Die Schlachten und Gefechte des ersten Kreuzzuges.

[420] sind in sorgfältiger methodischer Forschung in der Dissertation von OTTO HEERMANN, »Die Gefechtsführung abendländischer Heere im Orient in der Epoche des ersten Kreuzzuges« (Marburg, 1887) analysiert worden. Ich kann mir daher hier viele Einzelheiten ersparen, indem ich auf diese wertvolle Arbeit verweise, obgleich sie, ganz wie die oben erwähnte Arbeit von DIETRICH über die Lombardenkriege, auf falsche sachliche Voraussetzungen aufgebaut, prinzipiell verfehlt ist. HEERMANN spricht von Infanterie und Kavallerie, Regimentern, Schwadronen und Offizieren bei den Kreuzfahrern, verkennt also den militärischen Grundbegriff der Epoche, die fundamentale Verschiedenheit des ritterlichen Kriegswesens von modernen disziplinierten Truppen. Es handelt sich nicht bloß um einen Wortstreit, daß etwa Heermann moderne Bezeichnungen angewandt, wo er sie besser vermieden, oder daß er diesen modernen Begriffen eine etwas weitere Auslegung gegeben, als sonst üblich, – sondern es handelt sich um einen absoluten, sachlichen Gegensatz, der sozusagen bei jedem Satz die Quellen-Interpretation nicht nur beeinflußt, sondern beherrscht. Alle die künstlichen Treffenstellungen und Manöver, die Heermann bei seiner Voraussetzung über den Charakter der Truppenkörper aus den Quellen herausgelesen hat und bis auf einen gewissen Grad herauslesen durfte, müssen einfach gestrichen werden, da eben die prinzipielle Voraussetzung nicht zutrifft, da Ritter keine »Kavallerie«, sondern trotz äußerer Ähnlichkeit etwas davon sehr Verschiedenes sind. Aus der einzelnen Schlachtschilderung ist das freilich nicht herauszulesen, sondern nur aus der ganzen Entwickelungsreihe vom Untergang der Antike bis zur Neuzeit.

Auch wenn man nun aber alle diese falschen Bilder, Begriffe, Vorstellungen und Folgerungen aus der Heermannschen Untersuchung streicht, so bleibt noch ein sehr brauchbarer und nützlicher Kern. Im Anschluß an Heermann hebe ich die Momente heraus, die für unsere Zwecke von Bedeutung sind.

Als zutreffend hebe ich noch besonders hervor die Bemerkung HEERMANNS S. 105, daß die Schlachten sehr kurz gewesen seien; in[420] einem gewissen Widerspruch mit ihr und sicher unrichtig ist dann freilich die Gesamtcharakteristik (S. 121):

»Ein starkes Schwanken des Kampfes, die Zersprengung einiger Haufen oder Treffen, die völlige oder teilweise Umfassung des Ganzen, und dann der befreiende Stoß der Reserve unter Führung des Oberbefehlshabers auf den Punkt, wo der Feind am meisten drängte, und der endliche Sieg sind die in den meisten Schlachten wiederkehrenden charakteristischen Hauptzüge.«

Besonders ist der Autor noch in die Irre geführt durch die Vorstellung von der großen numerischen Überlegenheit der Türken, die man gar keinen Grund hat, den christlichen Schriftstellern zu glauben.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 420-421.
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