VI. Geschichte und Völkerkunde

[393] Ganz offenbar zeigt sich die Inferiorität des alten Orients gegenüber den Griechen auf dem historischen Gebiete. Er ist völlig unfähig zu aller derjenigen Geschichte, welche irgendwie über das eigene Volk hinausgeht, und auch in der Kenntnisnahme von der Geschichte des eigenen Volkes sehr befangen, schon weil alle Aufzeichnung offiziell, durch Beauftragte geschieht. Die Inder sind völlig geschichtslos, und zwar mit Willen; hat doch die ganze äußere Welt Platz in einer Falte von Brahmas Mantel. – Ägypter und Assyrer haben ihre Regentenchronik, worin das eigene Volk nur beiläufig und als Sache, das ganze Ausland aber nur als Beute und Objekt von Rache und Gier figuriert. Undenkbar ist es, daß die Vorstellungen Platos von ägyptischer Bemühung um das Große bei den andern Völkern354 der Wirklichkeit irgendwie entsprechen; denn an einer solchen Buchführung über die ganze Welt wäre der Ägypter durch seinen Rassenhaß, seine Reinigkeitsgesetze und seinen Hochmut, die ihn unvermeidlich isolierten, verhindert gewesen. – Die Perser besitzen statt des präzisen Bildes ihrer Herrschergeschichte ein typisch verklärtes in ihrem Königsbuch und ordnen dabei alle Personen und Ereignisse einseitig dem Kampf der beiden Weltprinzipien unter355. – Auch bei den Juden treffen wir die Unterordnung der Geschichte unter einen großen Gegensatz: den der Theokratie des echten Jehovadienstes und ihrer Feinde; man hat es bei ihnen mit den Akten eines Prozesses zu tun. Dabei erzählen sie nicht typisch-poetisch, sondern prosaisch, sie wollen das Geschehene melden und erheben sich bei allem Abscheu gegen das[393] Nicht-Jüdische doch bis zur Mitteilung einer Völkertafel, wie wir sie im X. Kapitel der Genesis lesen356. Aber trotzdem und obgleich sie als Bewohner eines Durchzuglandes Wichtiges über ihre ägyptischen und assyrischen Invasoren berichten, fehlt ihnen der objektive Geist gänzlich, und fremde Völker werden schlechterdings nur vom jüdischen Interesse aus, soweit es zum Verständnis der heimischen Geschichte unentbehrlich ist, besprochen. – Erst von den Phöniziern und Puniern ist es denkbar, daß sie nicht nur in der Ethnographie und Kosmographie, sondern sogar in objektiver politischer Betrachtung zwar nicht die Vorbilder, wohl aber die Vorgänger der Griechen gewesen sein mögen; denn auch sie hatten eine Vielheit von Poleis und konnten vergleichend verfahren; es konnte sich objektiver, politischer und handelspolitischer Geist entbinden und zu wissenschaftlicher Darstellung drängen, wofern nicht aus Klugheitsgründen von oben Stillschweigen erzwungen wurde, was wir uns für Karthago am ehesten vorstellen könnten357.

Ganz sicher aber haben nun die Griechen ein Auge, womit sie die Welt um sich herum als ein Panorama schauen, und objektiven Geist, und das nicht nur für ihr Volkstum, sondern sie führen die Feder für alle Völker. Sie erst können etwas sehen und sich dafür interessieren, ohne es zu besitzen oder auch nur zu begehren; und da sie in lauter einzelne Poleis und diese wieder in Parteien zerfallen, kennen und schildern sie auch einander. Die unparteiische Beschauung fremder Völker und vergangener Zeiten bildet aber einen ewigen Ruhmestitel für sie; denn seit ihnen und durch sie sind alle Kulturvölker genötigt, von allen Völkern und Zeiten Notiz zu nehmen; dieses Allinteresse verdanken wir nur ihnen; wir können uns nicht denken, wie es gekommen wäre, wenn sie nicht mit ihrer Denkart die Römer angesteckt hätten358.


Aber dieses Volk hat seine geschichtliche Erfahrung und seine Weltkunde, woran ihm so viel gelegen war, demselben Wahn gegenüber erkämpfen[394] müssen, wie seine Naturkenntnis. Schon die Fortdauer des Mythus und seiner Geographie, wovon im ersten Abschnitte dieses Werkes die Rede gewesen ist359, schuf nicht geringeA15 Schwierigkeiten und Hindernisse; jedenfalls überließ man weitere Fernen gerne dem Dichter und Mythographen360 und mochte sich dabei allenfalls noch mit dem Bewußtsein des Vorzuges trösten, den die Poesie vor der Geschichte hat, indem sie nach Aristoteles mehr als das Allgemeine, die Geschichte mehr das Einzelne darstellt361. Auch des hemmenden Einflusses Homers auf die Weltkunde ist hier nochmals zu gedenken362. Kurz, überall stellte sich der aprioristisch-mythische Sinn der Erkenntnis des Tatsächlichen wie eine Mauer entgegen.

Und doch ist der größte Feind der genauen historischen Wissenschaft bei den Griechen nicht der Mythus; denn diesen würde man bemeistert haben, sondern ihre unverbesserliche Ungenauigkeit und Gleichgültigkeit gegen das Exakte. Ihre Objektivität bezieht sich im ganzen nicht auf sachlich genaue Ergründung irgendeines Tatbestandes, sondern auf dessen innere Bedeutsamkeit, seinen allgemeinen menschlichen oder volkstümlichen Gehalt, welche möglichst sprechend hervortreten sollen. Welche Abweichungen man sich in der Tragödie in den Schicksalen und Charakteren der einzelnen Personen gefallen ließ, haben wir früher gesehen363. Für die Geschichte ist vor allem wichtig, daß die Ereignisse und die traditionellen Auffassungen der Persönlichkeiten von der dorischen Wanderung an die längste Zeit nur mündlich überliefert wurden. So wurden gemäß der typisch-mythischen Anschauung der Dinge aus den[395] geschichtlichen Ereignissen von selbst Mythen, d.h. die Erzählenden taten ex ingenio, weiterdichtend, ausmalend und vervollständigend, teils aus der allgemeinen Natur der betreffenden Sache, teils aus sonstiger zerstreuter Kunde jener Zeit so vieles hinzu und so vieles wirklich früher bekannt Gewesenes hinweg, daß das betreffende Ereignis oder Individuum zwar höchst charakteristisch-typisch aussieht, aber dem ursprünglichen Tatbestand nur wenig gleicht364, und daß vielleicht von ganzen großen Verumständungen zwei oder drei Anekdoten als das am meisten Bezeichnende übrig bleiben. Schon hier ergibt sich ein Hauptunterschied zwischen Herodot, der so vorwiegend aus mündlichen Erzählungen Dritter, ja Zehnter schöpft, und Thukydides, dessen Quelle Akten und mündliche Erzählungen von unmittelbar Wissenden, d.h. Augenzeugen sind.

Wenn sich nun alles mündlich Überlieferte auch bei allen andern Völkern auf diese Art abrundet und von selbst in Poesie einartet, so hatten die Griechen außerdem noch in ihrer spätern literarischen Zeit die Neigung zum typischen Erzählen, und bis zu allerletzt wuchert bei ihnen hier das Anekdotische weiter, indem sich zu dem vielleicht wenigen echt Überlieferten eine bisweilen sehr ausgedehnte Kruste von Hinzugedichtetem gesellt. Besonders wurde, was in gewissen Lebensbeziehungen vorkam, auf deren berühmtesten Repräsentanten gehäuft, und was man ihm in Gutem oder Bösem gönnte, erdichtet. Bei allen berühmten Philosophen und andern Zelebritäten werden Lebensumstände und Ereignisse nach einer Art von typischer Wahrscheinlichkeitsrechnung nach Belieben ersonnen, Beziehungen zu wirklichen oder vermeintlichen Zeitgenossen aufs keckste behauptet, und bisweilen die chronologische Möglichkeit ins Gesicht geschlagen. Wer diese typisch-mythische Erzählungsweise einmal kennt, verzichtet in sehr vielen Fällen darauf, jemals das buchstäblich Geschehene zu erkunden. Dieses und das bloß innerlich Geschaute sind nun eben einmal bei den meisten Griechen nie völlig geschieden; dieselben beruhigen sich, wie schon oben365 gesagt, gerne bei einem von irgendjemand behaupteten Tatbestand, und auch die in andern Fächern sehr Großen sind besonders für geschichtliche Tatsachen leicht gleichgültig. Gleichwohl erscheint uns die Verachtung wenig angebracht, womit von seiten der jetzigen kritischen Gelehrsamkeit dem Anekdotischen oft begegnet wird, indem man es im Vergleich mit der Ermittlung präziser Tatbestände als wertlos, unwürdig usw. erklärt, während man doch dazu verurteilt ist, eben dieses Anekdotische zu[396] sieben und zu sortieren, und die Tatbestände vielleicht nur Schutt sind. Sind denn alle diese Geschichten, die ja oft das einzige sind, was wir von einer Zeit haben, keine Geschichte mehr? Geschichte im gewöhnlichen Sinne allerdings nicht, da wir dadurch nicht erfahren können, was zu einer bestimmten Zeit durch eine bestimmte Persönlichkeit an einem bestimmten Orte geschehen ist, wohl aber gewissermaßen eine historia altera, eine vorgestellte Geschichte, die uns sagt, was man den Menschen zutraute, und was für sie charakteristisch ist. Wenn wir durch unsere Schulung auf das Exakte angewiesen sind und außerhalb desselben kein Heil sehen, so schauen die Griechen dafür Typen, und der Ausdruck für den Typus ist die Anekdote, die im ganzen immer wahr ist und doch kein einziges Mal wahr gewesen ist. In diesem Sinne bleibt z B. das erste Buch Herodots ewig wahr, obschon gewiß nicht viel davon übrigbliebe, wenn man das Typische abzöge.

Die neuere Kritik hat manches von diesen Anekdoten, oft mit leichter Mühe, schon durch Nachweisung von Anachronismen, anderweitigem Vorkommen usw. beseitigt, und doch wird man z.B. bei Plutarch nie mit allem aufräumen können noch auch wollen. Aber nun hat sie es neben den spontanen charakteristisch-typischen Geschichten auch mit der absichtlichen literarisch erarbeiteten Erdichtung, der geflissentlichen Erfindung zu tun gehabt, die sie als die Unart ganzer Schulen hat nachweisen können366. So ist das Verhältnis zwischen Solon und Peisistratos bei Älian (V.H. VIII, 16) von Anfang bis zu Ende von Leuten ersonnen, die sich mit Muße ausdachten, wie sie sich an Solons Stelle würden benommen haben. Mit Pythagoras wird geradezu alles und jegliches aufs gewaltsamste in Verbindung gebracht: Numa so gut als Zaleukos, der sein Schüler gewesen sein soll367; ja, als die Demokraten von Sybaris die Auslieferung der vor ihnen nach Kroton Geflüchteten unter Kriegsdrohung verlangten, muß er das Volk von Kroton zur Rettung der Schutzflehenden bewogen haben368. Wer vollends den Komikern in die Hände fiel, wie Euripides, der wurde samt Eltern und Großeltern zum Märchen; es ist eine wahre Schande, wie sich bezüglich des Todes dieses Dichters drei[397] bis vier absurde Sagen streiten können. Ferner herrscht das Anekdotische in der ganzen Lebensgeschichte Platos, sowohl bei Diogenes von Laerte als bei den übrigen Biographen. Selbst die wahren Tatsachen werden mit Gesprächen, Umständen und Witzen referiert, welche das größte Mißtrauen rege machen, so daß schließlich fast jeder Punkt im Leben des Philosophen bestritten ist, und mit Hippokrates steht es ähnlich. Hieher gehört auch die Ausmalung der verschiedenen Arten, wie Tyrannen herrschten und gestürzt wurden, und überhaupt aller Verschwörungsgeschichten369. So ist jedenfalls die ganze Darstellung des Tuns und Charakters des Aristodemos von Cumä bei Dionys von Halikarnaß (VII, 4ff.) eine geflissentliche Anhäufung alles dessen, was bei Tyrannen von Anfang bis zu Ende vorgekommen war. – Zu den ersonnenen Geschichten gehört auch ohne Zweifel die Zurückweisung, die Hieron am olympischen Feste erfahren haben soll, weil er an dem größten Kampf keinen Anteil genommen370.

Überhaupt scheint die Vulgata des Perserkrieges, wie sie schon Herodot vorfand, besonders was die odysseischen Listen des Themistokles und sein angebliches Zusammenwirken mit Aristides betrifft, zurechtgemacht; wie grenzenlos schon damals die Ruhmsucht und daherige Verlogenheit war, kommt u.a. bei Gelegenheit der falschen Grabhügel an den Tag, die Herodot – der bei dieser Gelegenheit offen herausredet – bei Platää kannte371. Auch das böse Ende der drei Ankläger des Sokrates, denen ihre Mitbürger eine solche Verachtung bezeugt haben sollen, daß sie sich schließlich erhängten, wird so erzählt worden sein, wie man es ihnen gegönnt haben würde372. Offenbar fabelhaft ist weiterhin der Pomp Alexanders, wie ihn z.B. Älian (IX, 3) erzählt, und hoffentlich werden auch eine Anzahl Greuel der griechischen Geschichte, wie z.B. was die Lokrer nach demselben Autor (IX, 8) an den Frauen vom Hause des jüngern Dionys taten, ersonnen sein. Auch der Reiselügner ist hier nochmals373 Erwähnung zu tun. Die Erdichtung erfolgte bei ihnen in doppelter Richtung, indem erstens übertriebene und wunderbare Dinge, die im Orient sein sollten, frei ersonnen und zweitens griechische Mythen mitgenommen und hinverpflanzt wurden. Letzteres wagten besonders die[398] Begleiter Alexanders, um ihm zu schmeicheln. Dieselben verlegten z.B. den Kaukasos aus dem Norden nach dem östlichen Meer, indem sie gewisse indische Berge Kaukasos nannten, und zeigten dem König in den Paropamisaden eine heilige Höhle als das Gefängnis, woraus Herakles den Prometheus befreit habe. Alexander sollte damit, weil er gleich weit gelangt sei, dem Herakles verglichen werden374.

Und nun offenbart sich eine eigentliche Fälschernatur der Hellenen besonders auch im Unterschieben von Dokumenten. Es ist höchst charakteristisch, daß gleich der erste Brief, der in der spätern Troiasage vorkommt, eine Fälschung ist375. Später wurden vor allem, um die Leute zu ängstigen, endlos Chresmen gefälscht, ja man kann sagen, daß, was man an solchen besaß, fast alles unecht war. Ferner schmückte der Grieche mehr als eine andere Nation seine Literaturprodukte mit ältern Namen, ja er dichtete sie gerne sogar im Sinne einer ältern Welt. Wenn dabei bisweilen kaum auf das Gelingen der Täuschung gerechnet sein mochte, so lassen die meisten Fälle doch kaum eine andere Erklärung zu, weil sich frühe schon auch eine bestimmte Tendenz in diese Unterschiebungen hineinflicht; es mochte eben gar zu verführerisch sein, sich auf die Leichtgläubigkeit der Nation zu verlassen. Das stärkste Beispiel hiefür sind die orphischen Schriften, weil es sich dabei um eine Religionssekte handelt, die alles an den Namen eines Sängers der Vorwelt hängte376. Aber auch fürstliche Sammler wurden später gerne betrogen: man wartete z.B. dem Ptolemäos (Philadelphos?), als er die Werke des Aristoteles, dem Juba, als er solche des Pythagoras sammeln wollte, mit alt aussehenden gebeizten Handschriften auf377. Im II. Jahrhundert v. Chr. kommt dann die Fälschung der Bücher des Numa zu Rom, und noch unter Claudius fand man, als bei einem Erdbeben in Kreta viele Gräber aufsprangen, in einem solchen die Troiadichtung des angeblichen Zeitgenossen Agamemnons,[399] Diktys; man hatte sie jedenfalls vorher hineingelegt. Ganz besonders gerne und geläufig wurden bekanntlich Briefe fingiert, die man sogar Leuten der Urzeit in die Feder legte, so daß daraus die fingierte poetische Gattung der Heroiden entstehen konnte. Wir haben oben (S. 317) gesehen, daß es sich hier allerdings großenteils um eine harmlose epideiktisch rhetorische Übung handelt; es war dies aber durchaus nicht immer der Fall, und bisweilen schwankten die Ansichten über die Echtheit schon im Altertum378; jedenfalls waren neun Zehntel der Briefe nicht von den angeblichen Verfassern. Und auch um die Geschlechtstafeln und Urkunden stand es manchmal nicht besser: Der alte ionische Geschichtsschreiber Akusilaos war, so wie man ihn später besaß, ein notorisches Falsum (νοϑεύεται). Er sollte seine Genealogien aus ehernen Schreibtafeln zusammengestellt haben, die sein Vater durch Ausgrabung gefunden379. Auch Gesetze und Volksbeschlüsse wurden leichthin fingiert; letztere verraten sich dann etwa durch geschwätzige Motivierung, wie der der Athener zu Ehren des Hippokrates380.

Nehmen wir zu diesem allem noch das Gegenbild des Fälschens, nämlich das Unterschlagen des Vorhandenen381, so erhalten wir eine Vorstellung von den Schwierigkeiten, die dem kritischen Forscher überall begegneten. Wer das Wahre suchte, wie Thukydides, mußte erstens Wahrheit von Poesie und zweitens Wahrheit von Fälschung auf Schritt und Tritt scheiden. Und schließlich ist das seit längerer Zeit Vergangene dann doch nie die starke Seite der griechischen Historiographie gewesen382, sondern durch die Darstellung des Zeitgenössischen oder noch nicht lange Vergangenen wurde sie groß. Hier erreichte sie die Höhe alles Pragmatischen, wenn auch unter starker Einwirkung der Rhetorik, was später so selbstverständlich erscheint, daß z.B. Dionys von Halikarnaß gegenüber Thukydides keinen andern Maßstab hat. Bisweilen spottete ihrer aber auch dann irgendein Vorurteil. Als z.B. Thukydides die trotz Kunden und Denkmälern von den Athenern festgehaltene Meinung[400] bestritt, daß Harmodios und Aristogeiton den Hipparch als Stadtregenten getötet und damit der Tyrannis ein Ende gemacht hätten, erntete er für seine Berichtigung als Dank den Vorwurf der Lüge, indem es (bei Hermippos) hieß, er habe, weil selber mit den Peisistratiden verwandt, aus Neid behauptet, jene beiden seien keine Tyrannentöter gewesen383.


Historie (Erkundung) im griechischen Sinne enthält nun neben der Geschichte Orts- und Länderkunde, ja Geschichte nach Ländern. Die Griechen sind spät dazu gekommen, aber dafür ist ihre Geschichtsschreibung auch so gesund als möglich entstanden. Ihre Basis war die Topographie des einzelnen Ortes oder Landes, die Ortsmythen, lokale Antiquitäten, Erinnerungen aller Art, wofür das Verzeichnis der olympischen Sieger, das (freilich notorisch aus der Erinnerung ergänzte) der spartanischen Könige, die der Prytanen von Korinth, der Archonten von Athen, der Priesterinnen von Argos und Ähnliches der Art das notwendigste chronologische Gerüste abgeben mochten384. Erst nachdem man mit der Vaterstadt, dem einzelnen kleinen Staate, begonnen hatte, dessen Aufzeichnungen, wenn er solche besaß, eher wie Antiquitäten als wie Geschichte werden ausgesehen haben, ging man zur Geographie und Historiographie auch anderer Länder (d.h. zu deren Geschichte in geographischer Anordnung) und dann zu der Verflechtung der Schicksale mehrerer Länder über; aber man entschloß sich schwer und langsam, zumal zur Erzählung der nächsten Vergangenheit; auch brachte erst der Perserkrieg Ereignisse, die an Gesamtbedeutung für die Nation den mythischen gleichstanden, welche bisher alles Interesse auf sich gezogen hatten. Noch Heraklit hielt nicht viel vom allgemeinen Weltverlauf; »die Zeit ist ein spielendes und sich im Brettspiele übendes Kind, und dieses Kind hat die Königsgewalt«, ist sein Wort385.

Ihren Anfang aber hat die hellenische Historiographie in Ionien gehabt, und zwar in Milet, welches überhaupt statt Athens die Lehrerin der Völker geworden wäre, wenn nicht die Knechtung durch die persische Übermacht (der wir die Schuld hieran lieber zumessen als dem üppigen Leben der Ionier) der geistigen Entwicklung ein gewaltsames Ziel gesetzt hätte. Von dieser Stadt gab es schon um 540 v. Chr. eine in Prosa verfaßte Gründungsgeschichte (κτίσις), die auch von dem übrigen Ionien[401] handelte und einem Kadmos zugeschrieben wurde386. Bereits um 502 aber, beim Beginn des ionischen Aufstandes, war hier Hekatäos ein Mann von Ansehen, der sein bald »Historien«, bald »Genealogien« benanntes Geschichtswerk mit dem Satze beginnen durfte: »Also spricht Hekatäos von Milet: Ich schreibe dies so, wie es mir als wahr erscheint; denn die Erzählungen der Hellenen sind mannigfaltig und albern, wie mir vorkommt.« Er ging hier auf die Stammsagen der Griechen ein und besonders auch auf die Stammbäume387 und muß daneben auch manche Ereignisse der geschichtlichen Zeit erzählt haben. Bezeichnend ist, daß schon dieser frühe Autor, gleich Herodot, indem er z.B. den Kerberos zu einer bloßen Schlange machte, stellenweise Euhemerist war; das rationalistische Hinunterdingen mochte wohl eine ionische Mode sein. – Außer den Genalogien gab es von Hekatäos aber auch eine »Fahrt um die Welt« (γῆς περίοδος), worin von dem vielgereisten und auf alle diejenigen Länder, mit welchen Griechen in Verbindung traten, aufmerksamen Manne Europa und Asien in zwei Büchern behandelt waren. Seine Kenntnisse reichten von den Säulen des Herakles bis zum Indus, und seine Länderschilderungen waren umständlicher als die Herodots und bezogen sich auch auf Länder, die dieser nicht kannte388. Auch soll er die zuerst von Anaximander entworfene Weltkarte verbessert haben, und diese wird es gewesen sein, die Aristagoras in Sparta dem König Kleomenes, solid auf eine eherne Tafel eingraviert, vorwies. Die alten Ägypter werden kaum mehr als Landeskarten gehabt haben; nur lonier und am ehesten Milesier konnten etwas wie eine Weltkarte zustande bringen389. Da sie die einzigen sind, welche die ganze alte Welt irgendwie zu schildern unternahmen, haben wir wahrhaftig kein Recht, mit ihren Irrtümern als Kosmographen strenge zu sein.

Während dann Pherekydes von Leros, ähnlich dem frühern Akusilaos, welcher die Mythen seit dem Chaos in zusammenhängender Darstellung gesammelt hatte, hauptsächlich die mythisch-genealogische Forschung pflegte, verfuhr Charon von Lampsakos (mindestens bis 464 v. Chr.) eher in der Art des Hekatäos. Auch er schrieb zwar Jahrbücher (ὧροι) seiner Vaterstadt, daneben aber beschäftigte ihn die Völkerkunde des Orients: er[402] verfaßte einzelne Werke über Persien, Libyen, Äthiopien und war als Erzähler des Perserkrieges der Vorgänger Herodots. Ebenfalls von persischer Geschichte hatten schon früher die Werke des Dionysios von Milet gehandelt, erst zur Zeit der Perserkriege dagegen verfaßte Hippys von Rhegion als der erste eine Geschichte Siziliens, worin auch eine Darstellung der Besiedelung Italiens vorkam. Bis gegen den Peloponnesischen Krieg hin scheint ferner Xanthos, der Lyder, gelebt zu haben, der Verfasser eines auch geographisch und ethnographisch wichtigen Werkes über Lydien, das laut den Fragmenten treffliche Kunde gegeben haben muß. Dessen Zeitgenosse, der noch zu Anfang des Peloponnesischen Krieges lebte, der erste historische Gelehrte390, Hellanikos von Mytilene endlich vertrat alle möglichen Gattungen; er behandelte einzelne Sagenkreise und landschaftliche Mythen, entwickelte in den »Priesterinnen der (argivischen) Hera« und den »Siegern an den (lakedämonischen) Karneen« ein chronologisches System (im letztern Werke vielleicht mit wichtigen Notizen zur Geschichte der Poesie und Musik von 676 an), schrieb außer über seine äolisch-lesbische Heimat und über Attika auch ein Werk über das Persische Reich und gab in seinen Schriften, wenn auch in kurzer Form, eine Zeitgeschichte, deren Inhalt die Ereignisse zwischen dem Persischen und dem Peloponnesischen Kriege waren391.

Dies sind die Logographen, wie man Herodots Vorgänger gewöhnlich nennt, zu denen man noch seiner ethnographischen Schriften wegen den (freilich etwas jüngern) Demokrit und diesen oder jenen frühern Philosophen rechnen könnte, von dem unter der Masse von Büchertiteln bei Diogenes Laertius Schriften historischen, biographischen, topographischen oder geographischen Inhalts zitiert werden. Sie alle schreiben ionisch, nicht um einer Dynastie oder eines Tempels willen, sondern frei aus eigenem innerm Interesse an den Dingen, und weil sie ein solches bei ihren Lesern voraussetzen; viele mögen wohl auch nur andere ab- oder ausgeschrieben haben, um bestimmte Kunden für sich zu besitzen. Während die großen Tragiker den Mythus auf ihre Weise in die Kur nehmen, sammeln sie ihn noch einmal stofflich und bringen ihn auch wohl (durch Genealogien und Chronologie) in ein System oder doch in einen größern Zusammenhang; daneben aber erzählen sie die Lokalgeschichte oder Lokalsage[403] ihrer Polis, berichten die Zeitgeschichte und entdecken Geographie und Geschichte des Orients, d.h. das begabte Volk κατ᾽ ἐξοχήν beginnt Buch zu führen über die Welt überhaupt und hat dabei kein anderes »Prinzip« als das des Interessanten.

Das Verdienst dieser Geschichtsschreibung aber wäre nicht bloß nach deren absolutem Wert (nach Inhalt und Tiefe) und namentlich nicht bloß nach dem relativen Wert für unsere Kuriosität zu beurteilen, sondern wesentlich nach der völligen Freiwilligkeit der Leistung. Es ist eine auch bei Voraussetzung des stärksten innern Berufs und äußern Begehrs erlaubte Vorfrage: welchen Vorteil oder wenigstens Ersatz für die sehr großen Opfer der Autorschaft die Historiker und Geographen hatten. Solange es keine Art öffentlicher Anstalten zur Sammlung und Mehrung des Wissens gab, und auch kein Tempel – Delphi vielleicht ausgenommen – weitere Kunde sammelte als die, welche ihn selbst betraf, mußte ein jeder selber sammeln und sein Depositum bilden. Wir möchten nun gerne wissen, ob die Städte jemals ihre Logographen honorierten und etwa als Stadthistoriker anstellten, ob sie Reisende beauftragten und unterstützten, und ob es in ihnen Käufer für die Bücher gab, oder ob die Forscher, wie die meisten Philosophen, in freiwilliger Armut lebten. Nach unserm Eindruck geschah fast alles spontan, und die Tätigkeit muß eine wesentlich aufopfernde gewesen sein.

Dasselbe wird aber auch für die Kosmographen des IV. Jahrhunderts, die Fortsetzer von Anaximanders, Hekatäos und Demokrits Forschung gelten392. Auch sie hatten noch damit zu tun, die stärksten Wahnvorstellungen, die sich allmählich festgesetzt hatten, zu beseitigen, und so hat die systematische Geographie auch einem Eudoxos, Dikäarch und Ephoros vieles zu verdanken393. Am meisten interessiert uns aber Pytheas von Massalia, von dessen Persönlichkeit und Lage wir gar zu gerne Näheres wüßten. Er reiste nach 340 v. Chr., etwa zu derselben Zeit, da Alexander, in seiner Art auch ein großer Entdecker, die Welt eroberte, und man kann sich denken, daß so in den nämlichen Jahren Griechen zum ersten Male nach Thule und an den Indus gelangten. Seine Fahrt ging von Gades um Spanien herum und an der Küste von Frankreich vorbei nach Britannien, wo er das Zinnland besucht zu haben scheint, und dann bis sechs Tagefahrten nördlich von Britannien, bis nach dem genannten Thule, welches[404] am ehesten irgend ein Shet landseiland ist. Er bestimmte die Lage des Bernsteinlandes und ist der erste und einzige Zeuge für die Unterscheidung von Skythen und Kelten an der Nordsee, während er von Germanen noch nichts weiß. In seiner Schrift, welche den Titel »über den Ozean« führte, brachte er zuerst den Mond in Beziehung zu Ebbe und Flut und maß auch Fluthöhen. Wir möchten es ihm nun gerne gönnen, wenn er sich bei seinen Reisen der Unterstützung der massaliotischen Kaufmannschaft und selbst des Staates erfreut hätte, wie Müllenhoff394 anzunehmen geneigt ist; aber der einzige Zeuge, den wir über seine Verhältnisse haben, Polyb395, nennt ihn ausdrücklich einen unbemittelten Privatmann (ἰδιώτης ἀνὴρ καὶ πένης), und dabei wird es wohl bleiben müssen.

Um aber auf die Logographen zurückzukommen, so faßt Dionys von Halikarnaß396 ihre Gesamtleistung in den Satz zusammen, »sie hätten teils hellenische, teils barbarische Historien aufgeschrieben und nicht ineinander verflochten, sondern nach Städten und Völkern getrennt dargestellt und dabei das eine Ziel verfolgt: was schriftlich erhalten war von Erinnerungen der Eingebornen, mochte es in Tempeln oder an profanen Orten aufbewahrt sein, so wie sie es vorgefunden, indem sie weder dazu noch davon taten, zu allgemeiner Kunde zu bringen, samt altgeglaubten Mythen und dramatischen Hergängen, die unsern jetzigen Leuten kindisch vorkommen«. Das Publikum aber, welches sie gefunden haben müssen, war dasselbe Volk, welches bisher ausschließlich auf den Mythus gehorcht hatte und nun wiederum begierig auf ein Neues horchte. Inzwischen war freilich die Zeit eine literarische geworden, und für die vielen begann nun das Vorlesen. Da kam und las in Athen und vielleicht auch in Olympia: Herodot.


Von Herodots äußern Schicksalen erfahren wir, daß er 484 zu Halikarnaß geboren wurde und in seinen Jünglingsjahren, von Artemisias Enkel Lygdamis vertrieben, lange in Samos lebte. Später half er seine Heimat von Lygdamis befreien, fand aber neuen Verdruß und zog wahrscheinlich zunächst nach Athen. Von hier aus beteiligte er sich irgendeinmal an der Kolonisation von Thurioi, und an diesem Orte scheint er sowohl die Hauptsache an seinem Werke geschrieben zu haben, als vor dem völligen Abschlusse desselben – denn es schließt zufällig und wie unvollendet – noch vor der zweiten Hälfte des Peloponnesischen Krieges gestorben zu sein. Den völlig ionischen Geist, den er überall zeigt, mag der Bürger des dorischen Halikarnaß zu Samos in sich aufgenommen haben, und ebenda[405] wird er sich seine volle Beherrschung des ionischen Dialekts angeeignet haben. Seine große Weltkenntnis förderten die Reisen, die er in seinen frühern Jahren bis Elephantine in Ägypten, nach Kyrene, Phönizien, Babylon, dem kimmerischen Bosporos, dem Skythenland und Kolchis unternahm: ob er nach Persien kam, ist fraglich. Mit welchen Mitteln er gereist ist, ob er, wie Thukydides, ein reicher Mann war, oder ob er sich als Kaufmann durchhalf, weiß man nicht; jedenfalls hat er auch Gegenden besucht, wo eine kaufmännische Tätigkeit für ihn nicht denkbar ist. Da diese Reisen doch teilweise erst in die Jahrzehnte fallen, wo das vordere Kleinasien von den Persern wieder frei war, ist es auch ungewiß, ob er dabei immer den Schutz der persischen Behörden genoß397. Der Plan zu seinem Werke, wie wir es jetzt haben, ist wohl erst allmählich in ihm gereift; außer demselben haben von ihm nach einem Zitat des Aristoteles auch »Assyrische Geschichten« faktisch existiert. Von ihm meldet nun wirklich eine alte Nachricht, daß er auf seine Vorlesungen in Athen hin aus der attischen Staatskasse ein Geschenk von zehn Talenten empfangen habe.

Mit einer Kraft, die nur von seinem reinen Forschungstrieb stammen konnte, ging Herodot an seine große Aufgabe, die darin bestand, den Gegensatz zwischen Griechenland und Asien mit seinem großen Ausgange im Perserkrieg darzustellen. Daß sein Werk daneben die Tendenz gehabt habe, eine Weltanschauung zu predigen, deren Inhalt die Anschauung der Wandelbarkeit des Irdischen, der Neid der Götter, die Verwerfung der maßverachtenden Hybris usw. war, scheint uns nicht ganz wahrscheinlich398. Er spricht sich zwar oft und viel in diesem Sinne aus; aber diese Dinge sind nicht die Seele seines Buches, d.h. er würde dasselbe nicht wegen einer Überzeugung geschrieben haben, die damals fast jedermann teilte399. Uns scheint der einzige Zweck, den er bei seiner Darstellung des kolossalen, die verschiedensten Nationen in Konnex bringenden Konfliktes verfolgte, der in seiner Einleitung (I, 1) proklamierte gewesen zu sein: »Damit nicht große und wunderbare Taten, die teils von Hellenen, teils von Barbaren getan worden sind, der Vergessenheit anheimfallen.« Dies ist ein Gedanke, der keinem Ägypter oder Juden hätte kommen können.

Die Komposition ist episodisch bis zum VII. Buche; von der Schlacht bei Marathon an oder doch bald hernach folgen die Ereignisse sich ununterbrochen.[406] Da Herodot es nicht mit einem einzelnen Reich oder Tempel, sondern mit der Welt im Großen zu tun und dem genannten Zwecke gemäß einen enormen Vorrat des Wissenswürdigsten – und zwar zum erstenmal – zu erzählen hat, muß er so verfahren, und noch Späte, wie Ammianus Marcellinus, haben ihn darin nachgeahmt. Er läßt jedes Land da, wo es in den Zusammenhang der Ereignisse eintritt, seine Geschichte, bald höchst umständlich (Ägypten), bald nur quantum satis erzählen.

Es gibt nun starke Stücke solcher Einschachtelung, und deshalb können wir uns O. Müllers bewunderndes Urteil: »das Werk sei ein in sich so harmonisches und in seiner Art so vollkommenes Produkt, als es ein Menschenwerk nur immer sein kann«400, nicht völlig aneignen. Bei der so pressant beginnenden Krisis des ionischen Aufstandes gibt der Autor bei Anlaß der Werbereise des Aristagoras nach Athen und Sparta ganze große und wichtige Stücke der spartanischen, attischen und korinthischen Geschichte (V, 39-97) und fährt dann wieder ganz ruhig mit den weitern Verrichtungen des Aristagoras fort. Auch (VI, 125-131) unmittelbar nach der Schlacht von Marathon erzählt er ruhig die Geschichte der Alkmäoniden, die Hochzeit der Agariste usw., und ebenso schachtelt er (IV, 168-199) seine ganze Geographie von Libyen in die mächtig vorwärtstreibende und furchtbare Geschichte der Pheretime ein. Das sind Reste von Ungeschicklichkeit. Aber deswegen möchten wir diese Parenthesen doch nicht ungeschrieben wünschen. Herodot strömt eben über von Erfragtem – dies bedeutet ja ἱστορία –, Geschichte und Geographie machen bei ihm Riesenschritte.

Seine große Frische stammt gutenteils daher, daß er mündliche Erzählungen aufzeichnet, ja sein meistes Erzählen ist derart a priori mündlich, daß das Entlehnen aus schriftlichen Erzählungen daneben sofort als tot und langweilig erscheinen würde. Natürlich ist dabei das wenigste exakt, das meiste schon von selber typisch aufgefaßt. Nur schon im ersten Buch wimmelt es von solchen Geschichten401, die, obwohl er sie als glaubwürdige Geschichte gibt, vollständig den Charakter der Novelle haben; es ist keine darunter, für die wir ihm nicht innig dankbar wären. Und zwar mögen es sehr viel weniger Erzählungen aus dem Munde von Asiaten als von Griechen sein, die in Asien, Ägypten, Skythenland usw. lebten. Dieser Art ist die ganze Mermnadengeschichte. Die Geschichte vom Tode des Kamybses geht rein orientalisch etwa bis zu den abgeschnittenen Ohren des Pseudosmerdis fort; von da an (III, 70) ist es eine völlig hellenisierte Novelle, vielleicht aus zehnter griechischer Hand. Die Beratung der sieben persischen Großen gleicht ganz dem Beginn eines Komplotts[407] gegen den Ortstyrannen in einer Griechenstadt; auch das Eindringen in den Palast und die Tötung des Smerdis ist ganz in dieser Farbe gehalten, und vollends die Verfassungsdebatte, von der auch Herodot (80) zugibt, daß auch Griechen nicht daran glaubten. Schließlich gibt Dareios den Ausschlag für die Monarchie, als in welche sowohl Oligarchie als Demokratie mit der Zeit doch einmünden. Wie dieser dann aber die Krone erhält, ist eine der stärksten Satiren auf den Lauf der Welt: nachdem man die höchsten Theorien und Reflexionen ausgepackt hat, entscheidet die List eines Knechtes und die Begierde eines Tiers. Selbst wenn nämlich die Sage vom Pferd persisch wäre, indem »die Perser so und so erzählten«, so käme ja doch erst durch die vorhergegangenen (jedenfalls griechischen) theoretischen Betrachtungen die wahre Komik hinein402. Ganz mündlich, wie diese persischen Geschichten, voll Frische und typischer Wahrheit sind auch die samischen von Polykrates bis Syloson und Mäandrios; zum Schönsten aber gehört doch immer die Anlage und Durchführung des ersten Buches, welches völlig mündlich und noch ganz wie ein Epos lautet.

Eine Menge Gründe und Motive, nicht, wie die Betreffenden sie hatten, aber wie sie sie gehabt haben könnten, und außerdem seine eigenen allgemeinen Gedanken legt Herodot in den von ihm selbst fingierten Gesprächen nieder, während er anderseits noch gar keine Volksreden bringt. Dieser Art sind außer den Reden Solons bei Krösos die meisten Reden und Gespräche des Xerxes mit seinen Großen (VII, 8ff. 45ff.). Artaban ist oft Herodot selbst, und namentlich vor und nach der Thermopylenschlacht funktioniert Demaratos nahezu wie ein dramatischer Confident, gegen den sich dann Xerxes in wechselnden Reflexionen ergeht. Dies Verlegen des Für und Wider in Reden ist nicht erst Erfindung des räsonnierenden Geistes der spätern Griechen, sondern ein natürlicher Übergang aus dem naiv Epischen ins Historische.

Vollendet reif in Komposition und Darstellung ist dann am Ende des V. und Anfang des VI. Buches die Geschichte des ionischen Aufstandes. Ganz meisterlich, indem Herodot es dem Leser nicht aufdrängt, sondern nur fein andeutet, ist die Wendung der Dinge in die Ionier selbst und ihren Charakter verlegt. Schon Aristagoras mit seiner Welttafel als (zuletzt sehr zudringlicher) ionischer Schwindler (V, 49) ist eine überaus sprechende Gestalt, wenn man aber die Insubordination der Griechen betrachtet, wie sie sich vor der Schlacht bei Lade darstellt, ist die moralische Kausalität mit Händen zu greifen. Wenn eine Darstellung, die auf den[408] Nachweis des innern, ursächlichen Zusammenhangs ausgeht, pragmatisch ist, so handhabt hier Herodot das Pragmatische schon mit dem größten Genie403.

Über seine Objektivität haben wir von ihm das sein Verfahren im allgemeinen kennzeichnende Wort (VII, 152): »Ich habe die Pflicht zu erzählen, was erzählt wird; es zu glauben bin ich nicht durchweg verpflichtet, und diese Erklärung soll für meine ganze Darstellung gelten.« Auch scheidet er genau die Autopsie vom Hörensagen und gibt den Grad der Gewißheit an, indem er etwa (II, 99) sagt: »So weit geht meine Anschauung, meine eigene Meinung und meine Forschung; im fernern werde ich die ägyptischen Erzählungen, wie ich sie gehört, berichten; doch ist etwas von eigener Anschauung auch hiebei«404. Man möge daneben halten, wie die Geschichtsschreiber anderer Völker eine Sache nur entweder gar nicht oder apodiktisch zu sagen imstande sind, und man wird den enormen Fortschritt innewerden, der hier von den Griechen getan ist. Ein sprechendes Beispiel seiner ernstlichen Nachforschung ist die Stelle (II, 104f.), wo er eine Verwandtschaft der Kolcher mit den Ägyptern nachzuweisen sucht und bei genauer Darlegung seiner Gründe dazu kommt, der Verbreitung der Beschneidung von Volk zu Volk nachzugehen. Dazu ist seine Feder auch sehr unabhängig; er braucht z.B., als er die Bestechung des spartanischen und des korinthischen Admirals durch Themistokles zu erzählen hat, nicht zu fragen, »ob noch Verwandte der Betreffenden leben«.

Beim festesten Bewußtsein seines Wertes als Griechen, welches deutlich durchblickt, hat er doch gar keinen Dünkel gegen die Barbaren; er respektiert nicht nur deren Macht und alte Kultur (womit ohnehin indirekt der Sieg der Griechen über Persien im Werte steigt), sondern es freut ihn überhaupt, wenn er feste Lebensformen (Nomoi) antrifft, mögen diese an sich mehr oder minder lobenswert sein. Mit Recht, findet er, sage Pindar (sein Zeitgenosse), daß der Nomos König über alles sei, und aus dem Hohne des Kambyses gegen Religion und Gebräuche schließt er (III, 38) direkt auf dessen Wahnsinn. Auch weiß er (ebenda), daß, wenn man allen Menschen aufgäbe, die besten Nomoi aus allen auszuwählen, jegliche die ihrigen bevorzugen würden.

Höchst bedeutend ist sein Verständnis fremder Religionen. Hiebei muß[409] ihm freilich das griechische Bewußtsein (durch uralte Göttermischung und die von den Kolonien herstammende Kenntnis einer Menge von Barbarenkulten) längst vorgearbeitet haben; da er aber der erste ist, der in diesem Sinne spricht, so ist er für uns der Gründer der vergleichenden Religions- und Dogmengeschichte. – Andere alte Völker sind hierin national gebunden; ihre Götter sind national, wie die ihrer Feinde bei diesen; die Religion des Fremden, der ein Feind, ja unrein ist, kommt nur in Betracht, insofern sie seiner verhaßten Nationalität Macht verleiht; bei Siegen werden etwa die Götter der Feinde gewaltsam nach der Residenz des Siegers verpflanzt und ins dortige Göttersystem augfenommen (so noch in Peru). Der Grieche dagegen ahnt und sucht, wenn auch nicht immer mit sonderlicher Kritik, Affinitäten und Identitäten fremder Götter mit den seinigen und forscht endlich innerhalb der Fremdenreligion eines nach dem andern aus. Er hat keinen Abscheu gegen das Fremde; es interessiert ihn (I, 105), daß die Uranientempel auf Zypern und Kythera Ableger des uralten Tempels von Askalon sind und dergleichen, und dabei geht ihm die große Anschauung eines zeitlichen Entstehens, Wachsens und Sichänderns der Religionen auf. So rechnet Herodot dem Herakles (II, 43f.) sein ägyptisch-phönizisches und sein griechisches Dasein nach und löst ihn glücklich in zwei Gestalten auf; er läßt den Dionysosdienst (II, 49; vgl. 145f.) erst relativ spät durch Melampus auftreten, der ihn angeblich von Kadmos und seinen Phöniziern entlehnt hat, und entwickelt dabei seine Lehre von den »jüngsten Göttern«. Er glaubt (II, 50ff.) zu wissen, daß die hellenischen Götternamen aus der Fremde stammen, und daß die Pelasger, welche die Götter erst nur namenlos verehrten405, diese Namen erst allmählich erfuhren, am spätesten den des Dionysos. Von Beinamen, Ehren, Verrichtungen und Aussehen der Götter aber samt der Theogonie sagt er (II, 53), daß sie vollends erst von Homer und Hesiod stammten; »denn die angeblichen frühern Dichter halte ich für später«. Wie die Namen, leitet er (II, 58) auch (dies vielleicht in hohem Grade richtig) feierliche Kulthandlungen (Festversammlungen, Prozessionen, Bittgänge) von den Ägyptern her, bei denen die Griechen sie gelernt; in Ägypten seien sie uralt, bei den Hellenen aber viel später eingeführt. Dies alles hindert ihn aber durchaus nicht an großer Pietät für die Götter und für heimische wie fremde Weihen und Kulte, für die samothrakischen wie für die ägyptischen406; er will von ihnen ausdrücklich nur sagen, was alle Menschen wissen, und nur, soweit der Zusammenhang ihn dazu nötige.

[410] Daneben mag man ihm einigen Rationalismus und Euhemerismus ante Euhemerum407 zugute halten. Höchst naiv ist es, wie er (II, 145f.) die drei jüngsten Götter (Dionysos, Herakles, Pan) chronologisch zu erwischen glaubt, indem er deren irdischen Müttern (Semele, Alkmene, Penelope) ihre Zeit nachrechnet; auch sticht seine Io, welche vom phönizischen Schiffsmann geschwängert wird und aus Furcht vor ihren Eltern freiwillig mit den Phöniziern davongeht (I, 5), arg ab neben der Io seines Zeitgenossen Äschylos. Auch seine politisch-militärische Probabilitätskritik gegenüber der Troiasage (II, 120) gehört hieher: er meint, Helene könne nicht in Troia gewesen sein, sonst würde man sie ausgeliefert haben, um den Krieg abzuwenden.

Aber es handelt sich nicht darum, daß ein solcher Forscher beim ersten Male das Richtige treffe, sondern darum, daß er ein für allemal das Vermögen und die Pflicht der Geschichte proklamiert, sich mit diesen Fragen zu befassen. Von seinen Resultaten könnte im einzelnen alles falsch sein, und dennoch bliebe ihm seine hohe Bedeutung als Gründer einer objektiven Religionsbetrachtung.


Auch in der Weltkunde, worin ihm freilich die Ionier viel vorgearbeitet hatten, ist Herodot für uns der ausgesprochenste Vertreter der Griechen, welche, obwohl sich deutlich von den Barbaren geschieden wissend, sich doch mit der ganzen Welt verwandt und auch durch ihren Mythus verflochten fühlen, wie ja auch gerade sie Heroen und Götter haben, welche in andern Ländern reisen408. Dies Interesse, welches, als endlich der Hellenismus kam, auch auf die hellenisierten Barbaren übergegangen ist, hat er im höchsten Grade. Und nun kommen hinzu seine großen Eigenschaften: die Gabe der unmittelbaren Beobachtung, welche in neuerer Zeit so oft glänzend bestätigt worden ist, und die kritische Sicherheit, womit er z.B. (VI, 36, 42, 45) diejenigen bekämpft, die den Okeanos um die rund wie eine Drehschreibe gedachte Erde strömen lassen und Asien und Europa als gleich groß annehmen, oder womit er bei Anlaß der Skythen (IV, 5ff.) die echte skythische Stammsage, die Imagination der Pontusgriechen und ihr Hereinschleppen des Herakles, endlich die Phantasmen des Aristeas von Prokonnesos auseinanderhält und daneben seine eigene Ansicht durchführt: daß die Skythen auf dem Boden eines frühern, untergegangenen Kimmeriervolkes hausen. – Seine Anschauung[411] (III, 106ff.), daß die Ränder das Beste an der Welt seien, und daß Hellas mit seinen herrlich temperierten Jahreszeiten und ebenso Indien und Äthiopien mit ihrer gewaltigen Tierwelt und Fruchtbarkeit dahin gehören, ist im Hinblick auf das dürre Persien und Arabien nicht so unverzeihlich.

Und schon gingen andere weiter, zumal diejenige Quelle, aus welcher Thukydides seine erstaunliche Ethnographie von Sizilien (VI, 2ff.) schöpfte. Sie ist das Höchste, was an Aufzählung und richtiger Schichtung von Völkerbestandteilen im Altertum geleistet worden ist.

Von Thukydides wissen wir das Geburtsjahr nicht409 und vom Todesjahre nur, daß es in die Zeit nach der Wiederherstellung Athens fällt. Aus angesehenem attischen Hause hervorgegangen und mit einer reichen Frau verheiratet, verwandte er, wie sein Biograph Marcellinus sagt, seine Mittel zu Forschungen über die Geschichte des großen Krieges, den er sich zu erzählen vorgenommen und dessen Bedeutung er schon vor dem Ausbruche geahnt hatte. Er ließ es sich zu diesem Zweck z.B. viel Geld kosten, nicht nur von athenischen, sondern auch spartanischen und andern Soldaten die nötigen Aussagen zu erhalten, und ermittelte vermöge dieser Verhöre von Leuten beider Parteien aus der Übereinstimmung der mehrern die Wahrheit. Seiner Bildung nach gehörte er zu den höchsten Kreisen Athens: als Philosoph war er Anaxagoreer und in der Redekunst Schüler Antiphons, doch sollen auch Gorgias und Prodikos stark auf ihn eingewirkt haben. In der innern Politik spielte er keine Rolle, und die Rednerbühne bestieg er nicht; aber ein Kommando, das er 423 an der thrakischen Küste führte, und wobei er das Unglück hatte, daß Brasidas ihm mit der Einnahme von Amphipolis zuvorkam, wurde, trotzdem daß er bei dieser Gelegenheit Eïon hatte retten können, die Veranlassung seiner Verbannung aus Athen »wegen Verrates«. Er hielt sich von da an großenteils in Skapte-Hyle, wo er infolge seiner Heirat Goldbergwerke besaß, aber auch an andern Orten auf; nach Beendigung des Krieges konnte er zwar in die Heimat zurückkehren, soll aber hier nach wenigen Jahren gestorben sein, ohne sein Werk vollenden zu können, dessen Gesamtausarbeitung übrigens erst in das letzte Jahrzehnt seines Lebens fallen dürfte410.

Thukydides gibt nun von der damaligen griechischen Geschichte nur, was den großen Kampf berührt, dieses aber fast chronologisch. Er weiß, daß dieser Kampf das größte Ereignis seit Menschengedenken ist, und hat sich vorgenommen, denselben mit vollkommener Wahrheitsliebe zu[412] schildern, ausdrücklich nicht nach bloßem Befinden (ὡς ἐμοὶ ἐδόκει)411, sondern indem er den Dingen mit einer ehernen Objektivität auf den Grund geht. Zu dieser Aufgabe bringt er die Fähigkeit mit, alles, was man ihm berichtet hat, als Kundiger nachzudenken und durch seinen Geist gehen zu lassen; für Gründe, Anlässe, Verlauf und Ergebnis des großen Prozesses hat er den allerweitesten Ausblick: man sieht, wie die Dinge steigen und unvermeidlich werden; ohne aufdringliche Bemerkungen, mit den leisesten Mitteln läßt er uns die Notwendigkeit als solche empfinden. So hat er denn der Welt den großen Dienst geleistet zu zeigen, bis zu welchem Grade eine Krisis sich wahrheitsliebend schildern läßt. Während er aber zu diesem Zwecke die Tatsachen mit großer Umständlichkeit beschreibt und motiviert, spricht er wenig eigene Meinung oder gar moralisches Urteil aus; letzteres wird in den furchtbaren allgemeinen Kapiteln (III, 82f.) absolviert, wo er einmal zu einer Taxation des moralischen Tiefstandes der Hellenen übergeht; eine Nutzanwendung für die Zukunft aber zieht er selber nicht, sondern überläßt sie denjenigen, für welche er sein Werk zum »dauernden Studium« schreibt, damit sie künftig in ähnlichen Fällen das Heilsame unterscheiden412. Eines seiner seltenen politischen Gesamturteile erhalten wir da, wo er die Zwischenverfassung nach Aufhebung der Vierhundert als die beste nennt, die er erlebt habe, nämlich als gemäßigte Mischung von Oligarchie und Demokratie (VIII, 97).

Die Gesinnungen, aus welchen das Tun hervorgeht, läßt Thukydides sich hauptsächlich in den Reden äußern, die er den handelnden Personen in den Mund legt. Wegen der Leichtigkeit, welche die Griechen hatten, Gesagtes aufzufassen, und wegen der momentanen Wichtigkeit vieler solcher Reden konnte er hiefür viel überliefertes Substrat besitzen; doch bekennt er, daß er sich nur soviel als möglich daran halte, sonst aber seine Personen das ihrer Lage Angemessenste (τὰ δέοντα μάλιστα) sprechen lasse. In der Tat verzichtet er nicht nur auf mimisch und landschaftlich genaue dramatische Nachahmung, sondern hat auch gewiß oft in einer Rede das bei verschiedenen Anlässen Gesagte zusammengefaßt413. Ihn selbst mag man am ehesten etwa in der Rede des spartanischen Gesandten zu hören glauben, welcher den Athenern gegen Freilassung der auf Sphakteria[413] Eingeschlossenen Frieden und Bündnis anbietet; hier mag er persönlich der Meinung gewesen sein, daß jetzt ein billiger Friedensschluß das beste gewesen wäre.

Während er aber die Leute völlig in ihrem Charakter reden und handeln läßt, begnügt er sich in der eigentlichen Charakteristik mit wenig Worten. Bei Perikles Tode gibt er (II, 65) rein nur das Politische, dieses aber vom höchsten Gesichtspunkt aus, so daß die kurze Stelle das Fundament des ganzen seitherigen Urteils geblieben ist414, und vermeidet selbst hier auf das strengste alle weitern Personalien, und ähnlich sparsam ist er überall. Ob das ausgezeichnete Lob des Brasidas (IV, 81) reine, hohe Objektivität ist, oder ob es ihm wohltut, in seinem eigenen Kommando einem großen Manne gegenübergestanden zu haben, dürfte sich freilich fragen lassen.

Der eigentliche, große Fortschritt aber über Herodot und alle frühern Griechen und alle alten Nationen hinaus liegt in der Subsumption der Ereignisse oder Phänomene unter allgemeine Gesamtbeobachtungen. Ob er die Fähigkeit hiezu ganz sich selbst verdankt, oder ob ihm etwa seine Lehrer Anaxagoras und Antiphon oder gar die verrufenen Sophisten in dieser Beziehung vorgearbeitet haben, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls kommt die allgemeine politische Reife Athens in ihm zum Worte, und für uns ist er der Vater des kulturhistorischen Urteils, d.h. derjenigen Weise, die Dinge zu betrachten, hinter die die Welt nun einmal nicht mehr zurück darf. Mag er nun auch im einzelnen häufig irren, so ist er doch für alle Zeiten der große Bahnbrecher.

Für diese subsumierende Behandlung ist von allerhöchster Bedeutung und auf alle Weise eine große Neuerung die Einleitung des ersten Buches mit ihrer als Konstruktion gegebenen ältern Geschichte der Hellenen (I, 2ff.). Indem er mit der Frage nach den Ursachen des häufigen Wohnungswechsels beginnt, findet er diese in der Notwendigkeit, vor einer Überzahl zu weichen, und in der Leichtigkeit des Entschlusses, bei mangelndem Handel, dürftigem Ackerbau, unbefestigten Orten und leichter Möglichkeit, die tägliche Notdurft zu befriedigen. Er erkennt, daß der beste Boden (Thessalien, Böotien, der Peloponnes außer Arkadien) die meisten Wanderungen über sich mußte ergehen lassen, indem sich hier,[414] sobald einige zu größerm Besitz und Einfluß gelangten, innere Zwistigkeiten erhoben, woran man zugrunde ging, und zugleich auch Leute andern Stammes solchen Bevölkerungen mehr nachstellten; Attika dagegen wegen seines magern Bodens blieb von Unruhen meist frei und behielt dieselbe Bevölkerung. So dient zum Beweis, daß die griechischen Länder wegen der Wanderungen nicht gleichmäßig emporkamen, gerade das schnelle und starke Wachsen des davon nicht mitgenommenen Athen. – Nachdem er dann seine Theorie vom Wechsel der Völkernamen und vom Gesamtnamen »Hellenen« gegeben (3), führt er (4f.) aus, wie der Ur-Seeraub mit dem Überfall von noch unummauerten, dorfartigen Städten bei den Mächtigen zur Bereicherung, bei den Armem zur Fristung des Lebens gedient habe und keine Schande gewesen sei, was schon bei den Dichtern die naiven Nachfragen, ob ein Ankommender Seeräuber sei, bewiesen; der Landraub, der bei den Ozolern, Akarnanen, Ätolern noch in der Gegenwart des Autors gedeihe, sei einfach die alte Sitte (παλαιὸς τρόπος). – Weiterhin (6) wird bei Anlaß des Umstandes, daß einst auch die Hellenen, wie jetzt noch die Asiaten, gegürtet zum Wettkampf gingen, die Ahnung ausgesprochen, daß Hellenen und Barbaren ein Zeit- und Kulturunterschied seien, indem einer noch in manchem andern nachweisen könnte, daß die althellenische Art der barbarischen gleichartig gewesen sei. Es wird (7) die Beobachtung mitgeteilt, daß die neuen, seit der Entwicklung des Seewesens gebauten Städte am Meere oder auf Isthmen, die ältern des damaligen Seeraubes wegen landeinwärts, entfernt vom Meer angelegt worden seien. – Umständlich wird (8ff.) gelegentlich des Minos und Agamemnon dargelegt, wie Thukydides sich die Unterwerfung einer Stadt unter die andere und die Bildung einer Macht in der alten Zeit denkt, und das Trügerische der Schätzung vergangener Macht nach den Bauwerken an dem Beispiele Spartas und Athens nachgewiesen, die eine spätere Zukunft bloß hienach ganz falsch beurteilen würde. Ergötzlich klingt dann freilich das Nachrechnen des Trojanischen Krieges in ökonomischer, statistischer, militärischer und politischer Beziehung, wobei er z.B. findet, an dem Umstande, daß die Ausrüstung für eine gesamtgriechische nicht bedeutend war, sei nicht die Spärlichkeit der Bevölkerung, sondern die der Mittel Schuld gewesen; denn aus Sorge um die Nahrung hätte man nur gerade soviele Leute mitgeführt, und naiv ist es auch, wie er an die troischen Ereignisse die spätern Wanderungen anhängt. Aber die allgemeinen Phänomene hat er richtig: die Gründung von Poleis durch Ausgetriebene aus andern Poleis, auch die Verbreitung eines kleinen ausgetriebenen Volkes, das an neuer Stelle zu einem beherrschenden wird, wie dies mit den aus dem thessalischen Arne ausgetriebenen Böotiern der Fall war. Und auch für das Weitere, nach der dorischen Wanderung, hat er merkwürdige Blicke, wenn er z.B. (13f.)[415] die Tyrannis daraus ableitet, daß die Einkünfte größer geworden seien als zur Zeit des heroischen Königtums, oder die Seemacht der hellenischen Staaten zusammen mit dem zuerst in Korinth aufgekommenen Trierenbau sich entwickeln läßt oder auf die Schwierigkeit aller großen gemeinsamen Unternehmungen hinweist, indem in der alten Zeit nur der Krieg zwischen Chalkis und Eretria auch das übrige Hellas dazu brachte, sich in zwei große Parteien zu spalten (15). – In diesen Kapiteln wendet sich der hellenische Geist mit einer genialen Divination auf die Geschichte der Vergangenheit zurück; auch diese Betrachtungen könnten alle unrichtig sein und würden doch ihre ungeheure Bedeutung für das allgemeine geschichtliche Urteil auf alle Zeiten behalten.

So weit hatte der allgemeine politische Sinn Athens auch den Blick auf die Machtverhältnisse der Vergangenheit geschärft; für die Schilderung derjenigen seiner Gegenwart ist dann Thukydides geradezu der Anfänger und Vollender, wenn er auch leider vieles nicht meldet, was für uns ungemein wichtig wäre, sich aber für ihn und seine Zeitgenossen von selber versteht, und so z.B. genaue Zahlen von Aufgeboten, Kleruchien usw. gibt, aber nie sagt, wieviele athenische Bürger es gab, und welches deren Proportion zu den Sklaven war. Auch die politische Stellung und Macht spricht sich bei ihm übrigens gerne in den Reden aus.

Schließlich möge auch hier noch der nach vorzüglicher Quelle gearbeiteten Ethnographie von Sizilien am Anfang des VI. Buches gedacht werden415, und auch auf die große Aufzählung der um Syrakus beteiligten Völker und Zuzüger nach Stämmen, sowie nach Zwang und Freiwilligkeit (VII, 57) möge hier noch besonders verwiesen sein.

Zugegeben ist, daß der Ausdruck bei Thukydides öfter dunkel ist. Dionys von Halikarnaß, der über seine Ausdrucksweise bis ins kleinste Detail handelt, hebt auch die Schwierigkeiten seiner Sprache genügend hervor416, und ebenso tut dies Cicero417, so sehr er sonst die Wucht seiner Rede anerkennt418. Dafür wird mit Recht seine große sachliche Durchsichtigkeit gerühmt419, derengleichen für uns wegen der Trennung zwischen populärem Wissen und bestimmten Fachstudien und wegen der[416] kompliziertern Einrichtungen des modernen Lebens kaum mehr zu erreichen ist.


Persönlichkeit und Entschluß des Thukydides sind offenbar exzeptionell; er erhöht mit Herodot zusammen plötzlich den allgemeinen Maßstab, und wir können sagen, daß die beiden großen Historiker schon an sich gewaltige kulturhistorische Fakta sind. Ihnen gegenüber scheinen die spätern Geschichtsschreiber eher in die Geschichte der Literatur als in die allgemeine Kulturgeschichte zu gehören; doch mußte man für Xenophon eine Ausnahme machen, wäre es nur wegen der zwei ersten Bücher der Hellenika, worin die letzten Zeiten des Peloponnesischen Krieges und die Zeit der dreißig Tyrannen so ergreifend und reich dargestellt sind, daß man schon an Benützung thukydideischer »Materialien« hat denken können. Von diesen gewaltig und herrlich geschriebenen Partien stechen dann freilich die spätern Teile stark ab. Vom dritten Buche an hat man es mit bloßen Annalen der spartanischen Macht oder mit einem Journal des spartanischen Hauptquartiers zu tun; der panhellenische und der größere politische Blick gehen verloren, und für das Aufkommen Thebens hat Xenophon so wenig Sinn, daß er selbst die Namen der zwei großen Thebaner fast bis ans Ende verschweigt, wo es ihn förmlich würgt, sie doch nennen zu müssen, und ebenso die ganze Herstellung von Messene und Arkadien übergeht. Weil sein Agesilaos Theben auf den Tod haßte, benimmt er sich hier ungefähr, wie es die mohammedanischen Historiker in solchen Fällen tun, und gerade das scheinbar objektive Weitersprechen verdeckt nur die tiefste Parteilichkeit.

Die Memorabilien und die übrigen sokratischen Schriften Xenophons geben, woran wir beiläufig erinnern wollen, nach unserer Ansicht neben einigen Partien Platos das treuste Bild vom wirklichen Wesen des Weisen. Einen großen Schritt seitwärts tut der Autor mit der Kyropädie, indem er eine geschichtliche Grundlage zu einem freien Tendenzbild benützt. Kyros ist hier das Ideal eines nach sokratischen Begriffen gebildeten Monarchen, nach den Vorstellungen eines Hellenen, wie der der attischen Demokratie feindlich gesinnte und zum Dorismus hinneigende Xenophon war, gerade wie dessen Ideal eines Feldherrn Agesilaos ist; bei der scheinbar völligen Naivität erinnert nichts an eine Kunstabsicht. Unter den ganz großen Leistungen Xenophons dagegen wird immer das Vorbild von Cäsars Kommentarien, die Anabasis, genannt werden müssen. In diesem nach offenbar unmittelbaren und guten Aufzeichnungen vielleicht zwanzig Jahre nach dem Zuge des jüngern Kyros redigierten Werke, worin der Autor von sich selbst beständig in der dritten Person spricht420, wird mit herodoteischem Geiste eine unbeschreibliche Reihe[417] von Bildern vor uns entrollt. Es ist nicht die Geschichte eines Feldherrn, sondern die einer Heeresgemeinde; aber jene Hellenenschar unter Barbaren, an deren Kämpfe und Schicksale alle jene Schilderungen von Ereignissen, Gegenden und Völkern geknüpft sind, tritt, wie man bei öfterem Lesen immer stärker empfindet, völlig in den Rang eines lebenden Wesens. Dabei ist das Werk schmucklos, ohne alle gesuchte Beredsamkeit; die Wirkung wird völlig dem Geschehenen überlassen. Für die vollendete Objektivität ist mit Recht u.a. die Erzählung vom Morde der Feldherrn (II, 5) berühmt. Man fragt sich, ob vor Xenophon irgendetwas von diesem Wert an Gegenstand und Darstellung zugleich vorhanden war421.


Über alle folgenden Autoren fassen wir uns hier kurz. Wir würden sonst zunächst von den Isokratesschülern Ephoros und Theopomp zu sprechen haben, von denen jener in dreißig Büchern die Taten der Hellenen und Barbaren von der Rückkehr der Herakliden bis zu Philipps Belagerung von Perinth (340 v. Chr.) darstellte422, dieser in seinen zwölf Büchern Hellenika (parallel mit Xenophons ersten Büchern) den Thukydides bis zur Schlacht bei Knidos fortsetzte, in den 58 Büchern Philippika aber die Geschichte Griechenlands im philippischen Zeitalter gab423. Ferner würde Kallisthenes zu nennen sein, der außer seinen hellenischen Geschichten, worin er die Ereignisse vom Antalkidasfrieden bis zum Heiligen Krieg mitteilte, eine Darstellung von Alexanders Zug schrieb, den er bekanntlich zu seinem Unglück mitgemacht hat, und ebenso Duris von Samos, der in seinen Historien bis zum Tode des Lysimachos (281) kam. Neben vielen andern hätten wir dann besonders auch der sizilischen Geschichtsschreiber Erwähnung zu tun: des Philistos, der eine Geschichte Siziliens und eine des ältern Dionys verfaßte, seines Fortsetzers Athanis, der bis auf Dion kam, und des Timäos, der die Geschichte der Insel von[418] der ältesten Zeit bis zum ersten Punischen Krieg behandelte. Sie alle sind verloren; aber aus den erhaltenen Notizen über sie, aus den Fragmenten und aus den Autoren, welche sie ausschreiben, ersehen wir, welch eine unendliche Tätigkeit in die Geschichtsforschung gekommen war. Es müssen in dieser Literatur ganz herrliche Werke vorhanden gewesen sein; denken wir z.B. nur, welch hohe Idee wir von den letztgenannten Sikelioten durch Diodor erhalten, der ihnen die Kenntnis des schmerzenreichen Schicksals seiner schönen Insel verdankt. Freilich, was längstvergangene Zeiten betrifft, werden auch sie vielfach an dem Mangel der historischen Kritik gekrankt haben424, und auch das Rhetorische nahm gewiß oft einen zu breiten Raum ein425; auch kann man sich kaum der Beobachtung entziehen, daß das III. und II. Jahrhundert ärmer als das IV. waren; denn der große Geschichtsschreiber des II., Polyb, ist doch nicht rein aus dem hellenischen Wesen, sondern nur daher denkbar, daß inzwischen Rom aufgekommen war. Aber trotz allem macht, was wir von den historischen Leistungen dieser Zeiten hören, den Eindruck hoher Achtbarkeit; die Griechen haben einmal ihre Geschichte nicht mehr aus den Augen gelassen.

Auch die historischen Aufgaben vermehrten sich, und es bildeten sich Seitengattungen. Wir erinnern hier vor allem noch einmal an die Politien des Aristoteles426. Eine große Erweiterung des Gesichtskreises, von der Geschichte auf die allgemeine Kultur, möchte sodann bei dessen Schüler Dikäarch vorhanden gewesen sein, dessen Hauptwerk »über das Leben von Hellas« in drei Büchern eine Darstellung des geographischen, politischen und moralischen Zustandes von Griechenland sowohl in seinem Werden als in seiner damaligen Beschaffenheit, also einen Inbegriff alles dessen gab, was zur Charakteristik des griechischen Lebens gehörte427.

[419] Auch der Monographien über Gau- und Stadtgeschichten ist hier zu gedenken, worüber sich bei Grammatikern und Lexikographen so viele Notizen finden. Wir erinnern hier vor allem an die im III. Jahrhundert verfaßte Atthis des Philochoros, dessen Tätigkeit überhaupt eine erstaunlich vielseitige muß gewesen sein; aber schon gleichzeitig mit dem großen Alexander schrieb ein Bruder des Antigonos und Kamerad des Königs, Marsyas von Pella, Makedonika in zehn Büchern, welche mit den frühesten Königen Makedoniens begannen und bis zu Alexanders Rückkehr aus Ägypten reichten, und ein gewisser Kriton aus Pieria verfaßte später Pallenika, eine Gründung von Syrakus, Persika, Sikelika, eine Beschreibung von Syrakus und ein Werk über die Herrschaft der Makedonier. Auch in der Geographie fängt die Monographie an eine Rolle zu spielen: durch Beschreibungen (περιηγήσεις) von hellenischen Landschaften und Örtlichkeiten erwarben sich im II. Jahrhundert Polemon u.a. einen Namen; auch der Dichter Nikandros verfaßte eine Beschreibung Ätoliens, wo er sich öfter soll aufgehalten haben.

Im Gegensatze zu diesen Spezialschriften stehen dann die der Sammelhistoriker. Polyb stellte den verzettelten Einzelgeschichten (σποράδες πράξεις) der frühern Zeit die jetzige auf das Ganze gehende (σωματοειδής) Historie gegenüber, und in der augusteischen Zeit verfaßte Diodor aus Sizilien, kein großer Autor, aber ein solcher, dem, wie gesagt, gute Quellen zu Gebote standen, seine »historische Bibliothek« und Nikolaos von Damaskos seine allgemeine Geschichte: es waren die frühesten Universalhistorien.

Neben dieser eifrigen Beschäftigung mit der Vergangenheit mochte dann immerhin auch einmal die Ansicht vom geringen Lehrwert der Geschichte, etwa wie bei Schopenhauer, zum Ausdrucke gelangen. In diesem Sinne äußert sich wiederholt Marc Aurel, indem er z.B. sagt428: »Unsere Nachwelt wird nichts Neues sehen, und unsere Vorwelt hat nicht mehr gesehen als wir; ein vierzigjähriger Mann, der nur gemeinen Menschenverstand hat, hat schon alles gesehen, was vor seinen Zeiten geschehen ist und nach seinen Zeiten geschehen wird, weil es einerlei ist mit dem, was er selbst erlebt.«

Die Welt aber hat, sobald sie aus der Barbarei heraus war, an die Geschichtsschreiber der Hellenen anknüpfen müssen und wird von ihnen nicht mehr loskommen. Während die sonstigen wissenschaftlichen Leistungen[420] dieser Nation nur noch aus Pietätsinteresse berücksichtigt werden und wir das Material des Wissens nicht von den Griechen zu lernen brauchen, ist man hier an die griechische Forschung selbst und an ihre Resultate gebunden. Im übrigen aber macht die historische Wissenschaft der Griechen denselben Eindruck auf uns wie ihre übrige Wissenschaft: den der Jugendlichkeit und des Erfrischenden. Wir fühlen bei ihnen die vollkommene Unabhängigkeit von allen Vorschriften und die Freude des Selbsterwerbens heraus. Bei ihnen ist immer freier Wille gewesen; darum sind sie Vorbilder für alle Zeiten geworden.[421]

Fußnoten

1 Was das Deutsche aus innerer Kraft vermag, dürften die Sangallenser des VIII. und die Mystiker des XIV. Jahrhunderts lehren; die spätere philosophische Sprache geht an der Hand des Griechischen.

2 Vgl. die Namen δαίμων, Ἀνάγκη, Δίκη, Ἀφροδίτη, so noch νεῖκος und φιλία.

3 Man denke an Wörter wie κίνησις, πύκνωσις, ἀραίωσις, τροπή (Verwandlungsstufe), οὐσία, μονάς, δυάς, ἰδέα, εἶδος, ἕξις, ἐντελέχεια u.a. Schon φύσις ist ein Wort, das sich nicht halb so von selbst versteht und ein großer Besitz für die Philosophie war. Die Worte für Qualität und Quantität konnte man durch Derivation aus Fragewörtern schaffen; im Theätet (182 A) läßt Plato den Sokrates das von ihm geschaffene Wort ποιότης als ein noch fremdes und ungewohntes rechtfertigen; auch στοιχεῖον war von ihm erfunden (Diog. Laert. III, 24).

4 Vgl. das von Heraklit geschaffene ἐναντιοτροπή oder Wörter wie διχοτομία, ἀλληλοτυπία u.a.

5 Vgl. τὸ ξηρόν, τὸ ἄπειρον, τὸ ἓν καὶ πᾶν, τὰ ἀνϑρώπεια, τὸ αἰσϑητόν, τὸ νοητόν, τὸ ὄν, τὰ ὁμολογούμενα u.a.

6 Z.B. τὸ ποῦ, τὸ πῶς, τὸ τί ἐστι (das Was der Dinge, Plato), τὸ ὅτι, τὸ οὗ ἕνεκα, τὸ τί ἦν εἶναι (= εἶδος, Aristot.).

7 συνείδησις ist nur das Bewußtsein von Tatsachen.

8 Solange man die Prinzipien noch als mythische Wesen und persönliche Mächte vor sich sah, war sie ein gegebenes Prius. Anders, sobald einmal die Philosophen dieselben auf irgendeinem dialektischen oder empirschen Wege ermittelten. Da begann freilich die Grundungewißheit aller Philosophie, von welcher Aristoteles Eth. Nikom. 1, 2 bei Anlaß des höchsten Gutes spricht: μὴ λανϑανέτω δ᾽ ἡμᾶς ὅτι διαφέρουσιν οἱ ἀπὸ τῶν ἀρχῶν λόγοι καὶ οἱ ἐπὶ τὰς ἀρχάς˙ εὖ γὰρ καὶ Πλάτων ἠπόρει τοῦτο καὶ ἐζήτει, πότερον ἀπὸ τῶν ἀρχῶν ἢ ἐπὶ τὰς ἀρχάς ἐστιν ἡ ὁδὸς˙ ὥσπερ ἐν τῷ σταδίῳ ἀπὸ τῶν ἀϑλοϑετῶν ἐπὶ τὸ πέρας ἢ ἀνάπαλιν. – Es ist die beständige Gefahr der petitio principii. (Und sind wir mit unsern Begriffen wirklich geringeren Irrtümern ausgesetzt als die Früheren mit ihren halbmythischen Termini?)

9 Vgl. Diog. Laert. 1, 1. 14.

10 Plut. Solon 12.

11 Diodor, fragm. 1. IX, 11. Nach Plut., de Ei ap. Delph. 3 meinte man später, er und Kleobulos hätten sich, da sie weder Tugend noch Weisheit besaßen, durch Einfluß und Gunst unter die Weisen eingedrängt und dann einige Sentenzen und Worte ausgehen lassen, welche denen der Weisen ähnlich waren; die übrigen, welche nicht gegen Mächtige streiten wollten, hätten es dann dabei bewenden lassen. (Die Philosophen hätten sich auf sich selbst besinnen und überlegen sollen, was sie manchmal in ihrem Bereich für Tyrannen waren).

12 Plut. Sol. 3. – Them. 2 sagt er, die Tradition, die von Solon ausgegangen, und die man damals σοφία nannte, sei δεινότης πολιτική und δραστήριος σύνεσις gewesen, welche später Sache der Sophisten wurde. – Auch Dikäarch (bei Diog. Laert. 1, 1. 14) sagt, sie seien weder σοφοί noch Philosophen gewesen, aber einsichtige und für Gesetzgebung begabte Männer.

13 Plut. Sol. 4. Varianten bei Diog. Laert. I, 1. 7 und Valer. Max. IV, 1. – Delphi wußte wohl, daß dem Gotte das Prachtstück nicht entgehe. Die höchste Weisheit lag also am Ende doch nur darin, daß einer so klug war, das kostbare, schwer zu hütende Ding in einen Tempel zu stiften.

14 Man mag damit das Zustandekommen des Symbolums aus den Artikeln vergleichen, die jeder der zwölf Apostel sagte.

15 Gesammelt bei Mullach, fragm. philos. I, 203 ff.

16 So möchten wir lieber sagen, als mit O. Müller I, 421 annehmen, daß sich das Streben nach Erkenntnis bei ihnen erst lange um Vergeistigung und tiefere Ergründung der überlieferten Mythen bemüht habe.

17 Die Hauptaussage über ihn Plut. Sol. 12.

18 Diog. Laert. I, 10, 11. Nach ebendemselben I, 10, 1 trug er langes Haar, wie Pythagoras.

19 Die Hauptaussage über ihn aus Lykurgos gegen Menesaichmos: Eudocia, Violar. 19. (Vgl. Harpokr. s.v. Abaris, Suidas s.v. προηροσίαι, Schol. Ar. Ritter 729.)

20 Her. IV, 13 ff.

21 Eine ähnliche Gestalt ist auch Hermotimos von Klazomenä, über den die Hauptstelle Apollonius § 3 ist. Seine Seele wanderte, vom Leibe getrennt, Jahre hindurch herum und weissagte zukünftige Dinge, während der Leib offenbar in Klazomenä lag. Zeitweise kehrte die Seele in denselben wie in ein Futteral zurück und erweckte ihn wieder. Dies geschah, bis seine Frau dem Befehle zuwider einige Klazomenier den erstarrten Leib sehen ließ, die dann Feuer holten und ihn verbrannten. Er erhielt darauf ein Heiligtum in Klazomenä, das kein Weib betreten durfte. Die Parallele hiezu findet sich in einer indischen Sage. Eine Übertragung der Vorstellung vom Wandern der Seele auf einen christlichen Heiligen kommt in der Legende von St. Severus von Ravenna vor. Bezeichnend ist übrigens, daß es auch von dem Zeitgenossen dieser Leute, Aesop, hieß, ἀναβιῶναι αὐτόν, und zwar als gottgeliebt. Älian fragm. 203.

22 Suidas s.v. Pherekydes.

23 Vgl. oben S. 122.

24 Vgl. Band II, S. 43, 166 f.

25 Vgl. über die alten Pythagoraslegenden E. Rohde, Rhein. Mus. N.F. XXVI, »Die Quellen des Iamblichus in seiner Biographie des Pyth.«, S. 557. Diese Abhandlung ist im folgenden mehrfach benützt.

26 Dies, sowie daß Pythagoras von den Krotoniaten als der hyperboreische Apollon angeredet wurde, meldete schon eine dem Aristoteles zugeschriebene Schrift, vgl. Älian V.H. II, 26. Selbst der goldene Schenkel und der Gruß des Flußgottes scheint daher zu stammen. Diog. Laert. VIII, 1 ff. benützt zwar (nach Rhode) noch eine vor-neuplatonische Quelle, gibt aber eine sagenhafte und mit Mythus völlig durchsetzte Tradition.

27 Wie man sich dies dachte, verrät Porphyrius, vit. Pyth. c. 7, aus einer vielleicht ziemlich alten Quelle: Pythagoras läßt sich durch Polykrates an dessen Freund, König Amasis, empfehlen, um der ἀγωγή und παιδεία der ägyptischen Priester teilhaft zu werden. Amasis gibt ihm auch Schreiben an dieselben mit; aber die Heliopoliten, zu denen Pythagoras kommt, weisen ihn – scheinbar ehrerbietig – an die Priester von Memphis als die ältern, und von Memphis wird er unter Angabe desselben Grundes an die Diospoliten, d.h. nach Theben gewiesen. Hier wagt man aus Furcht vor Amasis keine weitern Vorwände zu brauchen, hofft aber, ihm seinen Vorsatz durch die gewaltige Beschwerlichkeit der Lehre zu verleiden und auferlegt ihm harte Ordnungen, welche weit von aller hellenischen Zucht abweichen. Erst als er dies alles bereitwillig über sich nimmt, geraten sie in solche Verwunderung, daß ihm erlaubt wird zu opfern und an ihren ἐπιμελείαις teilzunehmen, was sonst keinem Fremden gestattet wurde. – Die zu weit gehenden Zweifel, womit man diesen Reisen der Philosophen begegnet, rühren daher, daß die spätere Anschauung, welche die Barbaren für frömmer als die Hellenen und für die Urheber aller Weisheit hielt (vgl. Band I, S. 303), mit dem Herumfahren hellenischer Weiser bei allen Völkern kein Ende finden konnte und so auch das Wissen des Pythagoras von Reisen in die ganze Welt und von Weihen in fernen Ländern ableitete. Gerade sein Biograph Porphyrius ist das reichste Beispiel von dieser Manier, mag nun er selbst oder einer seiner nächsten Gewährsmänner die Einzelheiten erfunden haben. Der ganze Neoplatonismus ist für alle seine großen Männer von ähnlichen Voraussetzungen erfüllt. – Über Solons Verkehr mit ägyptischen Priestern, von denen er den Mythus von der Atlantis hört, vgl. Plut. Solon 26.

28 Über sein Verhältnis zur indischen Lehre vgl. Lenormant, Manuel d'histoire ancienne de l'orient III, VIII, § 5, 8. Ein echt indischer Zug ist z.B. das Freikaufen gefangener Tiere, bei Iamblichus c. 8 eines ganzen Fischzuges. – Zweifelhafter sind trotz seiner apollinischen Natur seine Beziehungen zu Delphi; denn wenn auch nichts daran war, würden die Griechen sie doch vorausgesetzt haben. Der Metempsychose hat man sich dort kaum angenommen, und gar den eleusinischen Anschauungen muß diese direkt widersprochen haben.

29 Dies nach Rohde a.a.O.S. 555. Derselbe erklärt den Umstand, daß der Tartaros und die σύνοδος τῶν τεϑνεώτων (von der nach Älian. V.H. IV, 17 das Erdbeben herrühren sollte) neben der Metempsychose vorkommen, damit, daß der Hades als läuternder Durchgang zwischen zwei Existenzen gegolten habe. Ähnliches bei den Orphikern und Plato, vielleicht auch in Ägypten und Indien.

30 Diese Lehre der spätern Pythagoreer s. bei Athen. IV, 45 (aus Euxitheos).

31 Nach Porphyrius c. 26 kannte er nicht bloß seine eigenen, frühern Menschwerdungen, sondern scheint auch die der Leute, die mit ihm umgingen, erraten zu haben; πολλοὺς τῶν ἐντυγχανόντων ἀνεμίμνησκε τοῦ προτέρου βίου.

32 Porphyr. c. 23 f.

33 Nach Herodot IV, 95 f., der übrigens Zalmoxis (so heißt er bei ihm) für älter als Pythagoras hält, erbaute er ihnen einen Saal und sagte, daß sie hier ewige Wonne haben würden (etwas wie das Prachttal der Assassinen); auch baute er ein unterirdisches Gemach, worin er, als es fertig war, für drei Jahre verschwand; nachdem sie ihn als einen Toten betrauert hatten, kam er im vierten Jahre wieder hervor und bekräftigte damit alles, was er zuvor gelehrt hatte. – Vgl. über Zamolxis und wie derselbe bei seinen Geten zum Gott geworden sein sollte, auch Strabo VII, 3, 5, p. 297.

34 Athen. VIII, 69.

35 Rohde a.a.O.S. 556 zitiert aus Grote, Hist. of Greece IV, S. 407 den Ausdruck a tincture of science.

36 Rohde, S. 557 ff., der Pythagoras freilich die Qualität eines Philosophen nahezu abstreitet und erst den einen Zweig der Pythagoreer zu einer eigentlichen Philosophenschule werden läßt. Nach seiner Hypothese ist die angebliche Scheidung von esoterischen und exoterischen Pythagorasschülern nur ein Reflex von einer großen Spaltung der spätern Schule. Von den Pythagoreern nämlich vernachlässigten die einen die religösen Fundamente der Sekte, weshalb auch ihre ethischen Vorschriften keinen Zusammenhang mit jenem frommen Glauben verraten, andere aber blieben, wie der Hohn der Komiker beweist, wenigstens der pythagoreischen Abstinenz von Wein, Fleisch und Bohnen getreu.

37 Metaph. I, 5 πρὸ τούτων οἱ καλούμενοι Πυϑαγόρειοι τῶν μαϑημάτων ἁψάμενοι πρῶτοι ταῦτα προήγαγον καὶ ἐντραφέντες ἐν αὐτοῖς τὰς τούτων ἀρχὰς τῶν ὄντων ἀρχὰς ᾠήϑησαν εἶναι πάντων.

38 Unerörtert lassen wir hier, wem die Lehre der Pythagoreer von den Weltperioden angehört, wonach nicht nur das Individuum, sondern ganze Ereignisse und Zustände wiederkehren werden. Auch wie es mit dem προνοεῖσϑαι der Gottheit und demnach einer allgemeinen εἱμαρμένη in der Lehre des Pythagoras stand, ist unsicher.

39 Das Geheimhalten der Resultate bis auf Philolaos, der das Schulgeheimnis gebrochen haben soll, wird jetzt auch so erklärt, daß es bis auf diesen überhaupt kaum eine pythagoreische wissenschaftliche Lehre gegeben habe. Vgl. Rohde, a.a.O.S. 5 60 f.

40 Die sogenannten σύμβολα, deren Verzeichnis Diog. Laert. VIII, 17 gibt, enthalten fast lauter Verbote und waren also, weil negativ, nicht etwa als Erkennungszeichen zu gebrauchen, es sei denn, daß einer ein Wort sagte und ein anderer ergänzend fortfuhr. Nach Rohde sind es meist kurzgefaßte Ritualgesetze, gestützt auf alten, namentlich an den Dienst der Erdgötter geknüpften Aberglauben, in Zusammenhang mit den Reinheitsgesetzen der Mysterien.

41 Über seine Auffassung der Heroen vgl. Band II, S. 218 f. – Nicht lange nach seiner Zeit spielt in Unteritalien die Geschichte des Dämons von Temesa, vgl. ebd. S. 234 – Auf seine Opposition gegen die populären Vorstellungen möchte die Notiz des Plutarch, quaest. Gr. 39 sich beziehen, wonach die Pythagoriker sagen, daß die Seelen der Toten keinen Schatten werfen und nicht blinzeln.

42 Über Vegetarianismus und höhere Empfindung des Tieres vor der Pflanze vgl. Plut fragm. (Mor. ed. Tauchn. VI, S. 405 f., ed. Bernard. VII, S. 169 f.).

43 Dahin gehört auch das Verbot des Genusses von Hülsenfrüchten. – Über die Abstinenzgebote höhnten dann die Komiker: Kratinos in der Πυϑαγορίζουσα, derselbe oder eher Alexis in den Ταραντῖνοι, Mnesimachos und Aristophon in andern Komödien.

44 Älian. V.H. IV, 17.

45 Eine Parallele bietet das IV. Kapitel der Apostelgeschichte. Ähnliches trug sich auf dem Boden der heutigen Schweiz im XI. Jahrh. zu, im wildesten Treiben des Investiturstreits. Da scharten sich um das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen viele Reiche, Geistliche und Laien, legten ihre Habe zusammen und lebten, ohne ins Kloster einzutreten, in der vita communis, damit der Nachwelt Zeugnis ablegend von dem mächtigen religiösen Faktor, der im Investiturstreit auf gregorianischer Seite mitkämpfte.

46 Plato, de re p. X, 600 a.f.

47 Erst Anaximander gebrauchte dieses Wort.

48 Sokrates sagte nach Diog. Laert. II, 22, was er von seinen Schriften verstehe, sei trefflich, er glaube auch, was er nicht verstehe, sei es, es brauche für sie aber eines delischen Schwimmers.

49 Aristot. de anim. I, 5 πάντα ϑεῶν πλήρη εἶναι oder τὸν κόσμον ἔμψυχον καὶ δαιμόνων πλήρη.

50 Vgl. Schwegler, Gesch. d. griech. Philosophie S. 15, Anm. 14.

51 Ebd. S. 18, Anm. 7.

52 Vgl. Schwegler S. 24. Laut Fragm. 61 (bei Mullach I, S. 323) verglich er spottweise die an Götterstatuen gerichteten Gebete mit einem Hinschwatzen an Gebäude; man habe weder von den Göttern noch von den Heroen eine Erkenntnis, wer sie seien.

53 Vgl. darüber Band I, S. 232 und 331. – Über die Priesterpartei in Athen bei Anlaß des Sokrates vgl. Curtius, Gr. Gesch. III, S. 108, über den Prozeß des Aristoteles vgl. Schwegler, S. 190.

54 Schopenhauer tadelt ihn deshalb: er hätte dafür den Willen nennen sollen, und hierin sei Heraklit der Wahrheit näher gewesen. Die verschiedenen Aussagen über seinen Prozeß s. Plut. Perikl. 32, Diog. Laert. I, 3, 9.

55 Als Grund gab er die Dunkelheit der Sache (ἀδηλότης) und die Kürze des Menschenlebens an (denn da der Mensch das Maß aller Dinge ist, müßte er es auch für die Götter sein). Übrigens schrieb er auch (wie Demokrit) περὶ τῶν ἐν Ἅιδου.

56 Die Hauptstelle hierüber Plut. Nik. 23: οὐ γὰρ ἠνείχοντο τοὺς φυσικούς.

57 Bei Mullach I, 102.

58 Diog. Laert. IX, 45: πάντα τε κατ᾽ ἀνάγκην γίγνε ϑαι, τῆς δίνης αἰτίας οὔσης τῆς γενέσεως πάντων, ἣν ἀνάγκην λέγει.

59 Noch Stilpon mußte wegen verdächtiger Reden über Athene Athen verlassen. Diog Laert. II, 116, wo auch erzählt wird, wie Philosophen sich sonst bedenkliche Fragen über Dasein und Regierung der Götter, wenigstens vor andern Leuten, verbaten. – Übrigens wurden später die Epikureer aus Messene und einzelne auch aus Rom ausgewiesen, Äl. V.H. IX, 12. Athen. XII, 68.

60 Vgl. oben S. 293 ff.

61 Diog Laert. VIII, 21.

62 Ebd. IX, 1.

63 Ebd. IX, 18. Vgl. oben S. 154.

64 Dion. v. Halik. Ep. ad Pompejum: ἦν γὰρ, ἦν μὲν τῇ Πλάτωνος φύσει πολλὰς ἀρετὰς ἐχούσῄ τὸ φιλότιμον˙ ἐδήλωσε δὲ τοῦτο μάλιστα διὰ τῆς πρὸς Ὅμηρον ζηλοτυπίας, indem er ihn aus seiner Politie ausschließe.

65 Vgl. das von Protagoras oben, S. 299, Mitgeteilte.

66 Band I, S. 212.

67 Vgl. oben S. 204, Anm. 45 3.

68 Wieweit kommt auch die Gelegenheit in Betracht, die das Symposion zum Reden gab?

69 Wie empfindlich sie z.B. in Dingen der Aussprache waren, lehrt die Notiz bei Plut. X orat vit. 8, wonach es Lärm gab, als Demosthenes Ἀσκλήπιον statt Ἀσκληπιόν akzentuierte.

70 Aristoph., Vögel 1447.

71 Plut. X orator. vit. 1. Eine ähnliche Version im γένος des Ant. Westermann, Biogr. 235.

72 Wir erinnern daran, wie bei Hesiod, Theog. 80 ff. Kalliope den Königen die Beredsamkeit einflößt, ferner an das Bild der glücklichen Stadt mit dem Rechtshandel auf der Agora, das sich auf dem Schilde Achills Il. XVIII, 497 ff. findet, und an einen Redeeffekt, wie das ὦ κύνες des Odysseus, Od. XXII, 35. Die spätern Griechen stellten sich ihre Urzeit schon ganz öffentlich rednerisch, ja demagogisch vor, wofür sich im Euripides genug Belege finden. Paus.II, 19, 3 läßt Danaos und den bisherigen Herrscher Gelanor vor dem Demos von Argos perorieren; auch der plutarchische Theseus ist ein Redner. – Natürlich mußte auch die frühste τέχνη aus der Urzeit stammen. König Pittheus von Trözen, wo man ein solches Skriptum noch vorwies, hatte sie verfaßt; doziert hatte er im Musentempel. Pausan. II, 31, 4.

73 Es ist ein ähnlicher Irrtum wie der, welcher den alten epischen Gesang noch nicht für Kunstdichtung halten will, wenn O. Müller II, S. 318 sagt, »die soviel jüngere Schwester der Poesie habe gleich damit angefangen, sich in Form einer Theorie festzusetzen«. Das Richtige ist, daß wir zufällig erst seit der Theorie auch von der Rede Näheres erfahren.

74 Cic. Brut. 12, 46. Vgl. O. Müller II, 317, welcher daran erinnert, daß die sizilischen Griechen und insbesondere die Syrakusier wegen ihres aufgeweckten Geistes und natürlichen Scharfsinns am meisten unter allen Doriern mit den Athenern zu vergleichen sind, als eine acuta gens et controversa natura.

75 Diog. Laert. VIII, 57 berichtet dies nach dem (verlorenen) »Sophisten« des Aristoteles; vgl. IX, 25. Nach VIII, 58 war Gorgias sein Schüler.

76 Vgl. über die beiden: Blaß, Att. Beredsamkeit I, S. 18 ff.

77 Im Bios des Protagoras bei Suidas, Westermann S. 352, heißt es von ihm ἐπὶ ῥητορείαν ἐτράπη; doch nannte er sich, und zwar als der erste, einen Sophisten.

78 Man denke z.B. an sein zierliches, von Älian. II, 35 überliefertes, letztes Wort: Schon beginnt der Schlaf mich seinem Bruder zu überliefern.

79 Man nannte dies γοργιάζειν. Wie die Manier später den Leuten verleidete und aus der Mode kam, sagt Diodor XII, 53. – Ausführlich tadelt Gorgias sowie seine Genossen: Polos, Likymnios u.a. Dionys v. Hal. de rhetoribus antiquis s.v. Lysias. Er sagt, die Frühern hätten sich den Ruhm, das Große mit gewöhnlichen Worten sagen zu können, nicht wie Lysias erworben. Um ihrer Rede überhaupt Schmuck zu verleihen, hätten sie sich zur poetischen Ausdrucksweise gewandt, Metabolen und Hyperbeln, seltene und fremde Ausdrücke, ungebräuchliche Figuren und andere Neuerungen verwandt, womit sie den Laien verblüfften; dies zeige Gorgias, indem er oft die Form sehr übertrieben und schwülstig gestalte und einiges in einer Weise sage, die sich dem Dithyrambus nähere. Auf seinen Antrieb hin klebe, wie Timäos sage, den athenischen Rednern die poetische und tropische Ausdrucksweise an. Auch s.v. Isäos sagt Dionys, Gorgias komme vom richtigen Maße ab und zeige sich überall von kindischem Geschmacke (παιδαριώδη). De Thuc. ist von seinen Parisosen, Parhomöosen, Paronomasien und Antithesen die Rede, worin er übertrieben habe. Auch diese Figuren heißen kindisch; auch dem ernsten, pompfeindlichen Thukydides ständen sie gar nicht gut zu Gesichte. Mit alledem ist aber noch nicht bewiesen, daß des Gorgias Ausdruck auch uns ebenso künstlich und überladen scheinen würde. – Die wenigen Fragmente des Gorgias (wenn man von Helena und Palamedes absieht) finden sich bei Mullach II, 143 ff. abgedruckt; das längste Stück, etwa 30 Zeilen, stammt aus einer Lobrede auf gefallene athenische Krieger; es besteht aus lauter Antithesen und Parallelen, welche in der Form sogar reimen, z.B. δισσὰ ἀσκήσαντες μάλιστα ὧν δεῖ, γνώμην καὶ ῥώμην, τὴν μὲν βουλεύοντες τὴν δὲ ἀποτελοῦντες κτλ.. ὑβρισταὶ ἐς τοὺς ὑβριστὰς, κόσμιοι ἐς τοὺς κοσμίους. Diese Art muß übrigens sehr leicht zu parodieren gewesen sein.

80 Vgl. Baumstark bei Pauly III, 909.

81 Cic. Brut. 13, 49 f.: Hoc autem studium non erat commune Graeciae, sed proprium Athenarum. Quis enim aut Argivum oratorem aut Corinthium aut Thebanum scit fuisse temporibus illis? nisi quid de Epaminonda, docto homine, suspicari libet. Lacedaemonium vero usque ad hoc tempus audivi fuisse neminem. Indes hatten die Spartaner, daheim durch ihren Lakonismus berühmt, nach den Reden bei Thukydides zu urteilen, zur Zeit des Peloponnesischen Krieges eine sehr gelöste Zunge, wenn es darauf ankam.

82 Xen. Mem. II, 6, 13. Aristoph. Ach. 530 und das in den Scholien zu dieser Stelle mitgeteilte Fragment des Eupolis. – Eine Konstruktion des Perikles als Redner gibt O. Müller II, 304 ff.

83 Plato Phädr. 257 d.

84 Vgl. Blaß I, 35 ff.

85 Dies nach Blaß I, S. 43 ff. – Nach Philostratos vit. soph. erscheint die Priorität mehrerer rhetorischer Fortschritte und Erfindungen zwischen mehreren streitig, und Philostratos äußert sich z.B.p. 210 darüber, ob Polos das und das erfunden oder nur vorgefunden habe. Auch von Antiphon sagten die einen, er habe die Rhetorik erfunden, die andern, er habe sie nur vermehrt (S. 211).

86 Vgl. oben S. 228 f. und Blaß S. 41 f. – Wohin das rhetorische Wesen führt, weiß der Dichter freilich. Vgl. z.B. Bakch. 266-71.

87 Vgl. oben S. 245 f.

88 Plut. Nik. 8.

89 Aristoph. Plut. 30 hat die Zusammenstellung ἱερόσυολοι καὶ ῥήτορες καὶ συκοφάνται καὶ πονηροί.

90 Ein Zeugnis aus demosthenischer Zeit dafür, wie schwer es war, das Wort zu erlangen, findet sich u.a. in den Worten, die Demosthenes adv. Aristocr. p. 622 dem Euthykles, für den er die Rede schrieb, in den Mund legt.

91 Wolken 876.

92 Dies nach Blaß I, 8 und 3 8 f.

93 Thuk. VIII, 68.

94 Man antizipierte deshalb gerne die Einreden eines Gegners, um sie ihm abzuschneiden: Lysias sagt z.B. (XIII, 85): »Ich höre, er wolle sich auch hierauf stützen«, oder (ebd. 88): »Ich vernehme, er wolle auch das sagen usw.«

95 οὐκ ἦν ἀστεῖον οὐδ᾽ ἐπαινετὸν τὸ λογογραφεῖν οὐδὲ τὸ συνηγορεῖν μισϑοῦ. Schol. zu Äschin. I, 94. – Der Grundsatz, der gerichtliche Redner solle nur gerechte Händel annehmen und sich hauptsächlich durch die Güte der Sache zum Auftreten bestimmen lassen, findet sich bei Quintilian XII, 17 ausgesprochen.

96 Lys. XV, 10 (adv. Alcib.).

97 Lykurg in Leocr. 43 u.a.a.O. Ja 63 heißt es, die Anwälte, wenn sie sich nicht schämten, das und das zu sagen, würden billiger weise sterben.

98 Adv. Alcib. XIV, 40, 47.

99 Warum man diese Mittel auf den Schluß versparte, deutet Plinius, epist. II, 11 an. Er nennt einen Redner movendarum lacrimarum peritissimus, fügt aber bei, es habe sich erwiesen, quod favor et misericordia acres et vehementes primos impetus habent, paulatim consilio et ratione quasi restincta considunt.

100 Vers 546 ff., vgl. Band I, S. 220.

101 Näheres darüber bei Müller II, 326 ff.

102 Ausgelassen, da nicht von Burckhardt, sondern Zusatz von Oeri.

103 Dies wird ein Hieb auf die athenischen Richter der Zeit des Gorgias sein. Ebenso vorher (33) der Satz: »Rührung und Bitten und Verwendungen von Freunden sind nützlich, wenn das Urteil der Masse zusteht, vor euch aber, den ersten der Hellenen, gelten solche Mittel nicht.«

104 Plut. conjug. praec. 43.

105 Was die Bedeutung des gesprochenen Wortes überhaupt betrifft, so möge man auch bedenken, wie wir Neuern in den Sammlungen von Aussprüchen bei Plutarch u.a. oft über den einfachen, ja dünnen Inhalt frappiert sind und namentlich den erwarteten Witz und die tiefe Weisheit vermissen, Sehr vieles ist nämlich bloß aufbewahrt, weil es einfach und vortrefflich gesagt war. Man muß daneben sehen, wie bei andern Völkern der Gedanke mit der Sprache ringen muß und nur mit einer gewissen Vehemenz Meister wird.

106 Diesen Πυϑικὸς λόγος hielt er ἀπὸ τοῦ βωμοῦ, d.h. offenbar von einer Stufe des großen Brandopferaltars, wenn es nicht geradezu ein bloßer suggestus für Trompeter, Herolde usw. war, wie der Paus. V, 22, 1 in der Altis von Olympia erwähnte Altar.

107 Philostr. vit soph. p. 209.

108 Vgl. über diese Reden Blaß I, S. 5 4 ff.

109 Isokrates, Philippos 25 sagt, es entgehe ihm nicht, wieviel überzeugender das Gesprochene wirke als das Gelesene, und wie sehr jedermann voraussetze, daß Reden über ernste und dringende Sachen gesprochen, die zur Epideixis und zum Gewinn bestimmten geschrieben würden.

110 Philostr. vit. soph. p. 212.

111 Plut. X orat. vit. s.v. Lys. sagt, es gebe von Lysias eine ἀπολογία Σωκράτους ἐστοχασμένη τῶν δικαστῶν.

112 Panathen. 11.

113 Wie es damit schon Gorgias hielt, s. oben S. 315 f. – Von dem jüngern Isokrates, dem Schüler des ältern, hatte man laut Hesych fünf Reden, darunter einen προτρεπτικός und einen Ἀμφικτυονικός, offenbar fast alles epideiktisch.

114 Der Busiris ist eine Anrede oder ein Brief an einen in Zypern lebenden athenischen Sophisten Polykrates, der eine Apologie des Busiris und (vielleicht nicht aus böser Meinung, sondern, wie schon der Parallelismus andeutet, als Paradoxon) eine Anklage gegen Sokrates verfaßt hatte. Isokrates zeigt ihm, wie ungeschickt er es angefangen, indem er den Busiris, den er loben wollte, aus einem bloßen Menschentöter auch noch zu einem Menschenfresser machte, und gibt ihm zu bedenken: »Was würdest du sagen, wenn einer dich auf diese Weise preisen oder rechtfertigen wollte?« Indem er aber den Polykrates in die Schule nimmt, verrät er, wie schrecklich unbefangen man bei solchen epideiktischen Reden mit mythischen, zumal ausländischen Überlieferungen umspringen durfte. Er macht ganz willkürlich den Busiris zum Gründer des ägyptischen Staates und der Kultur und idealisiert ihn nach Belieben (wobei man glauben möchte, er treibe doch nur Hohn, u.a. mit dem konventionellen Preis von Ägypten). Dann heißt es: »Du entgegnest vielleicht, womit ich denn beweise, daß Busiris alle jene schönen Dinge gestiftet? Allein du hast ja auch nicht deine Behauptung bewiesen, daß Busiris den Nil um das Land herumgezogen und die geopferten Fremden gefressen habe. Und dann, wenn es sich trifft, daß wir beide lügen, so rede doch ich, wie die Lobenden reden, du aber wie die Schmähenden« usw. – Bei Lukian gehört zu dieser Art von Epideixis mehreres, z.B. die beiden Phalaris.

115 Der in der Kaiserzeit lebende athenische Sophist Melesermos hatte nach Suidas 14 Bücher und Briefe von Hetären, und je eines von Bauern, Köchen, Feldherrn, Zechern verfaßt.

116 Auch eine fälschlich dem Demetrios von Phaleron zugeschriebene theoretische Schrift: τύποι ἐπιστολικοί, gab es.

117 Es scheint, daß es früher Rednerstatuen als Dichterstatuen gab; wenigstens sind die offiziellen ehernen Statuen der drei großen Tragiker erst unter der Verwaltung des Lykurgos aufgestellt worden. – Welche Bedeutung selbst dem nur geschriebenen Worte zugemessen wurde, ergeht auch aus dem Geschenke von 20 Talenten, das Fürst Nikokles aus Zypern dem Isokrates machte »für die an ihn geschriebene Rede«; dieses zog dann dem Isokrates Neid und eine höhere Besteuerung zu. Plut. X orat. vit. 4.

118 Bios III bei Westerm. S. 269.

119 Man wird dabei an das platonische μέγα ϑρέμμα erinnert.

120 Natürlich erfand man dann auch die nötigen Wehrmittel gegen dieses Mitleid.

121 Im dritten Buche gibt Aristoteles zu, daß der Vortrag neben der sachlichen Behandlung etwas Wichtiges geworden sei, aber nur, weil die Zuhörer nichts mehr taugen (διὰ τὴν τοῦ ἀκροατοῦ μοχϑηρίαν). Da es sich einmal um die Meinung (δόξα) handle, sei er eine Notwendigkeit geworden; eine Techne gebe es darüber noch nicht; wenn einst eine solche komme, so werde sie zu der schauspielerischen stimmen. – Verloren ist leider von Aristoteles die συναγωγὴ τεχνῶν, ein Hilfswerk zur Rhetorik, worin er eine Übersicht über die vor ihm vorhandenen Theorien der Beredsamkeit gab; diese würde uns die Rhetorik erst recht schätzen lehren.

122 Besonders hübsch ist II, 13, wo gezeigt wird, wie zum Kriege geraten oder davon abgeraten werden soll.

123 Plut. vit. Dem. c. 8 sagt, sicher sei er nur gewesen, wenn er sich vorbereiten konnte; oft habe ihn das Volk mit Namen in der Versammlung vorgerufen, und er sei nicht aufgetreten, wenn er nicht gerüstet war. Vgl. auch de lib. educ. 9, wo von Perikles dasselbe erzählt wird. Doch kann diese Weigerung ebensowohl aus sachlichen als aus rhetorischen Gründen erfolgt sein.

124 Auf diesen könnte etwa (§15) der Satz gehen, es sei kläglich, daß solche, die sich mit Philosophie abgeben und andere zu bilden versprechen, wenn sie ihre Schrift nicht zur Hand haben, nicht besser als die Ungebildeten dastehen; denn das sorgfältige Studium des Schreibens bewirke Unfähigkeit zum freien Reden.

125 Er glaubt (§ 2), man sollte solche Schreiber viel richtiger ποιητάς als σοφιστάς nennen; den Titel Sophist scheint er also hoch und jene dessen unwürdig zu halten.

126 Warum gehört Demetrios von Phaleron nicht dazu, den doch Quintilian X, 1, 80 den letzten attischen Redner nennt? Freilich geschieht es mit dem bezeichnenden Zusatze quamquam is primum inclinasse eloquentiam dicitur.

127 Vgl. oben S. 312 f. – Nach dem ersten Bios des Thukydides wäre er offenbar anfangs persönlich als Anwalt aufgetreten und hätte erst in der Folge, nachdem die Größe seines Talents das Mißtrauen der Gerichte erweckt hatte, für Klienten geschrieben. Bei Plutarch (X orat. vit. 1) heißt es nur, er sei, wie einige sagen, der erste gewesen, welcher denen, die es bedurften, Reden für ihre Prozesse schrieb.

128 Dieser handelt II, 331 ff. sehr umständlich über die Sprache und Redeweise beider und weist nach, daß ihnen die periodische Abrundung noch fehlt, während sie doch schon die symmetrische Gliederung des Satzes haben, welcher, obwohl mit Mäßigung, die sämtlichen von Gorgias eingeführten Zierden besitzt. Im Vergleich zu den Spätern fehlen teils die auf Leidenschaftlichkeit, teils die auf Schlauheit und Verstellung beruhenden Wendungen des Gedankens.

129 In diese seine frühere Zeit gehört oder will gehören seine Rede in Platons Phädrus, je nachdem Plato wirklich eine seiner Reden vernutzt hat oder nur eine solche in seinem Stil fingiert.

130 Frohberger, § 14 der Einleitung seiner empfehlenswerten Ausgabe, nennt eine Anzahl von Klienten. Es sind: der in seinem heiligsten Rechte verletzte Ehemann, der um seines täglichen Almosens willen angefochtene Krüppel, der wohlhäbige, zu seinem Erstaunen einer Impietät verdächtigte Landmann, der in seiner militärischen Stellung gekränkte, gerade und ehrliche, allem stutzerhaften Wesen abholde Reiter, der nur auf praktische Interessen bedachte Feind der Getreidespekulanten. Ferner äußert sich der Schmerz um den verlorenen Schwager und das Rachegefühl gegen dessen Mörder, die Indignation wegen der verleumderischen Anschuldigung des Vatermordes, der Unwille gegen den feigen Wüstling Alkibiades, den gewissenlosen Gesetzesrevisor Nikomachos, den seines Ehrenamtes unwürdigen Buleuten Philon usw. Unschuldig waren die Klienten gewiß nicht immer; aber wenn man die Reden des Lysias liest, hält man sie alle dafür.

131 Plut. X orat. vit. δοκεῖ κατὰ τὴν λέξιν εὔκολος εἶναι δυσμίμητος ὤν. – Dion. Hal. de rhet. ant. s.v. Lysias. – Unbillig, wenn sie auch wahr sein mag, ist gegen ihn die Anekdote Plut. de garr. 5: Einem Besteller gefiel anfangs die von Lysias gelieferte Rede sehr, aber bei wiederholtem Lesen erschien sie ihm stumpf und wirkungslos; Lysias, der dies bemerkte, sagte lachend: Du wirst sie ja nur einmal vor den Richtern halten. Er hat seither doch die Jahrhunderte ausgehalten. Auch fügt Plutarch bei: καὶ σκόπει τὴν Λυσίου πειϑὼ καὶ χάριν˙ κἀκεῖνον γὰρ ἐγὼ φαμὶ ἰοπλοκάμων Μοισᾶν εὖ λαχεῖν.

132 Er selber gibt Philipp. 81 zu, daß τόλμα δυναμένη ὄχλῳ χρῆσϑαι καὶ μολύνεσϑαι καὶ λοιδορεῖσϑαι τοῖς ἐπὶ τοῦ βήματος καλινδουμένοις ihm gefehlt habe.

133 περὶ ἀντιδ. 2. – Sein rhetorischer Schwung hätte sich hier schon nicht völlig entfalten können.

134 Vgl. O. Müller II, 385. – Er wurde damit so reich, daß er zur Übernahme einer Trierarchie gezwungen werden konnte, nachdem er es zweimal abgelehnt hatte. Laut dem dritten Bios (Westerm. S. 255) nahm er übrigens nur von den Fremden, nicht von den Athenern Honorar und war auch sonst freigebig.

135 S. 318. – Dies sind seine λόγοι συμβουλευτικοί. Plut. X orat. vit. 4. Teils las er sie (d.h. intra parietes) selber vor, teils rüstete er sie für andere, indem er so die Hellenen auf ihre Pflicht hinzuweisen meinte.

136 O. Müller II, 391, der hier förmlich entzückt spricht. – Isokrates selbst sagt contra soph. 16, τοῖς ἐνϑυμήμασι πρεπόντως ὅλον τὸν λόγον καταποικῖλαι καὶ τοῖς ὀνόμασιν εὐρύϑμως καὶ μουσικῶς εἰπεῖν sei Sache großer Sorge und starken Willens. Anderseits wird sein Herumbasteln an der Diktion Plut. de fort. Ath. c. 9 lächerlich gemacht.

137 Dies alles meist wörtlich nach Müller a.a.O. – Eine Parallele des Isokrates mit Gorgias, Thukydides, Lysias und Plato nach Dionys v. Halik. gibt Schäfer, Dem. I, 285.

138 Eine sehr eingehende, raffinierte Würdigung des Isäos findet sich bei Plinius, Epist. II, 3.

139 Wir kennen sie aus der Statue von Herculaneum in Neapel.

140 Argum. zu in Tim.

141 Vgl. Schäfer, Demosthenes u.s. Zeit I, 272 ff. – Der Umstand, daß seine ersten Reden sehr an Isäos anklingen, wird aus dem Brauch der Rhetorenschulen erklärt, mustergültige Stellen dem Gedächtnis einzuprägen; sicherlich habe Demosthenes ganze Reden seines Lehrers auswendig gelernt. – Schon als junger Mensch soll er nach Plut. Dem. 5 auch sich Zugang zum Gerichtshof verschafft haben, als Kallistratos sich (in der Sache des Verrates von Oropos) durch meisterliche Rede die Freisprechung erwirkte, und bei diesem Glanzerfolg soll in ihm die Lust nach gleichem Ruhm erwacht sein.

142 Dahin gehören die Geschichten vom Sprechen gegen die Flut oder den Sturm und mit Steinchen im Munde, vom Gestikulieren vor einem lebensgroßen Spiegel, vom Aufenthalt in einer Höhle, vom halbgeschorenen Haupt, von der triumphierenden Erklärung ἥκω φέρων ὑμῖν τὸ ῥ καταρερητορευμένον. Dieselben stammen nach Plut. Dem. 11 doch teilweise schon von Demetrios von Phaleron, der sie von dem alten Demosthenes selbst haben wollte. Das vorgebliche unterirdische Redegemach wurde noch zu Plutarchs Zeiten gezeigt. Sobald man so etwas zeigen kann, schweigen ja bei den meisten Menschen die Einwürfe. Wenn sodann erzählt wird, er habe dem Schauspieler Neoptolemos 10000 Drachmen Lehrgeld gegeben, um ganze Perioden vortragen zu lernen, ohne Atem zu schöpfen, so erinnert dies an die Anagnosten in der griechischen Kirche.

143 Weitläufig handelt über Stimmhandhabung, Gesten und Tracht des Redners Quintilian, inst. or. XI.

144 Vgl. hierüber Schäfer I, 278 ff. und 293: »Wenn wir einen Einfluß des Isokrates darin erkennen dürfen, daß Demosthenes auf Fülle und Ebenmaß der Satzglieder wie auf Wohlklang der Wortfügung besondern Wert legt, daß sein Stil manche Härte der Frühern vermeidet, so ist anderseits klar und im ganzen Altertum anerkannt, daß ihm jene ängstliche Feile, der die geschmeidige Form über alles gilt, widersteht.« – Die Plut. Dem. 5 mitgeteilte Version, wonach Demosthenes die Technai des Isokrates und Alkidamas einem andern entwandt und sich so angeeignet habe, ist durch die Anschauung, daß man aus einer Techne die Hauptsache der Beredsamkeit lernen könne, bezeichnend.

145 Diese von Zosimos, vit Dem., nach Äschines überlieferte Geschichte wird von Drumann, »Die Arbeiter und Kommunisten« S. 95, nebst andern seinen Charakter kompromittierenden Erzählungen geglaubt, und Äschines (c. Ctesiph. 441 u. 563) zitiert, der ihn als einen treulosen Redenmacher hinstellt. Schäfer I, S. 314 f. dagegen bestreitet die Sache mit guten Gründen, obschon auch er zugibt, daß Demosthenes in diesen Reden auch Scheingründe nicht verschmäht und zwar keinen Unschuldigen verfolgt, aber doch auch nicht ganz zweifellose Sachen verfochten habe. Nach einem Fragment des Theopomp antwortete er dem Volke, als er bei einem (wahrscheinlich unsaubern) Anlaß zum öffentlichen Ankläger vorgeschlagen war: Ihr werdet einen Ratgeber an mir haben, ihr Männer von Athen, auch wenn ihr nicht wollt, einen Sykophanten aber auch nicht, wenn ihr wollt.

146 Wir erinnern an die Vergleichung der athenischen Kriegführung mit dem Faustkampf der Barbaren, Phil. I, 40.

147 Im Lamischen Kriege täuschte er sich nicht mehr über die Griechen; er sagte, er wisse, daß sie zwar im gewöhnlichen Wettlauf, aber nicht im Dauerlauf zu siegen verständen.

148 Umständliche Analyse derselben bei Schäfer I, 285 ff. – Auch die übrigen rhetorischen Schriften des Dionys sind für Demosthenes wichtig.

149 Cic. Brut. 13, 51. Orat. 8, 25. – Vgl. auch Quint. inst. or. XII, 10 Asiana gens tumidior alioqui atque jactantior vaniore etiam dicendi gloria inflata est.

150 Strabo XIV, p. 648 sagt über ihn: ὃς ἦρξε μάλιστα τοῦ Ἀσιανοῦ λεγομένου ζήλου παραφϑείρας τὸ καϑεστὀς ἔϑος τὸ Ἀττικόν.

151 Dion. Hal. de rhetorib. antiquis in der Widmung an Ammäus: »Die alte philosophische Redekunst sank, schmählich niedergetreten, dahin. Seit dem Tode Alexanders hatte sie begonnen zu siechen und ist dann bis gegen unsere Zeiten hin nahezu dahingeschwunden. Eine andere hatte sich dafür eingestellt, unleidlich, unverschämt, theatralisch, ungezogen, ohne Anhalt an Philosophie oder sonstiger edlerer Bildung, und täuschte die unwissenden Massen. Sie erreichte bald einen ganz andern Wohlstand, eine viel üppigere Stellung im Leben als ihre Vorgängerin; Ehren und hohe Stellungen in den Städten, welche den Philosophen gehört hätten, nahm sie für sich; sie war gemein und derb. Am Ende bewirkte sie, daß Hellas den Wohnungen der Liederlichen und Elenden ähnlich wurde. Wie in solchen Häusern die freigeborene, sittsame Gattin dasitzt und über nichts mehr von dem verfügen kann, was ihr gehört, während eine törichte Hetäre, zum Verderben anwesend, über alle Habe Meister ist und die andern verachten und bedrohen darf, so stand es in allen Städten, auch in den sehr gebildeten. Die alte, eingeborene attische Muse war verkommen und verbannt; wer sich jetzt vermaß, griechische Städte zu lenken, das war eine Muse, die erst gestern aus einem asiatischen Abgrund aufgetaucht war, etwa eine Phrygerin oder ein Übel aus Karien oder sonst einem Barbarenland.«

152 Plut. Anton. 2 sagt, Antonius habe sich bei seinem Jugendaufenthalte in Griechenland (58 v. Chr.) an die asianische Manier gehalten, die damals am meisten blühte und viele Ähnlichkeit mit seinem eigenen Wesen hatte, das prahlerisch und übermütig war und voll hohler Hoffart und ungleichmäßiger Ehrsucht.

153 Dionys. Hal. de comp. verb. Sylb. p. 9: Μουσικὴ γάρ τις ἦν ἡ τῶν πολιτικῶν λόγων ἐπιστήμη, τῷ ποσῷ διαλλάττουσα τῆς ἐν ᾽ῳδαῖς καὶ ὀργάνοις, οὐχί τῷ ποιῷ.

154 Nach diesem Zeichen unterscheiden, wie er einsieht, nicht bloß Redner die Redner, sondern auch Maler die Werke des Apelles und Bildhauer die des Polyklet und Phidias von denen ihrer Nachahmer.

155 Unter den bessern Kaisern scheint man eine zweite Blütezeit der Redekunst statuiert und wiederum eine Zehnzahl ausgeschieden zu haben. Suidas s.v. Nikostratos (bei Westermann S. 347).

156 Ein Dithyrambenstück aus Pindar und das ποικιλόϑρον᾽ ἀϑάνατ᾽ Ἀφροδίτα der Sappho sind nur hier erhalten.

157 Z.B. der bei Walz, Rhet. Gr. III, 704 mitgeteilte Auszug einer Anzahl Termini aus Hermogenes.

158 Philostratos in den Sophistenleben, der für diesen ganzen Betrieb Hauptquelle ist, führt z.B. (p. 233) als Themata des Rhetors Polemon im II. Jahrh. neben der Verteidigung eines entdeckten Ehebrechers auf: einen Xenophon, der nach Sokrates zu sterben begehrt, einen Solon, der die Widerrufung der eigenen Gesetze beantragt, weil Peisistratos die Tyrannis gewonnen hat, einen Demosthenes nach Chäronea, einen in der harpalischen Sache und einen, der den Antrag stellt, auf den Trieren zu entfliehen. Ähnliche Themata des Aristides und des Ptolemäos ebenda p. 253 f. 259.

159 Vgl. Hermogenes bei Walz I, 44.

160 Ausgelassen, da nicht von Burckhardt, sondern Zusatz von Oeri.

161 Suidas bei Westerm. 343 und 355.

162 Bei Suidas heißt es s.v. Hermogenes, er habe schon 18 bis 20-jährig diese wunderbar guten (γέμοντα ϑαυμάτων) Werke verfaßt.

163 Strabo XIV, 1, 48, p. 650.

164 Manches Detail gibt auch Gellius.

165 Plut. περὶ τοῦ ἀκούειν. – Er handelt von der guten Manier des Zuhörens, die es früher gab; und spricht dabei freilich nicht von Volksversammlung und Gericht, sondern vom philosophischen und rhetorischen Vortrag, nimmt aber seine Beispiele doch aus dem allgemeinen Leben. Das Schlimmste beim Zuhören ist nach ihm der Neid, der am meisten gerade die trefflichste Rede haßt, gerade das, was ihn freuen sollte und ihm ja gehört. Dieser läßt den Betreffenden schon nicht recht zuhören, betäubt und zerstreut ihn, macht ihn zornig gegen bewundernde Mitzuhörer, so daß er der Rede ein Ende zu machen sucht, wo sie am schönsten ist, am Schlusse den Lobenden davoneilt, sich zu den Schlechtmachern gesellt und Vergleichungen anstellt mit einigen »Jüngeren«, welche den gleichen Gegenstand viel besser und kräftiger behandelt hätten usw. (Solchen Neid zieht heute niemand mehr auf sich.) Es ist sodann von allerlei Zügen der guten Lebensart beim Zuhören die Rede. Behutsamkeit und Mäßigung auch im Lob wird empfohlen. So wenig der Hochmütige recht tut, der gar kein Zeichen von sich gibt, und das, was Pythagoras als die Frucht des Philosophierens nennt, das »Sich über nichts wundern«, falsch anwendet, so wenig soll man grellen und unüberlegten Applaus spenden, welcher für die Mitzuhörer aufdringlich ist. Manchem Redner genügt schon der ruhigsanfte Blick des Hörers, und dieser sollte eigentlich bei jedem Vortrag, auch beim mißlungenen, dasein. Unarten der Hörer sind das Stirnrunzeln, die finstere Miene, das Herumschweifen der Augen, die krumme Haltung des Körpers, das Kreuzen der Beine, das Nicken, Lispeln mit dem Nebenmann, Lächeln, Gähnen, Gesichterschneiden. – Über die Zurufsworte, von denen dann weiter die Rede ist, und deren relative Paßlichkeit findet sich eine bezeichnende Stelle auch bei Gellius V, 1.

166 Vgl. oben S. 299 f.

167 Vgl. S. 303 f.

168 Bei der Dialektik kann es freilich fraglich sein, ob sie mehr der Philosophie oder der Rhetorik gehörte.

169 Ganz besonders charakteristisch für die Unabhängigkeit ist auch das delphische, zuerst dem Thales zugeschriebene »Erkenne dich selbst« welches von allen Asiaten nur die Hindus allenfalls gehabt haben. Nur eine so lockere Religion wie die griechische machte die reiche Entwicklung von Psychologie und Anthropologie möglich, und nur so war auch die sokratische Ethik denkbar.

170 Athen. XIII, 92.

171 Sie selbst aber wurde durch ihn von ihren blutigen Erinnerungen aus der Zeit der dreißig Tyrannen entsühnt. Diog. Laert. VII, 3, 6.

172 Mehrere Schulen, die in der Theorie eine scharfe, halb asketische Ethik verfochten, zogen sich durch das Honorar noch bis auf Lukian den Hohn zu. Vgl. u.a. vitar. auctio 24, wo eine lächerliche Ausrede des Stoikers Chrysippos. Schon Zenon hatte übrigens Honorar angenommen. Aristipp, der selber den Sokrates umsonst hatte honorieren wollen, sagte von sich: er nehme Geld, nicht um es selber zu brauchen, sondern damit andere sähen, wozu man Geld ausgeben solle. Bei einem eigenen Prozesse mietete er einen Rhetor, da man ja auch für ein Gastmahl einen Koch miete.

173 Thales gab nach Diog. Laert. I, 1, 4 freilich als Grund die φιλοτεκνία an; denn Kinder wären ihm zu lieb, als daß er sie in diese Welt setzen möchte. Vgl. darüber auch Plut. Sol. 6 mit dem Räsonnement Plutarchs. Ob Demokrits Ehe (fragm, 180) nicht am Ende nur Sage war, ließe sich fragen; er soll eine kleine Frau als kleinstes Übel geheiratet haben. Fr. 185 warnt er vor dem Kinderzeugen und fr. 186 ebenso und vor der Ehe überhaupt wegen der vielen Beschwerden, und weil dies vom »Nötigeren« abziehe. Endlich fr. 188 rät er reichen Leuten zur Adoption, weil man da wählen könne. – Von dem Sokratesschüler Äschines erzählt sein Prozeßgegner in einer von Lysias verfaßten Rede (bei Athen. XIII, 93, 94), er hätte die siebzigjährige Frau des Salbenhändlers Hermaios verführt, so daß sie ihren Mann und ihre Söhne zu Bettlern, ihn selbst aber aus einem Krämer zu einem Salbenhändler machte. (Man möchte wissen, was hieran Wahres ist.) – Selbstverständlich war dann die Ehelosigkeit vollends bei den Zynikern, wo die Ausnahme (Krates und Hipparchia) sich burlesk ausnimmt. Auch bei dem Megariker Stilpon (Diog. Laert. II, 12, 3) wird die Ehe als etwas Besonderes erwähnt; er hatte dann eine ungeratene Tochter. – Die Geschichte, die von Menedemos, dem Stifter der eretrischen Schule (Diog. Laert. II, 18, 3), erzählt wird, läßt schließen, daß das Heiraten eine Ausnahme war: Als jemand fragte, ob ein ernster Mensch (σπουδαῖος) heirate, ließ er sich zuerst bestätigen, daß er ernsthaft sei, und erklärte dann, er habe geheiratet. Von dieser Ehe berichtet Diogenes (ebd. 14) freilich eigentümliche Dinge. – Von Epaminondas erzählt Plutarch (Pelop. 3), er habe, φιλοσοφῶν καὶ μονότροπον βίον ἀπ᾽ ἀρχῆς ἑλόμενος (der Philosophie und einem einsamen Leben von Anfang an ergeben), seine gewohnte und ererbte Armut noch leichter gemacht, während Pelopidas heiratete. Nach Lukian, Demonax 55, mutete Epiktet dem Demonax die Ehe zu, weil es einem Philosophen anstehe, der Natur statt seiner einen andern zu hinterlassen, bekam aber die vortreffliche Antwort: »Gib mir doch eine von deinen Töchtern!«

174 Über das hohe Alter mancher Philosophen siehe die Angaben bei Lukian, Macrobii 18.

175 τοῦ ϑεωρῆσαι τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν περὶ τὸν ὅλον κόσμον τάξιν. Nach Plut. Per. 16 verließ er sein Haus und ließ sein Land ungebaut ὑπ᾽ ἐνϑουσιασμοῦ καὶ μεγαλοφροσύνης. Freilich, als er dann darbend lag, war er froh, als Perikles, der lange nicht an ihn gedacht, sich seiner annahm.

176 Plut. de exilio, Ende.

177 Über die Ausnahmen von der Apolitie der Philosophen ist die Hauptstelle Plut. adv. Colotem, c. 32, wo sich Sicheres und höchst Dubioses durcheinander findet. – Mit der Erfüllung der Kriegspflicht muß bei den Philosophen nie viel Staat zu machen gewesen sein; sonst wüßte man davon. Lukian, Parasit. 43 sagt, man wisse von keinem Philosophen, der in der Schlacht gefallen sei. Entweder zögen sie gar nicht mit oder liefen alle davon. Antisthenes, Diogenes, Krates, Zenon, Platon, Äschines, Aristoteles hätten nie eine Schlacht gesehen. Es folgt dann sogar noch eine Verdächtigung des Verhaltens, das Sokrates im Kriege befolgte.

178 Dahin gehört auch, daß der Eleat Zenon heroisch duldend in einen Martertod ging, nachdem er vergebens versucht hatte, Elea von einem Tyrannen zu befreien.

179 Vgl. über die Reisen oben S. 286, Anm. 27. – Wenigstens im allgemeinen sind die weiten Reisen des Demokrit früh bezeugt durch Theophrast bei Älian, V.H. IV, 20. Älian weiß dann noch speziell von Reisen zu Chaldäern, Magiern und indischen Sophisten zu berichten.

180 Diog. Laert. II, 6, 2.

181 Diog. Laert. III, 12, 17.

182 Suidas, bei Westermann, S. 418.

183 Diog. Laert. II, 11, 1. – Schon ein Schüler des Pythagoras tötete sich wegen eines rauhen Wortes, das dieser zu ihm gesprochen, Plut. quom. adul. c. 32.

184 Älian V.H. IV, 20. Diog. Laert. IX, 7, 5.

185 Zur Zeit des Diogenes kam man etwa nach Athen, um das dortige Leben zu beobachten, wurde aber durch die Philosophie festgehalten, wie Philiskos von Ägina, der später dem Alexander die γράμματα beibrachte, als er den Diogenes hörte. Sein Vater sandte ihm den Bruder nach, und diesem ging es ebenso; da kam der Vater nach und wurde gleichfalls Philosoph. (Wenn sie alle Zyniker wurden und schon von Hause aus arm gewesen waren, so begreift sich die Sache freilich leichter. Es waren jetzt in Athen drei Bettler mehr.) Suidas s.v. Philiskos.

186 Plut. quom. adul. c. 9.

187 Als um 300 v. Chr. Stilpon in Athen war, zog er die Aufmerksamkeit der Leute auf sich; man lief aus den Werkstätten herbei, um ihn zu sehen, und jemand sagte: man bewundert dich wie ein Tier! »Nein,« sagte Stilpon, »sondern wie einen wahren Menschen.« Diog. Laert. II, 12, 6.

188 Diog. Laert. II, 6, 3 sagt schon von Xenophon, er sei der erste gewesen, der ἱστορίας φιλοσόφων schrieb. Und damals, da die Physik mit Anaxagoras eine vorläufige Höhe erreicht und im Gegensatz zu ihr die Ethik begonnen hatte, war dies möglich.

189 Ἠϑικὰ μεγάλα c. 9. – Über Demokrits Lehre von der ἀνάγκη s. oben S. 298. – Vgl. auch Plut. περὶ τύχης, wo nach der Vulgäransicht alles Gute und Böse der τύχη genommen und der Tugend und dem Laster zuerteilt wird.

190 Die freie Persönlichkeit hatte sich, wenigstens im V. Jahrhundert, Tagdieberei müssen nachsagen lassen. Vgl. Aristoph. Wolken 331 ff.

191 Plato, Sympos. 221 c.f. – Überhaupt ist die ganze Schilderung, die hier Alkibiades gibt, von 215 an vom wichtigsten.

192 Daß er von der Kontribution seiner Schüler ganz eigentlich gelebt habe, ist die allgemeine Voraussetzung bei Seneca, de benef. I, 8. Quintilian XII, 7, 9 sagt: cum et Socrati collatum sit ad victum. Nach Diog. Laert. II, 8, 4 hatte er die vornehmen Athener zu ταμίαις.

193 Plut. an seni 26.

194 Athenäus V, 55 leugnet die Feldzüge und Heldentaten des Sokrates mit ziemlich scharfer, aber nicht überzeugender Kritik. Vgl. auch die bereits angeführte Stelle Lukian, Parasit. 43.

195 Unabhängig zeigte sich Sokrates auch gegenüber Kritias, als er trotz dessen Befehl den Salaminier Leon nicht verhaften half. Er zieht, Plato Apol. 32, aus den Gefahren dieser Unabhängigkeit den Schluß, daß er nicht alt geworden wäre, wenn er sich in seinem Sinne mit der Politik befaßt hätte. Verdächtig ist dagegen die Diodor XIV, 5 mitgeteilte Anekdote, wonach er mit zwei Schülern den Theramenes hätte retten wollen. – Sein Spott über die demokratische Bohnenwahl für Staatsstellen, Xen. Mem. I, 2, 9; über die Erhebung der Ungeeignetsten zu Strategen ebd. III, 5, 21. Doch tadelt er z.B. den Charmides, der sich sträubt, sich mit dem Demos einzulassen und sich um die Geschäfte des Staates zu kümmern, ebd. III, 7. Ein ähnliches Gespräch mit Alkibiades, der sich vor dem Demos fürchtet und von ihm darauf hingewiesen wird, daß derselbe aus lauter Einzelnen bestehe, die ihm für sich verächtlich seien, gibt Älian V.H. II, 1.

196 Der echte (xenophontische) Sokrates lehnt die μαϑήματα ab, weil sie zum Gut- und Glücklichsein nichts beitragen, und höhnt besonders über die Physik (Mem. I, 1, 11 ff.), der platonische dagegen spricht über Musik, Physik und Geometrie, was schon A. Gellius (XIV, 3) hervorhebt. Doch betont auch der platonische in der Apologie (33, a, b) stark, daß er nie jemandes διδάσκαλος gewesen sei und niemand ein μάϑημα gelehrt habe.

197 Über die Wolken vgl. oben S. 258. Sokrates sagt darin u.a., die Götter hätten bei ihm keine Währung, er betet zu Luft, Äther, Wolken, leugnet Zeus und spottet speziell über die, welche glauben, daß Zeus mit seinem Blitze die Meineidigen treffe. Nach Prozessen, wie der des Anaxagoras, war dergleichen unmöglich harmlos, und einmal (830) wird hier Sokrates durch die Bezeichnung »der Melier« geradezu mit Diagoras in eine Verdammnis gewickelt. – Anderseits freilich bringt Aristophanes samt den übrigen Komikern gewisse Dinge nicht vor, welche Plato hat, und die man gegen Sokrates hätte drehen können. Vgl. Athen. V, 61.

198 Vgl. über die sokratische Ethik Curtius, Gr. Gesch. III, S. 100 ff.

199 Vgl. besonders Xen. Mem. I, 4. IV, 3.

200 Selbst mit den Kerlen, die ihm des Nachts als Erinyen mit Fackeln nachliefen. Älian V.H. IX, 29.

201 Freilich muß man sich auch hier hüten, alles zu glauben, namentlich in der Selbstschilderung des Alkibiades. – Was die Apologie betrifft, so kann sie nach unserer Meinung jedenfalls nur Notorisches enthalten, wovon sämtliche Bekannte des Sokrates überzeugt waren. – Über die Wirkung des Weisen auf seine Gegner vgl. Steinhart (Müller und St. VIII, S. 28): »Hippias, Protagoras, Gorgias und Polos empfinden, jeder in seiner Weise, die von der Dialektik des Sokrates ausgehende betäubende Wirkung, welche Menon mit der Elektrizität des Zitterrochens vergleicht, auch wenn sie ihren Zustand durch Abbruch der Unterredung oder scheltende Worte zu verbergen suchen.«

202 Vgl. Band II, S. 312.

203 Plato, Sympos. S. 221, e: »Er redet von Lasteseln und Erzschmieden und Sohlenschneidern und Lederarbeitern (es fehlt nur der Steuermann) und scheint immer durch die gleichen Mittel dasselbe zu sagen, so daß jeder Ungebildete und Törichte über seine Reden lachen mag.« In den unechten platonischen Dialogen soll das dialektische Hindurchführen durch alle Gewerbe, um etwas Allgemeines zu beweisen, noch sehr übertrieben sein. Im Hipparch z.B. sind es deren sieben. – Mit der dialektischen Vorübung geht überhaupt bei Plato viel Zeit und Atem verloren.

204 Ἔστι γὰρ οὐκ ἀηδές sagt er in der platonischen Apologie 33 c. Ein christlicher Asket würde diese sokratische Ironie für den unbußfertigsten Hochmut gehalten haben.

205 Ebd. 31 b.

206 Über dies Daimonion vgl. Zeller bei Pauly VI, 1242. Allerlei Anekdotisches gibt darüber Plutarch, de genio Socratis 10 ff. und 20, einige dem Sokrates selbst in den Mund gelegte Kapuzinergeschichten, der durch die Stimme zuhanden anderer gewarnt wird bei (Pseudo-) Plato, Theages p. 128 ff. Vgl. auch Cicero de div. I, 54.

207 Die eigentlichen Gegner (die Sophisten) läßt Plato zuerst grob werden.

208 Der Hauptankläger war Anytos, ein Mann aus niederm Stande, doch als Feldherr und Staatsmann nicht unbedeutend und sogar (Xen. Hell. II, 3, 42) neben Thrasybulos genannt. Nach der Herstellung der Verfassung war er sehr einflußreich (Isokr. XVIII, 23).

209 Die spätern Schicksale der drei Ankläger, von denen Plut. de invidia et odio c. 6 handelt, können wirklich schlimm gewesen sein, da es ja in Athen vielen öffentlichen Leuten übel ging. Aber auch, wenn sie in vollem Glück auslebten, hätte man ihnen das böse Ende doch angedichtet. Gar so schnell kann der Umschwung in der Volksstimmung nicht gekommen sein, denn mit der ihm von Staatswegen gesetzten Statue hatte es doch Zeit bis auf Lysipp; sie stand im Pompeion.

210 Schon Antisthenes nannte sich ἁπλοκύων oder wurde so genannt. Er trug schon den Philosophenmantel (Tribon), und zwar doppelt, samt Bart, Stab und Ranzen. – Übrigens wird uns auch bei Sokrates der Kydathenäer Aristodemos als ἀνυπόδητος ἀεί vorgestellt, Plato, Sympos, 173 b.

211 Ersteres nimmt Diog. Laert. VI, 9, 3 an.

212 Diese Unverlierbarkeit der Tugend erinnert an die der Gnade bei den Calvinisten.

213 Gesch. d. gr. Phil. S. 134. – Immerhin zog Diogenes nach Chäronea mit, wurde aber schon vor der Schlacht von einem Streifkorps gefangen. Von Philipp befragt, warum er ausgezogen, sagte er: »Um deine Unersättlichkeit zu erspähen.« Diog. Laert. VI, 2, 6, 43. – Er soll auch eine entschiedene Bewunderung für Sparta gehabt haben. Daß er aber auch gegen Spartiaten sein Mundwerk walten ließ, vgl. Älian V.H. IX, 28, 34.

214 S. Schwegler a.a.O. – Ihre Theorien führten dann später die Stoiker weiter; aber schon Diogenes stellte (Diog. Laert. VI, 2, 6, 38) entgegen: τύχῃ μὲν ϑάρσος, νόμῳ δὲ φύσιν, πάϑει δὲ λόγον, lehrte Gemeinschaft der Weiber und Kinder und verhöhnte Adel, Rang und dgl.

215 Vgl. oben S. 345.

216 Diog. Laert. VI, 2, 6, 63.

217 Ebd. 38. Eine Variante: Älian V.H. III, 29. Der Thebaner Krates nannte sich den Mitbürger des Diogenes, weil diesem durch den Neid nicht beizukommen sei. Diog. Laert. VI, 5, 11.

218 Als man ihm seine thrakische Mutter vorwarf, sagte er, auch die Göttermutter sei eine Phrygerin, und wenn die Athener sich rühmten, ihrem Boden entsprossen (γηγενεῖς) zu sein, so teilten sie diesen Ruhm mit den Schnecken und Heuschrecken; die Poleis gingen dann zugrunde, wenn sie die geringen Bürger nicht von den ernsthaften unterscheiden könnten. Von den Feldherrnwahlen durch allgemeine Abstimmung meinte er, die Athener möchten durch Volksbeschluß die Esel zu Pferden erklären; schon wenn ihn viele rühmten, fragte er: »Was habe ich denn Übles getan?«

219 Seine Lebensgeschichte gibt Diog. Laert. VI, 2, 6, 20 ff. Als ihm jemand seine Verbannung vorwarf, sagte er: »Aber darum bin ich Philosoph geworden«, und als man ihm sagte: »Die Sinopier haben dich zur Verbannung verurteilt«, antwortete er: »Und ich sie zum Zuhausebleiben«.

220 Als ein Bube sein Faß (d.h. eine jener riesigen Amphoren, in denen ein Mensch fast stehen kann) zertrümmerte, gab man ihm ein neues.

221 Dieser muß doch durch den athenischen Ruf des Diogenes ganz wohl gewußt haben, wen er kaufte.

222 Diog. Laert. VI, 2, 8; 2, 6, 35.

223 Antisthenes meinte, Weisegeborene sollten keine γράμματα lernen, um nicht durch Ansicht anderer (ἀλλότρια) irre gemacht zu werden.

224 Nach Älian V.H. IX, 34 sah er hier prächtig aufgeputzte junge Rhodier und sagte lachend: »Das ist Schwindel«, und dann sah er Lakedämonier in geringen und schmutzigen Kleidern und sagte: »Das ist ein anderer Schwindel.«

225 Cic. de nat. deor. III, 34, 83. Zweifelte er an der Existenz oder an der Gerechtigkeit der Götter?

226 Über den intellektuellen Optimismus des Diogenes vgl. Band II, S. 362.

227 Diog. Laert. VI, 2, 6, 54. Freilich mochte sich dies durch die postulierte Gemeinschaft der Weiber und Kinder ausgleichen und ersetzen.

228 Wie hat man diese γνώριμοι und μαϑηταί wohl zu unterscheiden?

229 Vgl. sein ἀνϑρώπους ἐκάλεσα, οὐ καϑάρματα.

230 Als man ihm sagte: πολλοί σου καταγελῶσιν, antwortete er: ἀλλ᾽ ἐγὼ οὐ καταγελῶμαι.

231 Von seinen Freunden glaubte er das Geld nicht zu verlangen (αἰτεῖν), sondern zurückzuverlangen (ἀπαιτεῖν). Nach Plut. de vitioso pud. 7 bettelte er einst die Statuen im Kerameikos an und sagte, als man sich darüber aufhielt, er übe sich im Nichtsbekommen (ἀποτυγχάνειν μελετἀν). Von Antipater nahm er einen Tribon zum Geschenk an.

232 Der Dichter Kerkidas (Bergk S. 215) sagte von ihm: ἦς γὰρ ἀλαϑέως Διογένης Ζανὸς γόνος οὐράνιός τε κύων.

233 Älian V. H IX, 35.

234 Laut Suidas (Westermann S. 429) nannte man ihn ϑυρεπανοίκτης, weil er ungeniert in jedes beliebige Haus eintrat. Auch forderte er Huren zu gegenseitigem Schimpfen heraus, um sich gegen Beleidigungen abzuhärten (συγγυμνάζων ἑαυτὸν πρὸς τὰς βλασφη μίας). – Mild begegnete er dem gestürzten und nach Theben geflüchteten Demetrios von Phaleron, demvor seinem Mundwerk bange war. Er meinte, die Verbannung habe kein Übel in sich, Demetrios sei jetzt einer doch unsichern Stellung los geworden, er möge sich auf sich selbst verlassen. Plut. Quom. adul. c. 28.

235 Plut. an vitiositas c. 3.

236 Diog. Laert. VI, 5, 11: Mein Heimatsort ist meine Dunkelheit. Und dann die Armut. Dieser schadet Tyche nichts.

237 Ebd. 5, 2: Rechne für den Koch 3 Minen – für den Arzt 1 Drachme, für den Schmeichler 5 Talente – für den Ratgeber den blauen Dunst, für die Dirne 1 Talent, für den Philosophen 3 Obolen.

238 Ebd. Herrliches, das ich gelernt und gedacht und fand mit den Musen, Dieses besitz ich. Das Viele und Reichliche holte die Hoffart.

239 Ebd. ϑέρμων τε χοῖνιξ καὶ τὀ μηδενὸς μέλειν.

240 Diog. Laert. VI, 8, 2. Endlich gruben ihm Diebe durch die Mauer und raubten ihm alles, und er erhenkte sich.

241 Ebd. VI, 9, 2.

242 Vgl. auch das böse Epigramm des Hegesandros über die Kyniker als Heuchler, Athen. IV, 53. Das κυνικῶν συμπόσιον des Parmeniskos, ein Linsenessen in Gegenwart von Hetären, wovon Proben ebd. 45 ff., wird aus der letzten Diadochenzeit sein und ist kein echtes, sondern ein schon mit Literaturzitaten gespicktes Symposion.

243 Athen. IV, 5 6.

244 Diog. Laert. VII, 1, 24.

245 Ebd. 5, 1f.

246 Xenoph. Mem. II, 1, 13ff.

247 Man vergleiche auch im Gorgias (484 c.. ff) den Spott auf solche, die, um nicht unpraktische Leute zu werden, die Philosophie nur in der Jugend mitmachten.

248 Vgl. Band I, S. 263 ff.

249 Vgl. die ganze Darstellung bei Diog. Laert. III, 1, 41 und Band II. S. 362.

250 Nach Aristoxenos (bei Diog. Laert., ebd. 10) machte er drei Feldzüge mit; doch wurde dies von andern geleugnet.

251 Band I, S. 263, 332ff. – Von dem Platoniker Euphräos von Oreos wird Athen. XI, 119 berichtet, er habe in Makedonien soviel als König Perdikkas selbst regiert und die Umgebung desselben so pedantisch in Ordnung gehalten, daß man am gemeinschaftlichen Mahle nicht teilnehmen durfte, wenn man sich nicht auf Geometrie oder Philosophie verstand (man vergleiche Plato bei Dionys, Band I S. 333); daher, als Philipp zur Regierung kam, Parmenion den Euphräos verhaften und töten ließ. – Wir werden wohl allgemein annehmen dürfen, daß Philosophen im griechischen Staat immer doktrinär und in praxi tyrannisch sind. Ruhmredig werden die politisch tätigen Platoniker bei Plutarch adv. Colot. verzeichnet.

252 Über diesen vgl. Schwegler, Gr. Phil. S. 270ff., aus dem das Folgende entnommen ist.

253 Plut, de capienda 2. Seneca, de tranq. anim. 14, 3.

254 Diog. Laert. VII, 1, 15. Ebd. 19 die Mittel, wodurch er einen reichen Rhodier von sich abschreckte. Über das Honorarnehmen des Zeno, Kleanthes und Chrysippos vgl. auch Quintil. inst. or. XII, 7.

255 Das umständliche Bild des stoischen »Weisen« als solchen, besonders aus Diog. Laert. und Stobäos, gibt Schwegler, S. 309ff. Es paßt so recht zur stoischen Gottheit.

256 Schwegler, S. 308.

257 Band I, S. 268.

258 Plut. de tranq. anim. c. 2, – Aristion, der Tyrann von Athen und das Werkzeug des Mithridates und Archelaos, war Epikureer. Appian, Bell. Mithr. XII, 28.

259 Diog. Laert. X 1, 8, 13.

260 Plut. adv. Colof. c. 33ff.

261 Über ihn vgl. Diog. Laert. IX, 11. Bei Anlaß des Pyrrhon gibt Diogenes 11, 8 auch eine Übersicht der schon vor ihm vorkommenden skeptischen Ansichten, von Homer und den Sieben Weisen an.

262 So Schwegler, S. 332.

263 Schon der Name Äsop dürfte übrigens vielleicht ursprünglich einen »Äthiopen« bezeichnen.

264 Diog. Laert. III, 1, 20. Vgl. Band I, S. 303.

265 Plut. de virt. Alex. I, 5.

266 Diog. Laert. II, 1, 10. Weil wir auch andere Philosophen aus Karthago finden, sind wir eher geneigt, das überlieferte ὁ Καρχηδόνιος beizubehalten, als es in Καλχηδόνιος zu ändern. Bei Pausanias (V, 17, 1) finden wir sogar einen Künstler aus Karthago, den Toreuten Boëthos, von welchem in Olympia eine vergoldete Kinderfigur war.

267 Diog. Laert. VII, 1, 31.

268 Ebd. IV, 10. Nach Plut. de virt. Alex. I, 5 brachte ihn Karneades zum ὲλληνίζειν – Übrigens ließe sich fragen, ob unter diesen Phöniziern und Karthagern nicht etwa Juden waren.

269 Diog. Laert. II, 8. 7, der den Namen Ptolemais wohl für eine Stadt antizipiert, die damals noch anders hieß.

270 Plut. de exilio 14. In der Diadochenzeit beweisen daher orientalische Geburtsorte nichts mehr für orientalische Herkunft der Philosophen.

271 Vgl. Band I, S. 303f. und oben S. 286, Anm. 27. – Bei Lukian, fugitivi, c. 6f. wird dies noch zum Lobe der Griechen gewendet; die Philosophie hat bei den Barbaren als bei der schwereren Arbeit angefangen.

272 Gellius II, 18.

273 Suidas, s.v. Istros. – Etwas länger dauerte es, bis ein Sklave Rhetor wurde, wahrscheinlich, weil das öffentliche Auftreten eines solchen noch immer bedenklich war. Der erste Sklave, welcher es tat (ἐρρητόρευσεν), wird (bei Suidas, s.v. Sibyrtios) im IV. Jahrhundert erwähnt; es war Sibyrtios, Vorleser und Sklave des Theodektes von Phaselis, eines Schülers des Isokrates.

274 S. 291. – Eine Schülerin des Pythagoras Namens Arignote war nach Suidas (bei Westerm. S. 409) Verfasserin mehrerer Schriften.

275 Vgl. Platos Bios I und II (bei Westerm. S. 387 und 393).

276 Westerm. S. 410.

277 Plut. de prof. in virt. c. 10 schildert deren Unleidlichkeit, wie gerade die Leersten und alles Gehaltes Ermangelnden Keckheit besitzen und sich ein Ansehen geben mit einer Haltung, einem Gang und einem Ausdruck voll von Hochmut und einer niemandes schonenden Geringschätzung. Erst später, wenn sie Inhalt bekommen, legen sie die Hoffart und Oberflächlichkeit (τὸ σοβαρὸν καὶ φλοιῶδες) ab. Plutarch betont (c. 9), der Zweck der Wissenschaft sei nicht die Befriedigung von Eitelkeit und Ehrgeiz, sondern es handle sich um Zuhören und Belehrung; besonders nötig sei zu beobachten, ob die Zanksucht und Gehässigkeit bei den Untersuchungen nachlasse, ob wir aufgehört haben, mit den Reden wie mit schwer bewaffneten Fäusten (in Art der Faustkämpfer) aufeinander loszugehen, und als freuten wir uns mehr am Schlagen und Niederwerfen als am Reden und Belehren.

278 Diog. Laert. IX, 7. 8.

279 Mit welchem heiligen Ernste man schon an eine Polemik ging, lehrt die Geschichte von Karneades, der sich, wenn er sich anschickte, gegen Zenon oder Chrysipp zu schreiben, den Kopf mit Nieswurz purgierte, ne quid ex corruptis in stomacho humoribus ad domicilia usque animi redundaret et instantiam vigoremque mentis labefaceret, Gellius XVII, 15 (aus Plin. hist. nat. XXV, 51) mit der Variante Valer. Max. VII, 7.

280 Suidas s.v. Palamedes.

281 Älian. V.H. V, 9. – Auch die Läusesucht als Krankheit solcher, welche tödlich verabscheut werden, erscheint schon in vorchristlicher Zeit und zwar bei den Philosophen. Älian (überhaupt ein Kläffer) bringt sie IV, 28 vielleicht zuerst mit der Impietät zusammen bei Anlaß des Pherekydes, über den sie nach Aussage der Delier von Apoll soll verhängt worden sein, weil er behauptete, keinem Gott geopfert und doch so fröhlich gelebt zu haben wie die, welche Hekatomben opferten.

282 Athen. VIII, 50. Besonders behauptete Plutarch, non posse suaviter c. 2, von Epikur und Metrodor, sie hätten den größten Philosophen der ältern Zeiten das Schimpflichste nachgesagt. Dagegen Diog. Laert. X, 3ff.

283 Das späte Gekläff gegen seine Lehre und Person mit einem eigentümlich pfäffischen Ton lernt man besonders aus den Fragmenten Älians kennen. Auch Plutarch sucht z.B. in de occulte vivendo c. 3 aus seinem ganzen Verhalten zu beweisen, daß es ihm nicht einmal mit dem λάϑε βιώσας Ernst war. Sonst besteigt er in diesem Aufsatze gegen Epikur den damals schon ziemlich lahm gerittenen Gaul des αἰὲν ἀριστεύειν.

284 Ein gewisser Eudämonidas, der in der Akademie den greisen Xenokrates mit seinen Schülern philosophieren hörte und vernahm, daß er »die Tugend suchte«, fragte: »Wann wird er sie denn anwenden?« Was hier dem Alten verdeutet wird – vielleicht mit Unrecht; denn Xenokrates übte nach Plut. Phok. 27 eine große ethische Wirkung auf alle aus, die ihn sahen (freilich nicht auf Antipatros) – das konnte man der griechischen Philosophie wohl überhaupt verdeuten.

285 Man vgl. z.B. die ganz gewiß aus dem Leben gegriffene Schimpfrede, die im Jup. trag. c. 52 der Stoiker Timokles auf den letzten Hohn des Epikureers hin diesem zuschreit.

286 Über sein Ideal, Demonax, vgl. oben S. 360f.

287 Appian b. Mithr. 28.

288 Diog. Laert. IV, 1, 3.- Bis zu einem gewissen Grade war die Genossenschaft eine sakrale, nach pythagoreischem Vorbild.

289 Vgl. Zumpt, Über den Bestand der philosophischen Schulen in Athen und die Sukzession der Scholarchen.

290 Plut. de exil c. 10 sagt bei Anlaß des Geringen und Engen überhaupt: »Die Akademie, wo Plato und Xenokrates und Polemo lehrten und ihre ganze Zeit zubrachten, war ein um 3000 Drachmen gekauftes Grundstückchen (χωρίδιον).«

291 Nach Älian II, 18 fand der von Plato einfach und geschmackvoll bewirtete Feldherr Timotheos, so befinde man sich auch am folgenden Tage gut. (Freilich lautete der Satz in einer Variante: »Ihr speist eher für den folgenden als für den gegenwärtigen Tag.«) Ebd. II, 10 sagt derselbe bei Platos Anblick: »Welch ein Leben und welche wahre Glückseligkeit!«

292 Im zweiten Bios (Westerm. S. 400) heißt es, nach dem Tode des Speusippos hätten ihn »die Athener« berufen. Dies können die athenischen Platoniker sein; aber immerhin – wüßten wir gerne, wieweit und wie früh sich der attische Staat als solcher um die in Athen lebenden Philosophen gekümmert hat. – Über sagenhafte Streitigkeiten des Aristoteles mit Plato, den er u. a aus den Räumen der Akademie hätte verdrängen wollen, vgl. Schwegler, S. 187.

293 Er soll im Lykeion bis zur Stunde, da man sich salbte, mit seinen Schülern philosophierend auf und nieder gegangen sein; doch wird der Name Peripatetiker wohl eher von den erwähnten περίπατοι als vom περιπατεῖν herzuleiten sein. Alle Philosophen werden etwa περιπατοῦντες doziert haben, wie es anderseits verständlich ist, daß vielfach der Katheder und für die Zuhörer Sitze im Halbkreis gebraucht wurden. Letzteres erscheint als das Gewöhnliche bei Diog. Laert. II, 17, 5, bei Gelegenheit des Menedomos, der in diesen Dingen keine Regelmäßigkeit zeigte.

294 Von den nach Athen strömenden Fremden sagte freilich Menedomos: Viele kommen als σοφοί hergefahren, dann geben sie sich als φιλοσόφους, dann als ῥήτορας, endlich nur noch als ἰδιώτας, je einsichtiger, desto anspruchsloser Plut. de profect. 10.

295 Vgl. Schwegler, S. 324.

296 Vgl. Athen. XI, 116.

297 Er ließ bekanntlich rhodischen und lesbischen Wein holen und sagte: der lesbische ist besser, womit er Theophrast dem Rhodier Eudemos vorzog, Gellius XIII, 15.

298 Älian III, 36.

299 Der elfte, Andronikos, gab die erste vollständige Edition der Werke des Aristoteles.

300 Phlegon fragm. 14 berichtet aus ein und demselben Jahre (70 v. Chr.), neben einer römischen Volkszählung, einem Herrscherwechsel in Parthien und der Geburt Vergils, daß auf Phädros, den Epikureer, Patron als Diadoche gefolgt sei. Übrigens gab es auch besondere Sukzessionsverzeichnisse (φιλοσόφων διαδοχαί) schon von Antisthenes und dann von dem im ersten vorchristlichen Jahrhundert lebenden Alexander Polyhistor.

301 Theophrasts Testament Diog. Laert. V, 2, 14, Lykons ebd. 4, 9, Epikurs ebd. X, 1, 10. Für seine Sklaven sorgte auch Aristoteles gut, ebd. V, 1, 9.

302 Diog. Laert. V, 2, 5.

303 S. 122f.

304 Kommt unter den spätern didaktischen Dichtern kein Philosoph vor wie Lucretius?

305 Besonders hohe Bücherpreise wurden wohl unter Voraussetzung des Alleinbesitzes gezahlt, so wenn Plato ein Buch des Pythagoreers Philolaos um 100 Minen kaufte, oder Aristoteles einige Schriften des verstorbenen Speusippos um 3 Talente.

306 Ausgelassen, da nicht von Burckhardt, sondern Zusatz von Oeri.

307 Vgl. Schwegler, S. 191ff.

308 Strabo XIII, 1, 54, p. 609. Im nämlichen Kapitel wird das unglückliche Schicksal der zusammengekommenen Bibliotheken des Aristoteles und Theophrast erzählt.

309 Diog. Laert. V, 1, 12, 25.

310 Über Timon s. Diog. Laert. IX, 12. Es gab zu den Sillen Kommentare.

311 Über diesen vgl. S. 114; man soll seine Mimen unter Platos Kopfkissen gefunden haben, Diog. Laert. III, 1, 13.

312 Dionys –.Hal. De comp. verb. p. 30.

313 Was die Zeit betrifft, so hat man dann immer zweierlei zu fragen, nämlich 1. in welchem Jahre der Dialog von Plato verfaßt worden sei, und 2. welches das fingierte Datum des Dialogs sei. Athen. V, 56ff. werden Platos chronologische Freiheiten in ziemlich plumper Weise als Lügen widerlegt.

314 Es ist dies eines jener mythisch sein wollenden Bilder, für die die platonische Höhle, der platonische Er usw. Vorbild waren.

315 Vgl. oben S. 337.

316 Über die Bedeutung, welche diesen παιδεύματα für die Bildung der Seele von Plato zugemessen wurde, vgl. die oben S. 142, Anm. 273 angeführte Stelle. Eine in sehr spartanischem Sinne gehaltene Parallele zwischen der sonstigen griechischen und der spartanischen Erziehung findet sich Xenoph. de rep. Laced. c. 2.

317 Vgl. oben S. 32.

318 Nach Älian V.H. VII, 15 handeln die Mytilenäer so, indem sie es als das Ärgste erachten, ἐν ἀμουσίᾳ καὶ ἀμαϑίᾳ καταβιῶναι. – Als selbstverständlich erscheint der διδάσκαλος z.B. nach Plut. Them. 10 in der Zeit der salaminischen Schlacht, da die Trözenier nicht bloß die hergeflüchteten athenischen Familien nähren, sondern auch Lehrer für die Knaben besolden. – Daß daneben die Schüler auch Ferientage liebten, erhellt aus der Plut. rei p. ger. praec. c. 27 mitgeteilten Verfügung des Anaxagoras, der, indem er andere Ehren abwies, darum bat, man möchte an seinem Todestage die Knaben spielen und σχολάζειν ἀπὸ τῶν μαϑημάτων lassen.

319 Olympiodor. vit. Plat. am Anfang. – In kleinen Orten und bei einfachen Verhältnissen mögen wenigstens der Grammatist und der Musiklehrer oft nur eine Person gewesen sein. In Pseudo-Herod. vit. Hom. c. 4 heißt es von Homers Stiefvater, daß er die Knaben γράμματα καὶ τὴν ἄλλην μουσικὴν ἅπασαν gelehrt habe.

320 Wohl erst spät und auch in kleinern Städten, wo ein Lehrer genügte, wird dieser vom Staat bestellt worden sein; vgl. Plut. Camill. 10, wo es (mit einer von Plutarch stammenden Motivierung) gelegentlich des Schulmeisters von Falerii heißt: κοινῷ γὰρ ἐχρῶντο τῷ διδασκάλῳ, ὥσπερ Ἕλληνες οἱ Φαλέριοι βουλόμενοι συντρέφεσϑαι καί συναγελάζεϑαι μετ᾽ ἀλλήλων εὐϑὺς ἐξ ἀρχῆς τοὺς παῖδας. – Für die frühere Zeit wird Ähnliches Diod. XII, 12 von der Gesetzgebung bei Charondas gemeldet, welcher bestimmt habe, daß alle Bürgersöhne die Schrift lernten und der Staat die Lehrer besolde, wie dies anderswo mit den Ärzten geschah.

321 Diog. Laert. II, 8, 4, 79.

322 Was sich Plutarch von Plato, Eudoxos u.a. als Mathematikern dachte, vgl. Quaest. conviv. VIII, 2, 1. – In de Ei ap. Deiph. 6 berichtet er, Plato habe den Befehl des Orakels, den Altar von Delphi zu verdoppeln, dahin ausgelegt, der Gott wolle überhaupt, daß die Griechen Geometrie trieben.

323 Man sehe sich beispielsweise das Verzeichnis der Schriften Kritons und Simons, Diog. Laert. II, 13 und 14 an. Hier finden sich neben Schriften wie περὶ τοῦ ὄντος, περὶ τοῦ ἀριϑμοῦ ethische Dialoge und Abhandlungen: daß die Trefflichen es nicht durch Lernen werden, – was das ἐπιτήδειον sei, über das Bösestun, über das Gesetz, über den Umgang, über alle möglichen Tugenden, Tätigkeiten und Eigenschaften. Anderes ist ästhetisch: über die Poetik, über das Schöne; anderes anthropologisch: über das Lernen, über das Erkennen, über das Wissen usw.

324 Vgl. oben S. 48ff.

325 Über ihn Diog. Laert. IX, 7.

326 Über sein Verhältnis zu den Abderiten vgl. oben S. 339.

327 Seine εὐϑυμία mochte etwa der χαρά der spätern Epikureer entsprechen.

328 Seneca, ep. 90. Vitruv. praef. VII.

329 Dies gegen die Ausführungen Hellwalds, Kulturgesch. 252ff.

330 Dies die Hypothese Useners, Preuß. Jahrb. 1884 Heft I »Organisation der wissenschaftlichen Arbeit«, wo besonders alle damaligen mathematischen und astronomischen Leistungen auf Plato gehäuft werden, während doch zu uns in dessen Schriften fast nur Ethik und Dialektik reden.

331 Die Ausnahme, welche Athen im Jahre 305 machte, s. oben S. 374. Andere Ausnahmen S. 379 Anm. 320.

332 Zuerst hatten die Achsendrehung der Syrakusier Hiketas und der (zeitlich nicht zu bestimmende) Pythagoreer Ekphantos gelehrt. – Was die Kugelgestalt der Erde betrifft, so wurde dieselbe anfänglich von den Pythagoreern aus dem abstrakten Grunde postuliert, daß die Erde die vollkommenste Form haben müsse. (Vgl. dazu das Lob der Kugel und des Kreises im Munde des stoischen Mitredners bei Cicero de nat. deor. II, 18, 47). Erst Parmenides lehrte sie aus mathematischen Gründen, und erst Aristoteles brauchte die Mondfinsternisse als Beweis dafür und lehrte auch schon die allenthalben gleich verteilte Anziehungskraft nach dem Zentrum der Erde. Archimedes lehrte auch die Kugelwölbung des Meeres, die Ptolemäos bestätigte.

333 Dies nach Peschel, Gesch. der Erdkunde, S. 30ff.

334 Vgl. Plin. H.N. II, 161 ingens hic pugna litterarum contraque vulgi.

335 Daß es Kollektaneen sind und nicht ein abgeschlossenes Werk, geht schon aus der nicht seltenen Wiederholung der Fragen an späterer Stelle hervor, wo er dann mit neuen Vorschlägen der Beantwortung herausrückt.

336 Ein leichteres Spezimen des Ganzen gibt z.B. Cap. XII »περὶ τὰ εὐώδη«, ein großenteils enorm schwieriges Kap. XVIII »περὶ ἁρμονίαν«. Hier werden eine Menge von Fragen der Tonwirkung überhaupt und der griechischen Musik insbesondere behandelt und (50) mit der Frage geschlossen: warum zwei gleiche Gefäße, das eine leer, das andere halbvoll, um eine Oktave verschieden mittönen.

337 Über die Entstehung des Buches vgl. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde I, S. 426ff., wo nachgewiesen ist, daß der Kern der Sammlung schon von Varro als Werk des Aristoteles zitiert wird.

338 Einige sehr starke Tiergeschichten, zum Teil aus Aristoteles, finden sich auch im Munde des stoischen Mitredners in Cicero, de nat. deor. II, 49, 124f. (besonders die Selbstmedizin der Tiere).

339 Nach Strabo XIII, p. 608, wäre er der erste gewesen, der eine solche anlegte; doch werden, um von den Berichten über Büchersammlungen der Tyrannen Peisistratos und Polykrates abzusehen, auch solche des Eukleides von Athen, des Euripides und des Nikokrates (Nikokles?) von Zypern erwähnt, Athen. I, 4.

340 Vgl. Älian V.H. IV, 19 (über Philipp) und Athen. IX, 58 (die 800 Talente von Alexander).

341 Ziemlich maliziös wird die Frage, woher er über die Tiere so manches und so sicher gewußt habe, bei Athen. VIII, 47 erhoben.

342 Über sie und die πολιτεῖαι vgl. Band I, S. 267f.

343 Solche scheinen sich hier am ehesten bei Anlaß der niedrigen Tiergattungen zu finden, mit welchen sich Mythus und Bauernsage nicht hatten abgeben mögen. Dagegen findet sich ein Reichtum an Elefanten- und Löwenfabeln. Z.B. ruft V, 49 der verwundete Elefant die Götter als Zeugen seines ungerechten Leidens an, VII, 44 beten die Elefanten zur Morgensonne, VII, 48 wird höchst umständlich die Geschichte von Androkles erzählt; auch V.H. 1, 9 wird erzählt, für den kranken Löwen gebe es kein Heilmittel, als einen Affen zu fressen. V, 34 wird der Schwanengesang als Tatsache erzählt und richtig Sokrates in Platons Phädon dabei zitiert, während der Autor V.H. I, 14 doch bekennt, daß diesen Gesang niemand vernommen habe. Beim Blenden und Wiedersehendmachen einer Eidechse in einem Topf war Älian nach V, 47 selbst zugegen. Ein schönes Muster seiner Dickgläubigkeit ist V, 29 die Geschichte von den Wildgänsen, welche, wenn sie den Taurus passieren, aus Furcht vor den Adlern einen Stein in den Schnabel nehmen, um sich nicht durch Schreien zu verraten (dieselbe kehrt übrigens bei einer Anzahl von Autoren, u.a. Ammian. Marc. XVIII, 3, 9 wieder). Bezeichnend für den Grad seiner Kritik ist III, 2 3, wo er erst dem Myndier Alexander etwas vom Stärksten nacherzählt (daß die gealterten Störche zum Lohn für ihre Elternliebe auf den Inseln des Okeanos Menschen würden) und dann fortfährt: »Und dies scheint mir kein Mythos. Denn zu welchem Zweck hätte Alexandros dies ersonnen, da er ja keinen Profit davon gehabt hätte? Ohnehin hätte es sich für einen verständigen Mann nicht geziemt, die Lüge der Wahrheit vorzuziehen, auch nicht um des größten Gewinnes willen, geschweige denn, wenn er sich über solche Dinge einem Tadel ohne Gewinn aussetzte.« Also die griechische Lust am Lügen und Fabulieren ist Älian selbst nicht klar geworden.

344 Er sagt (IX, 24, 1), man solle weder ein leichtfertiges Urteil haben, noch den seltnern Fällen gegenüber ungläubig sein.

345 Die Hauptstelle über die submarinen Flüsse ist II, 5, 3. Darnach kommt der phliasische Asopos aus dem Mäander, der Inopos auf Delos aus dem Nil, ja der Nil selber aus dem Euphrat. Vgl. auch II, 7, 8. – Für das berühmte Durchströmen des Alpheios unter dem ionischen Meere gab es nach V, 7, 2 einen delphischen Spruch. Hierüber vgl. auch Antigonos c. 140.

346 Bei Plinius H.N. IX, 9 meldet der Legat von Olisipo (Lissabon): man habe in einer Höhle einen auf einer Muschel blasenden Triton in kunstüblicher Form (qua noscitur forma) gesehen und gehört. Und auch die Form der Nereiden ist keine irrig angenommene; nur daß ihr Leib auch da, wo er Menschengestalt hat, schuppig ist. An demselben Ufer hörte man weithin das Winseln einer sterbenden Nereide. Unter Augustus meldete der Legat von Gallien, mehrere tote Nereiden seien erschienen. (Mußten sie wohl an den Strand kommen, um zu sterben?) Von vornehmen römischen Augenzeugen wird dem Plinius bestätigt, daß sich im Meere bei Gades der marinus homo, am ganzen Leibe ähnlich (d.h. wohl, wie man die Tritone malt) zeige; er bestieg bei Nacht Schiffe, welche sich dann sofort senkten und, wenn er länger blieb, untersanken. Rein tierische Ungetüme sodann wurden unter Tiberius in Gallien an den Strand getrieben. Das riesige Skelett desjenigen, welches einst Andromeda bedroht hatte, war schon lange von Joppe nach Rom gebracht worden und hatte bei den Spielen des Ädils M. Scaurus paradiert. – Auch allerlei Wunder von Quellen und Flüssen finden sich bei Plinius II, 224 umständlich. – Beiträge zu den Delphinfabeln gibt u.a. Plutarch, VII sap. conviv. c. 19 f. – Der Paradoxograph Apollonius (II. Jahrh. n. Chr.) glaubt, der Magnet habe seine Anziehungskraft nur bei Tage, dagegen gar oder beinahe nicht bei Nacht; aber schon aus seinem Vorgänger Antigonos (alexandrinische Zeit) wäre neben echten Tatsachen aus bessern Autoren einiges sehr Starke zu holen, z.B. 142, daß zu Skotussa (Thessalien) ein Quellchen sei, welches nicht nur die Wunden von Mensch und Tier heile, sondern auch zerspaltetes oder gebrochenes Holz, wenn man es hineinwerfe, wieder zusammenwachsen lasse, und Phlegon (mirab. 34f.) weiß, daß es bei Saune in Arabien bis auf Hadrians Zeit Kentauren gegeben hat, wovon einer noch lebend nach Ägypten und hernach einbalsamiert nach Rom gebracht wurde, während Artemidor (Oneirokr. IV, 47) die Möglichkeit von Kentauren geleugnet hatte. (Überhaupt scheidet er hier ganz wahre, bedingt wahre und unwahre Mythen, aber freilich nur im Interesse der Traumdeutung.)

– Dazu, was geglaubt werden konnte, möge man auch das Kapitel über die indischen Affen bei Philostratos, vit. Apoll. III, 4 vergleichen.

347 Vgl. z.B. Ilias II, 751, wo Homer den in den Peneios gemündeten Titaresios sein schön strömendes Wasser nicht mit dessen Silberstrudeln vermischen, sondern wie Öl darüber hinströmen läßt; denn er ist ein Ausfluß der furchtbaren Eid-Styx.

348 Über das Weiterleben der Phantasievölker von Hesiod bis auf die späten Lügner möge man Strabo VII, p. 299f. vergleichen. Dem Strabo gilt (p. 295) sogar Pytheas als Lügner und sein massilischer Landsmann Euthymenes scheint nach der Probe bei Athenäos (II, 87) wirklich einer gewesen zu sein. – Was die Fabelländer außerhalb des orbis terrarum betrifft, so erinnern wir an die Sage von der Atlantis im Kritias und Timäos Platos; dem Bedürfnis der Phantasie, sich mit ihnen zu befassen, kommt das von Theopomp dem Silen in den Mund gelegte Märchen von dem Meropenlande (Älian V.H. III, 18), und die historia vera Lukians entgegen. – Gellius IX, 4 gibt Exzerpte aus einer Reihe von Fabelautoren, vorherrschend Reiselügnern, aus dem Orient nach Alexander; den Schluß bildet ein Zitat aus Plinius H.N. VII, 36 über Verwandlung von Weibern in Männer.

349 Älian (V.H. IX, 14) macht z.B. die Geschichte von dem Koer Philetas, der Blei in den Schuhsohlen hatte, damit ihn der Wind nicht nehme, lächerlich; aber Athenäus (XII, 77) fabelt ruhig weiter.

350 Das priesterliche Wissen von Ägypten und Babylon war gewiß viel freier vom Aberglauben als das Wissen der Griechen.

351 Man möge z.B. beachten, wie noch Lukian über das Wissen und Forschen der Peripatetiker höhnt. In der vitar. auctio sagt er, ein solcher wisse, wie lange die Mücke lebe, wie tief hinab die Sonne das Meer er helle und welches die ψυχή (der Grad des Bewußtseins) der Muscheln sei. Er ahnt nicht, daß dies für die Wissenschaft allerdings Gegenstände sind.

352 Plut. non posse suav. vivi c. II.

353 Innerhalb der stoischen Schule mochte dann einer den andern mit Fragen vexieren, wie: τί διαφέρει σχέσις ἕξεως; Lukian, conviv. 23.

354 Im Timäos (p. 23a) sagt der alte Priester von Sais u.a. zu Solon: Wovon wir wissen, daß bei uns oder dort (in Hellas) oder auch, wohin sonst unsere Kunde reicht. Schönes und Großes oder sonst Merkwürdiges geschehen ist, das ist von alters her hier in den Tempeln aufgezeichnet und der Nachwelt erhalten.

355 Wie sah es mit der offiziellen Aufzeichnung der Achämenidengeschichte aus? Ktesias benützte laut Diodor II, 32 die διφϑέραι βασιλικαί der königlichen Archive.

356 Gewachsen ist dieses Aktenstück (vgl. Band I, S. 24) freilich kaum auf original-jüdischem Boden; denn ein ethnographisches Interesse, wie es hier zum Vorschein kommt, ist bei den Juden ganz undenkbar; nur ein weitreisendes Handelsvolk, wie die Phönizier, konnte diese Tafel schaffen. Die Bevorzugung Chams, wie sie in der voraussetzlichen Gestalt der Tafel erhellt haben muß, schimmert denn auch noch durch.

357 Das Original des hannonischen, die große Entdeckungsfahrt an der Westküste Afrikas darstellenden Periplus (um 500 v. Chr.) – war in das Temenos des Kronos geweiht, wo es nicht für jedermann zugänglich gewesen sein wird. – Man erinnere sich, wie der kleine Staat von Lucca im XV. und XVI. Jahrhundert, weil er mächtige Gegner hatte, das Annalenschreiben zu verbieten für gut fand.

358 Vgl. Band I, S. 15.

359 Vgl. Band I, S. 27ff.

360 Vgl. die instruktiven Worte Plutarchs in der Einleitung zum Theseus: »Wie auf den Weltkarten gegen die entfernten Ränder hin beigeschrieben wird:,drüber hinaus trockener Sand, oder eine Gegend wilder Tiere, oder Sumpf, oder skythisches Eis, oder gefrornes Meer', so darf ich von dem, was jenseits der sichern Kunde liegt, sagen: die dortigen wunderbaren und tragischen Geschichten gehören den Dichtern und haben keine Zuverlässigkeit und Sicherheit mehr.«

361 Aristot. Poetik, c. 9.

362 Vgl. Band I, S. 26 und oben S. 91f. – Ein besonders lächerliches Beispiel geographischer (und etymologischer) Willkür überliefert Strabo XIII, 4, 6, p. 626f. gelegentlich der Frage nach dem homerischen Hyde und dem Sitze der Arimer. – Auch über die Gewissenlosigkeit der tragischen Dichter in den geographischen Bezeichnungen hat Strabo zu klagen, indem sie z.B. Troer, Mysier und Lydier als Phrygier, und Lykier als Karer anführen; Sophokles nenne Kilikien (τραγικῶς) Pamphylien. Vgl. XIV, 3, 3, p. 665 und 5, 16, p. 675.

363 Vgl. S. 210.

364 Man bemerke die Verschiedenheit der mündlichen historischen und der mündlichen epischen Überlieferung. Während bei dieser wörtlich überliefert und mit Mühe memoriert wird, herrscht dort die möglichste Freiheit.

365 Vgl S. 391.

366 Ein Spezimen solcher Untersuchungen, die den Nachweis aller möglichen Trübungen des Exakten liefern, bietet Schäfer, Demosth. u.s. Zeit S. 272ff., an Hand der von uns S. 328ff. berührten Bildungsgeschichte des Demosthenes, wie sie, sowohl was die vorgeblichen Lehrer als was die Bemühungen des Redners betrifft, von Plutarch in der Biographie berichtet wird. Immerhin mögen wir uns gerade hier daran erinnern, daß es doch stets für die Bedeutung einer Persönlichkeit spricht, wenn sich das Typische auf sie gehäuft hat. On ne prête qu'aux riches, sagt das französische Sprichwort.

367 Diodor XII, 20.

368 Ebd. 9.

369 Zu der verschieden erzählten Befreiung von Theben in jener Nacht des Jahres 379 findet sich noch eine Variante, Polyän. II, 3, 1. II, 4, 3.

370 Älian V.H. IX, 5 und die Variante Plut. Them. 25.

371 Herodot IX, 85. – Wie man den Xerxeskrieg später ausschmückte, zeigt u.a. Plut. de cohib. ira 5, wo der König sich nicht mit der (uns von jeher zweifelhaften) Geißelung des Meeres begnügt, sondern dem Berg Athos sogar in einem Briefe droht, er werde ihn ins Meer werfen.

372 Plut. de invid. et. od. c. 6.

373 Vgl. oben S. 390f.

374 Eustath. Dion. 1153.

375 Vgl. hierüber und über die Chresmen Band II, S. 287ff. – Auch der große Dieb Autolykos fälscht im Mythus die Stempel der von ihm gestohlenen Tiere. Tzetzes, Lykophr. 344.

376 Vgl. Band II, S. 166f. – Suidas s.v. Orpheus zählt als »Schriften des Orpheus« auf: τριαγμοί (welche aber von dem Tragiker Ion sein sollten), ἱεροὶ λόγοι (von dem Thessalier Theognet und dem Pythagoreer Kerkops), χρησμοί und τελεταί (von Onomakritos), σωτήρια (von Timokles oder Persinos), κρατῆρες (von Zopyros), ϑρονισμοὶ μητρῷοι καὶ Βακχικά (von Nikias, dem Eleaten), εἰς Ἅιδου κατάβασις (von Herodikos von Perinth), πέπλος καὶ δίκτυον (wieder von Zopyros oder von Brontinos), φυσικά (von Brontinos). – Noch ärger klingt es allerdings, daß es nach Hesych von dem Kentauren Cheiron eine Mahnung an Achill in Versen (δι᾽ ὲπῶν), ja auch noch ein ἱππιατρικόν gab.

377 Vgl. das von Mullach I, S. 383 zitierte Aristotelesscholion.

378 Die Briefe des Dichters Aratos z.B. gälten zwar fast durchgängig für echt, und doch wollte nach dem ersten Bios Apollonides, der Kepheer, in seiner Schrift »über die erlogene Geschichte« wissen, daß sie von Sabirius Polio verfaßt seien.

379 Suidas, s.v. Akusilaos und Hekatäos.

380 Westerm. Biogr. S. 452f.

381 Diog. Laert. II, 6, 13, macht dem Xenophon ein Verdienst daraus, daß er die Bücher des Thukydides berühmt machte, während er sie hätte unterschlagen können, da sie noch unbekannt waren.

382 Gegenwärtig sucht man denn auch die Fragmente uralter Aussagen eher aus Grammatikern, Scholiasten usw. als aus den berühmten Historikern zusammen.

383 Thuk. I, 20 und besonders VI, 54ff. Marcellin. vit. Thuc.

384 Vgl. O. Müller I, 471 und 478 Anm. Über die heiligen Annalen der Städte, die allmählich öffentlich und von den Logographen benutzt wurden, vgl. Fustel de Coulanges, La cité antique. S. 198ff. War aber die Fälschung wohl davon so völlig ausgeschlossen, wie Fustel annimmt?

385 Bei Mullach I, S. 320, fr. 44.

386 Die κτίσις von Kolophon des Xenophanes und andere κτίσεις hatten noch poetische Form gehabt. Vgl. oben S. 102f.

387 Letzteres wohl schon wegen seines eigenen; vgl. Herod. II, 143.

388 Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, I, S. 236.

389 Ein Resultat von Demokrits eigenen weiten Reisen war dann später wieder dessen Karte, wonach die Erde ein Oblongum war, was sie dann bei den Spätern meist ist. In Athen gab es nach Älian V.H. III, 28 eine Örtlichkeit, wo die mindestens bis Susa reichende Karte ausgestellt war, vor welcher Sokrates den Alkibiades blamierte. Wo in der Welt gab es sonst dergleichen öffentlich?

390 Vgl. O. Müller I, 478, dem überhaupt über die Logographen mehreres entnommen ist.

391 Dionys von Halikarnaß, περὶ τοῦ Θουκυδίδοῦ χαρακτῆρος, p. 139 ed. Sylburg erwähnt außer den Genannten noch den Samier Eugeon, den Prokonnesier Deiochos, den Parier Eudemos, den Demokles von Pygela, den Amelesagoras von Chalkedon und von der spätern, bis zum Peloponnesischen Krieg reichenden Generation den Damastes von Sigeion und Xenomedes von Chios.

392 Wir verweisen für diese auf Müllenhoff, Deutsche Altertuniskunde, I, S. 236ff., von dem wir nur bezüglich der dem Pytheas zu Gebote stehenden Mittel glauben abweichen zu sollen.

393 Auf diese folgen dann bis zur römischen Zeit Eratosthenes, Polybios, Poseidonios, Hipparch, Artemidor von Ephesos, Isidor von Charax, Marines von Tyrus und Ptolemäos.

394 Deutsche Altertumskunde I, S. 311.

395 Bei Strabo II, 4, 2, p. 104.

396 An der S. 403, Anm. 391 angeführten Stelle.

397 Sein Reisemaß scheinen laut V, 53 durchschnittlich 150 Stadien auf den Tag gewesen zu sein.

398 Dies gegenüber O. Müller I, S, 491f., dem sonst über Herodot Verschiedenes entnommen ist.

399 Vgl. Band II, S. 101, 368ff.

400 O. Müller, I.S. 496.

401 Vgl. oben S. 397ff.

402 So ist wohl schon die Geschichte von der Entführung der Io (I, 1) eine Allegorie für das Anregen großer Ereignisse durch untergeordnete Leidenschaft.

403 Dionys von Hal. a.a.O. (S. 403, Anm. 391) bemerkt, Herodot habe die pragmatische Richtung auf die Höhe gehoben, indem er nicht bloß einer Stadt, eines Volkes Geschichte schrieb, sondern viele Hergänge aus Europa und Asien in eine einzige zusammenfassende Darstellung (εἰς μιᾶς περιγραφὴν πραγματείας) brachte.

404 Auch in der Geschichte von Thera-Kyrene im IV. Buch erhalten wir jedesmal, wo neue Aussagen beginnen, genaue Angaben darüber.

405 Vgl. Band II, S. 21.

406 Jene II, 51; diese II, 46-48, 61f., 65, 86, 132, 170f. Freilich hält er, wie gesagt, die ägyptischen Götter für identisch mit den griechischen.

407 Vgl. Band II, S. 76 und oben S. 402.

408 Man möge z.B. an die Reise des Herakles nach den Geryonsrindern denken. Wie die Griechen am Pontus diese mit der Skythensage verflochten, vgl. Herod. IV, 8. – Auch der Melkarth der Phönizier reist zwar, aber doch nur, wo Phönizier herrschen.

409 Nach der Angabe der Pamphila, Gellius N.A. XV, 23, wäre er 471 geboren; doch könnte er auch sehr viel jünger sein.

410 Über das VIII. Buch vergleiche O. Müller II, S. 351.

411 I, 22 – Dennoch wird in den biographischen Notizen (bei Marcellin u.a.) alles getan, um ihn der Parteilichkeit für Sparta zu zeihen.

412 Dies die Erklärung des κτῆμα εἰς ἀεί bei O. Müller, II, S. 354, auf dessen Darstellung vom Charakter des thukydideischen Werkes hier überhaupt verwiesen werden möge.

413 Einmal, bei der Verhandlung zwischen den Athenern und Meliern (V, 85ff.), charakterisiert er die Parteien auch durch einen Dialog.

414 »Am höchsten dastehend durch Ansehen und Achtung und für Geld sicher ganz unzugänglich, hielt er das Volk, ohne es zu knechten, in Schranken und ließ sich von ihm nicht eher führen als daß er es führte. Er hatte die Macht nicht auf unrechtem Wege erworben und brauchte deshalb nichts Angenehmes zu sagen, sondern konnte auch mit Zorn antworten. Er stimmte den Übermut der Leute hinab und ihr Zagen herauf, und es war dem Namen nach eine Demokratie, in der Tat aber die Herrschaft des ersten Mannes«; worauf dann der Gegensatz der Spätern folgt.

415 Vgl. oben S. 412.

416 In Περὶ τοῦ Θουκυδίδου χαρακτῆρος. Schon im Lysias sagt er: πολλὰ δυσείκαστά ἐστιν ἡμῖν καὶ ἀσαφῆ καὶ δεόμενα ἐξηγητοῦ. – Bei Marcellinus heißt es, er habe absichtlich nicht jedermann, sondern nur den σοφοί zugänglich sein wollen.

417 Orator. 9. 30: Ipsae illae contiones ita multas habent obscuras abditasque sententias vix ut intellegantur, quod est in oratione civili vitium vel maximum.

418 Hortensius, fragm. 25 (ed. C.F.W. Müller IV, 3, S. 315): Quid Thucydide gravius?

419 O. Müller II, S. 353.

420 Er introduziert sich III, 1 derart objektiv, daß man wirklich glauben könnte, nicht er sei der Verfasser, sondern etwa jener Themistogenes, den er Hell. III, 1, 2 als den Darsteller dieser Dinge nennt.

421 Wir übergehen hier die angezweifelten Schriften über Agesilaos und über den Staat der Lakedämonier und den geschichtlich unbedeutenden Hieron. Sicher nicht von Xenophon ist die Schrift vom Staate der Athener, worüber vgl. Band I, S. 262.

422 Das letzte Buch (über den heiligen Krieg) soll von seinem Sohne Demophilos gewesen sein. – Der Fortsetzer des Ephoros, Diyllos, erzählte dann in 26 Büchern die Geschichte bis zu Philipps IV. Tode (296).

423 Von den großen Exkursen dieses Werkes gedenken wir hier nur der in 3 Büchern gegebenen Geschichte Siziliens unter den Dionysen. – Hellenika (von der Theogonie bis Mantinea) und Philippika (sowie eine Geschichte Alexanders) schrieb dann auch Anaximenes von Lampsakos.

424 Diodor IV, 1 sagt immerhin von Ephoros, daß er die alten Mythengeschichten überging und mit der Rückkehr der Herakliden begonnen habe, und. ähnlich wie er enthielten sich auch Kallisthenes und Theopomp der alten Mythen, während nun Diodor seine guten Gründe hat, sie wieder zu behandeln. – Auch in der Geographie hat wenigstens Polyb (IV, 40), an der merkwürdigen Stelle über eine künftige Trockenlegung des Pontus durch das Geschiebe, das Gefühl gehabt, daß man nicht mehr mit Dichtern und Mythographen kommen dürfe, seit alles zugänglich geworden (πάντων πλωτῶν καὶ πορευτῶν γενομένων). – Vgl. ebenda 42 die Stelle gegen die Reiseprahler.

425 Sogar Diodor protestiert (XX, 1f.) gegen die Maßlosigkeit, womit zu seiner Zeit Reden eingestreut werden, so daß die Geschichte schließlich zum bloßen Anhängsel der Rednerei wird.

426 Vgl. Band I, S. 267f.

427 So Westermann bei Pauly II, S. 997. Das I. Buch enthielt die Geschichte und Geographie, das II., wovon ein größeres Fragment erhalten ist, die Beschreibung des Zustandes der einzelnen griechischen Staaten, das III. die Schilderung des innern, häuslichen Lebens, des Theaterwesens, der öffentlichen Spiele, des Kultus usw. – Einen βίος τῆς Ἑκκάδος in 4 Büchern schrieb übrigens auch der Philosoph Iason.

428 Εἰς ἑαυτόν XI, 1.


Anmerkungen: A1 Oeri: Figur. A2 Oeri: Allmählich aber entdeckte auch die Nation in sich die Kräfte. A3 fehlt bei Oeri. A4 Oeri: Perser. A5 Komma fehlt bei Oeri. A6 Oeri: vierundzwanzigsten. A7 Oeri: nicht durch ... war. A8 Oeri: die Gewohnheit. A9 Oeri: welche. A10 Oeri: Scheffel. A11 Oeri: sah zwar den. A12 Oeri: nannte er »sehr beklagenswerte Hochbedeutende« (τρ... τρ...). A13 Oeri: Scheffel. A14 Oeri: Niemanden. A15 Oeri: geringere

Quelle:
Jakob Burckhardt: Gesammelte Werke. Darmstadt 1957, Band 7.
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