Achtes Kapitel.

Militärische Theorie im Mittelalter.

[668] Meinem Plane nach sollte dem fünften Buch, das mit dem Heraustreten des Schweizerischen Fußvolks in das umgebende Flachland die mittelalterliche Epoche der Kriegsgeschichte zu Ende führt, noch ein sechstes Buch folgen, in dem ich mancherlei genereller Natur, was sich nicht in die fortlaufende historische Erzählung einfügen ließ oder sich aus ihr ergab, vereinigen wollte. Aber der Band ist bereits so stark geworden, daß ich meine Disposition geändert habe. Was ich noch über Waffengeschichte und Burgenbau sagen wollte, kann in dem Zusammenhang dieses Werkes überhaupt entbehrt werden. Über die oben berührte Frage, ob um 1400 die Ritterrüstung zeitweilig wieder leichter geworden sei (auch Boutaric, S. 286, behauptet es), bin ich auch noch nicht einmal zu einem ganz gesicherten Ergebnis gekommen. Das wichtigste Stück, den Ursprung der Feuerwaffen, verschiebe ich für den nächsten Band. Chronologisch gehört diese Untersuchung ja ins Mittelalter. Aber eine wesentliche Bedeutung hat diese Waffe, obgleich schon anderthalb Jahrhundert im Gebrauch, bis zum Jahre 1477, wie wir gesehen haben, noch nicht gewonnen: das Rittertum ist nicht nur nicht, wie man immer noch sagen hört, durch diese Erfindung überwältigt worden, sondern im Gegenteil, es ist überwältigt worden durch die Fußmänner mit der blanken Waffe, obgleich es sich noch zuletzt durch die Heranziehung der Feuerwaffe zu verstärken suchte.621 Es wird daher berechtigt[668] sein, den Ursprung und das Wesen der Feuerwaffe an der Stelle der Darstellung zu behandeln, wo das neue Instrument eine entscheidende Bedeutung für die Kriegführung zu gewinnen beginnt und nicht bloß, wie bisher, neben Bogen und Armbrust und neben Blide und Tribock als eine etwas anders konstruierte, aber ähnlich wirkende Waffe angewandt wird. Auch andere kleine Untersuchungen, eine Zusammenstellung der angeblichen und wirklichen Heereszahlen, der immer wiederkehrenden Legenden und ähnliches lasse ich fallen und lasse nur noch folgen, was sich über militärische Theorie im Mittelalter sagen läßt.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 668-669.
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