Vorwort des Herausgebers

Der letzte Band der Griechischen Kulturgeschichte, den der Unterzeichnete hiemit nach Jacob Burckhardts Kollegienheft herausgibt, handelt vom hellenischen Menschen in seiner zeitlichen Entwicklung, und zwar im ganzen etwa bis zu den Zeiten des achäischen Krieges. Es ist seine Hoffnung, daß auch aus diesem Teile des Werkes die unvergeßliche Persönlichkeit Burckhardts recht lebhaft zu dem Leser sprechen möge. Um so mehr fühlt er aber auch die Verpflichtung, an dieser Stelle zu sagen, wo dies in vermindertem Maße der Fall ist. Abgesehen von der kurzen Partie über die spätere griechische Philosophie, wo Burckhardt von Schwegler, und von dem Abschnitte über die alexandrinische Wissenschaft, wo er vielfach von Matters Essai historique sur l'école d'Alexandrie abhängig ist, wird man nämlich in den Partien über die Frauen, das Naturgefühl und die Kunst der hellenischen Zeit (Seite 561-574) so viele wörtliche Entlehnungen aus W. Helbigs Untersuchungen über die Campanische Malerei und Rohdes »Griechischem Roman« finden, daß die Weglassung der Anführungszeichen um der gar zu großen Menge willen, die erforderlich gewesen wäre, auf Entschuldigung Anspruch haben dürfte. Wie in Herrn Dr. Trogs Nachschrift des Kollegs zu lesen ist, fand Burckhardt in Helbigs Schrift »merkwürdige kulturgeschichtliche Wahrheiten zutage gefördert und eine Fülle von feinen Resultaten über das hellenische Leben vorgebracht«, und auch Rohdes Einwendungen gegen einzelnes interessierten ihn aufs lebhafteste. Im übrigen wird man die Griechische Geschichte von Curtius und einige andere neuere Werke hin und wieder und Paulys Real-Encyklopädie oft zitiert finden; sonst aber ist es nun einmal der Charakter dieses Werkes, daß es sich fast nur auf die griechische Literatur aufbaut, soweit sie Burckhardt zugänglich war, und dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Zu innigem Danke fühlt sich der Herausgeber wiederum gegenüber denjenigen Freunden verpflichtet, die ihn bei der Korrektur unterstützt haben. Besonders dem scharfen Auge seines lieben Vetters, Herrn Dr. Felix Stähelin in Winterthur, dankt er nicht nur die Tilgung einer Menge von Druckfehlern, sondern auch die Verbesserung vieler jener kleinern[7] und größern Versehen, ohne die er leider noch nie etwas zustande gebracht hat, und die bekanntlich Todsünden sind. Herrn Dr. Stähelin ist es auch zu verdanken, daß Polyb in diesem Bande nach Hultsch zitiert ist, Naucks tragicorum fragmenta wird man nach der zweiten Auflage (1889) zitiert finden, für die andern Autoren ist vom Zitieren nach andern als den von Burckhardt gebrauchten Ausgaben abgesehen worden; mit Hilfe der Register wird man die betreffenden Stellen überall leicht finden.

Und nun entläßt der Herausgeber dieses Werk, das ihm während der letzten fünf Jahre manche Sorge, aber unendlich viel mehr Freude bereitet hat, mit dem Wunsche, daß es in demjenigen Kreise, für den es bestimmt ist, das Interesse am griechischen Altertum aufs neue wecken und steigern möge.

Basel, den 29. September 1902.

Jakob Oeri.[8]

Quelle:
Jakob Burckhardt: Gesammelte Werke. Darmstadt 1957, Band 8, S. VII7-IX9.
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