Fünftes Kapitel.

Die italienischen Kommunen und

die Hohenstaufen.

[347] Wie in Francien bildeten sich bei Verfall des Karolinger-Reichs auch in Italien mehrere große Territorial-Herrschaften, Markgrafschaften genannt, ähnlich den deutschen Herzogtümern. Viel schneller und kraftvoller als diesseits der Alpen entwickelten sich aber dann in Italien die Städte zu selbständigen politischen Potenzen und haben eine größere Rolle gespielt als die italienischen Fürsten.

Von den Mitgliedern des Kriegerstandes wohnten in Italien von je ganz besonders viele in den Städten, und das hat sich auch unter dem nach fränkischem Muster aus- und fortgebildeten Lehnswesen nicht verändert. In einer Urkunde des Bischofs von Modena v. Jahre 998 wird neben der Zustimmung der Kanoniker auch die der Ritter und des Volkes der Stadt ausdrücklich erwähnt.351 Unter Kaiser Heinrich III. war einmal langer Bürgerkrieg zwischen den Rittern (milites) und dem Volk (plebs) von Mailand. Die Ritter mußten heraus und bestürmten die Stadt von außen, indem sie vor den 6 Toren 6 Burgen errichteten. Heinrich legte endlich den Streit bei, indem er drohte, 4000 Ritter zu schicken, und die Mailänder gewährten ihren Emigranten Amnestie.352[347]

Im Jahre 1067 schlossen die Parteien zu Mailand einen Vertrag, in dem sie als Strafen für Übertretung festsetzten, daß der Erzbischof 100 Pfd., einer vom ordo capitaneorum 20 Pfd., vassorum 10 Pfd., negotiatorum 5 Pfd. zahlen müsse.

Unter den longobardischen Königen und unter den Karolingern waren selbständige Kommunen noch nicht möglich, da auf der einen Seite das Königtum noch zu stark, auf der anderen in den Städten selbst die Einheit und der einheitliche Sinn der Stände noch zu schwach war; erst die Auflösung und Lockerung der königlichen Gewalt vom Ende des neunten Jahrhunderts an schuf mit der Bildung der dynastischen Territorial-Gewalten auch den Raum für selbständige Städte. Mit der Selbständigkeit erwuchs ein einheitlicher Bürgersinn, ein Kommunal-Patriotismus, der die Stände zusammenband und auch in den bisher unkriegerischen Ständen den kriegerischen Sinn wieder anregte.

Auf welchem Wege und in welchen Formen die Selbständigkeit endlich erlangt worden ist, kann hier außer Betracht bleiben.353 Das Wesentliche für uns ist die Annäherung und der Zusammenschluß der Stände, im besonderen des Krieger- und Bürgerstandes. Ohnehin mußte das Zusammenleben in den Städten vielfältig zu Vermischung führen, und die Krieger ergriffen bürgerliche Berufe, ohne darum ihren Stand als Freie und Krieger aufzugeben. Wir haben ja schon unter den Longobarden-Königen Krieger kennen gelernt, die zugleich Kaufleute waren. Auf der andern Seite ist ja auch unter der Lehnsverfassung das allgemeine Landesaufgebot für Defensivzwecke, zu Wachdienst und Mauerverteidigung verwendbar und angewandt worden. Schon Anfang des 8. Jahrhunderts finden wir nach einer freilich späteren und wenig zuverlässigen Überlieferung, daß in einem Konflikt mit dem Kaiser in Byzanz Ravenna und drei andere Städte des Exarchats sich erhoben hätten, und die ganze Bürgerschaft militärisch organisiert worden sei.354 Noch zur Zeit Ottos des Großen konnte Luidprand355 in dem Stolz des herrschenden Longobardenvolkes schreiben: »Wir verachten die[348] Römer so sehr, daß wir unseren Feinden keinen größeren Schimpf anzutun wissen, als daß wir ›die Römer‹ zu ihnen sagen, indem wir Gemeinheit, Feigheit, Untugenden aller Art darin zusammenfassen.« Aber der nationale Gegensatz, der zugleich ein Berufs-Gegensatz war, war schon im Absterben begriffen; noch bis ins 11. Jahrhundert haben sich Reste der longobardischen Sprache im Norden Italiens gehalten, dann aber sind sie verschwunden. (Vgl. Bd. II, S. 470). Die Römer, die den Longobarden als Halbfreie gegolten hatten, gingen allmählich in den Stand der Freien über,356 und die Bürgerschaft als Gesamtheit verteidigte die Freiheit der städtischen Kommune.

Die Leistungen des städtischen Kriegertums, das auf diese Weise entstand, müssen wir in und aus den Kriegen der Kommunen mit den hohenstaufischen Kaisern kennen lernen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 347-349.
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