerstift Comburg ist jetzt ein Invalidenhaus. In dem hier sehr engen und tiefen Kocherthale gibt es viel Kröpfe und Kretinen (s.d.), welche das Volk »hällische Jokeln« nennt. Niedernhall mit 1600 Einw. hat eine Salzquelle, deren Soole zu Weißbach versotten wird; Mergentheim mit 3000 Einw. gehörte mit dem Bergschlosse Neuhaus sonst dem deutschen Orden (s.d.). Bei Wäschenbeuren mit 1400 Einw. liegt das Wäscher Schloß, Sitz Friedrich's [764] von Beuren, Stammvaters der Hohenstaufen (s.d.). 4) Der Donaukreis, 112 ! M. und 361,000 Einw. in 16 Oberämtern, hat zum Sitz der Kreisregierung und Finanzkammer die gute Stadt Ulm (s.d.). Das aus der großen Feuersbrunst im J. 1782 als eine der freundlichsten würtemb. Städte hervorgegangene Göppingen an der Fils hat 4800 Einw.; 2 St. davon liegt auf der Alp das Bad Boll mit einer Schwefelquelle und Molkencuranstalt; Geißlingen mit 2000 Einw. in einem engen obstreichen Thale an der Landstraße nach Ulm und am Fuße der Alp, hat von je viel gedrechselte Waare aus Holz und Bein geliefert und vordem ein besonderes Lager davon in Amsterdam gehalten. Überkingen, Ditzenbach und Jebenhausen haben Sauerbrunnen; bei dem Marktflecken Hohenstaufen liegen auf einem Berge unbedeutende Mauerreste der 1525 im Bauernkriege zerstörten, berühmten, Stammburg der Hohenstaufen. Kirchheim unter Teck hat 5000 Einw.; bet Weilheim an der Teck liegt der Limperg mit Trümmern des Stammsitzes der Herzoge von Zähringen. Münsingen ist durch den 1482 dort abgeschlossenen Vertrag merkwürdig; beim Dorfe Sontheim ist eine berühmte Höhle (sontheimer Erdloch); bei der frühern Reichsstadt Biberach mit 4600 Einw. an der Rüß wurden die Ostreicher 1796 und 1800 von den Franzosen besiegt. Die ehemalige Reichsstadt Buchau am Federsee hat 2000 Einw. und gehört den Fürsten Thurn und Taxis; im Blauthale, welches die aus dem sogenannten Blautopfe, einem 63 F. tiefen und 30 F. weiten Bassin entspringende Blau durchfließt, liegt Blaubeuren mit 2000 Einw., einem evangelischen Seminar, schönen Bleichen, Leinwand- und Wollwebereien, mehren Burgruinen in der Umgegend, von denen eine Blauenstein heißt. Im Dorfe Oberholzheim wurde 5. Sept. 1733 Wieland geboren. Ehingen an der Donau hat 2700, Ravensburg 3700 Einw.; die ehemalige Abtei Weingarten ist jetzt ein Waisenerziehungshaus für verwahrloste Kinder. Friedrichshafen mit 900 Einw. (seit 1811 aus Buchhorn und Hosen entstanden) am Bodensee, treibt Handel und hat eine Dampfschiffahrtsgesellschaft. Bei Leutkirch wohnten in der leutkircher Haide sonst reichsfreie Leute; die vorige Reichsstadt Wangen am Flusse Argen mit 1500 Einw. verfertigt Eisenwaaren, Leinwand und Papier; bei dem in einem kesselartigen Thale liegenden, unfreundlichen Isny an der Isna mit 1800 Einw. sind Steinkohlengruben; in Langenau mit 3000 und Niederstotzingen mit 1300 Einw. wird viel Leinwand verfertigt.

Würtemberg
Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 759-765.
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