Schlacht bei Melrichstadt.

7. August 1078.

[135] Rudolf zog durch Thüringen heran, das schwäbische Heer unter den Herzogen Welf und Berthold sammelte sich zwischen Rhein und Neckar. König Heinrich aber hatte diesmal selber ein genügendes Heer, zog den Sachsen entgegen und traf sie bei Melrichstadt an der Grenze von Thüringen und Franken. Die Schlacht verlief nach der ausführlichen Erzählung Brunos (Bertholds Bericht ist eine ganz konfuse Fabelei) als reine Ritterschlacht mit dem Ergebnis, daß auf beiden Seiten ein Teil siegte, ein Teil floh. Das ist in mancher Schlacht geschehen, bei einer Ritterschlacht aber hat es noch seine besondere Bedeutung dadurch, daß es nahezu ausgeschlossen ist, Ritter, die einmal fliehen, wieder zum Stehen zu bringen. Das ist selbst bei disziplinierter Kavallerie sehr schwer, bei Rittern aber nicht bloß psychologisch noch schwerer, sondern auch besonders deshalb nicht zu erreichen, weil man nicht[135] imstande ist, etwa eine Aufnahmestellung zu nehmen, um durch ein hinhaltendes Gefecht die Lage zu klären. Ritter können, abgesehen von ganz besonderen Umständen, kein Defensiv-Gefecht führen: wenn der Feind auf die zukommt, müssen sie ihm entweder entgegen- oder davonreiten. Unter den Sachsen, die sich bei Melrichstadt geschlagen gaben und die Flucht ergriffen, war auch König Rudolf selber. Er war ein anerkannt sehr tapferer Mann. Die Schlacht war tatsächlich für ihn nicht verloren, da auch sein Gegner Heinrich das Schlachtfeld verlassen und ein sächsischer Heerhaufe unter Pfalzgraf Friedrich es schließlich behauptet hatte. Trotzdem hatte Rudolf seinen Rückzug sofort bis nach Sachsen fortgesetzt. Ein Teil seiner Fürsten wurde unterwegs von den Bauern ausgeplündert und umgebracht oder gefangen genommen und zu König Heinrich geführt. Auch die siegreichen Sachsen unter Pfalzgraf Friedrich wußten nichts besseres zu tun, als sich der Beute zu bemächtigen und nach Hause zu ziehen.

Eine spätere Quelle, die aber noch eine gewisse Überlieferung gehabt haben kann, die Pöhlder Annalen, berichten, daß König Rudolf, als er erfahren, daß er vor seinem eigenen Siege geflohen sei, vor Verzweiflung hätte sterben mögen.124

König Heinrich scheint also trotz seiner Niederlage seinen strategischen Zweck, die beiden feindlichen Heere auseinanderzuhalten, erreicht zu haben. Man sollte erwarten, daß er sich jetzt gegen das schwäbische Heer wandte, um so mehr, als ihm der Böhmenherzog eben neue Truppen zuführte. Aber sei es nun, daß die flüchtenden Ritter Heinrichs ebenfalls gleich bis nach Hause gegangen waren, sei es aus anderen unbekannten Gründen – Heinrich tat zunächst nichts, sondern ging nach Bayern und sammelte erst im Oktober ein neues Heer zu einem Verwüstungsfeldzug gegen die Besitzungen seiner Widersacher in Schwaben.[136]

Dieser Vorgang ist für die ritterliche Kriegführung höchst charakteristisch und darf nicht verwischt werden, wie Giesebrecht es tut, indem er meint, Heinrich habe sich zurückgezogen, weil er sonst zwischen die beiden feindlichen Heere geraten wäre: die Sachsen waren ja zurückgegangen; selbst wenn sie bald wiedergekommen wären, hätte der König doch mittlerweile die süddeutschen Herzöge schlagen können. Ebensowenig trifft das Richtige FLOTO (in seinem Leben Heinrichs IV.) mit der Bemerkung, der König habe die Sachsen nicht verfolgen können, weil die Süddeutschen, die mittlerweile die Bauern am Neckar überwältigt hatten, ihm in den Rücken gekommen wären: in diesem Fall wären sie ja dem König, der jeden Augenblick von den Sachsen ablassen konnte, geradezu in die Arme gelaufen. Mit strategischen Motiven ist Heinrichs Verfahren schlechterdings nicht zu erklären. Die richtige Erklärung kann vielmehr nur in der Natur des ritterlichen Heeres gesucht werden (falls nicht andere uns ganz unbekannte Motive hineinspielen), das auch nach einer bloßen Halb-Niederlage nicht mehr operationsfähig war.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 135-137.
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