Schlacht bei Wittstock[248] 276.

(4. Oktober 1636.)

Im Sommer 1636 nahmen die vereinigten Kaiserlichen und Sachsen nach längerer Belagerung Magdeburg, während das schwedische Heer unter Baner nördlich davon, bei Werben stand und sich zu schwach fühlte, die Stadt zu entsetzen.

Nun näherten sich die Heere einander, und auf beiden Seiten wurden Pläne gemacht, sich durch Heranziehen von Truppen von der Weser oder von Pommern her zu verstärken, ohne daß doch hier oder da ein unbedingter Wille, die Schlachtentscheidung zu suchen, hervortritt. Baner denkt an einen Einfall in Sachsen, die Verbündeten wollen ihn zurückmanövrieren, um die noch in den Händen der Schweden befindlichen Plätze einen nach dem anderen zu nehmen. Endlich kommt es bei Wittstock in der Priegnitz zur Schlacht, indem Baner, der vorher bis nach Mecklenburg hinein zurückmanövriert war, rings um den Feind herummarschiert und ihn schließlich von Süden her angreift.

Wenn die Schlacht so verlaufen sein sollte, wie gewöhnlich angenommen wird, so wäre sie eine der erstaunlichsten der Weltgeschichte.

Baner soll nur etwas über 16000, höchstens etwas über 17000 Mann stark gewesen sein, während die Gegner 22000 bis 23000 Mann stark waren und in einer schon von Natur starken, noch künstlich verbesserten Position standen. Baner, der einsah, daß die feindliche Front unüberwindlich sei, teilte sein Heer und umging beide Flügel zugleich. Wenn man hinzunimmt, daß in der Ausbildung und Taktik der beiderseitigen Truppen kein wesentlicher Unterschied mehr bestand, und daß die Schlacht mit völlig verkehrter Front geschlagen wurde, so würde sie an Kühnheit der Anlage und Größe des Triumphes noch über Cannä gestellt werden müssen. Denn wenn Hannibal die Regel, daß der Schwächere[248] nicht auf beiden Flügeln zugleich umgehen darf, verletzen durfte, weil er der unbedingten Überlegenheit seiner Kavallerie sicher war und eben deshalb auch die Schlachtentscheidung zu suchen allen Grund hatte, so sieht man nicht, worauf Baner die Hoffnung seines Sieges gründete und sieht auch nicht, warum er gerade jetzt etwa die Schlacht um jeden Preis nötig gehabt hätte, da er, ohne gar zu viel zu riskieren, auch noch weiter hätte manövrieren können.

Der Vorteil, den Baner hatte, war, daß die beiden Flanken der feindlichen Aufstellung nicht gut angelehnt und ohne gar zu großen Umweg umgehbar waren, und daß vor der Front gelegene Gehölze die Bewegungen der Schweden verdeckten. So geschah es, daß Baner zunächst mit seinem rechten Flügel unter Torstenson dem feindlichen linken, den Sachsen ziemlich unvermutet in die Flanke kam. Aber die Sachsen hielten sich, bildeten eine neue Front, und bald kamen ihnen die Kaiserlichen unter ihrem Kommandierenden, dem Feldmarschall Hatzfeldt, vom anderen Flügel zu Hilfe, während sowohl die Umgehungs-Kolonne der Schweden auf jener Seite wie die Reserven, die sie unter Bitzthum im Zentrum gelassen hatten, vergeblich erwartet wurden. Wären die angenommenen Stärkeverhältnisse richtig, so hätten jetzt die vereinigten sächsisch-kaiserlichen Truppen Torstenson um das doppelte überlegen sein müssen, und man sieht nicht, wie dieser ihnen drei Stunden lang in dem hin- und herwogendem Gefecht hat standhalten können.

Verständlich wird die Anlage wie die Durchführung der Schlacht erst, wenn wir annehmen, daß die Schweden den Verbündeten an Zahl wenigstens gleich, vielleicht auch etwas überlegen gewesen sind. Baner hatte in den letzten Wochen erhebliche Verstärkungen an sich gezogen, zuletzt noch die Besatzung von Brandenburg, mehr als 1000 Mann, der die Sachsen bei der Kapitulation freien Abzug zugestanden hatten, während die Verbündeten die 5000 Mann, die unter General Klitzing Brandenburg genommen, sich noch nicht wieder mit dem Hauptheer vereinigt hatten. Mag also auch die Angabe des kaiserlichen Feldherrn277,[249] daß er nur 12000 Mann gegen 22000 Schweden gehabt habe, um die Niederlage zu entschuldigen, von der Wahrheit stark abweichen, daß eine gewisse Überlegenheit der Schweden vorhanden war, ist zum wenigstens nicht unmöglich.

So geschah es, daß der rechte Flügel der Schweden zwar nicht fliegen, aber doch sich behaupten konnte, obgleich er allmählich fast die ganze feindliche Armee auf sich zog, und als nun endlich bei Eintritt der Dunkelheit der andere Flügel der Schweden im Rücken der Verbündeten erschien, so wagten diese mit ihren schon sehr durcheinandergekommenen Scharen den Kampf nicht fortzusetzen, sondern traten in der Nacht den Rückzug an, der mit Verlust des Geschützes und Auflösung endigte. Nach einer Bemerkung Montecuccolis (Werke II, 58) hat Baner die Schlacht gewonnen »mit 12 frischen Schwadronen, die zuletzt bei Sonnenuntergang auftraten, als die Kaiserlichen schon alle erschöpft waren«.

Auch wenn er nicht eine numerische Überlegenheit besiegt hat, so wird der Feldherrnruhm Baners darum nicht gemindert. Er ist weit entfernt davon, unbedingt und vor allem die Schlacht-Entscheidung zu erstreben, aber als die Lage sich so gestaltet hat, daß bei dem Verfolgen der kleineren Zwecke der Feind sich geschwächt hat und er sich ihm gewachsen fühlt, da nimmt er die Gelegenheit wahr scheut nicht den Marsch um den Feind herum und die verkehrte Front, wagt in der Erkenntnis, daß die Fronthindernisse, die den Feind schützen sollen, ihm auch zugleich die Offensive, den Gegenstoß verbieten, das schwedische Heer zu teilen und hat nunmehr, da dies Manöver gelingt, mit Sicherheit die Oberhand. Denn der Angriff von vorn und hinten zugleich, wie er sich zuletzt für die Schweden gestaltet, ist naturgemäß auch bei gleichen Kräften die stärkere Form. Die einzige Möglichkeit für den Verteidiger, nicht so in die Zange genommen zu werden, ist der rechtzeitige Gegenstoß, die Zertrümmerung des einen Teiles der Angreifer, eher der andere eingreift. Das hatten die Kaiserlichen nicht erreicht, und so mußten sie schließlich verlieren. Ihr letzter Fehler aber lag darin, daß sie nicht ihrerseits, statt sich mit dem kleineren Zweck zu begnügen und Brandenburg zu erobern, alle Kräfte zusammengenommen und die taktische Entscheidung erzwungen haben. Kühne Entschlüsse wurden freilich dadurch[250] sehr erschwert, daß der Oberbefehl von dem Kurfürsten Johann Georg von Sachsen und dem kaiserlichen Feldmarschall Hatzfeldt gemeinschaftlich geführt wurde. Überdies hatte man auch nach der Einnahme von Magdeburg vier Wochen stilliegen müssen, weil es an Lebensmitteln, Munition und Geld fehlte und die Truppen ohne Sold nicht ins Feld rücken wollten.

In Friedrichs des Großen Sieg bei Torgau werden wir eine ähnliche Schlachtführung kennen lernen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 248-251.
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