I
Kronprinz Friedrich Wilhelm an Bismarck

[630] (Vgl. Mitte S. 535)


Morris Castle, Insel Wight, 17. Aug. 1881


Ich wende mich mit der Frage an Sie, was eigentlich das Zeitungsgerücht »Baden sollte Königreich werden« zu bedeuten hat?

Anfangs habe ich mich wie viele Andere über diese Ente amüsiert und die Kunde als einen »Ulk der saueren Gurkenzeit« belacht. Da aber die Sache immer wiederholt wird, fange ich an mißtrauisch zu werden! Ich habe zwar eine zu gute Meinung von meinem Schwager, und ebenso ein zu großes Vertrauen in seine Deutschen Gesinnungen, als daß ich es für möglich hielte, er könne sich in solchen Unsinn einlassen. Allein woher kommt dann das Zeitungsgerede?

Sie wissen, wie ich über die 3 deutschen Königreiche denke, welche wir in schmachvollster Zeit von Napoleon I. erhielten, damit die Zerstückelung Deutschlands für immer befestigt sei. Aus eigener Erfahrung wissen Sie besser wie ich, welche Schwierigkeit, ja welchen täglichen Aerger jene, von ihrem leeren Titel erfüllten Kabinette dem Reichswohl bereiten. Sollte da noch eine Krone mehr etwa geduldet werden, welche jene Verlegenheiten verstärkte? Hieße es nicht das heut zu Tage schon genug geschwächte monarchische Ansehen noch mehr herabsetzen, indem man einen kleinen Staat avancirt, der aus sich selbst nichts vermag, also einem königlichen Aufwande weder Macht noch Kraft zu verleihen im Stande ist! Vor allem aber wie wäre es vor dem deutschen Volk zu rechtfertigen, daß man angesichts der nur äußerst langsam sich befestigenden Einheit muthwillig ein solches Hemmniß aufkommen ließe!

Ich lasse mich Ihnen gegenüber so offen gehen, wie ich es unter vier Augen in Ihrem Zimmer in Berlin thue. Sollte aber, was der Himmel verhüte, etwas im Gange sein, so sind Sie schon jetzt berechtigt, mein entschiedenes »Nein« gegen die Badische Königs Erhebung kund zu geben. Dann aber bitte ich um sofortige Mittheilung des Standes jener Angelegenheit, damit ich in derselben[630] thätig auftreten kann; ebenso erwarte ich, daß keine Beschlüsse gefaßt werden, ohne daß man mich gehört hat.

Schlötzer soll aus Rom zurück sein, und würde es mich interessiren zu erfahren, welches seine Eindrücke sind, und ob etwas in Folge seines Aufenthalts unternommen werden kann.

Ich verlasse London am 23., bin den 24. in Brüssel, den 25. in Coblenz, den 27. in Frankfurt a.M. und am 28. bis 30. in Bayern, worauf ich den 1. September in Berlin eintreffe.

Hoffentlich hat Kissingen Ihnen Ruhe, Erholung und Stärkung gebracht und vor Allem die Leiden des Frühjahr's vergessen machen. Hier schwebt das Parliament in der Pein des Hangens und Bangens, ob der Land-Bill, welche als ein nothwendiges Uebel, zur Vermeidung noch größeren Unfugs als bisher im kommenden Winter, für Irland erkannt wird. Etliche Lords haben sich der Abstimmung enthalten, indem sie per Yacht oder hinter der grouse her verschwanden; Andere reden dawider, stimmen jedoch dafür.

Uns erging es sehr gut an und in der See, in diesem herrlichen Lande, das ich verlasse, um erst die Bayern, dann die Hannoveraner, Westpreußen und endlich die Schleswig-Holsteiner zu sehen, begierig, ob wirklich die »Perle von Meppen« Minister in Braunschweig, welfischer agitation zu Ehren, werden wird!!


Ihr sehr ergebener

Friedrich Wilhelm Kpz.

Quelle:
Bismarck, Otto Eduard Leopold: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 630-631.
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