Vormittagssitzung.

[542] [Der Zeuge Morgen im Zeugenstand.]


RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Ich habe Ihnen zunächst zwei Bilder vorzulegen. Das hat nichts zu tun mit Ihrer Vernehmung über die Konzentrationslager.

Es sind dieselben Bilder, Euer Lordschaft, die ich gestern dem Zeugen Eisenberg vorgelegt habe. Sie haben jetzt von mir eine Exhibit-Nummer bekommen, und zwar Exhibit Nummer SS-2 und Exhibit Nummer SS-3. Sie sind, wie ich schon gestern sagte, dem in polnischer Sprache geschriebenen Buch entnommen, das von der Anklage vor einigen Tagen überreicht worden ist, und zwar Seite IX und XI.


[Dem Zeugen wird ein Bild übergeben.]


Welchen Dienstgrad hat dieser SS-Mann, Herr Zeuge?

MORGEN: Das kann kein SS-Mann sein. Dieser Mann trägt keine SS-Uniform. Ich habe nie derartige Uniformen gesehen. Der Mann trägt auf dem linken Ärmel das Abzeichen der Polizei und die Polizei-Schulterstücke.

RA. PELCKMANN: Das genügt mir, Herr Zeuge. Ich zeige Ihnen die zweite Photographie. Beantworten Sie die Frage ebenso schnell.


[Dem Zeugen wird das zweite Lichtbild überreicht.]


MORGEN: Es ist ebenfalls keine SS-Uniform, sondern eine Phantasieuniform.

RA. PELCKMANN: Danke, Herr Zeuge. Sie hatten gestern schon begonnen mit einer Schilderung der sogenannten Vernichtungslager und des Systems der Vernichtungslager. Ich möchte aber noch einmal zurückkommen auf die Zustände in den Konzentrationslagern, die von diesen sogenannten Vernichtungslagern wohl zu unterscheiden sind. Sie hatten uns eine Schilderung des äußerlichen Eindrucks dieser Lager gegeben, die außerordentlich rosig anmutete. Damit kein falscher Eindruck entsteht, wollen Sie nun bitte schildern, welches die allgemeinen negativen Wahrnehmungen waren, die Sie machten?


MORGEN: Ich darf dazu sagen: Mir ist die Frage gestellt worden, ob ich aus meinen Eindrücken in den Konzentrationslagern den Eindruck gewinnen mußte, daß es sich hier um Vernichtungslager handle. Ich habe daraufhin sagen müssen, daß dieser Eindruck nicht entstehen konnte.

[542] Damit wollte ich keinesfalls sagen, daß die Konzentrationslager Sanatorien oder ein Paradies für die Häftlinge gewesen sind. Wenn sie das gewesen wären, dann wären ja meine Untersuchungen sinnlos gewesen. Ich habe durch diese Untersuchungen ja einen Einblick in die außerordentlich düsteren Schattenseiten der Konzentrationslager gewonnen. Bei den Konzentrationslagern handelte es sich um Einrichtungen, die, gelinde gesagt, aus einem falschen Prinzip heraus Verbrechen gebären mußten. Wenn ich sage, schon am Prinzip lag es, so meine ich damit folgendes: Der Häftling kam in das Konzentrationslager durch eine Einweisung des Reichssicherheitshauptamtes. Es entschied über seine Freiheit eine politische Stelle, deren Entscheidung nicht nachprüfbar war. Damit wurde der Häftling in einen Zustand der faktischen Rechtlosigkeit versetzt. Im Konzentrationslager drinnen war es fast unmöglich, die Freiheit zu gewinnen, obwohl in regelmäßigen Abständen Haftprüfungstermine stattfanden. Denn der Verfahrensweg war derart kompliziert, daß er praktisch, von Ausnahmefällen abgesehen, für die große Masse nicht wirksam werden konnte. Einer Entlassung mußten zustimmen das Lager, das Reichssicherheitshauptamt und die einweisende Dienststelle. Nur wenn diese drei Dienststellen zusammen übereinstimmten, konnte eine Entlassung durchgeführt werden. Dabei spielte aber nicht nur der Grund der Inhaftnahme eine Rolle, die Führung im Lager, sondern ungeheuerlicherweise durch eine Verfügung des SS-Obergruppenführers Pohl die erwerbswirtschaftliche Seite, das heißt also, wenn der Häftling, gerade weil er gut war, gebraucht wurde für den Lagerbetrieb, dann konnte er, obwohl alle Voraussetzungen für eine Entlassung gegeben wären, nicht entlassen werden. Die Konzentrationslager waren von einer Geheimsphäre umgeben. Der Häftling konnte nicht frei mit der Öffentlichkeit in Verbindung treten.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Wir haben natürlich nicht in erster Linie die Verantwortung für diese Verteidigung. Ich habe eben mit Herrn Elwyn Jones meinen Einwand besprochen und er findet, daß er in Ordnung ist. Es scheint mir, als ob wir einen Vortrag über den Fall der Anklagevertretung hören, und ich verstehe nicht, wie man es eine Verteidigung der SS nennen kann.


VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Der Gerichtshof ist der Meinung, daß der letzte Teil der Beweisführung nicht viel mit dem Fall der SS zu tun hat. Ich glaube, Sie sollten sich lieber weiter mit dem Fall der SS beschäftigen.


RA. PELCKMANN: Die Anklage gegen die SS wird im wesentlichen gestützt durch die Behauptung, daß die SS in ihrer Gesamtheit verantwortlich ist für die Konzentrationslager.

Ich bemühe mich, das Konzentrationslagerwesen von Grund auf mit all den Fragen, die bisher weder von der Anklage noch durch [543] Zeugen hier geklärt worden sind, dem Gericht darzustellen in absoluter Erforschung der Wahrheit, und ich glaube, daß es für das Gericht notwendig ist, diese Wahrheit zu wissen, um beurteilen zu können, ob der Vorwurf der Anklage, die SS in ihrer Gesamtheit sei verantwortlich für die Greuel und für die Massenvernichtungen in den Konzentrationslagern oder in den Vernichtungslagern, berechtigt ist. Ich behaupte...


VORSITZENDER: Wollen Sie bitte so freundlich sein, mit Ihrem Fall weiterzukommen, Dr. Pelckmann, und all diese Dinge, die uns sehr weit hergeholt scheinen, so kurz wie möglich machen.


RA. PELCKMANN: Aus all den Zeugenaussagen, die ich zu diesem Punkt hier vortrage, wird sich ergeben, daß das Konzentrationslagerwesen ein in sich geschlossenes Wesen war.


VORSITZENDER: Setzen Sie Ihren Fall fort. Ich habe Sie ersucht, mit Ihrem Fall weiterzukommen, und nicht, mit mir zu streiten.


RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Welches war die weitere negative Wahrnehmung, die Sie gemacht haben? Bitte fassen Sie sich kurz in diesem Punkt, wie es das Gericht wünscht.


MORGEN: Der Häftling konnte nicht frei mit der Öffentlichkeit in Verbindung treten, und deshalb wurden auch seine Wahrnehmungen der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Er war durch diesen Abschluß im KZ praktisch der Macht des Lagers unterworfen. Das wirkte sich dahin aus, daß er fürchten mußte, daß jederzeit Verbrechen gegen ihn begangen werden konnten. Aus diesen Gegebenheiten heraus, von denen ich nicht den Eindruck gewinnen konnte, daß sie ausgerichtet waren zu dem Zweck, ein System der Verbrechen zu erzeugen – den Eindruck hatte ich nicht –, aber aus all diesen Umständen mußten zwangsläufig Verbrechen entstehen, Einzelverbrechen.


RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Die Vorgänge und die Greuel und die Massenvernichtungen in den Konzentrationslagern sind ja gerade das, was der SS zur Last gelegt wird. Ich bitte Sie, zu schildern, wie diese Verbrechen in drei Kategorien einzuordnen sind, und was sie mit der gesamten Planung durch die SS zu tun hatten. Ich unterscheide entsprechend Ihrer Information Greuel durch höhere Gewalt, Greuel durch höchste Befehle und Greuel durch individuelle Einzelakte aus kriminellen Motiven.


MORGEN: Ein großer Teil der furchtbaren Zustände in gewissen Konzentrationslagern und zu manchen Zeiten sind nicht der beabsichtigten Planung entsprungen, sondern ergaben sich aus Umständen, die meines Erachtens als höhere Gewalt bezeichnet werden mußten, das heißt also Übel, für die die örtliche Lagerleitung nicht verantwortlich ist. Ich denke da an den Ausbruch von Seuchen. [544] Viele Konzentrationslager wurden in unregelmäßigen Abständen das Opfer von Flecktyphus, Bauchtyphus und anderen Krankheiten, die besonders durch das Einströmen von Häftlingen aus den Ostgebieten in den Konzentrationslagern passierten. Obwohl alles Menschenmögliche getan worden ist, um diese Seuchen zu verhindern und zu bekämpfen, war doch die dadurch verursachte Todesrate außerordentlich hoch gelegen. Ein weiterer Übelstand, der sich als höhere Gewalt bezeichnet, sind die Unregelmäßigkeiten bei der Einweisung der Häftlinge, die unzulänglichen Unterkünfte. Viele Lager waren überbelegt.

Die Häftlinge kamen durch unvorhergesehene, lange Transportzeiten, verursacht durch Fliegerangriffe, entkräftet an. Gegen Ende des Krieges trat dann ein allgemeiner Zusammenbruch des Verkehrswesens ein, die Lieferungen konnten nicht mehr im notwendigen Umfange durchgeführt werden, die chemisch-pharmazeutischen Fabriken waren systematisch ausgebombt, es fehlte an allen nötigen Medikamenten, und durch die Evakuierungen aus dem Osten mußten die Lager notgedrungen in einer unerträglichen Weise überbelegt werden.


RA. PELCKMANN: Genug zu diesem Punkt. Bitte der zweite Punkt, der höchste Befehl.


MORGEN: Als höchste Befehle bezeichnete ich die bereits am Anfang geschilderten Massenvernichtungen von Menschen, nicht in den Konzentrationslagern, sondern in eigenen, von diesen getrennten Vernichtungsstätten. Es sind weiter Exekutionsanordnungen des Reichssicherheitshauptamtes gegen Einzelpersonen und Personengruppen.

Der dritte Punkt betrifft den weitaus größten Teil der individuellen Einzelverbrechen, von denen ich sagte, daß sie...


VORSITZENDER: Wovon spricht der Zeuge, wenn er von Vernichtungslagern spricht?

Wovon sprechen Sie? Was nennen Sie Vernichtungslager?


RA. PELCKMANN: Bitte, Herr Zeuge, beantworten Sie die Frage.


MORGEN: Ich verstehe als Vernichtungslager Einrichtungen, die lediglich zum Zwecke der Menschenvernichtung unter Anwendung technischer Mittel, wie Gas, geschaffen worden sind.


VORSITZENDER: Welche Lager waren das?


MORGEN: Ich schilderte bereits gestern die vier Lager des Kriminalkommissars Wirth und gab schon den ersten Hinweis auf das Lager Auschwitz. Mit »Vernichtungslager Auschwitz«, meinte ich nicht das Konzentrationslager. Das gab es dort nicht. Ich meinte ein besonderes Vernichtungslager in der Nähe von Auschwitz, »Monowitz« bezeichnet.


[545] VORSITZENDER: Wie hießen die anderen Lager?


MORGEN: Weitere Vernichtungslager sind mir nicht bekannt.


RA. PELCKMANN: Sie sprachen zuletzt von den Greueln auf Grund von Einzelakten krimineller Art. Führen Sie das bitte aus.


MORGEN: Man muß hier den Täterkreis unterscheiden, um mit der breiten Masse anzufangen. Die Tötung der Häftlinge erfolgte selbst untereinander. Es kam zu Tötungen, zum Beispiel aus Rache. Ein Häftling war ausgebrochen. Dann mußte während der Suchaktion, weil man nicht wissen konnte, wo sich der Häftling versteckt hielt, unter Umständen im Lager selbst, das ganze Lager auf dem Exerzierplatz antreten. Das dauerte oft stundenlang, möglicherweise sogar einen Tag. Die Häftlinge waren müde und hungrig, und das sehr lange Stehen, oft unter Kälte oder Regen, erregte die Gemüter sehr stark, so daß, wenn der Häftling eingeliefert wurde, die anderen Häftlinge ihn aus Rache, daß er ihnen das aufgebürdet hatte, bei passender Gelegenheit totschlugen. Es gab viele Fälle, wo Häftlinge, die den Eindruck bekamen, daß einer von ihnen ein Spitzel sei, in Selbstverteidigung versuchten, diesen Häftling zu töten. Es gab Fälle, in denen einzelne Häftlinge körperlich schwach waren und nicht recht mitarbeiten konnten und dazu durch schlechtes Benehmen den anderen Häftlingen gegenüber, durch Brotdiebstahl oder ähnliches, die Empörung der anderen erregten, und wenn man berücksichtigt, daß ein großer Teil der Häftlinge schwer vorbestrafte Berufsverbrecher waren, so erscheint es verständlich, daß diese Menschen solche Mithäftlinge töteten. Die Tötungen geschahen in mancherlei Weise.


RA. PELCKMANN: Gut, das brauchen Sie im Moment nicht auszuführen, wir kommen später noch darauf zurück. Aber, bitte, kennzeichnen Sie eine andere Art der Täter.

MORGEN: Ich komme nun auf die Tötungen zu sprechen, die von Lagerangehörigen gegen Häftlinge, von Häftlingen gegen Mithäftlinge, durchgeführt worden sind. Um sofort präzise zu sprechen, möchte ich den Fall des gerichtlich abgeurteilten und hingerichteten Kommandanten des Konzentrationslagers Buchenwald; Koch, darstellen; folgender Einzelfall: In das Konzentrationslager Buchenwald wird ein Häftling eingewiesen, der alter Parteigenosse war. Er hat auf Grund seiner Eigenschaft als alter Kämpfer die Stellung eines Kurdirektors bekommen. Diese Stellung hat er mißbraucht, um polnische Hausangestellte zu zwingen, unter Androhung der Entlassung perverse Handlungen abscheulicher Art mit ihm vorzunehmen, obwohl er selbst schwer syphilitisch war. Dieser Mann wurde von den ordentlichen Gerichten zu langjähriger Zuchthausstrafe verurteilt und anschließend in das Konzentrationslager eingewiesen. Koch findet seine Akten vor, er hält dieses Urteil für [546] verfehlt, und glaubt sich berufen, hier einen Justizirrtum wieder gutzumachen, er läßt diesen Häftling töten.

Ein anderer Fall, völlig anders geartet: Koch glaubt, daß ein bestimmter, kleiner jüdischer Häftling, der markante äußere Besonderheiten aufwies, ihm in seinen verschiedenen Dienststellungen in die verschiedenen Lager immer wieder folge. Aus abergläubischer Furcht vor Unglück gibt er eines Tages Anweisung, diesen Häftling zu töten.

Ein anderer Fall: Koch glaubt, daß seine verbrecherische Tätigkeit oder auch bestimmte persönliche Verhältnisse einigen Häftlingen bekanntgeworden sind. Um sich selbst zu schützen, läßt er diese töten.


RA. PELCKMANN: Wie sind nun die Möglichkeiten dieser Tötungen, und konnten sie von den übrigen Lagerinsassen bemerkt werden?


MORGEN: Das Verfahren war im Grunde äußerst einfach. Die betreffenden Häftlinge wurden ohne Angabe von Gründen aufgerufen und hatten sich am Tor des Konzentrationslagers zu melden. Das war weiter nicht auffällig, denn es wurden fast stündlich aus dem riesigen Lager Häftlinge zur Vernehmung, zum Abtransport in andere Lager und so weiter dort abgeholt. Diese Häftlinge kamen dann zum Beispiel, ohne daß das für die anderen Häftlinge erkennbar gewesen wäre, in den außerhalb des Lagers gelegenen sogenannten Kommandantur-Arrest. Dort wurden sie einige Tage, oft ein bis zwei Wochen, in Haft gehalten und dann hat der Arrestaufseher sie getötet, meistens in der Form, daß eine Scheinimpfung durchgeführt wurde. In Wirklichkeit aber war ihnen eine Injektion mit Phenol in die Adern gejagt worden.

Eine andere Möglichkeit der geheimen Tötung war die Einweisung in das Revier bei irgendeiner Gelegenheit. Der Arzt stellte einfach fest, der Mann muß behandelt werden, nimmt ihn auf, sondert ihn dann nach einiger Zeit in ein Einzelzimmer ab und tötete ihn dort. In die Akten wird in all diesen Fällen aufgenommen, daß der betreffende Häftling an der oder jener normalen Erkrankung gestorben sei.

Ein weiterer Fall: Der Häftling wird in ein Kommando mit erschwerten Arbeitsbedingungen eingewiesen, meistens in das sogenannte »Steinbruch-Kommando«. Der Kapo des Steinbruchkommandos bekommt einen Wink und erschwert nun fortgesetzt dem Häftling das Leben, indem er ihn ununterbrochen zur Arbeit antreibt und ihn auf alle Weise schikaniert. Der Häftling verliert dann eines Tages die Lust. Um dieser Quälerei zu entgehen, läuft er über die Postenkette und muß nun von dem Posten, ob er will oder nicht, erschossen werden.

[547] Diese verschiedenen Tötungsarten variieren von Fall zu Fall, und gerade dadurch waren sie äußerlich unerkennbar, weil es an verschiedenen geheimen Orten sich abspielte, mit verschiedenen Methoden und verschiedenen Zeiten. Das setzt aber voraus, daß dieser Kommandant, der das tut, wie hier Koch, sich auf einige ihm absolut ergebene Männer stützen kann, die Schlüsselstellung haben, wie hier der Arzt, der verhaftet wurde, der Arbeitsaufseher, der ebenfalls verhaftet wurde und unmittelbar danach Selbstmord beging, und mit Hilfe von langjährig ergebenen Häftlings-Kapos, die mitwirkten.

Wo dieses Zusammenspiel nicht möglich ist, kann es zu solchen Ausschreitungen und Verbrechen nicht kommen.


RA. PELCKMANN: Haben Sie auch solche Fälle gefunden und solche Lager?


MORGEN: Jawohl. Ich erwähnte ja bereits, welches Ergebnis unsere Untersuchungen hatten, da die Mehrzahl der Lager im Kriege errichtet worden ist, mit neuem Personal, und in den alten Lagern das Personal mit den Schlüsselstellungen ausgewechselt worden ist, so daß neue Leute hinkamen; so konnte sich dieses Zusammenspiel nicht mehr bilden.


RA. PELCKMANN: Wäre es also verfehlt anzunehmen, daß alle Lager und alle Lagerkommandanten und alle Lagerärzte so gehandelt hätten, wie Sie eben geschildert haben?


MORGEN: Nach meinen eingehenden Untersuchungen kann ich nur die Erklärung abgeben, daß diese Annahme völlig verfehlt wäre. Ich habe wirklich Lagerkommandanten kennengelernt, die das Menschenmögliche getan haben für ihre Häftlinge. Ich habe Ärzte kennengelernt, deren ganzes Sinnen und Bestreben es nur gewesen ist, den kranken Häftlingen zu helfen und weitere Krankheiten zu verhüten.


RA. PELCKMANN: Wir wollen zurückgehen zu den Massenvernichtungen, von denen Sie einen Fall geschildert hatten. Sie sprachen von dem Kriminalkommissar Wirth, der nicht Mitglied der SS war, und dessen Stab sich ebenfalls auch nicht aus SS-Leuten zusammensetzte. Warum hatte man gerade Wirth beauftragt?


MORGEN: Ich erwähnte bereits, Wirth war Kriminalkommissar bei der Kriminalpolizei Stuttgart, und zwar war er ein Kommissar zur Aufdeckung von Kapitalverbrechen, insbesondere Mord. Er genoß einen ziemlichen Ruf im Spurenaufdecken und war der breiten Öffentlichkeit vor der Machtübernahme dadurch bekanntgeworden, daß er skrupellose Untersuchungsmethoden anwendete, die sogar zu einer Erörterung im württembergischen Landtag geführt hatten. Diesen Mann benutzte man nun, um durch ihn die Spuren aus diesen Massentötungen zuzudecken. Man glaubte [548] auf Grund seines bisherigen beruflichen Lebenslaufes, daß dieser Mann skrupellos genug sei, um die Sache auszuführen, und das war richtig.


RA. PELCKMANN: Sie erwähnten die jüdischen Häftlinge, die bei den Tötungen behilflich waren. Was ist aus diesen Menschen geworden?


MORGEN: Wirth sagte mir, daß er am Ende der Aktion diese Häftlinge erschießen lasse und damit ihnen auch den Gewinn, den er ihnen hat vorher scheinbar zufließen lassen, wieder abnähme. Er machte das nicht auf einmal, sondern ebenfalls durch Ausführung des bereits beschriebenen Täuschungsmanövers, indem er unter bestimmten Vorspiegelungen die Häftlinge absonderte und diese dann einzeln tötete.


RA. PELCKMANN: Haben Sie von Wirth auch den Namen Höß gehört?


MORGEN: Ja, Wirth bezeichnete ihn als seinen unbegabten Schüler.


RA. PELCKMANN: Warum?


MORGEN: Höß wandte im Gegensatz zu Wirth völlig andere Methoden im Grundsatz an. Ich glaube, ich schildere sie am besten, wenn wir auf Auschwitz selbst zu sprechen kommen sollten.


RA. PELCKMANN: Ist damals auch der Name Eichmann gefallen?


MORGEN: Ich kann mich nicht erinnern, daß damals schon der Name Eichmann gefallen ist, aber später bin ich auch auf ihn gekommen.


RA. PELCKMANN: Wie kamen Sie auf die Spur, die nach Auschwitz führte?

MORGEN: Ich hatte einen Anhalt durch einen Hinweis, und zwar von Wirth selbst. Nun drehte es sich für mich nur darum, einen Grund zu finden, Untersuchungen in Auschwitz selbst anzustellen; denn ich bitte eingedenk zu sein, daß mein Auftrag ja ein begrenzter war, ich mußte ja Korruptionsverbrechen und die damit in Zusammenhang stehenden Delikte ermitteln.


VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Hat er nicht gestern schon erklärt, wie er dazu kam, in Auschwitz Nachforschungen anzustellen?


RA. PELCKMANN: Nein, es war etwas ganz anderes, Euer Lordschaft.


MORGEN: Ich habe gestern nur von Lublin und Wirth gesprochen. Ich sagte, daß ich über Höß informiert wurde, und [549] ich wollte versuchen, in das Lager zu kommen und brauchte doch einen Grund dazu. Diesen Grund fand ich alsbald.

Die Protektoratspolizei hatte Goldschiebungen im Protektorat festgestellt. Die Spuren führten nach Berlin. Die Zollfahndungsstelle Berlin-Brandenburg hatte Personen ermittelt, die im Konzentrationslager Auschwitz bedienstet waren, und das Verfahren an das SS- und Polizeigericht in Berlin abgegeben. Dort erfuhr ich davon und zog nunmehr das Verfahren betreffs der Goldschiebungen – es handelte sich dabei um Goldschiebungen riesigen Umfanges – an mich und fuhr kurz daraufhin nach Auschwitz.


RA. PELCKMANN: Sie waren also in Auschwitz selbst?


MORGEN: Jawohl, ich fuhr nach Auschwitz und habe das dortige Lager, ehe ich mit den Untersuchungen selbst begann...


VORSITZENDER: Wann sind Sie dorthin gefahren?


MORGEN: Den Zeitpunkt kann ich nicht mehr genau sagen, es muß um das Ende 1943, Anfang 1944, gewesen sein.


RA. PELCKMANN: Die Methode, die Menschen dort zu vernichten, war ja wohl ähnlich, wie Sie sie gestern schon geschildert haben?


MORGEN: Ich habe die ganze Strecke eingehend besichtigt und die Einrichtungen dort studiert. Die Häftlinge kamen auf einem Nebengelände der Bahn in geschlossenem Transport an und wurden dort von jüdischen Häftlingen ausgeladen. Dann fand eine Aussortierung nach Arbeitsfähigen und Arbeitsunfähigen statt, und hier trennen sich schon die Methoden von Höß und Wirth. Diese Aussonderung der Arbeitsunfähigen geschah auf eine ziemlich einfache Weise. Es standen neben dem Ausladeplatz mehrere Lastkraftwagen und der betreffende Arzt stellte den Ankömmlingen anheim, diese Wagen zu benutzen. Er sagte aber, daß nur Kranke, alte Personen, Frauen mit Kindern davon Gebrauch machen dürften. Nun drängten sich diese Personen zu den ihnen bereitgestellten Fahrgelegenheiten. Er brauchte also nur noch die Personen zurückhalten, die er nicht zur Vernichtung schicken wollte. Diese Lastkraftwagen fuhren dann ab. Sie fuhren nicht in das Konzentrationslager Auschwitz, sondern in eine andere Richtung, in das einige Kilometer entfernte Vernichtungslager Monowitz. Dieses Vernichtungslager bestand aus einer Reihe von Krematorien. Diese Krematorien waren von außen als solche nicht erkennbar. Man konnte sie für Groß-Badeeinrichtungen halten. Das wurde auch den Häftlingen bekanntgegeben. Diese Krematorien waren mit einem Stacheldrahtzaun umgeben und wurden innen bewacht durch die bereits erwähnten jüdischen Arbeitskommandos. Die Ankömmlinge wurden unten in einen großen Auskleideraum geführt und wurden aufgefordert, sich zu entkleiden. Nachdem dies geschehen war...


[550] RA. PELCKMANN: Ist das ungefähr, was Sie gestern schon geschildert haben?


MORGEN: Selbstverständlich.


RA. PELCKMANN: Wie war nun dafür gesorgt, daß diese Dinge unbedingt geheim blieben?

MORGEN: Die Häftlinge, die abmarschierten in das Konzentrationslager, hatten keinen Hinweis dafür, wohin die anderen Häftlinge verbracht wurden. Das Vernichtungslager Monowitz lag weit von dem Konzentrationslager entfernt. Es befand sich in einem weitläufigen Industriegelände und war als solches nicht zu erkennen, und überall am Horizont standen Schornsteine und es rauchte. Das Lager selbst war außen bewacht durch eine Spezialtruppe von Männern aus dem Baltikum, Esten, Litauern und Ukrainern. Die ganze technische Durchführung lag fast ausschließlich in den Händen der dazu bestimmten Häftlinge selbst, die nur jeweils von einem Unterführer überwacht wurden. Die eigentliche Tötung wurde durch einen anderen Unterführer durch Auslösen von Gasen in diesem Raum ausgeführt. So war also der Kreis der Wisser um diese Dinge ein ganz außerordentlich begrenzter. Dieser Kreis war besonders vereidigt...


VORSITZENDER: Waren diese Unterführer in der SS?


MORGEN: Sie trugen SS-Uniform.


VORSITZENDER: Haben Sie sich nicht die Mühe gegeben ausfindig zu machen, ob es regelrechte Angehörige der SS gewesen waren?


MORGEN: Ich sagte, daß es sich um Angehörige von Ostvölkern handelte.


VORSITZENDER: Was Sie schon gesagt haben, kümmert mich nicht. Ich fragte Sie, ob Sie sich nicht die Mühe nahmen festzustellen, ob diese Leute der SS angehörten?


MORGEN: Verzeihen Sie, Euer Lordschaft, ich verstehe Ihre Frage nicht. Sie konnten nicht Mitglieder der Allgemeinen SS sein. Soweit ich feststellen konnte, waren es Freiwillige und auch Notdienstverpflichtete, die man im Baltikum geworben hatte, die dort Sicherungsaufgaben durchführten und dann irgendwie besonders ausgelesen worden sind und nach Auschwitz-Monowitz kamen. Es handelt sich hier um eine Sondertruppe, die nur diese einzelne Aufgabe hatte und sonst weiter nichts, die vollkommen außerhalb der Waffen-SS liefen...


VORSITZENDER: Ich habe nicht gefragt, ob sie in der Waffen-SS gewesen sind. Haben Sie gefragt, warum man diese Leute in SS-Uniformen gesteckt hat?


[551] MORGEN: Nein, diese Frage habe ich nicht gestellt. Es erschien mir überhaupt unverständlich. Es muß wohl damit zusammenhängen, daß der Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz...

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Sie haben gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, daß Sie es unverständlich fanden, daß diese Leute SS-Uniformen trugen. Haben Sie das nicht gesagt?


MORGEN: Jawohl.


VORSITZENDER: Gab es dort überhaupt keine Offiziere der SS?


MORGEN: Es war ein Offizier dort, ein Kommandant dieser Kompanie, ich glaube ein Hauptsturmführer Hartenstein oder so ähnlich.


VORSITZENDER: Warum haben Sie ihn nicht gefragt, aus welchem Grunde diese Leute in SS-Uniformen gesteckt worden sind?


MORGEN: Die Leitung des Vernichtungslagers stand unter dem SS-Standartenführer Höß. Höß war Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz in Personalunion mit dem Vernichtungslager Monowitz. Um Auschwitz herum lagen eine Menge von Arbeitslagern, und ich sagte bereits, daß...


VORSITZENDER: Ich habe Sie nicht gefragt, wo. Ich habe gefragt, warum Sie diese beiden SS-Offiziere nicht gefragt haben, aus welchem Grunde sie diese Leute in SS-Uniformen gesteckt haben.


MORGEN: Ich habe angenommen, daß dies geschehen ist aus Tarnungsgründen, um dieses Lager, das Vernichtungslager, nicht äußerlich unterscheiden zu lassen von den anderen Arbeitslagern und von dem Konzentrationslager selbst. Unverständlich als Soldat war es mir lediglich, daß man dem Ruf der SS das antut, die mit dieser Vernichtung ja nichts zu tun hatte.


VORSITZENDER: Sie selbst waren doch ein hoher SS-Offizier, nicht wahr?


MORGEN: Ich war Sturmbannführer der Waffen-SS.


VORSITZENDER: Ich frage Sie folgendes: Warum stellten Sie unter diesen Umständen keine Nachforschungen an und warum fragten Sie diese hohen SS-Offiziere dort nicht: »Was hat es zu bedeuten, daß man diese Leute in SS-Uniformen gesteckt hat?«


MORGEN: Ich habe die Frage nicht verstanden.


VORSITZENDER: Fahren Sie fort.


RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Ich möchte an Sie die Frage jetzt von mir aus stellen. Warum haben Sie die höheren SS-Führer, die Sie dort getroffen haben, nicht gefragt, warum diese einfachen Leute in SS-Uniform arbeiteten?


[552] MORGEN: Ich sagte, daß ich die Auffassung hatte, daß dies aus Tarnungsgründen geschah, um das Lager durch eine etwaige andere Uniformierung nicht aus dem üblichen Rahmen herausfallen zu lassen.


RA. PELCKMANN: Und diese Erklärung, die Sie sich selbst geben, ist ein Grund dafür, daß Sie die Offiziere nicht mehr fragten? Ist das so?


MORGEN: Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, die Offiziere darüber gefragt zu haben; das heißt, ich sprach ja nicht mit Offizieren, sondern nur mit dem Kommandanten Höß und dem Kommandanten dieser Wachtruppen des Vernichtungslagers.


RA. PELCKMANN: Haben Sie alles geschildert, was der Geheimhaltung...


VORSITZENDER: Fahren Sie fort.


RA. PELCKMANN: Haben Sie alles ausgeführt auf die Frage, wodurch die Geheimhaltung sichergestellt war?


MORGEN: Es ist vielleicht noch etwas Wesentlich es zu erwähnen: Daß man bestimmte jüdische Häftlinge mit Auslandsbeziehungen aussonderte und diese Briefe schreiben ließ in das Ausland, wie gut sie es in Auschwitz hätten, so daß also hierdurch bei der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen mußte: diese bekannten Leute, die wir kennen, sind ja am Leben und sie schreiben, es geht ihnen gut.

RA. PELCKMANN: Danke. Was hätten Sie nun, Herr Zeuge, unter normalen Umständen tun müssen, nachdem Sie all das Furchtbare erfahren haben?


MORGEN: Unter normalen Umständen hätte ich den Kriminalkommissar Wirth und den Kommandanten Höß verhaften und wegen Mordes anklagen müssen.


RA. PELCKMANN: Haben Sie das getan?


MORGEN: Nein.


RA. PELCKMANN: Warum nicht?


MORGEN: Die Antwort ergibt sich bereits aus der Fragestellung. Es herrschten im damaligen Kriege in Deutschland! keine normalen Verhältnisse mehr im Sinne der rechtsstaatlichen Garantien. Außerdem ist folgendes zu berücksichtigen: Ich war nicht Richter schlechthin, sondern ich war Richter der Militärstrafjustiz. Keinem Militärgericht der Welt dürfte es aber möglich sein, seinen Armeeoberbefehlshaber oder gar das Staatsoberhaupt selbst vor seine Schranken zu ziehen.


RA. PELCKMANN: Machen Sie bitte keine rechtstheoretischen Ausführungen, sondern sagen Sie uns, warum Sie das nicht getan haben, was Sie erkannt haben, was Sie eigentlich hätten tun müssen.


[553] MORGEN: Verzeihen Sie. Ich führte aus, daß es mir nicht möglich war, als damaliger Obersturmführer, Hitler, in dem ich den Urheber dieser Befehle erblicken mußte, zu verhaften.


RA. PELCKMANN: Ja, was haben Sie denn getan?


MORGEN: Ich habe erkannt auf Grund dieser Einblicke, daß hier etwas geschehen mußte, nämlich ein sofortiger Stop dieser Aktion. Es mußte Hitler veranlaßt werden, seine Befehle zurückzuziehen. Das konnte den Umständen nach nur Himmler in seiner Eigenschaft als Innenminister und Polizeiminister tun. Mein Bestreben, so dachte ich damals, muß es also sein, an Himmler heranzukommen über die Ressortchefs und an Hand der Auswirkungen dieses Systems ihm klar zu machen, daß man mit diesen Methoden den Staat unmittelbar in den Abgrund führt. Ich habe mich daher zunächst an meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Chef des Reichskriminalpolizeiamtes, den SS-Obergruppenführer Nebe, gewandt. Ich habe mich weiter an den Chef des Hauptamtes SS-Gericht, SS-Obergruppenführer Breithaupt, gewandt. Ich habe auch Vorstöße bei Kaltenbrunner und dem Chef der Gestapo, dem Gruppenführer Müller und dem Obergruppenführer Pohl vom Wirtschafts-Verwaltungshauptamt und dem Reichsarzt SS, SS-Gruppenführer Dr. Grawitz unternommen. Ich sah aber außer dieser Notwendigkeit der Einwirkung einen unmittelbaren praktischen Weg für mich auf dem Gebiet der Justiz, nämlich, aus diesem Vernichtungssystem die Spitzen und die wichtigen Glieder einen nach dem anderen herauszubrechen, und zwar mit den Mitteln des Systems selbst. Ich konnte dies nicht tun wegen der von dem Staatsoberhaupt befohlenen Tötungen, aber ich konnte es tun wegen Tötungen, die außerhalb dieses Befehls oder gegen diesen vorgenommen wurden oder wegen anderer schwerer Delikte; und deshalb habe ich ganz bewußt die Strafverfolgung gegen diese Männer aufgenommen und es hätte so zu einer Erschütterung dieses Systems, zu einem Auseinanderbrechen kommen müssen. Diese Sache hatte aber auch noch eine Fernwirkung in naher Zeit, denn durch die großen KL-Typenprozesse, wie gegen den Kommandanten Koch, von dem ich vorhin berichtete, und gegen den Leiter der politischen Abteilung Auschwitz, den Kriminalsekretär Untersturmführer Grabner, den ich wegen Mordes außerhalb dieser Vernichtungsaktion – wegen Mordes in 2000 Fällen – anklagte, mußte der gesamte Tötungskomplex gerichtlich zur Entscheidung gestellt werden. Es war zu erwarten, daß auch wegen dieser Einzeldelikte die Täter sich auf höhere Befehle berufen würden. Dies ist geschehen. Es mußte daraufhin die SS-Gerichtsbarkeit auf Grund des von mir ermittelten Materials an die höchste Staatsführung herantreten und ihr offiziell die Frage stellen: »Hast Du diese Tötungen befohlen, gilt der gesetzliche Tatbestand des Mordes für sie nicht mehr? Welche [554] Befehle liegen über diese Tötungen generell vor?« Dann mußte die oberste Staatsführung entweder von den Tätern abrücken und diese damit endgültig auch wegen der Massenvernichtung unserem Zugriff preisgeben oder aber es mußte zu einem offensichtlichen Bruch kommen durch eine auch äußere Außerkraftsetzung des gesamten Gerichtswesens selbst. Wenn ich vorausgreifen darf, auf Grund der Prozesse in Weimar gegen Koch und Grabner ist dieses Problem akut geworden, wie von mir vorausgesehen, und nunmehr wurden die Verhandlungen ausgesetzt und von der SS-Gerichtsbarkeit diese Fragen, die ich vorhin anschnitt, offen, offiziell an das Reichssicherheitshauptamt gestellt. Es wurde eigens zu dem Zweck auch noch ein Richter dorthin gesandt, der die Aufgabe hatte, in allen Abteilungen des Reichssicherheitshauptamtes Nachforschungen anzustellen, ob solche Befehle vorliegen. Wie ich hörte, ist das Ergebnis negativ gewesen. Daraufhin wurde nunmehr versucht, gegen Höß selbst zuzugreifen. Aber inzwischen ist die Front vorgerückt. Auschwitz wurde besetzt; der Richter, der dorthin gesandt worden ist, mußte in den Anfängen seiner Untersuchungen, sehr erfolgreichen Untersuchungen, aufhören und dann trat Januar 1945 eine vollkommene Desorganisation ein, die eine weitere strafgerichtliche Verfolgung nicht mehr möglich machte. Wenn ich zurückgreifen darf, die unmittelbaren Auswirkungen der gerichtlichen Untersuchungen sind aber auch gewesen, daß schlagartig in sämtlichen KZs die Tötungen von Häftlingen im Wege der sogenannten Euthanasie aufhörten, weil kein Arzt mehr sich sicher fühlen konnte, nicht am andern Tag verhaftet zu werden, denn das Beispiel des Standortarztes Buchenwald ist ja allen gegenwärtig. Ich bin also überzeugt, daß durch dieses Eingreifen und Vorgehen mit unmittelbarer Wirkung Tausenden von Häftlingen das Leben gerettet worden ist, daß es zu einer ernsthaften Erschütterung des Tötungssystems selbst gekommen ist. Denn es ist auffällig, daß kurz nach meinem ersten Zutritt zu dem Kriminalkommissar Wirth ich ihn bei meinem zweiten Besuch in Lublin nicht mehr vorfand. Ich stellte fest, daß Wirth in der Zwischenzeit urplötzlich den Befehl erhalten hatte, seine sämtlichen Vernichtungslager bis zum Grunde zu zerstören. Er war mit seinem gesamten Kommando nach Istrien abgezogen worden und machte dort nunmehr die Straßensicherung, und dabei ist er im Mai 1944 auch gefallen. Sofort als ich das hörte, daß Wirth von Lublin weg war mit seinem Kommando, bin ich hingeflogen, um festzustellen, ob er vielleicht nicht nur sein Tätigkeitsfeld verlegte und das dort weiter ausführte; aber dies traf nicht zu.

RA. PELCKMANN: Schwebten Sie, Herr Zeuge, bei all diesen Untersuchungen in Lebensgefahr?


MORGEN: Es war klar, daß die Aufdeckung dieser ungeheuerlichen Verbrechen den Tätern außerordentlich unangenehm war. Ich [555] wußte, daß diesen Menschen ein Menschenleben nichts gilt und daß sie zu allem entschlossen waren. Ich darf folgendes als Beweis dafür angeben: Nachdem ich Grabner, in Auschwitz Leiter der politischen Abteilung, verhaftet hatte und eine Untersuchungskommission...


VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Sie vergessen doch nicht, was Sie sagten? Nämlich, daß Sie nur 45 Minuten mit diesem Zeugen brauchen würden?


RA. PELCKMANN: Nein, Euer Lordschaft, ich habe es nicht vergessen und ich bedaure es sehr, daß es länger dauert. Aber ich glaube, das der Aufklärung des Gerichts schuldig zu sein.


VORSITZENDER: Es scheint von geringer Bedeutung, ob dieser Mann in Lebensgefahr schwebte oder nicht.


RA. PELCKMANN: Ich von mir aus, vom Standpunkt der Verteidigung, Euer Lordschaft, bin anderer Ansicht; denn es ist für die Zustände und Möglichkeiten, sich gegen dieses System zu wehren, und für die Ziffer 1 des Beschlusses des Hohen Gerichts vom 13. März, Ziffer 2, Zwang und Befehl, von ausschlaggebender Bedeutung.


VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Dr. Pelckmann. Der Gerichtshof glaubt nicht, daß es wichtig ist.


MORGEN: Ich bitte, noch einen Satz sagen zu dürfen dazu. Die Untersuchungskommission des Reichskriminalpolizeiamtes in Auschwitz war in einer Baracke untergebracht, und nachdem sie erfolgreich einige Zeit gearbeitet hatte, ist von unbekannten Tätern die gesamte Baracke mit dem Aktenmaterial nachts durch vorsätzliche Brandstiftung vernichtet worden. Damit wurden die Untersuchungen in Auschwitz selbst für längere Zeit ausgesetzt, beziehungsweise ihnen Schwierigkeiten bereitet. Daraus wollen Sie bitte schließen, wie rücksichtslos gegen uns vorgegangen worden ist. Ich selbst bekam Warnungen und Drohungen genug, aber ob ich tatsächlich in Lebensgefahr schwebte, vermag ich nicht zu sagen.


RA. PELCKMANN: Hat nun das leitende Personal des eigentlichen Konzentrationslagers Auschwitz Anlaß zu der Annahme gegeben, daß sie von diesen Vernichtungen wußten? Wobei ich nochmals betone – wenn ich Sie richtig verstanden habe – das Konzentrationslager Auschwitz mit seinen zahlreichen Arbeitslagern hatte nichts zu tun mit, und war separiert von dem Vernichtungslager?

MORGEN: Ich erwähnte bereits, daß Höß zugleich in Personalunion Kommandant in Auschwitz und Monowitz gewesen ist. Also er ist als der leitende Personalchef zu betrachten, außer dem einen Führer der Truppe Monowitz. Nur mit diesen beiden hatte ich zu tun. Die beiden wußten es.


[556] RA. PELCKMANN: Haben Sie den Arzt gesprochen des Konzentrationslagers Auschwitz?


MORGEN: Jawohl, der Standortarzt zeigte mir bei seinem Eintreten die Ziffern, die Kurven der Sterblichkeit. Mit leuchtenden Augen wies er darauf hin, wie vom Beginn seiner Versetzung nach Auschwitz diese großen Ziffern schlagartig heruntergegangen sind durch umfassende hygienische Vorbeugungen und Änderungen. Dabei gab er mir aber gleichzeitig den Hinweis auf Grabner. Grabner hat ihm zugemutet, schwangere Polinnen zu töten. Das hatte der Arzt als unvereinbar mit seinen Berufspflichten abgelehnt. Darauf hat Grabner ihm vorgeworfen, er verkenne die Wichtigkeit seiner, Grabners, staatspolitischer Aufgaben. Der Arzt hatte nicht nachgegeben und es kam zu einem Streit, der beim Kommandanten ausgetragen wurde, wobei weder Höß noch Grawitz etwas dazu sagten. Danach stand der Arzt wirklich in dem Moment, wo ich zufällig auf ihn zutrat, in einem furchtbaren Konflikt. Er sagte, was soll ich tun? Ich sagte ihm, das, was Sie getan haben, absolute Verweigerung, ist vollkommen richtig, und morgen werde ich Grabner verhaften.


VORSITZENDER: Was hat das mit der SS zu tun, Dr. Pelckmann, außer der Arzt war in der SS; vielleicht war dies der Fall?


RA. PELCKMANN: Ja, es ist aber wohl bekannt, daß die Ärzte SS-Ärzte waren, und der Zeuge schildert hier, wie ein SS-Arzt in diesem Konzentrationslager Auschwitz sich gegen das Ansinnen des Grabner gesträubt hat, und das schildert er als einen typischen Fall.


VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Der Gerichtshof ist der Meinung, daß Sie diesen Zeugen lange genug in Anspruch genommen haben. Sie gehen zu sehr in die Einzelheiten der Dinge.


RA. PELCKMANN: Sie sagten vorhin, Sie hätten berichtet an die verschiedenen Stellen und nannten, glaube ich, drei. Schildern Sie, bitte, wie Nebe darauf reagiert hat. Wie hat sich Breithaupt verhalten? Was haben Kaltenbrunner und Müller gesagt? Wie hat sich Pohl eingestellt, und wie hat sich der Reichsarzt Grawitz eingestellt?


MORGEN: Ich berichtete als erstem meinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem SS-Gruppenführer Nebe, als Chef des RKPA. Nebe war ein außerordentlich schweigsamer Mann, aber man sah, wie ihm bei meinem Bericht buchstäblich die Haare zu Berge standen. Sein Schweigen wurde steinern. Er sagte, ich müsse sofort diese Sache Kaltenbrunner vortragen. Der Chef des Hauptamtes SS-Gericht, Obergruppenführer Breithaupt, war ebenfalls in außerordentlicher Erregung, und sagte, er werde sofort oder alsbald zu Himmler fahren, ihm das vorstellen, und versuchen, daß ich zu persönlichem Vortrag bei Himmler komme. Der Reichsarzt-SS war ebenfalls ratlos. Obergruppenführer Pohl nahm dagegen eine andere Haltung [557] ein. Ich hatte vorher oder zur selben Zeit etwa den Kommandanten des Konzentrationslagers Hertogenbosch verhaftet, der durch eine Strafmaßnahme den Tod von zehn Frauen verschuldet hatte. Als ich Pohl das berichtete, bezeichnete er dies als eine Bagatelle und sagte, was ist das Leben von zehn Frauen angesichts der Tausende deutscher Frauen, die durch den Bombenterror jede Nacht sterben.


RA. PELCKMANN: Nun zu den anderen; fassen Sie sich kürzer.


MORGEN: Nachdem ich bereits dem Obergruppenführer Kaltenbrunner vorher berichtet hatte über die eigentlichen Korruptionsdelikte – die Tötungsdelikte, die ich bekam, das war ungefähr ein halbes Jahr später – fand eine Aussprache statt in Anwesenheit von Nebe, Kaltenbrunner und Müller. Diese Aussprache war außerordentlich einseitiger Art, denn Kaltenbrunner und Nebe verhielten sich absolut schweigend, während Müller sozusagen gegen mich raste, weißglühend vor Zorn, und mich nicht zu Worte kommen ließ. Als ich ihn ruhig betrachtete, sprang er plötzlich auf und stürzte aus dem Raum und ließ mich allein, während sich die beiden anderen Herren von mir abwandten. Ich suchte daraufhin am Nachmittag nochmals Müller auf und legte ihm dann persönlich meine Auffassung noch einmal dar; aber Müller war absolut immer dagegen.


RA. PELCKMANN: Gut, gut, haben Sie...


VORSITZENDER: Wann fand diese Unterhaltung mit Kaltenbrunner statt?


MORGEN: Das geschah unmittelbar nach der Anklageerhebung gegen Grabner. Ich nehme an Juli – August 1944.


RA. PELCKMANN: Haben Sie diese Dinge noch anderen Kreisen der SS mitgeteilt?


MORGEN: Nein, mir kam es darauf an, die Leute zu unterrichten und für meine Auffassung zu gewinnen, die wirklich etwas zu sagen hatten. Alles andere zählte nicht. Außerdem war ich durch den Grundbefehl Nummer 1 über Geheimhaltung staatswichtiger Sachen gebunden, konnte mich also nur an die Hauptamtschefs persönlich wenden. Jeder Fehler, der mir unterlaufen wäre bei Einbeziehung anderer Stellen, hätte schwerste Folgen gegen mich gehabt, einen Vorwand meinen Feinden gegeben und damit die Untersuchungen in die Länge gezogen.


VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Er hat schon gesagt, daß er keinen Bericht erstattet hat, das genügt doch. Wir wollen nichts weiter darüber wissen. Er hat keinen Bericht erstattet. Der Zeuge steht nicht vor Gericht.


RA. PELCKMANN: Verzeihung, ich glaube es ist ein Irrtum, wenn ich Euer Lordschaft richtig verstanden habe; er hat doch gesagt, er hat berichtet.


[558] VORSITZENDER: Er hat gesagt, daß er keinen anderen Bericht erstattet hat, so wie ich ihn verstanden habe; außer dem Bericht, von dem er gesprochen hat.


RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Wollen Sie dazu Stellung nehmen.


MORGEN: Das ist richtig; außer dem Hauptamtschef der SS wurde sonst niemand unterrichtet.


RA. PELCKMANN: Haben Sie es nicht für Ihre Pflicht gehalten, die Weltöffentlichkeit zu benachrichtigen oder irgendwie Ihrem Gewissen Luft zu machen, zu schreien »Mord«?


MORGEN: Dazu hätte es des Zuganges zu den technischen Mitteln bedurft, nämlich Presse und Rundfunk, die ich nicht hatte. Wenn ich das an jeder Straßenecke bekanntgegeben hätte, dann hätte mir das niemand geglaubt, weil dieses System die menschliche Fassungskraft übersteigt. Man hätte mich als Irrsinnigen eingesperrt.


RA. PELCKMANN: Das Lager Dachau ist hier als reines Vernichtungslager geschildert worden von seiten der Anklage, teilweise auch von Zeugen. Stimmt das?


MORGEN: Ich glaube, das KZ-Lager Dachau aus meinen Ermittlungen von Mai bis Juli 1944 näher zu kennen. Ich muß sagen, daß ich den gegenteiligen Eindruck hatte. Das KZ-Lager Dachau galt von jeher als ausgesprochen gutes Lager, als Erholungslager bei den Häftlingen, und diesen Eindruck habe ich tatsächlich gewonnen.


RA. PELCKMANN: Haben Sie die Inneneinrichtung gesehen, den Krankenbau und so weiter?


MORGEN: Ich habe alle diese Einrichtungen genauestens besichtigt und muß sagen, der Krankenbau war tadellos in Ordnung. Ich bin durch sämtliche Säle gegangen, es war nichts von einer Überbelegung zu merken und erstaunlich war die Fülle der medizinischen Instrumente auch größerer Art, die hier den Häftlingen dienten. Es gab besondere Fachkapazitäten aus den Häftlingen selbst.


RA. PELCKMANN: Gut, gut, Sie wollen also schildern, es war gut.

Aber damit befinden Sie sich zum Beispiel im Widerspruch mit den Aussagen des Dr. Blaha, die hier zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden sind. Kennen Sie diese Aussagen?


MORGEN: Ich habe die Aussagen des Dr. Blaha in der Presse gelesen und hier Gelegenheit gehabt, die Prozeßakten einzusehen. Ich muß sagen, diese Bekundungen haben mich maßlos erstaunt. Ich bin der Auffassung, daß Blaha aus eigener Wissenschaft derartige Behauptungen nicht aufstellen kann, denn es ist nicht so, daß ein Häftling in einem Konzentrationslager sich frei bewegen kann und insbesondere Zugang zu den verschiedenen Einrichtungen hat.


[559] VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Meinung, daß er wohl sagen kann, daß er mit der Aussage Blahas nicht übereinstimmt, aber nicht, daß Blaha nicht die Wahrheit ausgesagt hat. Er hat gesagt, daß er damit nicht übereinstimmt. Wir glauben, Sie könnten mit Ihrem Fall fortfahren. Wieviel Zeit glauben Sie noch zu beanspruchen?


RA. PELCKMANN: Fünf Minuten, Euer Lordschaft.

Zeuge! Warum stimmen Sie – das wollten Sie ja eben ausführen, Herr Zeuge – mit den Aussagen Blahas nicht überein?


MORGEN: Ich sagte...


VORSITZENDER: Er hat seine eigene Aussage über die Sache gemacht. Und er hat gesagt, daß das im Widerspruch zu Blaha steht. Wir wollen keine Einzelheiten mehr darüber hören.


RA. PELCKMANN: Herr Präsident! Wenn ich richtig verstanden habe, soll der Zeuge doch eine glaubwürdige Aussage machen. Wenn er nicht sagt, in dem und dem bestimmten Punkte der Aussage Blahas habe ich die und die Bedenken, dann kann ihm die Prosekution sagen, er hat nicht dazu Stellung genommen. Das nur ist mein Bestreben. Ich bitte, mich, Euer Lordschaft, zu belehren, wenn ich mich geirrt habe.


VORSITZENDER: Er gab seinen Bericht über das Lager Dachau. Der Gerichtshof hat die Aussagen Blahas vor sich und kann selbst beurteilen, ob die Aussagen falsch sind. Das genügt uns.


RA. PELCKMANN: Ich habe nur versucht, die Gründe anzugeben, aber wenn das Gericht nicht näher dar auf eingehen will, werde ich die Frage zurückziehen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wollen Sie noch einmal kurz zusammenfassen. Ich werde vielmehr auf die letzte Frage übergehen, die gerade für Ihre Glaubwürdigkeit von Erheblichkeit ist. Haben Sie Ihre Aussage etwa so, wie Sie sie hier gemacht haben, schon einmal gemacht?

MORGEN: Jawohl. Beim Zusammenbruch war ich Chefrichter in Breslau. Als ich nach längerer Zeit nach Deutschland kam, hörte ich, die CIC suchte mich wegen meines Wissens über die Konzentrationslager. Ich meldete mich beim CIC-Hauptquartier Mannheim-Seckenheim, 7. Armee, und erklärte mich bereit, bei der Aufklärung dieser Verbrechen mitzuwirken. Ich habe meine Aussage so gemacht, wie ich es heute versucht habe kundzutun. Ich ging zum CIC-Hauptquartier, Oberursel. Nachdem ich meine Aussagen gemacht hatte, wurde ich in einen Bunker von Dachau gesperrt zusammen mit den Angeklagten, die ich früher selbst verhaftet habe.

RA. PELCKMANN: Ist gut. Ist Ihnen die Schrift bekannt »SS-Dachau«, eine Schrift, die ich gestern dem Hohen Gericht [560] überreicht habe und die ich mit Exhibit SS-4 bezeichnen möchte. Ist Ihnen diese Schrift bekannt? Antworten Sie ja oder nein.


MORGEN: Jawohl.


RA. PELCKMANN: Auf Seite 46 dieser Schrift ist die Aussage einer Frau E. H. Ist diese Aussage vor Ihnen seinerzeit abgegeben worden als Untersuchungsrichter?


MORGEN: Jawohl. Ich habe diesen Häftling, eine Frau Eleonore Hodis aus Auschwitz eidlich vernommen.


RA. PELCKMANN: Und haben Sie diesen Artikel überprüft und festgestellt, daß diese Aussage diejenige war, welche sie vor Ihnen abgegeben hat? Ja oder nein?


MORGEN: Jawohl.


RA. PELCKMANN: Wann war das?


MORGEN: Im Herbst 1944.


RA. PELCKMANN: Die Aussage richtet sich gegen Höß?


MORGEN: Ja.


RA. PELCKMANN: Ist daraufhin ein Verfahren gegen Höß eingeleitet worden?


MORGEN: Ja. Die Aussagen wurden Höß in dem Original unterbreitet.


RA. PELCKMANN: Die Aussage beschäftigt sich mit den Zuständen in Auschwitz. Ist das wahr?


MORGEN: Ja.


RA. PELCKMANN: Es ist also nicht richtig, daß sie die Lage im Lager Dachau kennzeichnet?


MORGEN: Nein.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird eine Pause einschalten.


[Pause von 10 Minuten.]


DR. RUDOLF MERKEL, VERTEIDIGER FÜR DIE GESTAPO: Herr Vorsitzender! Über die Tatsache der Nichtbeteiligung und des Nichtwissens der Gestapo an den Massenvernichtungen, bitte ich, diesem Zeugen drei kurze Fragen stellen zu dürfen.

VORSITZENDER: Ja.


DR. MERKEL: Herr Zeuge! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden die Verbrechen des Kriminalkommissars Wirth in Lublin auf eine Anzeige der Sicherheitspolizei Lublin hin aufgedeckt?


MORGEN: Jawohl.

[561] DR. MERKEL: War somit die Sicherheitspolizei Lublin an diesen Verbrechen des Wirth in irgendeiner Form beteiligt?


MORGEN: Das war meines Erachtens nicht der Fall.


DR. MERKEL: Der Zeuge Best behauptet, daß die Lager Treblinka und Maidanek der Sicherheitspolizei unterstanden hätten. Ist das richtig?


MORGEN: Darüber weiß ich nichts. Wirth hat das so dargestellt, daß er vier Vernichtungslager hat. Ich glaube, daß dabei der Name Treblinka gefallen ist.


DR. MERKEL: Nach Ihrer Überzeugung stand also auch dieses Lager unter Wirth?


MORGEN: Das habe ich angenommen.


DR. MERKEL: Wollten Sie einen Haftbefehl des SS-Gerichts gegen Eichmann vollstrecken?


MORGEN: Ich habe das SS-Gericht Berlin ersucht, die Untersuchungen gegen Eichmann auf Grund meiner Hinweise durchzuführen. Das SS-Gericht Berlin hat daraufhin dem Chef des RSHA, SS-Obergruppenführer Kaltenbrunner – in seiner Eigenschaft als Gerichtsherr – einen Haftbefehl gegen Eichmann vorgelegt.

Dr. Bachmann berichtete mir, daß es bei dieser Vorlage zu dramatischen Auftritten gekommen ist.

Kaltenbrunner hat Müller sofort zugezogen, und nun wurde dem Richter erklärt, eine Verhaftung käme unter gar keinen Umständen in Frage, denn Eichmann führe einen geheimen Sonderauftrag des Führers von höchster Wichtigkeit aus.


DR. MERKEL: Wann war das?


MORGEN: Das war Mitte 1944.


DR. MERKEL: Danke, ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.


DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Ich bitte einige Fragen stellen zu dürfen.


VORSITZENDER: Ja.


DR. GAWLIK: Herr Zeuge! Sie sprechen von Befehlen des RSHA. Von welchen Ämtern des RSHA sind die Befehle erteilt worden?


MORGEN: Meinen Sie die Befehle zu den Massenvernichtungen?


DR. GAWLIK: Jawohl.


MORGEN: Ich führte aus, daß die SS-Gerichtsbarkeit...


DR. GAWLIK: Bitte beantworten Sie die Frage kürzer.

Von welchen Ämtern sind diese Befehle erteilt worden?


[562] MORGEN: Ich sagte, daß der Untersuchungsrichter solche Befehle, wie mir bekanntgewesen ist, nicht habe feststellen können.


DR. GAWLIK: Sie sprachen doch von Befehlen des RSHA?


MORGEN: Ich sprach davon, daß sich die Angeklagten Koch und Grabner wegen der von ihnen vorgenommenen Tötungen auf Befehle des RSHA bezogen, von denen sie behaupteten, diese Befehle hätten nach Empfang vernichtet werden müssen. Das war eine reine Behauptung, und deshalb mußte diese Behauptung nachgeprüft werden.


DR. GAWLIK: Haben Sie festgestellt, daß die Ämter III, VI und VII irgendwie an diesen Maßnahmen beteiligt waren?


DR. MORGEN: Ich führte bereits aus, daß das Unternehmen Wirth unmittelbar...


DR. GAWLIK: Können Sie die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten?


MORGEN: Ich habe das nicht feststellen können.


DR. GAWLIK: Danke, ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.


VORSITZENDER: Wünscht die Anklage ein Kreuzverhör vorzunehmen?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagevertretung überlegt sich sehr sorgfältig, diesen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen. Wir nehmen seine Ausführungen über Buchenwald und Dachau und über die in den Konzentrationslagern im allgemeinen herrschenden Bedingungen nicht entgegen. Wir glauben jedoch, daß dem Gerichtshof eine so überwältigende Masse von Beweismaterial gezeigt wurde, einschließlich der Filme und der Beweise über die einheitliche Schablone der in den Konzentrationslagern verübten Grausamkeiten, über die übelriechenden Schornsteine der Krematorien und über die Personen, die diese Taten ausgeführt haben, daß wir jede weitere Erörterung dieser Sache, es sei denn in Form von Erläuterungen, als unnötig ansehen; wir halten es nicht für richtig, diesem Zeugen die Einzelheiten dieser Beweise, die dem Gerichtshof ohnedies schon so wohlbekannt sind, vorzuhalten und damit die Zeit des Gerichtshofs in Anspruch zu nehmen.


VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen. Schließt das Ihren Fall ab?


RA. PELCKMANN: Ja.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Die Anklage möchte den Zeugen Sievers ins Kreuzverhör nehmen. Der Zeuge Wolfram Sievers soll hereinkommen.


[563] [Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wollen Sie uns Ihren Namen angeben.

ZEUGE WOLFRAM SIEVERS: Wolfram Sievers.


VORSITZENDER: Bitte sprechen Sie mir folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

MAJOR ELWYN JONES: Sie sind Wolfram Sievers und waren seit dem Jahre 1935 Geschäftsführer des »Ahnenerbe«, nicht wahr?


SIEVERS: Ich war der Reichsgeschäftsführer des »Ahnenerbe«.

MAJOR ELWYN JONES: Sie erinnern sich, am 27. Juni vor der vom Gerichtshof eingesetzten Kommission Aussagen gemacht zu haben?


SIEVERS: Jawohl.


MAJOR ELWYN JONES: Ich verweise auf Ihre Aussage vor der Kommission. Erinnern Sie sich, daß Dr. Pelckmann, der Anwalt für die SS, mitteilte, er hätte Sie zum Beweis dafür gerufen, daß das »Ahnenerbe« nichts von den biologischen Experimenten wußte, die die Gruppe Dr. Raschers an KZ-Insassen ausführte?


SIEVERS: Ja.


MAJOR ELWYN JONES: Erinnern Sie sich auch, daß Dr. Pelckmann Sie fragte: »Hatten Sie die Möglichkeit, aus erster Hand Einblick in die Zusammenhänge oder Planung der Methoden oder der Ausführung dieser wissenschaftlichen Forschungen der wehrwissenschaftlichen Abteilung zu nehmen?« Sie antworteten darauf: nein.


SIEVERS: Ich entsinne mich.


MAJOR ELWYN JONES: Und als ich Sie im Kreuzverhör über Ihre Aussagen fragte, da sagten Sie der Kommission, daß Himmler und Rascher sehr gute Freunde waren, und Sie nicht genau wußten, was wirklich vorging. Erinnern Sie sich?


SIEVERS: Ich sagte, daß ich nur im allgemeinen, nicht aber im einzelnen über die Dinge unterrichtet war.


MAJOR ELWYN JONES: In meiner letzten Frage im Kreuzverhör fragte ich Sie: »Wieviel Leute wurden nach Ihrer Schätzung im Zusammenhang mit Raschers und anderen Experimenten der Nazi-Wissenschaft ermordet?« Sie antworteten: »Ich weiß es nicht, weil ich keinen Einblick hatte.«

Erinnern Sie sich daran?


SIEVERS: Jawohl.


[564] MAJOR ELWYN JONES: Und nun möchte ich sehen, ob Sie einen Einblick hatten oder nicht. Hörten Sie je von der Skelettsammlung des Professors Hirt?


SIEVERS: Es handelt sich hier um eine Angelegenheit der Anatomie der Universität Straßburg...


MAJOR ELWYN JONES: Ich frage Sie, hörten Sie je davon?


SIEVERS: Jawohl, ich habe davon gehört.


MAJOR ELWYN JONES: Sie spielten eine wichtige Rolle bei Errichtung dieser Skelettsammlung, nicht wahr?

SIEVERS: Ich habe Ihre Frage am Ende nicht verstanden.


MAJOR ELWYN JONES: Sie spielten eine wichtige Rolle bei Errichtung dieser Skelettsammlung?


SIEVERS: Nein.


MAJOR ELWYN JONES: Dann möchte ich Sie bitten, das Dokument NO-116 anzusehen.

Es ist eine Einlage im Dokumentenbuch des Gerichtshofs auf Seite 1901. Sie befindet sich nach Seite 19 Ihres Dokumentenbuches. Es wird GB-573.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wir werden nun feststellen können, ob Ihnen diese Sammlung unbekannt war. Es ist ein Schreiben von Brandt an das RSHA vom 6. November 1942. Brandt war der Adjutant von Himmler. Ist das richtig?

SIEVERS: Der persönliche Referent.

MAJOR ELWYN JONES: Nun zu diesem Schreiben:

»Aufbau einer Sammlung von Skeletten in der Anatomie Straßburg.

Der Reichsführer-SS hat angeordnet, daß dem Direktor der Anatomie Straßburg, SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Hirt, der zugleich Leiter einer Abteilung des Instituts für wehrwissenschaftliche Zweckforschung im Amt Ahnenerbe ist, für seine Forschungen alles Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Im Auftrag des Reichsführer-SS bitte ich deshalb, den Aufbau der geplanten Skelettsammlung zu ermöglichen. Wegen der Einzelheiten wird sich SS-Obersturmbannführer Sievers mit Ihnen in Verbindung setzen.«

Nun, dieser Sievers sind doch Sie? Ist das richtig?

SIEVERS: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES: Wurde mit Ihnen über Einzelheiten Fühlung genommen?


SIEVERS: Es handelt sich hier um den Ausbau der Anatomie der damals neu übernommenen Universität Straßburg, und zwar [565] um den Neuaufbau des sogenannten Anatomischen Museums, wie es an allen Anatomien der Universitäten überall besteht.


MAJOR ELWYN JONES: Dies war also ein Stück akademischer Forschung, nicht wahr?


SIEVERS: Jawohl.


MAJOR ELWYN JONES: Woher sollten Sie die Skelette bekommen?


SIEVERS: Die Einzelheiten sollte Professor Hirt...


MAJOR ELWYN JONES: Beantworten Sie nur meine Frage, Zeuge, denn Sie wissen doch ganz genau die Antwort darauf.

Woher sollten Sie die Skelette bekommen?


SIEVERS: Sie sollten zur Verfügung gestellt werden aus Auschwitz.


MAJOR ELWYN JONES: Schauen Sie sich nun bitte ein Schreiben an, das Sie als Antwort auf Brandts Mitteilung an ihn geschickt haben und das Vorschläge enthielt, woher die Skelette kommen sollten.

Es ist Dokument NO-085, GB-574; Seite 11 des Dokumentenbuches, Euer Lordschaft, Seite 14 und 15 im deutschen Text.

Es ist ein Schreiben mit dem Briefkopf »Das Ahnenerbe« vom 9. Februar 1942, »Geheim«, an Brandt, den Adjutanten Himmlers. Das ist doch Ihr Schreiben, Zeuge? Ist das nicht Ihre Unterschrift darunter?


SIEVERS: Jawohl.


MAJOR ELWYN JONES: Ich will es ganz verlesen:

»Lieber Kamerad Brandt!

Den mit Ihrem Schreiben vom 29. 12. 41... angeforderten Bericht von Professor Dr. Hirt habe ich leider nicht eher einreichen können, da Professor Hirt inzwischen schwer erkrankte.«

Dann folgen Einzelheiten über seine Krankheit.

»Professor Hirt konnte deshalb nur einen vorläufigen Bericht abgeben, den ich Ihnen aber doch schon vorlegen möchte. Es handelt sich

  • 1.) um seine Forschungen auf dem Gebiet der Intravitalmikroskopie, die Entdeckung einer neuartigen Untersuchungsmethodik und die Konstruktion eines neuen Forschungsmikroskops;

  • 2.) um einen Vorschlag zur Sicherstellung der Schädel von jüdisch-bolschewistischen Kommissaren.«

[566] Dann folgt Ihre Unterschrift, und Sie sandten dieses Schreiben und den Bericht von Professor Hirt und seine Vorschläge weiter. Hirts Bericht lautet:

»Betr.: Sicherstellung der Schädel von jüdisch- bolschewistischen Kommissaren zu wissenschaftlichen Forschungen in der Reichsuniversität Straßburg.

Nahezu von allen Rassen und Völkern sind umfangreiche Schädelsammlungen vorhanden. Nur von den Juden stehen der Wissenschaft so wenig Schädel zur Verfügung, daß ihre Bearbeitung keine gesicherten Ergebnisse zuläßt. Der Krieg im Osten bietet uns jetzt Gelegenheit, diesem Mangel abzuhelfen. In den jüdisch-bolschewistischen Kommissaren, die ein widerliches aber charakteristisches Untermenschentum verkörpern, haben wir die Möglichkeit, ein greifbares wissenschaftliches Dokument zu erwerben, indem wir uns ihre Schädel sichern.

Die praktische Durchführung der reibungslosen Beschaffung und Sicherstellung dieses Schädelmaterials geschieht am zweckmäßigsten in Form einer Anweisung an die Wehrmacht, sämtliche jüdisch- bolschewistischen Kommissare in Zukunft lebend sofort der Feldpolizei zu übergeben. Die Feldpolizei wiederum erhält Sonderanweisung, einer bestimmten Stelle laufend den Bestand und Aufenthaltsort dieser gefangenen Juden zu melden und sie bis zum Eintreffen eines besonderen Beauftragten wohl zu behüten. Der zur Sicherstellung des Materials Beauftragte (ein der Wehrmacht oder sogar der Feldpolizei angehörender Jungarzt oder Medizinstudent, ausgerüstet mit einem Pkw nebst Fahrer) hat eine vorher festgelegte Reihe photographischer Aufnahmen und anthropologischer Messungen zu machen und, soweit möglich, Herkunft, Geburtsdaten und andere Personalangaben festzustellen. Nach dem danach herbeigeführten Tode des Juden, dessen Kopf nicht verletzt werden darf, trennt er den Kopf vom Rumpf und sendet ihn, in eine Konservierungsflüssigkeit gebettet, in eigens zu diesem Zweck geschaffenen und gut verschließbaren Blechbehältern zum Bestimmungsort. An Hand der Lichtbildaufnahmen, der Maße und sonstigen Angaben des Kopfes und schließlich des Schädels können dort nun die vergleichenden anatomischen Forschungen, die Forschungen über Rassenzugehörigkeit, über pathologische Erscheinungen der Schädelform, über Gehirnform und -größe und über vieles andere mehr beginnen.

Für die Aufbewahrung und die Erforschung des so gewonnenen Schädelmaterials wäre die neue Reichsuniversität [567] Straßburg ihrer Bestimmung und ihrer Aufgabe gemäß die geeignetste Stätte.«

War das der Bericht, den Sie an Brandt weitergeschickt haben?

SIEVERS: Ja, das ist der Bericht von Professor Hirt.

MAJOR ELWYN JONES: Wie wurde bei dieser Skelettsammlung von Lebenden verfahren?


SIEVERS: Das kann ich im einzelnen nicht genau sagen. Ich habe bei früheren Vernehmungen darauf hingewiesen, daß zu dieser Angelegenheit Professor Hirt selbst befragt werden solle... müsse.


MAJOR ELWYN JONES: Nun, Zeuge. Ich möchte Ihnen noch eine Gelegenheit geben, die Wahrheit zu sagen.

Sie werden diesem Gerichtshof doch nicht erzählen, Sie hätten nicht gewußt, welche Fortschritte diese Schädel- und Skelettsammlung gemacht hat?


SIEVERS: Das geht aus dem Bericht hervor. Es sind dann Personen für diese Aufgabe auf Anordnung Himmlers zur Verfügung gestellt worden.


MAJOR ELWYN JONES: Wer hat die Aktion in die Tat umgesetzt? Hatten Sie damit etwas zu tun? Mit der Sammlung der Leichen?


SIEVERS: Nein, überhaupt nichts. Ich weiß auch nicht, auf welche Weise die ganze Angelegenheit entstand, da ich den unmittelbaren Briefwechsel und die Besprechungen, die zwischen Himmler und Hirt früher vorausgehend stattgefunden haben, nicht kenne. Hirt war ein alter...


MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Ich habe Ihnen eine Gelegenheit gegeben, sich vor Meineid zu bewahren; Sie haben sie nicht wahrgenommen.

Nun schauen Sie sich das nächste Dokument, NO-086, an, Seite 13 des Dokumentenbuches. Es wird GB-575, wieder ein Schreiben von Ihnen, ein anderes Schreiben von Ihnen an den Adjutanten Himmlers, als »Geheim« bezeichnet, vom 2. November 1942. In Ihrem Dokumentenbuch Seite 13, Euer Lordschaft:

»Lieber Kamerad Brandt!

Wie Sie wissen, hat der Reichsführer-SS seinerzeit angeordnet, daß SS-Hauptsturmführer Professor Dr. Hirt für seine Forschungen alles bekommen soll, was er braucht. Für bestimmte anthropologische Untersuchungen – ich berichtete dem Reichsführer-SS auch bereits darüber – sind nun 150 Skelette von Häftlingen bezw. Juden notwendig, die vom KL Auschwitz zur Verfügung gestellt werden sollen. Es ist dazu nur noch erforderlich, daß das Reichssicherheitshauptamt eine [568] offizielle Anweisung des Reichsführer-SS erhält, die aber auch Sie im Auftrag des Reichsführer-SS erteilen können.«

Nun, Sie hatten die Angelegenheit schon mit Himmler besprochen, nicht wahr, Zeuge? Sie waren doch sein Agent für die Sammlung dieser lebenden Menschen, um sie in Skelette zu verwandeln?

SIEVERS: In dieser Form stimmt das nicht. Die ganze Angelegenheit erstreckte sich über einen so langen Zeitraum, daß, da ich immer nur mit Einzelheiten zu tun hatte, ich den Zusammenhang jetzt nicht in der Eile rekonstruieren kann.

MAJOR ELWYN JONES: Ich bin sicher, daß Sie keine Eile haben, ihn zu rekonstruieren, wie Sie es sicher tun sollten. Zum zweiten Male sind Sie in dieser Sache unter Eid, und ich möchte doch eine gewisse Andeutung von Ihnen, daß Sie wissen, was ein Eid bedeutet. Sie sind doch ein gebildeter Mann.

Schauen Sie sich das nächste Dokument an, NO-089, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen, wie groß Ihr Abstand von der Sache war. Es wird GB-576.


VORSITZENDER: Es kam 089 durch. Meinen Sie 089?


MAJOR ELWYN JONES: NO-089, Seite 16 Ihres Dokumentenbuches, Euer Lordschaft.


[Zum Zeugen gewandt:]


Es ist ein Brief von Brandt an das Reichssicherheitshauptamt vom 6. November 1942, »Geheim« gekennzeichnet, zu Händen von SS-Obersturmbannführer Eichmann. Betrifft: »Aufbau einer Sammlung von Skeletten in der Anatomie Straßburg.«

SIEVERS: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES:

»Der Reichsführer-SS hat angeordnet, daß dem Direktor der Anatomie Straßburg, SS-Hauptsturmführer Professor Dr. Hirt, der zugleich Leiter einer Abteilung des Instituts für wehrwissenschaftliche Zweckforschung im Amt Ahnenerbe ist, für seine Forschungen alles Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Im Auftrage des Reichsführer-SS bitte ich deshalb, den Aufbau der geplanten Skelettsammlung zu ermöglichen. Wegen der Einzelheiten wird sich SS-Obersturmbannführer Sievers mit Ihnen in Verbindung setzen.«

Sagen Sie noch immer, daß Sie nichts von den Einzelheiten dieser Angelegenheit gewußt hätten, Zeuge?

SIEVERS: Das habe ich ja nicht gesagt; aber es handelt sich hier um die ganze historische Entwicklung dieser Angelegenheit. Da kann ich Ihnen nicht sagen, von welchem Augenblick an diese Angelegenheit begonnen hat, weil das auf Besprechungen zwischen Himmler und Hirt unmittelbar zurückgeht, die noch vor der [569] Zeit liegen, bevor Hirt Direktor der Anatomie Straßburg wurde und damit die Gelegenheit bekam und den Auftrag, eine moderne Anatomie mit allen wissenschaftlichen Notwendigkeiten, Einrichtungen und Sammlungen aufzubauen. Daraufhin hat Hirt dann im Hinblick auf seine früheren Besprechungen mit Himmler den Antrag gestellt, wie aus seinem Bericht hervorgeht. Ich bekam dann die Anweisung, Hirt bei der Durchführung dieser ihm von Himmler übertragenen Aufgabe zu helfen. Ich weiß nicht, ob das Himmler selbst inspiriert...

MAJOR ELWYN JONES: Einen Augenblick, Zeuge. Wie viele Menschen wurden getötet, um diese Skelettsammlung zu schaffen?


SIEVERS: Es handelt sich hier um 150 Personen in diesem Bericht, von denen gesprochen wird.


MAJOR ELWYN JONES: Das waren alle, zu deren Ermordung Sie Beistand geleistet haben?


SIEVERS: Ich hatte nichts mit der Ermordung dieser Leute zu tun gehabt. Ich hatte lediglich die Aufgabe eines Briefträgers erfüllt.


MAJOR ELWYN JONES: Sie waren also das Postamt? Wiederum nur eines der berühmten Nazi-Postämter?


SIEVERS: Wenn Sie jetzt Bezug nehmen wollen – wie ich aus der Frage entnehme – auf meine Kommissionsvernehmung, so muß ich darauf hinweisen, daß bei der Kommissionsvernehmung ja ausschließlich die Gruppe Rascher zur Behandlung stand.


MAJOR ELWYN JONES: Ich fragte Sie ganz klar bei dem Kreuzverhör vor der Kommission. Meine letzte Frage steht auf Seite 1939 des Protokolls:

»Wie viele Leute sind Ihrer Schätzung nach im Zusammenhang mit den Rascher- und anderen Experimenten getötet worden, die unter dem Deckmantel ›Nazi-Wissenschaften‹ ausgeführt wurden?«

Und Sie haben geantwortet:

»Ich kann es nicht sagen, ich hatte doch keinen Einblick in diese Angelegenheiten.«

Das haben Sie geantwortet. Glücklicherweise sind Protokolle über die Aussagen von euch Zeugen vorhanden.

Schauen Sie sich nur das nächste Dokument an, Nummer...

SIEVERS: Auch heute kann ich noch nicht feste Daten angeben und ich kenne auch nicht die genaue Zahl der Versuchspersonen, die Rascher benutzt hat. Ich kann infolgedessen nicht sagen, es sind so und so viele gewesen, wenn ich das nicht weiß.

MAJOR ELWYN JONES: Sie haben vor der Kommission beschworen, daß Sie keinen Einblick in diese Sache hätten. Sehen Sie sich, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen, Dokument NO-087 an. [570] Es ist GB-577, Seite 14 in Euer Lordschaft Dokumentenbuch.


[Zum Zeugen gewandt:]


Das ist noch eines Ihrer Schreiben, ein Schreiben mit dem Kopf: »Ahnenerbe, Inst. für wehrwissenschaftl. Zweckforschung.« Sie waren Leiter dieses Instituts, nicht wahr?

SIEVERS: Ja, ich war der Reichsgeschäftsführer.

MAJOR ELWYN JONES: Es ist datiert vom 21. Juni 1943 und als »Geheime Reichssache« bezeichnet; gerichtet:

»An das Reichssicherheitshauptamt, Amt IV B 4, z. Hd. SS-Obersturmbannführer Eichmann.

Betrifft: Aufbau einer Sammlung von Skeletten.

Unter Bezugnahme auf dortiges Schreiben vom 25. 9. 1942... und die zwischenzeitlich in obiger Angelegenheit geführten persönlichen Besprechungen wird mitgeteilt, daß der mit der Ausführung obigen Sonderauftrages beauftragte Mitarbeiter der hiesigen Dienststelle, SS-Hauptsturmführer Dr. Bruno Beger, die Arbeiten am 15. 6. 1943 im KL Auschwitz wegen der bestehenden Seuchengefahr beendet hat.

Insgesamt wurden 115 Personen...«

Ich möchte hier für einen Augenblick unterbrechen. Was für eine Art von Experimenten wurde denn zum Zwecke der Skelettsammlung an diesen Menschen durchgeführt? Was für Experimente waren das, Zeuge?

SIEVERS: Anthropologische Vermessungen.

MAJOR ELWYN JONES: Bevor sie ermordet wurden, wurden sie anthropologisch vermessen. Das war alles, nicht wahr?


SIEVERS: Und Abdrücke wurden von den Leuten genommen.


MAJOR ELWYN JONES: Es nimmt doch nicht viel Zeit in Anspruch, anthropologische Messungen vorzunehmen, Zeuge, oder Abdrücke zu nehmen? Das wissen Sie doch. Es sind doch auch noch andere Experimente als Messungen und Abdrücke mit den unglücklichen Opfern Ihrer Wissenschaft gemacht worden, nicht wahr?


SIEVERS: Ich kenne die Durchführung dieser Art in Auschwitz nicht; ich weiß nur, daß anthropologische Vermessungen durchgeführt wurden, ich weiß nicht, wie lange solche Arbeiten dauerten.


MAJOR ELWYN JONES: Ich fahre jetzt mit Ihrem Brief fort, der es klar macht, daß es noch weit Schlimmeres gegeben haben mußte als anthropologische Vermessungen:

»Insgesamt wurden 115 Personen, davon 79 Juden, 2 Polen, 4 Innerasiaten und 30 Jüdinnen bearbeitet. Diese Häftlinge sind z. Zt. getrennt nach Männern und Frauen in je einem [571] Krankenbau des KL Auschwitz untergebracht und befinden sich in Quarantäne.

Zur weiteren Bearbeitung der ausgesuchten Personen ist nunmehr eine sofortige Überweisung an das KL Natzweiler erforderlich, was mit Rücksicht auf die Seuchengefahr in Auschwitz beschleunigt durchgeführt werden müßte. Ein namentliches Verzeichnis der ausgesuchten Personen ist beigefügt.

Es wird gebeten, die entsprechenden Anweisungen zu erteilen.

Da bei der Überweisung der Häftlinge nach Natzweiler die Gefahr der Seucheneinschleppung besteht, wird gebeten, umgehend zu veranlassen, daß seuchenfreie und saubere Häftlingskleidung für 85 Männer und 30 Frauen von Natzweiler nach Auschwitz gesandt wird.

Gleichzeitig muß dafür Sorge getragen werden, für die 30 Frauen kurzfristig im KL Natzweiler Unterbringungsmöglichkeit zu schaffen.«

Das ist Ihr Schreiben.

Wenn Ihr ganzes Interesse an diesen Unglücklichen sich nur auf anthropologische Messungen und auf die Sicherstellung ihrer ausgemergelten Knochen erstreckt hat, warum haben Sie sie dann nicht schnurstracks getötet? Sie müssen doch Experimente an ihnen vorgenommen haben, durch deren Ergebnisse Sie Entdeckungen machen wollten, nicht wahr?

SIEVERS: Nein, von Experimenten ist mir nichts bekannt; solche sind auch nacht gemacht worden.

MAJOR ELWYN JONES: Was geschah mit der Skelettsammlung? Wo wurde sie zusammengestellt?


SIEVERS: Die Überführung ist nach Natzweiler erfolgt und die weitere Bearbeitung lag in den Händen von Professor Hirt.


MAJOR ELWYN JONES: Was geschah mit den Leichen, nachdem SS-Professor Hirt und die anderen SS-Leute diese Menschen ermordet hatten? Wohin wurden sie transportiert?


SIEVERS: Ich nehme an, daß sie in die Anatomie nach Straßburg gebracht wurden.


MAJOR ELWYN JONES: Hegen Sie keinen Zweifel daran, Zeuge? Sie scheinen sehr zu zögern, es zuzugeben. Haben Sie keinen Zweifel?


SIEVERS: Nun, ich habe darüber keinen Bericht gesehen und keinen bekommen.


MAJOR ELWYN JONES: Sie hatten doch schließlich etwas mit der Verfügung über die Skelette und Leichen zu tun, nicht wahr? [572] Hatten Sie irgend etwas mit der endgültigen Verfügung über diese Leichen zu tun? Ich verstehe, daß die Beantwortung dieser Frage für Sie schwierig ist.


SIEVERS: Nein. Das lag in den Händen von Professor Hirt. Ich bin gar nicht in Straßburg oder Natzweiler in diesem Zusammenhang gewesen.


MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie nicht irgendwann einmal irgendwelche Vorschläge gemacht, was mit der Sammlung geschehen solle?


SIEVERS: Das war viel später, als die Frage auftauchte der Besetzung von Straßburg und über den Verbleib der Sammlung.


MAJOR ELWYN JONES: Was haben Sie dann getan, Zeuge?


SIEVERS: Ich glaube, eine Besprechung hat stattgefunden – ich kann nicht genau sagen mit wem – zur Herbeiführung einer Entscheidung Himmlers, wo die Sammlung untergebracht werden solle.


MAJOR ELWYN JONES: Waren Sie bei dieser Besprechung anwesend?


SIEVERS: Mit Himmler habe ich nicht über die Sache dann gesprochen.


MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie irgendwelche Vorschläge gemacht, was mit den von Ihnen in Straßburg gesammelten Leichen geschehen solle? Hatten Sie irgendwelche Vorschläge zu machen?


SIEVERS: Das kann ich nicht mehr sagen. Ich erinnere mich nicht mehr.


MAJOR ELWYN JONES: Versuchen Sie doch, sich daran zu erinnern. Ich bin sicher, Sie wissen es. Es war 1944. Es ist noch nicht so lange her. Ich bin sicher, daß es noch sehr lebhaft in Ihrem Gedächtnis haften muß.


SIEVERS: Es tut mir leid; ich kann Ihnen keine genaue Antwort geben, weil ich mich nicht erinnere.


MAJOR ELWYN JONES: Welche Vorschläge haben Sie in Bezug auf diese Leichen in Straßburg gemacht, als die alliierten Armeen sich Straßburg näherten und der Tag der Abrechnung für Sie kam? Erzählen Sie das dem Gerichtshof.


SIEVERS: Ich sagte, daß ich eine Entscheidung von Himmler angefordert habe, was mit dieser Sammlung werden sollte. Es handelte sich um eine Angelegenheit, die aus Besprechungen und Ideen zwischen Himmler und Hirt entstanden ist, in die ich hineingezogen wurde durch die verwaltungsmäßige und technische Abwicklung der Angelegenheit, und infolgedessen konnte darüber allein auch nur Himmler entscheiden, was damit werden sollte.


MAJOR ELWYN JONES: Ich habe Ihnen wieder eine Gelegenheit gegeben, sich vor Meineid zu schützen. Sehen Sie sich Dokument NO-088 an.

[573] Seite 15 in Euer Lordschaft Dokumentenbuch. Es wird GB-578.


[Zum Zeugen gewandt:]


Das Dokument ist wieder ein Schreiben Ihres Stabes an Brandt, den Adjutanten Himmlers:

»An SS-Standartenführer Ministerialrat Dr. Brandt. Persönlicher Stab Reichsführer-SS, Berlin.«

Ist das das »Ahnenerbe?« Stimmt das? Das Schreiben trägt das Datum 5. September 1944. »Geheime Reichssache.« Damals waren die Alliierten auf dem Vormarsch auf Straßburg, stimmt das?

SIEVERS: Das stimmt.

MAJOR ELWYN JONES:

»Betr. Jüdische Skelettsammlung.

Gemäß Vorschlag vom 9. 2. 42 und dortiger Zustimmung vom 23. 2. 42... wurde durch SS-Sturm bannführer Professor Hirt die bisher fehlende Skelettsammlung angelegt. Infolge Umfang der damit verbundenen wissenschaftlichen Arbeit sind Skelettierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen. Hirt erbittet im Hinblick auf etwa erforderlichen Zeitaufwand für 80 Stück Weisungen, falls mit Bedrohung Straßburgs zu rechnen ist, wegen der Behandlung der im Leichenkeller der Anatomie befindlichen Sammlung. Er kann Entfleischung und damit Unkenntlichmachung vornehmen, dann allerdings Gesamtarbeit teilweise umsonst und großer wissenschaftlicher Verlust für diese einzigartige Sammlung, weil danach Hominitabgüsse nicht mehr möglich wären. Skelettsammlung als solche nicht auffällig. Weichteile würden deklariert als bei Übernahme Anatomie durch Franzosen hinterlassene alte Leichenreste und zur Verbrennung gegeben. Erbitte Entscheidung zu folgenden Vorschlägen:

1. Sammlung kann erhalten bleiben.

2. Sammlung ist teilweise aufzulösen.

3. Sammlung ist im Ganzen aufzulösen.«

Warum wollten Sie die Körper entfleischen, Zeuge?

SIEVERS: Ich muß hierzu sagen, daß dieser Brief als gleiche Anfrage von Professor Hirt zu mir gelangt ist und in diesem Fernschreiben weitergegeben ist. Deswegen konnte ich mich auch, wie ich vorhin sagte, nicht mehr genau daran erinnern, da mir die Art der ganzen Behandlung hier als Laie vollkommen unbekannt war.

MAJOR ELWYN JONES: Warum schlugen Sie vor, daß man die Schuld den Franzosen in die Schuhe schieben solle? Sie wußten, daß es Morde gab in Zusammenhang mit dieser Skelettsammlung, nicht wahr, das wußten Sie doch genau, Zeuge?


SIEVERS: Ich habe eben gesagt, daß ich hier eine Anfrage von Professor Hirt weitergegeben habe und das damit erklärt, daß ich [574] in dieser Form eine eigene Anfrage nicht stellen konnte, weil ich als Laie das gar nicht beurteilen konnte. Ich habe also hierzu erklärt, daß diese Anfrage von Hirt weitergegeben ist von mir.


MAJOR ELWYN JONES: Waren Sie imstande, die Vorschläge auf Entfleischung dieser Leichen auszuführen?


SIEVERS: Dazu kann ich nichts sagen, weil ich mir darunter nichts vorstellen kann.


MAJOR ELWYN JONES: Nun, glücklicherweise haben wir wiederum ein Dokument, das die ganze Geschichte aufdeckt. Sehen Sie es sich nur an, denn Sie haben natürlich nicht die Absicht, selbst die Wahrheit zu sagen. Dokument NO-091, GB-579. Zwei Aktennotizen aus den Akten Himmlers. Die erste ist unterzeichnet von SS-Hauptsturmführer Berg:

»Am 12. 10. 1944 habe ich telephonisch mit SS-Standartenführer Sievers gesprochen und ihn gefragt, ob entsprechend der durch SS-Standartenführer Baumert gegebenen Weisung die Straßburger Skelettsammlung bereits ganz aufgelöst worden ist. SS-Standartenführer Sievers konnte mir darüber nichts mitteilen, da er von Professor Hirt noch nichts Näheres erfahren habe. Ich sagte ihm, daß, falls die Auflösung noch nicht durchgeführt worden sei, ein Teil der Sammlung noch erhalten bleiben solle. Es müsse allerdings die Gewähr geboten sein, daß die völlige Auflösung rechtzeitig erfolgen könne, falls die militärische Lage Straßburg gefährdet. SS-Standartenführer Sievers sagte zu, entsprechende Feststellungen treffen zu lassen und darüber zu berichten.«

Und das nächste vom 26. Oktober 1944, ein Vermerk für Dr. Brandt:

»Bei seiner Anwesenheit auf der Feldkommandostelle am 21.10. 1944 teilte mir SS-Standartenführer Sievers mit, daß die Sammlung in Straßburg mittlerweile entsprechend der damals gegebenen Weisung schon völlig aufgelöst sei. Er ist der Ansicht, daß diese Regelung in Anbetracht der ganzen Lage die beste wäre.«


SIEVERS: Aus dem Vermerk des Hauptsturmführers Berg geht ja die Richtigkeit meiner Aussage hervor. Es heißt ja, »Standartenführer Sievers konnte mir darüber nichts mitteilen, da er von Professor Hirt nichts Näheres erfahren habe.« Ich war also hier in jeder Hinsicht immer auf die Angaben, Berichte und Vorschläge von Professor Hirt angewiesen. Meine persönliche Einstellung zu dieser Angelegenheit spielte in dieser Sache gar keine Rolle, wie ich auch bereits in der Kommissionsvernehmung sagte, daß ich bei all diesen Dingen weder veranlassend noch verhindernd eingreifen konnte.

[575] MAJOR ELWYN JONES: Sie waren der Geschäftsführer dieses wissenschaftlichen Mordexperiments, nicht wahr? Das war doch Ihre Funktion? Sie waren ein wesentliches Rad in der Maschine dieses »Ahnenerbes«?


SIEVERS: Sie war keineswegs ein wesentlicher Teil, wie sich aus der Kommissionsvernehmung ja ergibt. Das »Ahnenerbe« umfaßte mehr als 50 Abteilungen und hatte große Forschungsvorhaben und hatte sich – entsprechend seiner ursprünglichen Struktur auf wissenschaftlicher Basis aufgebaut – mit diesen Dingen so ausschließlich befaßt, daß diese Angelegenheiten, die meinem Empfinden nach höchst bedauerlicherweise von Himmler damit verknüpft wurden, kaum eine Rolle spielen. Ich habe ja auch vergeblich versucht, diese Verknüpfung zu verhindern.


MAJOR ELWYN JONES: Sie gehen so weit zuzugeben, daß sich einige unglückliche Dinge im Zusammenhang mit der Arbeit des »Ahnenerbe« abgespielt haben, nicht wahr?


SIEVERS: Das habe ich bisher nie bestritten.


MAJOR ELWYN JONES: In welchem Zusammenhang standen Sie mit den Experimenten an lebenden Menschen mit dem chemischen Gift oder Giftgas »Lost«, Experimente von Gegenmitteln auf Wunden, die durch Ihr Präparat »Lost« verursacht worden waren?


SIEVERS: Professor Hirt hatte eine Therapie entwickelt zur Heilung von Lostschäden. Er hatte bei der Entwicklung dieser Therapie versuchshalber Eigenversuche vorgenommen, die dann auch zu schweren gesundheitlichen Störungen führten, wie ja aus den hier vorgelegten Dokumenten hervorgeht.


MAJOR ELWYN JONES: Experimentierte er auch an anderen Leuten als sich selbst?


SIEVERS: Ich fahre fort. Himmler interessierte sich für diese Versuche und war sehr erregt als er hörte, daß Hirt diese Versuche an sich selbst ausgeführt habe, und er verwies dabei auf den Führererlaß, daß zu solchen Versuchen freiwillige Häftlinge oder zum Tode verurteilte Schwerverbrecher genommen werden sollten. Hirt hat dann, und zwar nur auf die Aufforderung Himmlers hin, an 20 Personen Kontrollversuche durchgeführt, als aber bereits durch seine eigenen Versuche feststand, daß Schädigungen nachhaltiger Art gar nicht mehr entstehen. Er verwies weiter darauf hin, daß es viel wichtiger sei – und das war ja überhaupt der erste Arbeitskontakt mit Hirt – genügend Versuchstiere für die Versuche zu bekommen, weil bei Ausbruch des Krieges der Versuchstierbestand so dezimiert war, daß die erforderlichen wissenschaftlichen Versuche gar nicht mehr durchgeführt...


MAJOR ELWYN JONES: Einen Augenblick, Zeuge. Können Sie meine Frage nicht beantworten, ohne lange Reden zu halten? Haben Sie Menschen an die Stelle von Tieren gesetzt, um diese Experimente durchzuführen?


[576] SIEVERS: Sie meinen in Bezug auf Professor Hirt?


MAJOR ELWYN JONES: Natürlich.


SIEVERS: Ja, ich sagte ja, daß er nach seinem Eigenversuch an 20 Personen Versuche durchgeführt hat, die sich freiwillig gemeldet hatten dazu.


MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie an Brandt im Zusammenhang mit den Lost-Experimenten geschrieben und gewisse Schwierigkeiten erklärt, die Ihnen vom Konzentrationslager Natzweiler aus bereitet wurden?


SIEVERS: Ich habe das Dokument nicht hier.


MAJOR ELWYN JONES: Machen Sie sich keine Sorge. Versuchen Sie nur, meine Frage zu beantworten. Machen Sie sich keine Sorge, ob Sie das Dokument vor sich haben. Ich weiß wohl, daß die Auffindung des Dokuments Sie in Verlegenheiten setzen würde. Beantworten Sie nur meine Frage: Haben Sie an Brandt im Zusammenhang mit den Lost-Experimenten geschrieben und die Schwierigkeiten, die man Ihnen vom Konzentrationslager aus bereitete, geschildert?


SIEVERS: Ich weiß nicht mehr im einzelnen, um was für Schwierigkeiten es sich da gehandelt hat. Es kann wohl sein, daß ich das geschrieben habe.


MAJOR ELWYN JONES: Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, was Sie im Zusammenhang mit diesen Lost-Experimenten geschrieben haben.


SIEVERS: Ja, ich kann nur erwähnen, wie vorhin, daß diese Dinge an Hand von Notizen und Berichten von Hirt mir zugingen, daß ich das weitergegeben habe, ohne mich im einzelnen an die Dinge erinnern zu können, denn es waren ja einzelne Vorgänge in der Masse und Fülle der Gesamtvorgänge meines ganzen Arbeitsgebietes, so daß Einzelheiten ja nach so langer Zeit in meinem Gedächtnis nicht haften können.

MAJOR ELWYN JONES: Ich weiß die Fülle der Arbeit, in die Sie vertieft waren, wohl zu schätzen. Ich habe aber Ihre Aufmerksamkeit auf noch vier oder fünf andere Mordexperimente zu lenken. Betrachten Sie einmal das Dokument NO-092.

Seite 19 in Euer Lordschaft Dokumentenbuch, GB-580.


[Zum Zeugen gewandt:]


Es handelt sich um ein an Sie gerichtetes Schreiben von Brandt. Es stammt vom 3. Dezember 1942 und ist an Sie, den »SS-Standartenführer Sievers, Das Ahnenerbe«, gerichtet. Es lautet:

»Lieber Kamerad Sievers!

Ich habe heute noch einmal Ihren Vermerk vom 3. 11. 1942 vor mir.

[577] Mit SS-Obergruppenführer Pohl konnte ich damals kurz sprechen. Wenn ich mich recht entsinne, hat er mir auch eine Mitteilung zukommen lassen, daß selbstverständlich diese von Ihnen geschilderten Mängel, die ich ihm allerdings im einzelnen nicht vorgetragen habe, abgestellt werden. Ich hatte Ihren Brief nämlich gerade erst an dem Morgen erhalten, an dem ich zu SS-Obergruppenführer Pohl ging. Es war mir daher nicht möglich, ihn vorher noch durchzulesen. Ich hatte lediglich noch im Gedächtnis, was Sie mir mündlich gesagt hatten. Sollte ein nochmaliges Einschalten meiner seits notwendig sein, geben Sie mir bitte Nachricht.«

Was waren denn die in Ihrem Schreiben an Pohl geschilderten Mängel? Versuchen Sie doch, sich daran zu erinnern.

SIEVERS: Das kann ich nicht sagen, um was es sich da im einzelnen gehandelt hat. Ich bitte um Vorlage des Vermerkes.

MAJOR ELWYN JONES: Können Sie sich denn überhaupt nicht erinnern, worin diese Mängel bestanden? Waren diese nicht mit der Bezahlung der für die Experimente verwendeten Gefangenen verbunden?


SIEVERS: Ich kann mich nicht entsinnen daran.


MAJOR ELWYN JONES: Auf jeden Fall wurden die Lost-Experimente bis April 1944 fortgesetzt, nicht wahr?


SIEVERS: Das kann ich aus dem Kopf auch nicht sagen.


MAJOR ELWYN JONES: Versuchen Sie doch, sich zu erinnern, Wurden sie nicht bis April 1944 fortgesetzt? Sehen Sie doch bitte einmal das Dokument NO-015 an. Sie sind einer Zusammenarbeit gänzlich unzugänglich. Es handelt sich um GB-581. Das ist ein weiteres von Ihnen an den SS-Obersturmbannführer Dr. Brandt, Berlin, gerichtetes Schreiben.

Es befindet sich auf Seite 6 Ihres Dokumentenbuches, Euer Lordschaft.

Es stammt vom 11. April 1944. »Geheime Kommandosache. Der Reichsführer-SS, Persönlicher Stab, Amt ›A‹.« Sie wenden sich an Brandt:

»Betreff: Führerbefehl vom 1. 3. 1944:

Lieber Kamerad Brandt!

Ich habe weisungsgemäß mit SS-Brigadeführer Prof. Dr. Brandt nach in Verbindung gesetzt und ihm am 31. 3. in Beelitz über die Forschungsarbeiten von SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Hirt Vortrag gehalten Dabei habe ich ihm den inzwischen von Prof. Hirt ausgearbeiteten Behandlungsplan gegen die L.-Schädigung übergeben, von dem ich auch [578] für Sie gegebenenfalls zur Vorlage beim Reichsführer-SS ein Stück beifüge.«

Das ist die Lost-Schädigung, Zeuge, nicht wahr?

SIEVERS: Ja.

MAJOR ELWYN JONES:

»Prof. Brandt erklärte mir, daß er in der ersten Aprilwoche in Straßburg sei und dann mit Prof. Hirt Einzelheiten besprechen wolle, um danach wieder mit mir Fühlung zu nehmen. Ich werde Sie stets auf dem laufenden halten.«

Nun, Sie sehen, daß diese Versuche mit dem Gift Lost an menschlichen Lebewesen das ganze Jahr 1944 hindurch fortgesetzt wurden, nicht wahr?

SIEVERS: Nein, das verhält sich nicht so, und zwar geht dieses Schreiben auf folgendes zurück: Professor Brandt wurde zum Generalkommissar für Kampfstofffragen ernannt. Ich bekam eine Abschrift dieses Ernennungsbefehles zugeschickt mit der Weisung, nunmehr nach dieser Ernennung Hirt zu veranlassen, daß er mit Brandt spreche. Hirt erklärte, er könne deswegen nicht zu Brandt nach Beelitz fahren. Ich bin deshalb auf die Bitte von Hirt zu Brandt gefahren.

MAJOR ELWYN JONES: Nun gut, Zeuge. Ich möchte mich nunmehr einem anderen Gebiet Ihrer Arbeit zuwenden, nämlich den Rascher-Experimenten. Sie erinnern sich wohl, mir erklärt zu haben, daß Sie keinen Einblick in die Rascher-Experimente gehabt hätten?


SIEVERS: Ich habe erklärt, daß ich im allgemeinen nur, aber nicht im einzelnen diese Einsichten hatte.


MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte Sie nun bitten, einen Blick auf Ihr Tagebuch des Jahres 1944 zu werfen, das »Ahnenerbe«-Tagebuch, Dokument Nummer 3546-PS.

Es wurde bereits als Beweisstück GB-551 bezeichnet. Euer Lordschaft werden einige Auszüge daraus auf Seite 29 des Dokumentenbuches finden.

Zeuge! Ich habe einige Auszüge aus Ihrem Tagebuch anfertigen lassen, und es wird Ihnen behilflich sein, wenn Sie diesen Auszügen folgen würden. Wenn Sie diese mit Ihren eigenen Tagebuchaufzeichnungen vergleichen wollen, werden Sie in der Lage hierzu sein. Es geht aus ihnen hervor, daß Sie in diesem Jahr mit Rascher und all diesen anderen Mordumtrieben innig verknüpft waren. Die erste Eintragung ist für den 6. Januar, 18.30 Uhr:

»SS-Hauptsturmführer Dr. Rascher:

c.) Schreiben Reichsführer-SS an Obergruppenführer Pohl wegen Unterstützung wissenschaftlicher Forschungsarbeiten. [579] Räumlichkeiten f. Durchführung der Erfrierungsuntersuchungen.«

Diese wurden in Dachau durchgeführt, nicht wahr?

SIEVERS: Ja, sie sollten durchgeführt werden, aber wie ich bereits sagte in der Kommissionsvernehmung, sind sie nicht durchgeführt worden. Es handelt sich hier um eine Besprechungsnotiz einer Unterredung mit Rascher, wo er darüber berichtet.

MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sagen Sie, die Erfrierungsexperimente in Dachau seien nicht durchgeführt worden?


SIEVERS: Rascher hat mir gesagt, daß er diese Versuche noch nicht durchführen könne, sie müßten in einer Gegend durchgeführt werden, wo konstante Kältetemperaturen erforderlich sind, und diese Versuche haben dann nicht stattgefunden.

MAJOR ELWYN JONES: Aber Sie haben doch tatsächlich die Durchführung einiger dieser Versuche in Dachau persönlich gesehen, nicht wahr? Sie waren doch von Zeit zu Zeit in Dachau?


SIEVERS: Ich fürchte, daß hier eine Verwechslung vorliegt zwischen den Unterkühlungsversuchen der Luftwaffe und den Erfrierungsversuchen, die wegen der Erfrierungen im Osten später angeschlossen werden sollten. Und hier handelte es sich im Jahre 1944, diese Erfrierungsversuche...


MAJOR ELWYN JONES: Welches waren die Erfrierungsversuche, die Sie zu beobachten pflegten?


SIEVERS: Ich kenne nur die Unterkühlungsversuche der Luftwaffe.


MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie die Durchführung von irgendwelchen dieser Experimente gesehen?


SIEVERS: Ich hatte den Auftrag, Professor Hirt zu begleiten, der mit Rascher an diesem Problem zusammenarbeiten sollte, um es einer Lösung entgegenzuführen. Bei dieser Gelegenheit bin ich einmal dabeigewesen.


MAJOR ELWYN JONES: Wollen wir nun zum Dokument Nummer 3546-PS übergehen. Ich habe aufs Geratewohl einige Eintragungen ausgewählt, um Ihre enge Verbindung mit dieser Sache zu zeigen:

»23. Januar, 11.30 Uhr: Vortrag beim Reichsführer-SS zusammen mit SS-Obersturmbannführer Dr. Brandt: 1. Wir sollen Berichte von Prof. Schilling zugeleitet bekommen.«

Nun, Professor Schilling ist der Mann, der seiner Malariaexperimente in Dachau wegen zum Tode verurteilt worden ist, nicht wahr?

SIEVERS: Ja.

[580] MAJOR ELWYN JONES: Er war auch ein Mitglied Ihrer Gruppe von Wissenschaftlern? Stimmt das?


SIEVERS: Wir haben mit Schilling nichts zu tun gehabt, bei diesem Vortrag...


MAJOR ELWYN JONES: Sie haben nur seine Berichte erhalten? Das war alles, nicht wahr?


SIEVERS: Das ist erstmalig gewesen, daß von der Arbeit Schillings mir gegenüber überhaupt gesprochen wurde. Und zwar erklärte Himmler bei dieser Zusammenkunft, daß Schilling ganz aufsehenerregende Immunitätsergebnisse erzielt habe, und dieser Bericht sollte uns zugeleitet werden, damit das Entomologische Institut davon Kenntnis nehmen sollte, was Dr. May an der Malariaforschung, und zwar an der Anopheles-Arbeit, vollbrachte.


MAJOR ELWYN JONES: Setzen wir mit der nächsten Eintragung in Ihrem Tagebuch fort, vom 28. Januar. Ihr eigenes Tagebuch weist tägliche Eintragungen aller dieser Einzelheiten auf.

Nun ein anderer Auszug:

»28. Januar. Zusammenarbeit mit Institut R. Dachau.«

Das ist doch das Institut Dr. Raschers in Dachau, nicht wahr?

SIEVERS: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES: Dann eine Eintragung vom 29. Januar:

»Mit SS-Hauptsturmführer Rascher und Dr. Pacholegg nach Dahlem.«

Wer war Dr. Pacholegg?


SIEVERS: Dr. Pacholegg war ein Häftling, den Rascher zur Mitarbeit herangezogen hatte.

MAJOR ELWYN JONES: Sie haben ihn wohl selbst ganz gut gekannt, nehme ich an?


SIEVERS: Ich habe ihn vielleicht zwei- oder dreimal gesehen.


MAJOR ELWYN JONES: Bei einigen der von Ihnen beobachteten Experimente war er doch auch anwesend, nicht wahr?


SIEVERS: Es handelte sich hier bereits um Arbeiten zur Herstellung eines Blutstillungsmittels, Polygal...


MAJOR ELWYN JONES: Beantworten Sie meine Frage. War Dr. Pacholegg bei einigen der von Ihnen beobachteten Versuche anwesend oder nicht?


SIEVERS: Er war ja Mitarbeiter von Rascher und arbeitete mit ihm. Ob er immer dabeigewesen ist, weiß ich nicht.


MAJOR ELWYN JONES: Wenn Sie die Beantwortung der von mir gestellten Frage verweigern, will ich diese nicht noch einmal [581] stellen. Wir wollen die Besprechung Ihrer Tagebucheintragungen fortsetzen:

»2. Februar. CA-Arbeit. Erstmalige Darstellung lebender Krebszellen und ihre Bekämpfung. Hirt gelang die Darstellung lebender Krebszellen und dabei der Nachweis, daß Tripaflavin in Zellkern eindringt als krebszellenschädigender Farbstoff... Fleckfieberschutzimpfung von Prof. Haagen. Die Fleckfieberschutzimpfung läuft in Natzweiler mit gutem Erfolg.«

Euer Lordschaft! Mein Kreuzverhör wird noch eine halbe Stunde in Anspruch nehmen.

VORSITZENDER: Dann werden wir uns jetzt vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis

9. August 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 20, S. 542-583.
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