Nachmittagssitzung.

[603] [Der Angeklagte Speer im Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte von den Verteidigern hören, welche Vorkehrungen sie hinsichtlich der Zeiteinteilung für ihre Plädoyers getroffen haben.

DR. NELTE: Ich möchte zunächst zu dieser Frage klarstellen, daß die Verteidiger, mit denen das Gericht in einer früheren geschlossenen Sitzung die Frage der Plädoyers besprochen hatte, hierüber der Gesamtverteidigung nicht allgemein berichtet hatten, weil sie den Eindruck hatten, das Tribunal werde der Verteidigung keinerlei Beschränkung auferlegen. Ich persönlich hatte, als ich den Einspruch einlegte, von diesen Besprechungen keine Kenntnis, wie ich namens der Kollegen erklären darf, die früher mit Ihnen Rücksprache genommen hatten.

Gemäß der Anregung des Tribunals haben nun die Verteidiger der einzelnen Angeklagten den in der Sitzung vom 13. Juni 1946 verkündeten Beschluß besprochen, und ich unterbreite dem Gericht das Ergebnis dieser Beratungen, wobei ich eine gewisse Einschränkung bezüglich einiger Kollegen machen muß, die zum Teil nicht anwesend sind und zum Teil in Bezug auf die Schätzung anderer Ansicht sind.

Die Verteidiger glauben, daß die Entscheidung über die Gestaltung und Dauer des Plädoyers in diesem außergewöhnlichen Prozeß allein dem pflichtgemäßen Ermessen des einzelnen Verteidigers unterworfen sein kann, unbeschadet des allgemein anerkannten Rechtes des Tribunals, im Rahmen der Verhandlungsleitung gegen einen eventuellen Mißbrauch der Redefreiheit einzuschreiten. Ferner glauben sie, daß es aus dieser grundsätzlichen Erwägung und gemäß der vor internationalen Gerichten geübten Praxis vom Tribunal verstanden und gebilligt wird, wenn die Verteidiger Bedenken gegen eine prophylaktische Einschränkung der Redefreiheit geltend machen, da ein Mißbrauch nicht ohne weiteres unterstellt werden darf. Dieser grundsätzlichen Stellungnahme entspricht aber selbstverständlich die Bereitschaft der Verteidiger, den Richtlinien des Tribunals und seinen Wünschen zu entsprechen, soweit dies mit der richtig verstandenen Wahrnehmung der Verteidigung im Einzelfall zu vereinbaren ist. Unter diesem Gesichtspunkt sind die einzelnen Verteidiger aufgefordert worden, eine Selbstschätzung der Dauer ihres voraussichtlichen mündlichen Vortrags vorzunehmen. Das Ergebnis dieser Selbstschätzung ist so ausgefallen, daß in Beachtung der Selbstdisziplin der Verteidiger und unter Berücksichtigung der Wünsche des Hohen Tribunals eine Gesamtdauer von etwa 20 vollen Verhandlungstagen herauskommt.


[603] VORSITZENDER: Dr. Nelte! Der Gerichtshof hat die Verteidiger ersucht, sich über die richtige Einteilung der 14 Tage untereinander zu einigen.


DR. NELTE: Ich glaube, Herr Präsident, daß die soeben vorgetragene Erklärung zum Ausdruck bringt, daß es unmöglich erscheint, den Grundsatz anzunehmen. Wenn das Tribunal diese 14 vollen Verhandlungstage als einen undiskutablen Zeitraum betrachtet, wird die Gesamtverteidigung sich diesem Beschluß fügen. Es wird aber, soviel ich glaube, unmöglich sein, unter solchen Umständen eine Einigung innerhalb der Verteidiger zu erzielen, und es besteht die hohe Gefahr, daß die an späteren Stellen stehenden Verteidiger in eine gewisse Zeitnot geraten werden.


VORSITZENDER: Ja, das kann der Gerichtshof sicherlich vollkommen verstehen, daß 14 Tage... daß Sie und Ihre Kollegen 14 Tage für zu wenig halten. Der Gerichtshof hat jedoch darum gebeten, eine Einteilung dieser Zeit vorzunehmen, und in Ihrem Vortrag haben Sie in keiner Weise angedeutet, daß überhaupt eine solche Einteilung vorgenommen worden ist, weder von den 14 Tagen noch von den von Ihnen vorgeschlagenen 20 Tagen.


DR. NELTE: Der Zeitraum von 20 Tagen ist dadurch zustande gekommen, daß die einzelnen Verteidiger die präsumtive Dauer ihrer Vorträge angegeben haben. Es wäre also durchaus möglich zu sagen, daß, wenn das Tribunal die Dauer von 20 Tagen bewilligt, auch die Lösung dieser Dauer der Einzelvorträge bekanntgegeben werden kann. Es ist aber praktisch unmöglich, bei einer Gesamtdauer von 14 Tagen eine Verteilung vorzunehmen. Sie können versichert sein, Herr Präsident, wir haben alle gewissenhaft geprüft und auch überlegt, in welcher Weise eine Aufteilung einzelner Komplexe zwischen den einzelnen Verteidigern möglich ist. Aber die Gesamtdauer von etwa 20 Tagen scheint uns, ohne daß damit ein Maximum oder Minimum angegeben werden soll, als unbedingt nötig für eine Verteilung. Es kann durchaus möglich sein, Herr Präsident, daß sich im Verlaufe der Vorträge...


VORSITZENDER: Dr. Nelte! Wie ich schon betont habe, wollte der Gerichtshof Ihre Zeiteinteilung wissen. Wahrscheinlich haben Sie schon eine derartige Verteilung für insgesamt 20 Tage, die Ihrer Ansicht nach benötigt werden, vorgenommen. Falls Sie eine derartige Verteilung vorgenommen haben, so bitten wir Sie, sie dem Gerichtshof zu zeigen. Wenn Sie noch keine gemacht haben, dann würde der Gerichtshof gerne von jedem einzelnen Verteidiger wissen, wieviel Zeit er seiner Ansicht nach benötigen wird. Wenn Sie schon eine Liste haben, scheint es dem Gerichtshof, daß Sie diese einreichen sollten.


DR. NELTE: Es liegen diese Angaben vor, und sie werden dem Tribunal überreicht. Es liegen Angaben hierüber vor, jedoch haben [604] einzelne Kollegen erklärt, daß diese ihre Angaben nur unter der Voraussetzung gelten, daß eine ganz bestimmte Anzahl von Tagen nur bewilligt werden sollte. Das ist der Standpunkt, von dem ich vorhin sagte, daß er in gewisser Beziehung abweichend ist. Wir alle waren aber der Meinung, daß der Beschluß des Gerichts nur eine Anregung sei und nicht ein Maximum, das zur Aufteilung kommen sollte.

Ich hoffe, Herr Präsident, daß auch Ihre jetzigen Worte so aufzufassen sind, daß das Tribunal noch darüber beraten wird, ob es nicht die vorgesehene Zeit von 14 Tagen entsprechend unserer für notwendig gehaltenen Zeit erhöhen wird.


VORSITZENDER: Was der Gerichtshof wünscht, ist eine Aufteilung der Zeit unter die einzelnen Verteidiger. Darum hat der Gerichtshof gebeten, und das ist es, was er verlangt. Wir bitten Sie, uns diese Zeiteinteilung entweder jetzt schriftlich zu übergeben, oder wir werden Sie, jeden einzelnen von Ihnen, bitten, uns anzugeben, wieviel Zeit er für sein Plädoyer in Anspruch zu nehmen gedenkt.


DR. NELTE: Ich glaube, im Namen meiner Kollegen sprechen zu dürfen, daß wir dem Gericht schriftlich den Plan der Selbstschätzung einreichen.


VORSITZENDER: Dr. Nelte! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß er diese Einteilung gerne jetzt gleich haben würde. Die Verteidiger sind vorgestern, glaube ich, benachrichtigt worden, daß der Gerichtshof heute um 2.00 Uhr eine Antwort auf die Frage der Zeiteinteilung haben wollte, und wir würden sie jetzt gern hören.


DR. NELTE: Dann kann ich nur darum bitten, jeden der einzelnen Verteidiger darüber zu befragen, da ich naturgemäß nicht aus dem Kopf sagen kann, wie der einzelne das früher geschätzt hat.


VORSITZENDER: Sie hätten es zwar aufschreiben lassen können, aber wenn Sie es nicht schriftlich haben, dann können Sie sich sicher nicht mehr daran erinnern. Vielleicht sagen Sie uns zunächst, wie lange Sie benötigen.


DR. NELTE: Ich habe vorgesehen sieben Stunden. Der Kollege Horn sagt mir soeben... Horn für Ribbentrop sagt sechs Stunden.


VORSITZENDER: Wir werden jeden Verteidiger der Reihe nach fragen.

Ja, Dr. Stahmer?


DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Sieben Stunden.


VORSITZENDER: Dr. Sauter?


DR. MARTIN HORN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON RIBBENTROP: Darf ich für Dr. Siemers und Dr. Kranzbühler bitten, je acht Stunden in Rechnung zu stellen.


[605] DR. SAUTER: Für den Fall Funk sechs Stunden und für den Fall von Schirach sechs Stunden.


DR. SERVATIUS: Servatius für Sauckel fünf Stunden...


VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte; so schnell kann ich nicht schreiben. Für wen hatte Dr. Horn gesprochen? Für Dr. Siemers und für wen noch? Und wieviel Stunden braucht er?


DR. HORN: Dr. Siemers und Dr. Kranzbühler je acht Stunden.


DR. SERVATIUS: Servatius für Sauckel fünf Stunden.


DR. KAUFFMANN: Kauffmann für Kaltenbrunner etwa vier bis fünf Stunden.

DR. HANNS MARX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN STREICHER: Dr. Marx für Streicher vier Stunden.


DR. SEIDL: Dr. Seidl für Heß und Frank zusammen elf Stunden.


DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Pannerebecker für Frick fünf Stunden.

Ich erinnere mich nach der Liste, Bergold für Bormann drei Stunden. Herr Bergold ist nicht hier, ich erinnere mich, daß drei Stunden auf der Liste standen.


DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Dix für Schacht fünf Stunden.


PROFESSOR DR. FRANZ EXNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL: Exner für Jodl fünf Stunden.


DR. KUBUSCHOK: Für Papen etwa fünf Stunden.


DR. STEINBAUER: Dr. Steinbauer für Dr. Seyß-Inquart fünf Stunden.


DR. FLÄCHSNER: Flächsner für Speer vier Stunden.


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Dr. von Lüdinghausen...

Für mich selbst, Herr Präsident, acht Stunden; für Herrn Professor Jahrreiss, der ja vor Beginn aller Plädoyers einen gewissen technischen Komplex behandeln wird, vier Stunden.


VORSITZENDER: Worüber spricht Professor Jahrreiss?


DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ober etwas, das vom Gericht gebilligt wurde, nämlich, daß der Komplex »Völkerrechtliche Bestimmungen« von ihm behandelt wird.


DR. SEIDL: Der Verteidiger des Angeklagten Rosenberg hat erklärt, acht Stunden zu benötigen.


DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich bitte zu berücksichtigen, daß der Fall Fritzsche noch nicht verhandelt worden ist, und ich kann noch keine Auskunft geben; mit dieser Einschränkung glaube ich etwa vier Stunden.


[606] VORSITZENDER: Jetzt möchte der Gerichtshof vor allem wissen, Dr. Nelte, ob die Verteidiger ihre Plädoyers erst niederschreiben und dann verlesen wollen.


DR. NELTE: Soviel ich unterrichtet bin, werden sämtliche Verteidiger ihre Reden vorher niederschreiben. Ob sie sie im Wortlaut vollständig verlesen wollen oder ob sie Teile daraus verlesen, oder Teile davon vorlegen, das steht noch dahin.


VORSITZENDER: Haben die Verteidiger sich überlegt, ob sie die Reden zum Übersetzen einreichen wollen? Denn es wäre, wie der Gerichtshof schon angedeutet hat, viel bequemer, wenn die Mitglieder des Gerichtshofs, die nicht deutsch lesen, eine solche Übersetzung vor sich hätten. Es würde nicht nur dem Gerichtshof viel helfen, sondern auch den Angeklagten selbst, wenn sie das täten.


DR. NELTE: Diese Frage ist noch nicht entschieden; sie war Gegenstand der Besprechung, aber es konnte bisher noch kein endgültiges Ergebnis erzielt werden. Wir glauben, daß auch die Zeit, die jetzt sehr eilt, es vielleicht unmöglich macht, die Manuskripte in alle vier Sprachen zu übersetzen.


VORSITZENDER: Die Verteidiger haben doch wohl keinen Zweifel, daß die zur Übersetzung eingereichten Plädoyers niemandem gezeigt werden, bevor sie tatsächlich gehalten werden. Sie werden weder dem Gerichtshof noch der Anklagebehörde, noch sonst jemandem vor der Verlesung gegeben werden, so daß sie absolut vertraulich bleiben, bis sie gehalten werden. Außerdem wird höchstwahrscheinlich eine große Anzahl der Plädoyers dadurch verzögert werden, daß andere Verteidiger ihre Plädoyers vorher halten, und dadurch wird in diesen 14 Tagen oder in der längeren Zeitspanne, wenn diese zugebilligt wird, viel Zeit vorhanden sein, um die Übersetzung dieser Plädoyers zu ermöglichen, und die Verteidiger werden verstehen, daß, wenn ihre Reden niedergeschrieben werden, sie genau – oder mindestens fast genau – abschätzen können, wie lange die Verlesung der Reden dauern wird.

Hier ist noch ein Punkt, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte.

Da es 20 oder 21 Angeklagte gibt und natürlich eine ganze Reihe von Fragen alle betreffen, scheint es dem Gerichtshof zweckmäßig, daß den Verteidigern daher Gelegenheit gegeben wird, einige dieser Fragen untereinander aufzuteilen, damit nicht jeder sich mit Gegenständen befaßt, die schon vorher behandelt wurden, genau so wie sie bei der Beweisführung nicht immer wieder hätten vorgebracht werden sollen. Ich weiß nicht, ob die Verteidiger dies genügend in Betracht gezogen haben, als sie ihre Zeitschätzungen machten.

Auf jeden Fall hofft der Gerichtshof, daß die Verteidiger diese drei Punkte berücksichtigen werden: Erstens, ob sie ihre Plädoyers [607] zur Übersetzung einreichen können, um dem Gerichtshof dadurch zu helfen; zweitens, ob sie imstande sein werden, wenn sie ihre Plädoyers niedergeschrieben haben, deren Zeitdauer genau festzustellen, und drittens, ob sie die Fragenkomplexe nicht unter sich so aufteilen können, daß wir nicht immer wieder dasselbe anhören müssen.

Ich weiß nicht, ob die Anklagebehörde den Wunsch hat, irgend etwas zu sagen. Der Gerichtshof hat gesagt – glaube ich – daß wir auf Grund der Anordnung bezüglich der Zeiteinschränkung annehmen, daß die Anklagebehörde nur drei Tage in Anspruch nehmen wird. Es wäre ganz gut, wenn wir von der Anklagebehörde hören könnten, ob diese Schätzung genau ist.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, die Anklagebehörde verlangt nicht mehr als diese drei Tage. Es könnte möglicherweise noch weniger sein, aber auf keinen Fall mehr als drei Tage.


JUSTICE JACKSON: Herr Vorsitzender! Ich möchte Sie auf folgendes aufmerksam machen: Ich hoffe nicht, daß man von uns erwartet, daß wir 20 Tage Plädoyers über unsere Vervielfältigungsmaschinen laufen lassen. Wir können einfach eine derartige Last nicht auf uns nehmen. Ich glaube, es ist... Ein amerikanischer Bürger muß seinen Fall vor dem Obersten Gericht des Landes in einer Stunde vortragen; und sogar die Mandanten der Verteidigung haben sich offen über die Länge der verlangten Zeit lustig gemacht. Es ist wirklich übertrieben, für diesen Fall so viel Zeit zu bewilligen, und ich muß dagegen Einspruch erheben, daß man uns zumutet, diese 20 Tage Plädoyers zu vervielfältigen; das ist wirklich unmöglich.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof würde gerne wissen, ob die Anklagebehörde beabsichtigt, uns – wenn sie ihre Plädoyers hält – Abschriften davon zukommen zu lassen?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was das Schlußplädoyer des Herrn Generalstaatsanwalts betrifft, so erwarten wir selbstverständlich und hoffen auch, dem Gerichtshof Abschriften der Rede vorzulegen.


VORSITZENDER: Auch die Übersetzungen?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das wird auch gemacht. Euer Lordschaft, ich dachte gerade darüber nach – vielleicht bin ich zu optimistisch – daß Dr. Nelte gesagt hat, das Übersetzen würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Was die Übersetzung ins Englische anlangt, so weiß ich, daß unsere eigenen Übersetzer neulich Reden von 76 Tagen an einem Tag übersetzt haben. Darum hoffe ich, daß Dr. Nelte in dieser Hinsicht vielleicht doch ein wenig zu pessimistisch ist.


[608] VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird über diesen Punkt beraten. Jetzt können wir das Kreuzverhör fortsetzen.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Herr Vorsitzender, daß die zum Beweis vorliegenden Photographien nicht sehr verständlich sind, wenn das Protokoll keine Beschreibung dazu gibt. Ich werde diese kurz verlesen. Es ist eine Beschreibung der Folterkammern, die in dem Lager für ausländische Arbeiter auf dem zu Panzerbau 4 gehörigen Terrain und in dem schmutzigen und vernachlässigten Russenlager benutzt wurden. Letztere haben wir besichtigt und sagen unter Eid folgendes darüber aus:

»Die Photographie A zeigt einen Eisenschrank, der von der Firma Krupp speziell hergestellt worden ist, um russische Zivilarbeiter in einem Maße zu foltern, das man unmöglich mit Worten beschreiben kann. In einem Fach des Schrankes, in dem kaum ein Mann lange Zeit geradestehen kann – die Höhe ist 1,52 m, die Breite und Tiefe je 40 bis 50 cm – wurden sehr oft Männer wie Frauen für längere Zeit eingesperrt, oft sogar zu zweien in einem Fach, mit Füßen getreten und hineingepreßt.«

Die Russen... ich will den Rest davon nicht verlesen.

»Bild B zeigt denselben Schrank, wie er abgesperrt aussieht.

Bild C zeigt den Schrank offen...

Im Bild D sehen wir das Lager, das vom Kruppschen Direktorium als Wohnraum für die russischen Zivilarbeiter bestimmt wurde. Die Breite der einzelnen Zimmer war 2 bis 2,5 m, die Länge etwa 5 m, die Höhe 2 m. In jedem Raum waren bis zu 16 Personen in Doppelbetten untergebracht...« (Dokument US-897)

Das genügt meiner Ansicht nach.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Herr Justice Jackson, ich finde, Sie sollten die letzten drei Zeilen des zweiten Absatzes lesen. Es beginnt: »Oben in dem Schrank...«

JUSTICE JACKSON: Ach ja, Verzeihung.

»Oben in dem Schrank befinden sich siebartig einige Luftlöcher, durch die man im eiskalten Winter kaltes Wasser auf die bedauernswerten Opfer geschüttet hat.«

VORSITZENDER: Ich finde, Sie sollten auch die letzten drei Zeilen des vorletzten Absatzes verlesen in Anbetracht dessen, was der Angeklagte über den Beweis gesagt hat.

JUSTICE JACKSON:

»Wir legen noch zwei Briefe bei, die der Lagerführer Löwenkamp aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt hat, um den Unterzeichneten Höfer zu beeinflussen, günstig für ihn auszusagen.«

[609] Und vielleicht sollte ich auch den Schluß lesen:

»Der Unterzeichnete Dahm...« – einer der Unterzeichner – »hat persönlich gesehen, daß in der Neujahrsnacht 1945 drei russische Zivilarbeiter, nachdem sie zuerst geschlagen worden waren, in den Schrank – in ein Fach zwei – eingesperrt wurden. Zwei von den Russen mußten die ganze Neujahrsnacht darin bleiben, und es wurde sogar noch kaltes Wasser über die Leute gegossen.«

Ich möchte noch hinzufügen, daß wir über 100 verschiedene Erklärungen und Affidavits in Händen haben, die sich alle mit der Untersuchung dieses Lagers befassen. Ich möchte sie nicht alle anbieten, da ich finde, daß sie kumulativ sind.

Ich werde mich mit einem weiteren Dokument begnügen, und zwar D-313, das US-901 wird. Es ist die eidesstattliche Erklärung eines Doktors.

VORSITZENDER: Herr Justice Jackson! War dieses Lager, von dem Sie sprechen, ein Konzentrationslager?

JUSTICE JACKSON: Soweit ich verstanden habe, handelte es sich um ein Kriegsgefangenen- und Arbeitslager. Es gab sowohl Arbeitslager wie auch Kriegsgefangenenlager in Essen. Ich hatte nicht angenommen, daß es sich um ein Konzentrationslager handelte, gebe aber zu, daß sie manchmal ziemlich schwer zu unterscheiden sind.

Nun zu dem Dokument:

»Ich, der Unterzeichnete, Dr. Apolinary Gotowicki, Arzt der polnischen Armee, kam am 3. Januar 1941 in deutsche Gefangenschaft und war dort bis zum Einmarsch der Amerikaner. Ich gab den polnischen, russischen und französischen Kriegsgefangenen medizinische Hilfe, welche an verschiedenen Stellen der Kruppbetriebe zur Arbeit gezwungen waren. Ich besuchte persönlich das russische Kriegsgefangenenlager in der Raumastraße in Essen, welches eine Besatzung hatte von ungefähr 1800 Mann. In diesem Lager waren in einem großen Saal, der normalerweise 200 Mann beherbergen konnte, etwa 300 bis 400 Menschen zusammengewürfelt untergebracht, dazu in einer katastrophalen Art, so daß keine sanitäre Behandlung möglich war. Der Boden bestand aus Zement, die Strohsäcke, die zum Schlafen dienten, waren verwanzt und verlaust. Auch an kalten Tagen waren die Räume nie geheizt, und es erschien mir als Arzt menschenunwürdig, in welcher Lage die Leute sich befanden. Es war auch unmöglich, diese Räume sauber zu halten, weil bei dieser Überfüllung die Menschen kaum Platz fanden, sich in normaler Art zu bewegen. Täglich wurden mir bis zu 10 Personen vorgeführt, die den Körper[610] mit blauen Flecken überdeckt hatten auf Grund des dauernden Schlagens mit Gummischläuchen, Stahlruten oder Stöcken. Die Leute wälzten sich oft vor Schmerzen, ohne daß ich die Möglichkeit hatte, auch nur eine kleine medizinische Hilfe den Leuten zuteil werden zu lassen. Trotzdem ich protestierte, Beschwerden einlegte und oft vorstellig wurde, war es mir nicht möglich, die Leute zu schützen oder dafür zu sorgen, daß sie mal einen Tag von der Arbeit befreit wurden. Es war für mich schwer mitanzusehen, wie man solche schwerleidende Menschen an die schweren Arbeiten heranziehen konnte. Ich habe persönlich unter Gefahr Herren von der Kruppschen Verwaltung aufgesucht, ebenso Herren vom Kruppschen Direktorium, um Abhilfe zu schaffen. Es war mir strengstens verboten, weil die Lager von der SS und Gestapo verwaltet wurden, und nach den bekannten Richtlinien mußte ich schweigen, weil ich persönlich dadurch in ein KZ-Lager hätte kommen können. Ich habe unzählige Male mein eigenes Brot mitgebracht, welches auch für mich alleine sehr knapp war, um es den Gefangenen zu geben, soweit es mir eben möglich war. Die Zustände wurden von Beginn, nämlich vom Jahre 1941 an, nicht besser, sondern verschlechterten sich laufend. Die Kost bestand aus einer Wassersuppe, welche schmutzig und sandig war, und oft mußten die Kriegsgefangenen auch Kohl, welcher faul war und schon stank, zu sich nehmen. Ich konnte täglich Leute bemerken, die infolge Hunger oder Mißhandlungen dahinkrepierten. Oft lagen Tote zwei bis drei Tage auf ihren Strohsäcken, bis ihre Körper derart gestunken halben, daß Mitgefangene sie nach draußen brachten und irgendwo an einer Stelle verscharrten. Die Schüsseln, aus denen die Leute aßen, benutzten sie auch als Toilette, weil sie zu müde waren und vor Hunger zu ermattet, um überhaupt von ihren Pritschen aufstehen zu können und zu laufen. Um 3 Uhr morgens wurden sie geweckt. Die gleiche Schüssel wurde auch zum Waschen gebraucht und später wieder zum Essen. Die Art und Weise war allgemein bekannt. Trotzdem war es mir unmöglich, irgendwelche auch nur elementare Hilfe oder Erleichterung zu schaffen, um diese Epidemien, Krankheiten und Verhungertenfälle aus dem Wege zu räumen. Von einer medizinischen Hilfe an den Gefangenen kann keine Rede sein; ich selbst habe nie medizinische Mittel bekommen. Ich habe allein im Jahre 1941 in medizinischer Hinsicht für die Leute sorgen müssen, und es ist selbstverständlich, daß es mir als einzigstem Menschen unmöglich war, für diese vielen Menschen zu sorgen, noch dazu, daß ich kaum medizinische Mittel zur Verfügung hatte. Bei einer Anzahl von 1800 Menschen, welche täglich zu mir kamen und weinten und [611] klagten, konnte ich mir keinen Rat schaffen. Ich bin selbst täglich oft zusammengebrochen, und trotzdem mußte ich alles alleine auf mich nehmen und zusehen, wie die Leute verreckten und dahinscheiden mußten. Es wurde auch nie ein Report gemacht, auf welche Art und Weise die Kriegsgefangenen zu Tode gekommen waren. Ich habe selbst mit meinen eigenen Augen die russischen Kriegsgefangenen von der Arbeit bei Krupp zurückkommen sehen, wie sie zusammenbrachen auf dem Marsch und wie sie teilweise auf Karren gefahren oder von Kameraden getragen wurden. Auf solch eine Art und Weise kamen die Leute dann wieder in ihre Lager zurück. Die Arbeit, die sie leisten mußten, war sehr schwer und gefahrvoll, und viele Fälle ereigneten sich, in denen sich die Leute in die Finger, Hände oder Beine geschnitten hatten. Die Unfälle waren sehr schwer, und die Leute kamen zu mir und baten um medizinische Hilfe. Aber mir war es nicht einmal möglich, sie einen oder zwei Tage von der Arbeit fernzuhalten, obwohl ich bei dem Vorstand von Krupp oft vorstellig wurde und um eine Bewilligung dazu bat. Ende des Jahres 1941 schieden täglich 2 Mann vom Leben, und im Jahre 1942 erhöhten sich die Todesfälle auf 3-4 Mann. Ich war Herrn Dr. May unterstellt, und manchmal gelang es mir auch, daß er bei schweren Klagen mit ins Lager kam und die furchtbaren Zustände sah, aber auch Herrn Dr. May war es nicht möglich, von der medizinischen Stelle der Wehrmacht oder der Firma Krupp medizinische Hilfe oder eine Besserung der Behandlung, andere Bedingungen oder Besserung der Kost zu erreichen.

Ich war auch Zeuge bei einer Unterhaltung mit russischen Frauen, welche mir persönlich erzählten, daß sie in den Kruppschen Betrieben arbeiteten und daß sie täglich auf barbarische Art und Weise geschlagen würden. Das Essen bestand auch hier aus einer Wassersuppe, die schmutzig und ungenießbar war und deren furchtbaren Geruch man schon von weitem bemerken konnte. Die Kleidung war zerlumpt und zerfetzt, an den Füßen trugen sie Fußlappen und Holzschuhe. Ihre Behandlung war, wie ich feststellen konnte, die gleiche, die man den russischen Kriegsgefangenen zuteil werden ließ. Schlagen war an der Tagesordnung. Die Zustände dauerten jahrelang, vom Beginn bis zum Eintreffen der amerikanischen Truppen. Die Leute mußten immer in einer furchtbaren Angst leben, und es war für sie eine große Gefahr, irgendwo jemandem die Zustände zu schildern, die in ihren Lagern herrschten. Die Richtlinien, die sie bekamen, waren so, daß sie sofort hätten kaltgestellt werden können, wenn irgend jemand von der Wache, der SS oder Gestapo etwas davon [612] gemerkt hätte. Mir war es als Arzt möglich, näher mit den Leuten zu sprechen; sie hatten Vertrauen zu mir und wußten, daß ich als Pole sie niemals an jemanden verraten hätte. Unterschrift: Dr. Apolinary Gotowicki.«


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie haben erklärt, daß diese Zustände Ihrer Ansicht nach zum Teil daher kamen, daß Bombenangriffe stattfanden und die Unterkünfte der Gefangenen und Arbeiter zerstört waren.

SPEER: Das stimmt, aber das sagt noch nicht, daß derartige Zustände, wenn sie überhaupt zutreffen sollten, verallgemeinert werden können.

JUSTICE JACKSON: Verzeihung, mein Apparat war falsch eingestellt, und ich habe die Antwort dadurch nicht gehört. Bitte wiederholen Sie Ihre Antwort.

SPEER: Das stimmt, aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß Zustände, wie sie hier in diesem Affidavit geschildert werden, nicht verallgemeinert werden können, und abgesehen davon glaube ich auch nicht, daß das stimmt, was hier drin steht. Aber ich kann mich ja hierzu nicht äußern, da ja Sie mir nicht zumuten können, daß ich mich in den Lagern der Firma Krupp auskenne.


JUSTICE JACKSON: Zuerst einmal möchte ich wissen, ob Sie es für richtig hielten, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene so dicht bei militärischen Objekten unterzubringen, wie es mit diesen Kriegsgefangenen geschah?


SPEER: Ich möchte hier nicht Ihnen verschiedenes sagen, was jedem Deutschen auf dem Herzen liegt. Es wurden keine militärischen Ziele angegriffen, infolgedessen waren die Lager auch nicht in der Nähe von militärischen Zielen.


JUSTICE JACKSON: Betrachten Sie die Kruppwerke nicht als ein richtiges Ziel?


SPEER: Die Lager waren nicht in den Kruppwerken, die Lager waren in der Nähe der Stadt Essen. In der Nähe der Werke selbst, da haben wir grundsätzlich keine Lager gemacht, weil wir dachten, daß diese bombardiert werden und wir nicht haben wollten, daß diese Lager zerstört werden.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie bemerkt, daß auf einer der Photographien, die als Beweis vorliegen, die Fabrikanlage... das Lager direkt an die Werke stößt?


SPEER: Ich möchte es gerne nochmal sehen, dann...


[Dem Zeugen wird die Photographie gezeigt.]


Auf dieser Photographie ist zu erkennen, daß im Hintergrund ein größeres Werk vorhanden ist, aber das ändert nichts an meiner [613] Aussage, daß wir fast ausschließlich die Lager außerhalb der Städte untergebracht haben. Ich weiß nicht, wieso das hier nun der Fall ist, und ich kann auch nicht sagen, ob das ein Lager war oder eine Umkleidebaracke, oder sonst etwas, was in der Nähe des Lagers notwendig war. Ich glaube ja immer noch, daß diese Schränke Kleiderspinde waren und daß das hier eine der vielen Baracken ist, die notwendig sind, um die Arbeitskräfte vor Beginn der Arbeit und nach Beendigung der Arbeit die notwendigen... sich umkleiden lassen zu können. Daß es Kleiderschränke sind und keine Spezialschränke, kann Ihnen jeder Fachmann in Deutschland sagen, weil das ein normalisiert hergestellter Gegenstand ist; dafür spricht auch, daß Luftöffnungen oben sind, denn jeder Kleiderschrank hat zur Entlüftung oben und unten Luftöffnungen.

JUSTICE JACKSON: Als Produktionsminister hatten Sie doch wohl das größte Interesse daran, den Prozentsatz der Krankheitsfälle unter den Arbeitern zu verringern, nicht wahr?

SPEER: Ich hatte ein Interesse daran, daß die Arbeitsleistung hoch ist, das ist klar; und dazu gehört an sich das auch im Spezialfalle.


JUSTICE JACKSON: Nun, im Spezialfalle... Ein Teil der Herstellung hängt doch in jedem Fall von dem Prozentsatz der Krankheitsfälle Ihrer Arbeitskräfte ab, nicht wahr? Und ist es nicht Tatsache, daß für jeden, der sich mit Produktion befaßt, die beiden größten Schwierigkeiten in Bezug auf Arbeitskraft und Produktion Krankheitsfälle und schneller Umsatz sind und daß diese Faktoren die Produktion verringern?


SPEER: Diese beiden Momente waren für uns störend. Sie waren aber an sich nicht so ausgedehnt, wie es aus Ihren Worten zu sein scheint. Die Krankheitsfälle waren ein ganz geringer Prozentsatz und meiner Ansicht nach etwa normal. Allerdings wurde durch die Propaganda, durch die Luftpropaganda, durch Flugblätter, die abgeworfen wurden, die Arbeiterschaft dazu aufgefordert, Krankheiten vorzutäuschen, und es wurden in diesen Flugblättern genaue Anweisungen an die Arbeiterschaft ausgegeben, wie man eine Krankheit vortäuschen kann, und dagegen haben wir, vielmehr die zuständigen Stellen, Maßnahmen ergriffen, und ich hielt diese Maßnahmen für richtig.


JUSTICE JACKSON: Was für Maßnahmen waren das?


SPEER: Ich kann das im einzelnen nicht sagen, weil ich ja diese Strafverordnungen nicht selbst gemacht habe und auch nicht zu bestimmen hatte. Soviel ich weiß, wurde das in Zusammenarbeit zwischen dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und den Polizeistellen oder den staatlichen Stellen gemacht. Aber die Zuständigkeit lag dabei bei den Stellen, die für Strafverfolgungen zuständig waren.


[614] JUSTICE JACKSON: Wenn Sie aber nicht wußten, welche Maßnahmen es waren, wie können Sie uns dann sagen, daß Sie sie gebilligt haben? Wir kommen immer wieder auf diesen toten Punkt: niemand wußte, was vor sich ging. Sie wußten doch wenigstens, daß es sehr schwere Strafen waren, nicht wahr?


SPEER: Ich will, wenn ich sage »ich bin damit einverstanden«, will ich zum Ausdruck bringen, daß ich mich von meiner Verantwortung hier nicht drücken will. Aber Sie müssen verstehen, daß ein Produktionsminister gerade bei den Luftangriffen eine ungeheure Aufgabe vor sich hat und daß ich mich um andere Dinge, die außerhalb meines Bereiches lagen, nur dann kümmerte, wenn irgendein ganz besonderer Umstand, ein ganz schwerer Umstand mich dazu zwang. Sonst war ich froh, wenn ich meine... wenn ich mit meiner eigenen Arbeit fertig wurde, und schließlich war mein Aufgabenbereich ja nicht klein. Ich glaube, wenn Sie in England in der Zeit der Flieger... der deutschen Fliegerangriffe auf England den englischen Produktionsminister fragen würden, ob er Sorgen, die der Arbeitsminister hatte, geteilt hat und ob er sich darum kümmerte, wird Ihnen der englische Produktionsminister mit Recht sagen: Ich hatte etwas anderes zu tun in dieser Zeit, ich hatte meine Produktion hochzuhalten, und ich mußte sehen, daß der Arbeitsminister auf seinem Sektor die Sache in Ordnung hält. Und es wird niemand dem englischen Produktionsminister einen direkten Vorwurf daraus machen, daß er sich nicht darum gekümmert hat.


JUSTICE JACKSON: Nun, die Produktion war Ihr Arbeitsgebiet. Wollen Sie mir etwa erzählen, daß Sie niemals Meldungen oder Berichte darüber erhielten, in welchem Zustand sich Ihre in der Produktion beschäftigten Arbeitskräfte befanden, Berichte, aus welchen Sie ersehen konnten, ob bei dem Prozentsatz der Krankheitsfälle vielleicht etwas nicht stimmte oder die allgemeinen Zustände der Arbeiter nicht so waren, wie sie sein sollten?


SPEER: Das, was ich hörte, ist in der Zentralen Planung enthalten. Oder vielmehr, da können Sie ein Spiegelbild bekommen von dem, was ich gehört habe. Wenn auch viele andere Sitzungen stattfanden, so... ich kann das im einzelnen nicht mehr sagen, was ich gewußt habe, denn das sind Dinge gewesen, die außerhalb meines Aufgabenbereiches lagen. Es ist aber selbstverständlich, daß, wenn man in einem Staatsgebilde ist, daß man dann von den Dingen, die um einen herumliegen, auch etwas hört, und daß man Mißstände, die auf anderen Gebieten sind, erfährt. Aber es ist so, daß man diese... daß man diesen Mißständen nicht verpflichtet ist nachzugehen und daß man dann später nicht genau weiß, was im einzelnen war; Sie können mir das nicht zumuten. Wenn Sie [615] irgendeine Stelle haben, ich werde Ihnen gern darauf Auskunft geben.


JUSTICE JACKSON: Gut. Nehmen wir an, Ihre Aufmerksamkeit wäre auf diese Mißstände gelenkt worden und sie hätten tatsächlich existiert, an wen hätten Sie sich in diesem Falle gewandt, um diese Mißstände beheben zu lassen. Wer von der Regierung wäre dafür zuständig gewesen?


SPEER: Ein Minister würde normalerweise so handeln: Er würde dieses Schreiben zur Zuständigkeit an die andere Behörde schicken, die dafür verantwortlich ist. Ich muß sagen, muß für meine Person sagen, daß, wenn ich derartige Mißstände gehört habe, habe ich versucht, diese abzustellen, und habe mich dann unmittelbar mit dem zuständigen Mann in Verbindung gesetzt. Das war entweder die Arbeitsfront, zu der ich einen Verbindungsmann hatte, oder es wurde über meine Arbeitseinsatzdienststelle an Sauckel gegeben, und bei mir war es üblich, daß, wenn ich nicht mehr eine Rückmeldung bekam, daß ich die Sache für erledigt ansah, denn ich konnte hinter diesen Sachen nicht noch einmal her sein und dann noch nachfragen, ob es erledigt worden ist oder nicht.


JUSTICE JACKSON: Mit Krupp hätten Sie die Angelegenheit nicht besprochen? Glauben Sie, daß er für diese Dinge nicht verantwortlich war?


SPEER: Es ist bei Krupp, bei Besuchen bei Krupp bestimmt darüber gesprochen worden über die Zustände, die allgemein nach den Fliegerangriffen für die Arbeiter waren, denn das war eine große Sorge für uns, gerade für die Firma Krupp, darüber war ich mir genau im klaren. Aber es wurde bei Krupp kein Unterschied... Es ist mir nicht erinnerlich, daß mir gesagt wurde, daß die ausländischen Arbeiter oder die Kriegsgefangenen in einer besonders schlechten Lage sind. Sie waren vorübergehend alle in einer sehr primitiven Lage. Die deutschen Arbeiter haben in Kellern gewohnt in dieser Zeit und hatten... in einem kleinen Kellerraum waren oft sechs bis acht Leute untergebracht.


JUSTICE JACKSON: Sie haben vor einiger Zeit erklärt, daß Sie als Regierungsmitglied eine gewisse Verantwortung für diese Zustände trugen. Ich möchte, daß Sie uns sagen, welche Verantwortung Sie meinten, als Sie sagten, Sie übernähmen eine Verantwortung als Regierungsmitglied.


SPEER: Sie meinen die Erklärung, die ich gestern abgab, daß ich...


JUSTICE JACKSON: Ihre Gesamtverantwortung. Was verstehen Sie unter »Gesamtverantwortung« zusammen mit noch anderen?


[616] SPEER: Ja, es gibt meiner Ansicht nach im Staatsleben zwei Verantwortungen; die eine Verantwortung ist für den eigenen Sektor, dafür ist man selbstverständlich voll verantwortlich. Darüber hinaus bin ich persönlich der Meinung, daß es für ganz entscheidende Dinge eine Gesamtverantwortung gibt und geben muß, soweit man einer der Führenden ist, denn wer soll denn sonst die Verantwortung für den Ablauf der Geschehnisse tragen, wenn nicht die nächsten Mitarbeiter um ein Staatsoberhaupt herum? Aber diese Gesamtverantwortung kann nur für grundsätzliche Dinge sein. Sie kann nicht sein für die Abstellung von Einzelheiten, die sich in den Ressorts anderer Ministerien oder anderer verantwortlicher Stellen abspielen, denn sonst kommt ja die gesamte Disziplin im Staatsleben vollständig durcheinander, dann weiß ja kein Mensch mehr, wer etwas im einzelnen auf seiner... Die Einzelverantwortung auf dem eigentlichen Arbeitsgebiet muß sauber und klar trotzdem erhalten bleiben für die Einzelperson.


JUSTICE JACKSON: Wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie damit sagen, daß Sie als damaliges Regierungsmitglied und als einer der Führer eine Verantwortung für die großen Linien der Politik dieser Regierung auf sich nehmen, aber nicht für die einzelnen Geschehnisse, die bei Durchführung der Maßnahmen vorkamen. Ist das eine richtige Beschreibung Ihrer Einstellung?


SPEER: Ja. Ja.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, damit ist das Kreuzverhör beendet.


VORSITZENDER: Will noch jemand von der Anklagebehörde ein Kreuzverhör vornehmen?


STAATSJUSTIZRAT II. KLASSE M. Y. RAGINSKY, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Angeklagter Speer! Als Sie Ihren Lebenslauf dem Gerichtshof vorlegten und auf die Fragen des Herrn Justice Jackson antworteten, haben Sie meiner Ansicht nach eine Reihe wichtiger Umstände aus Ihrem Leben ausgelassen. In diesem Zusammenhang werde ich einige Fragen an Sie richten.


SPEER: Ich habe solche Punkte ausgelassen, die ich nicht bestritten haben wollte – die sowieso hier in den Dokumenten sind – denn ich hätte sehr viel zu tun, wenn ich die Punkte alle im einzelnen erwähnt hätte.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich werde Sie an diese Punkte erinnern, um den Gerichtshof nicht zu lange in Anspruch zu nehmen. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie außer Ihrer Ministerstellung auch manchmal nach dem Tode von Professor Todt persönlicher Architekt Hitlers waren? Haben Sie dieses Amt bekleidet?


SPEER: Ja.


[617] STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie waren Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen?


SPEER: Erst nach dem Tode von Dr. Todt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie waren Generalinspekteur für Wasser und Energie?


SPEER: Ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und Generalbevollmächtigter für die Bauwirtschaft in der Zentralen Planung des Vierjahresplans?


SPEER: Generalbevollmächtigter für die Bauwirtschaft, ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Leiter der Organisation Todt?


SPEER: Ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und Leiter des Amtes für Technik in der Nationalsozialistischen Partei? Leiter des Bundes deutscher Techniker in der Nationalsozialistischen Partei?


SPEER: Ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Außer diesen Posten haben Sie keine anderen leitenden Ämter bekleidet?


SPEER: Oh, ich habe zehn oder zwölf Posten gehabt. Ich kann sie aber nicht alle hier aufzählen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie waren doch einer der Leiter der Reichskulturkammer?


SPEER: Nein. Nein, das stimmt nicht. Ich kann es nicht genau sagen. Ich war dort Senator oder so etwas.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie waren im Rat der Kunstakademie? Sie waren Mitglied des Präsidialrates in der Akademie für Bildende Künste?


SPEER: Auch, jawohl, ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wir wollen dann, um Zeit zu sparen, die anderen Posten nicht weiter aufzählen. Sie erinnern sich Ihrer Aussage beim Verhör durch Oberst Rosenblith am 14. November 1945?


SPEER: Nicht mehr im einzelnen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich werde Sie an eine Frage und Ihre Antwort darauf erinnern und bitte Sie, mir zu sagen, ob Ihre Antwort richtig mitgeschrieben war. Auf die Frage: »Geben Sie zu, daß Hitler in seinem Buch ›Mein Kampf‹ seine Angriffspläne bezüglich der Ost- und Westmächte und besonders bezüglich der Sowjetunion sehr klar umrissen hat?« haben Sie geantwortet: »Ja, ich gebe das zu.« Erinnern Sie sich daran?


SPEER: Ja, das kann wohl sein.

[618] STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und Sie bestätigen das jetzt auch noch?


SPEER: Nein.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie bestätigen es nicht?


SPEER: Ich muß sagen, daß ich mich damals geschämt habe zu sagen, daß ich das Buch »Mein Kampf« nicht vollständig durchgelesen habe. Mir kam das etwas lächerlich vor.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sehr gut; wir wollen für diese Sache keine Zeit mehr verwenden. Sie schämten sich damals, es zuzugeben, oder schämen Sie sich jetzt? Wir werden diese Frage lassen.


SPEER: Ja, ich habe damals geschwindelt.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben damals geschwindelt. – Vielleicht schwindeln Sie jetzt?


SPEER: Nein.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Das ist nicht wichtig. – Sie waren Mitarbeiter im Stabe von Heß?


SPEER: Ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben mit Ley zusammengearbeitet?

SPEER: In der Arbeitsfront, ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, in der Deutschen Arbeitsfront. Sie hatten einen hohen Rang in der Nazi-Partei, wie Sie heute aussagten?


SPEER: Nein. Dieser Rang war nicht hoch. Er entsprach in keiner Weise der Stellung, die ich im Staate eingenommen habe.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Hören Sie sich bitte erst meine Frage an, und dann beantworten Sie sie. Ich wiederhole: Sie waren Mitarbeiter im Stabe von Heß. Sie haben in der Arbeitsfront mit Ley zusammengearbeitet. Sie waren einer der Führer der Ingenieure der Nazi-Partei; Sie hatten einen leitenden Posten in der Nazi-Partei. Wir wollen nicht darüber streiten, ob es ein hoher Rang war oder ein niedriger. Gestern sagten Sie im Gerichtshof, daß Sie einer von Hitlers Freunden gewesen seien. Versuchen Sie uns nun zu überzeugen, daß Sie von den Plänen und Absichten Hitlers erst aus dem Buch »Mein Kampf« erfahren hätten?


SPEER: Dazu kann ich einige Ausführungen machen. Ich habe mit Hitler in engem Kontakt gestanden und habe seine persönlichen Ansichten gehört, und diese persönlichen Ansichten ließen nicht darauf schließen, daß er irgendwelche Pläne der Art hatte, wie sie hier in Dokumenten erschienen sind. Ich war besonders beruhigt im Jahre 1939, als der Nichtangriffspakt mit Rußland abgeschlossen [619] wurde; und schließlich müssen ja Ihre Diplomaten auch das Buch »Mein Kampf« gelesen haben, und sie haben ja auch trotzdem den Nichtangriffspakt abgeschlossen. Und sie waren bestimmt intelligenter wie ich, ich meine in politischen Dingen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wir werden jetzt nicht untersuchen, wer das Buch gelesen hat und wer nicht. Das hat nichts mit dieser Sache zu tun und interessiert auch den Gerichtshof nicht. Sie sagen also, daß Sie über Hitlers Pläne nichts wußten?


SPEER: Ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sagen Sie mal, welche Aufgaben hatten Sie denn als Leiter des Hauptamtes für Technik in der Reichsleitung der Nazi-Partei?


SPEER: In der Partei?


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie müssen es am besten selbst wissen, Sie waren doch Leiter des Hauptamtes für Technik in der Nazi-Partei.


SPEER: Ich habe diese Aufgabe oder dieses Amt erst 1942 übernommen. Und im Jahre 1942 im Kriege gab es keine Aufgabe für dieses Hauptamt für Technik in der NSDAP. Ich habe die Mitarbeiter, die in diesem Amt waren, in mein Ministerium eingegliedert und habe sie dort in staatlicher Funktion arbeiten lassen. Darüber gibt nähere Auskunft die Aussage eines Zeugen, die hier vorliegt im Dokumentenbuch, des Zeugen Saur.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Worum handelt es sich in diesem Dokument von Saur?


SPEER: In diesem Buch ist auch der Erlaß von mir enthalten von Ende 1942, in dem ich die Überleitung dieser Aufgaben auf den Staatsapparat vollzogen habe.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben auf meine Frage überhaupt nicht geantwortet. Um es klarzustellen, werde ich Ihnen verlesen, was Saur zu dieser Frage gesagt hat, und dann sagen Sie mir, ob er diesen Punkt richtig dargestellt hat. Auf die Frage nach den Aufgaben des Hauptamtes für Technik in der NSDAP hat er geantwortet:

»Die Aufgabe des Hauptamtes für Technik war die einheitliche Ausrichtung der Organisationen der Technik zur Betreuung der deutschen Ingenieure in wissenschaftlicher, beruflicher und politischer Hinsicht.«

Sagen Sie, dies war also eine politische Organisation?

SPEER: Nein, das war mehr eine technische Organisation.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Eine technische Organisation, die sich mit politischen Fragen befaßt hat. In diesem Dokumentenbuch, das Ihr Verteidiger vorgelegt und zum Teil hier verlesen hat, [620] sind Andeutungen über die Aufgaben des Hauptamtes für Technik. Aus diesem Dokument ist klar ersichtlich, daß diese Organisation ihren Mitgliedern die nationalsozialistische Ideologie beibringen sollte und daß diese Organisation auch eine politische und nicht nur eine technische war.


SPEER: Das... wo steht das? Kann ich das Dokument haben?


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Natürlich. Das Dokument steht zu unserer Verfügung, und ich werde es Ihnen geben, falls Sie es brauchen. Es wird Ihnen gleich der Aufbau der Kreisleitung gezeigt.


SPEER: Es wurde übersetzt: Das ist aus meinem Dokumentenbuch. Aber das ist nicht aus meinem Dokumentenbuch, das ist aus dem Organisationsbuch der NSDAP, und...


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Das ist der Aufbau der NSDAP. Es ist das Dokument 1893-PS, das von Ihrem Verteidiger vorgelegt wurde.


SPEER: Ja, in meinem Dokumentenbuch steht aber gerade darin, daß das Hauptamt für Technik in der NSDAP keine politische Aufgabe hat. Das habe ich als Auszug aus diesem Organisations-Handbuch der NSDAP entnommen. Ich hätte es ja nicht in mein Dokumentenbuch aufgenommen, wenn ich nicht den präzisen Eindruck gehabt hätte, daß gerade aus diesem Auszug hervorgeht, daß, im Gegensatz zu allen anderen Ämtern, das Hauptamt für Technik eine unpolitische Aufgabe in der Partei hatte.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: War der Nationalsozialistische Bund der deutschen Technik auch keine politische Organisation?


SPEER: In keiner Weise.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: In keiner Weise? Sagen Sie mir aber bitte, brauchten die Leiter des Bundes nicht Mitglieder der NSDAP zu sein?


SPEER: Die brauchten keine Mitglieder zu sein, soviel ich weiß. Ich habe nicht darauf geachtet, ob sie Mitglieder waren oder nicht.


VORSITZENDER: Wollen wir uns jetzt vertagen?


[Pause von 10 Minuten.]


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie waren einer von den Führern der Zentralen Planung. War es auch eine Ihrer Aufgaben, neue Rohstoffquellen zu finden?

SPEER: Ich verstehe den Sinn der Frage nicht.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Eine der Aufgaben der Zentralen Planung war doch unter anderem das Auffinden neuer Rohstoffquellen?


[621] SPEER: Nein, an sich nicht.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun gut. Dann möchte ich Ihnen aus Ihrem Dokumentenbuch vorlesen. Hören Sie zu, sonst werden wir zuviel Zeit mit Ihnen verlieren.

In dem Befehl vom 22. April 1942, unterschrieben von Göring – der Befehl befindet sich im ersten Band Ihres Dokumentenbuches auf Seite 14 des russischen und Seite 17 des englischen Textes – Speer-Beweisstück 7 –, heißt es:

»Um den vom Führer befohlenen Vorrang der Rüstung sicherzustellen und um alle dadurch an die Gesamtwirtschaft zu stellenden Forderungen während des Krieges zusammenzufassen, sowie um einen Abgleich mit der Ernährungssicherung und den Rohstoff- und Fertigungsmöglichkeiten der Wirtschaft herbeizuführen, ordne ich an:

1. Im Rahmen des Vierjahresplanes wird eine ›Zentrale Planung‹ errichtet....«

Das Dokument erwähnt weiterhin, wer die Mitglieder der Zentralen Planung waren. Der dritte Teil dieses Befehls von Göring zählt die verschiedenen Aufgaben auf. Ich möchte diesen dritten Punkt zitieren:

»... c) Die Verteilung der vorhandenen Rohstoffe, insbesondere von Eisen und Metallen auf alle Bedarfsträger...

... b) Die Entscheidung über die Schaffung neuer oder für den Ausbau vorhandener Rohstofferzeugungsstätten,...«

Das steht in Ihrem Dokumentenbuch.

SPEER: Ja, da ist ein Unterschied. Mir wurde gesagt »Rohstoffquellen«. Unter Rohstoffquellen verstehe ich Erzvorkommen zum Beispiel oder Kohlevorkommen. Was hier in diesem Paragraph gesagt ist, ist »die Schaffung neuer Rohstofferzeugungsstätten«. Damit ist gemeint der Bau einer Fabrik für Stahlerzeugung zum Beispiel oder eine Aluminiumfabrik.

Das habe ich ja auch selbst ausgeführt, daß eine Erweiterung der Basis an Grundstoffen für die Industrie wichtig war und daß ich mich dieser Tätigkeit angenommen habe.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja. Es wäre schwierig, das abzuleugnen, denn es steht im Dokument.

SPEER: Nein, es ist nur... Das sind Fachausdrücke, und es kann sein, daß diese Fachausdrücke durch die zweimalige Übersetzung falsch herübergekommen sind. An sich ist der Sinn dieses Absatzes vollständig klar. Das kann Ihnen jeder Fachmann bestätigen. Das ist dieselbe Tätigkeit...


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Der Sinn ist klar. Sagen Sie mir, war es ganz zufällig, daß, als Sie die verschiedenen Mitglieder [622] der Zentralen Planung aufzählten, Sie Funk nicht als ein Mitglied der Zentralen Planung mitnannten?


SPEER: Nein. Das war... Funk hat an sich in der Zentralen Planung fast überhaupt nicht mitgearbeitet, und daher habe ich ihn nicht aufgezählt, und er kam ja erst offiziell im September 1943 als Mitglied dazu, hat aber auch nach dieser Zeit nur an ein oder zwei Sitzungen teilgenommen, so daß also seine Tätigkeit sehr minimal war.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich fragte Sie nicht nach seiner Tätigkeit; ich fragte Sie, ob Funk ein Mitglied der Zentralen Planung war.


SPEER: Ab September 1943.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und war es ganz zufällig, daß Sie ihn nicht erwähnten? Oder hatten Sie dafür einen bestimmten Grund?

SPEER: Ich habe an sich nur die drei Mitglieder erwähnt, die von vornherein seit der Gründung dabei waren, weil ich nur von der Gründung der Zentralen Planung gesprochen habe, dadurch erklärt sich der Irrtum. Ich wollte die Zeit des Gerichts mit einer allgemein bekannten Tatsache nicht aufhalten.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben hier behauptet, daß Sie nur mit einer friedlichen Aufbauarbeit beschäftigt waren, daß Sie Ihre Ernennung zum Rüstungsminister nicht auf Ihren ausdrücklichen Wunsch bekommen hätten, daß Sie sogar deswegen Bedenken gehabt hätten und so weiter. Sind Sie immer noch dieser Ansicht?


SPEER: Ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich möchte Sie daran erinnern, was Sie den Vertretern des rheinisch-westfälischen Industriegebietes gesagt halben. Erinnern Sie sich, was Sie da gesagt haben? Ich zitiere einen Absatz aus Ihrer Rede. Sie haben damals gesagt:

»Ich habe im Frühjahr des Jahres 1942 nicht lange gezögert. So konnte eine Forderung des Führers nach der anderen von uns zur Durchführung angenommen und als Programm festgelegt werden, Programme, deren Verwirklichung von den vorher dafür zuständigen Stellen für undurchführbar oder von unmöglichen Bedingungen abhängig gemacht wurden.«

(Dokument Speer Nummer 2.)

Haben Sie das gesagt?

SPEER: Ja. Aber das hat mit dieser Behauptung von Ihnen nichts zu tun. Die Forderungen, die hier gemeint sind... einen Moment... sind die Forderungen zur Steigerung der Heeresrüstung. [623] Diese habe ich angenommen. Es ist aber darüber hinaus selbstverständlich, daß ich die Berufung zum Rüstungsminister damals sofort angenommen habe und ohne jede Bedenken angenommen habe. Das habe ich nie bestritten. Ich habe nur gesagt, daß ich lieber Architekt wäre als Rüstungsminister, und das wird wahrscheinlich verstanden werden.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und nun hören Sie, was Sie in Ihrer Rede an die Gauleiter in München sagten:

»Ich habe diese ganze Tätigkeit und damit meine eigentliche Berufung aufgegeben...« – die Architektur – »... um mich rücksichtslos nun für die Kriegsaufgabe einzusetzen. Der Führer erwartet dies von uns allen.«

(Dokument 1435-PS.)

Ist das das gleiche, was Sie nun hier vor dem Gerichtshof aussagen?

SPEER: Ja. Ich glaube, daß das bei Ihnen in Ihrem Staate auch üblich war.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich frage Sie nicht über unseren Staat. Ich fragte Sie, ob Sie das, was Sie damals zu den Gauleitern sagten, jetzt vor dem Gerichtshof bestätigen.


SPEER: Ja. Ich wollte nur zu Ihrem Verständnis beitragen, weil Ihnen das anscheinend unverständlich ist, daß man im Kriege den Posten eines Rüstungsministers übernimmt. Das ist eine... wenn es notwendig ist, so ist das eine Selbstverständlichkeit, und mir ist unverständlich, daß Sie das nicht verstehen und mir einen Vorwurf daraus machen wollen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich hatte Sie vollkommen verstanden.


SPEER: Sehr gut.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Als Sie Ihre Rede vor den Gauleitern hielten, dachten Sie natürlich nicht daran, daß Sie einmal vor einem Internationalen Militärgerichtshof über Ihre Ansprache zur Rede gestellt werden würden.


SPEER: Entschuldigung. Einen Moment; ich muß auf diese Sache etwas antworten: Daß ich daran nichts finde, geht ja daraus hervor, daß Sie diese Stelle ja aus meinem Dokumentenbuch vorgelesen haben, ich hätte es ja nicht einmal in das Dokumentenbuch übernommen, und ich hoffe, daß Sie mich für so intelligent halten, daß ich mein Dokumentenbuch noch richtig zusammenstellen kann.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Aber die Anklagebehörde hat ja diese Dokumente auch. Jedenfalls werden wir jetzt auf die nächste Frage übergehen.

[624] In Beantwortung der Fragen Ihres Verteidigers sprachen Sie über die Aufgaben Ihres Ministeriums. In diesem Zusammenhang möchte ich ein paar Fragen an Sie richten. Erinnern Sie sich an den Inhalt Ihres Artikels, betitelt: »Die Vergrößerung der Produktion«. Er ist in der Zeitschrift »Das Reich« vom 19. April 1942 erschienen. Eine Abschrift dieses Artikels wird Ihnen gleich überreicht werden.

Herr Vorsitzender! Ich lege diesen Artikel als USSR-479 vor.

Ich möchte Sie nur ganz kurz daran erinnern, wie Sie die Prinzipien Ihres Ministeriums beschreiben.

»Eins wird allerdings notwendig sein: das ist das energische Durchgreifen mit schärfsten Strafen bei Vergehen, die dem Staatsinteresse entgegenstehen... mit schwerem Zuchthaus oder mit dem Tode zu bestrafen. Der Krieg muß gewonnen werden!«

Haben Sie das geschrieben?

SPEER: Ja.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun werde ich Sie auf einen Auszug eines anderen Artikels verweisen, von dem Sie ebenfalls eine Abschrift erhalten werden.


SPEER: Moment. Kann ich darum bitten, daß Sie den ganzen Absatz verlesen? Sie haben zwischendrin einige Sätze ausgelassen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich habe es ausgelassen. Ich werde Ihnen später darüber Fragen stellen.


SPEER: Ja, aus dem geht aber hervor, weswegen Zuchthaus und Todesstrafe vorgesehen waren; das ist ja wesentlich. Ich glaube, Sie müssen das mit zitieren, um den Zusammenhang nicht zu verlieren.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie werden Ihre Erklärungen zu dieser Frage später geben; vorläufig hören Sie auf meine Fragen. Wenn Sie eine Erklärung zu diesem Artikel abgeben wollen, so müssen Sie es später tun.


VORSITZENDER: Nein, nein, General Raginsky, der Gerichtshof möchte die Kommentare jetzt haben.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wenn der Angeklagte jetzt Erklärungen zu diesem Artikel abgeben will, so bin ich gern bereit, sie zu hören.

SPEER: Ich darf... Der Text, den Sie ausgelassen haben, hat folgenden Wortlaut:

»Der Führer hat auf meinen Vorschlag angeordnet, daß diejenigen Betriebsführer und Angestellten, aber auch diejenigen Beamten und Offiziere, die versuchen, sich durch unwahre Angaben Material oder Arbeitskräfte zu sichern, entweder mit schwerem Zuchthaus oder mit dem Tode zu bestrafen sind.«

[625] Das hat folgenden Vorgang. Als ich mein Amt antrat, wurden bei den Forderungen an die zentralen Stellen von den Zwischenstellen Zuschläge gemacht, und zwar machte jede der vielen Zwischenstellen von sich aus einen Zuschlag, so daß die Anforderungen, die bei mir zusammenliefen, ganz ungeheuere waren, unglaubhafte waren und dadurch überhaupt keine Planung möglich war. So war zum Beispiel die Anforderung, die ich für Kupfer in einem Jahr hatte, mehr als die ganze Weltproduktion von Kupfer in einem Jahre, weil diese Zuschläge dazu gekommen waren, und um dem entgegenzusteuern und um wahre Angaben zu bekommen, habe ich für diese Beamten und Offiziere und Betriebsführer und Angestellten eine Verordnung herausgegeben, die abschreckende Wirkung haben sollte.

Ich habe auch in meiner Gauleiterrede darüber gesprochen, und darin steht, daß dieser Erlaß ja zur Folge haben wird, daß kein Mensch noch wagen wird, eine falsche Angabe nach oben zu geben und daß damit der Zweck des Erlasses erreicht wird; daß es nie notwendig sein wird, diesen Erlaß auch anzuwenden, da ich nicht glaubte, daß die Betriebsführer, Angestellten und Beamten und Offiziere über soviel Mut verfügen, daß sie derartige falsche Angaben bei einer derartigen Strafe weitergeben. In der Tat ist auch darauf nie irgend etwas erfolgt, aber die Anforderungen an Material und Arbeitskräften bei mir sind dadurch ganz erheblich herabgesunken.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben behauptet, daß Ihre Aufgaben als Minister sich lediglich auf die der Produktion erstreckten. Habe ich Sie richtig verstanden?

SPEER: Die Rüstung und Kriegsproduktion, ja.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und die Versorgung dieser Industrie mit Rohstoffen, kam das nicht in den Bereich Ihrer Tätigkeit?


SPEER: Nein. Es war eine Aufgabe ab September 1943, nachdem ich die gesamte Produktion hatte. Das stimmt, da hatte ich den ganzen Anlauf vom Rohstoff bis zum Fertigprodukt.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: In der Schriftenreihe »Deutschland im Kampf«, Lieferung vom November 1943 – man wird Ihnen diese Ausgabe vorlegen – ich unterbreite es dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-480 – steht:

»Auf Grund des Erlasses des Führers über die Konzentration der Kriegswirtschaft vom 2. September 1943 und des Erlasses des Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches und Beauftragten für den Vierjahresplan über die Zentrale Planung vom 4. September 1943, führt jetzt Reichsminister [626] Speer die gesamte kriegswirtschaftliche Erzeugung als Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Er allein ist für die Betreuung, Lenkung und Durchführung der gewerblichen Kriegswirtschaft zuständig und verantwortlich.«

Ist das richtig? Ich bitte Sie, mir kurz zu antworten. Ist das richtig oder nicht?

SPEER: Das ist etwas laienhaft ausgedrückt, weil der Begriff »gewerbliche Kriegswirtschaft« sich nicht ganz mit dem Begriff »Rüstung und Kriegsproduktion« deckt. Das ist nicht von einem Fachmann gemacht, aber sonst stimmt es ja mit dem überein, was ich ausgesagt habe. Ich habe ja gesagt, daß die Kriegsproduktion die Gesamtproduktion umfaßte.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, aber Sie waren ja vom September 1943 ab nicht nur für die Kriegsindustrie, sondern auch für die ganze Kriegswirtschaft verantwortlich, und das sind doch zwei verschiedene Dinge?

SPEER: Nein, das ist eben der Irrtum. Es steht hier... bei der »Kriegswirtschaft« steht »gewerbliche Kriegswirtschaft«. Diese gewerbliche Kriegswirtschaft heißt etwas Ähnliches wie die Produktion. Das ist die Kriegswirtschaft, die im Handwerk und der Industrie ausgeübt wird, es ist eine Einschränkung, und, wenn vorher steht »die gesamte kriegswirtschaftliche Erzeugung«, dann ist damit nach dem, was der Verfasser sich vorstellte, wahrscheinlich die Produktion gemeint. Aber der Begriff...


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben hier schon angedeutet, daß Sie, indem Sie das Amt eines Ministers im Jahre 1942 annahmen, eine sozusagen schwere Erbschaft angetreten haben. Wollen Sie mir bitte ganz kurz antworten: Wie verhielt es sich damals mit den strategischen Rohstoffen, besonders auch mit Buntmetallen, die zur Herstellung der Munition benötigt wurden?


VORSITZENDER: General Raginsky! Ist es notwendig, hier auf diese Einzelheiten einzugehen? Ist es nicht klar, daß ein Mann, der Millionen von Arbeitern kontrollierte, eine große Aufgabe hatte? Worauf wollen Sie mit dieser Frage hinaus?


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Diese Frage ist eine vorbereitende Frage für die nächste, da das zusammenhängt...

VORSITZENDER: Ja, aber was ist das Endziel dieses Kreuzverhörs? Sie sagen, Sie wollen zu etwas anderem kommen; zu welchem Ergebnis wollen Sie denn kommen?


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Mein Ziel ist, zu beweisen, daß der Angeklagte Speer an der wirtschaftlichen Plünderung der besetzten Länder und Gebiete teilgenommen hat.


[627] VORSITZENDER: Dann fragen Sie ihn direkt darüber.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gerade dazu komme ich jetzt.


[Zum Zeugen gewandt:]


Geben Sie zu, daß Sie an der wirtschaftlichen Plünderung der besetzten Gebiete teilnahmen?

SPEER: An der wirtschaftlichen Ausnutzung der besetzten Gebiete, sicher. Der Begriff »Plünderung« scheint mir nicht ganz klar umschrieben zu sein. Ich weiß nicht, was man unter »Ausplünderung eines besetzten Gebietes« versteht.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Um das Defizit an strategischen Rohstoffen zu decken, haben Sie doch Buntmetalle aus Belgien, Frankreich und aus an deren besetzten Gebieten ausgeführt?


SPEER: Selbstverständlich. Ich habe sie nicht selbst ausgeführt, aber ich war sicher in irgendeiner Form daran beteiligt. Ich war nicht der... nicht verantwortlich dafür, aber sicher habe ich sehr betrieben, daß wir möglichst viel Metalle bekommen von dort.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ihre Antwort genügt mir, und der Gerichtshof wird selbst daraus seine Schlüsse ziehen können.

Erinnern Sie sich an den Erlaß Hitlers vom 2. September über die Konzentration der Kriegswirtschaft. Dieses Dokument wird Beweisstück USSR-482. Ich habe nicht die Absicht, den ganzen Erlaß zu zitieren. Das würde zu lange dauern. Ich möchte bloß ein paar Stellen verlesen. Der Erlaß fängt mit folgendem Satz an:

»Mit Rücksicht auf die durch die Erfordernisse des Krieges gebotene straffere Zusammenfassung und den einheitlichen Einsatz aller wirtschaftlichen Kräfte, bestimme ich für die Dauer des Krieges:...

§ 2:

Die Zuständigkeiten des Reichswirtschaftsministers auf dem Gebiet der Rohstoffe und der Produktion in Industrie und Handwerk gehen auf den Reichsminister für Bewaffnung und Munition über. Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition führt im Hinblick auf seinen erweiterten Aufgabenkreis die Bezeichnung ›Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion‹.«

Haben Sie den Befehl angesehen?

SPEER: Ja, ich kenne ihn, ja.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich möchte Sie bitten, mir ganz kurz und zusammenfassend im Zusammenhang mit diesem Befehl zu sagen, wie die Funktionen zwischen Ihnen und Funk aufgeteilt waren?


[628] SPEER: Das geht ja hier aus dem Text hervor. Ich hatte die gesamte Produktion von dem Rohstoff angefangen bis zum Endprodukt; und Funk hatte die gesamten allgemeinen wirtschaftlichen Fragen, das sind in der Hauptsache Fragen des Geldverkehrs und Fragen des Aktienrechtes und des Handels, des Außenhandels und derartige Fragen mehr.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich verstehe.


SPEER: Aber das ist keine erschöpfende Auskunft, die ich gegeben habe, das ist nur ungefähr.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ihre Antwort genügt mir. Haben Sie im Zusammenhang mit diesem Befehl Vollmachten bekommen für die Regelung des Warenumsatzes und Warenverkehrs?


SPEER: Das weiß ich nicht, was Sie damit meinen.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun gut. Um keine Zeit zu verlieren, wird man Ihnen gleich ein Dokument zeigen, das von Ihnen und Funk am 6. September 1943 unterschrieben wurde. Ich lege das Dokument dem Gerichtshof als Beweisstück Nummer USSR-483 vor. Ich zitiere Ziffer 1 aus § 1:

»Soweit in Rechtsvorschriften die Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministers für die Regelung des Warenverkehrs begründet ist, werden diese Befugnisse für die Dauer des Krieges von dem Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion ausgeübt.«

Hiernach war Ihre Rolle in den Kriegsaufgaben Deutschlands, Ihre Rolle während des Krieges, als Leiter der deutschen Kriegswirtschaft während des Krieges, eine viel weitere als Sie es hier vor dem Gerichtshof darstellten, nicht wahr?

SPEER: Nein, ich habe nicht versucht, etwas anderes darzustellen; denn ich sagte ja, daß der Rüstungsminister im Kriege überhaupt die wichtigste Stelle ist, die es im Reiche gibt und daß alles nur für den Rüstungsminister zu arbeiten hatte. Ich glaube, eine umfassendere Darstellung meines Aufgabengebietes konnte ich nicht geben. Diese Sache mit dem Warenverkehr ist von ganz untergeordneter Bedeutung. Ich kann Ihnen noch nicht mal nach bestem Wissen sagen, was man hier unter dem »Warenverkehr« versteht. Das ist nun ein Fachausdruck, der mir nicht so geläufig ist.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, aber dieses Dokument ist doch von Ihnen unterschrieben worden, und Sie sagen, Sie wüßten nicht, was damit gemeint sei? Sie haben doch dieses Dokument zusammen mit Funk unterschrieben?


SPEER: Natürlich.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Bitte, sagen Sie mir, wie war die Verbindung zwischen Ihnen, zwischen Ihrem Ministerium und der Deutschen Arbeitsfront? Bestand da eine Verbindung?


[629] SPEER: Es bestand ein Verbindungsmann zwischen der Deutschen Arbeitsfront und mir, genau wie zu allen anderen wichtigen Ämtern im Reiche auch.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wollen Sie mir den Namen dieses Beamten nicht nennen?


SPEER: Das ist der Zeuge von mir: Hupfauer, der später Chef des Zentralamtes bei mir wurde.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben erklärt, daß in die Kriegswirtschaft solche wichtigen Zweigindustrien wie Textilien, Verarbeitung von Aluminium, Holz und so weiter nicht mit eingerechnet wurden. Habe ich Sie richtig verstanden? Haben Sie das gesagt?

SPEER: Nein, das ist ein Irrtum. Das muß falsch übersetzt worden sein.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und wie soll ich Sie richtig verstehen?


SPEER: Ich glaube, daß hier zwei Übersetzungsfehler vorliegen. Einmal halbe ich bei meiner Aussage nicht von der »Kriegswirtschaft« gesprochen, sondern von dem Begriff »Rüstung« und habe gesagt, daß in diesem Begriff Rüstung auch Textilbetriebe und Holz und Leder verarbeitende Betriebe enthalten waren. Rüstung und Kriegswirtschaft sind aber zwei ganz verschiedene Begriffe.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und Sie schließen vollständig die Textilbetriebe aus dem Begriff »Rüstung« aus?


SPEER: Ich habe gesagt, daß verschiedene Textilbetriebe... daß Textilbetriebe in der Rüstung eingegliedert waren, obwohl sie tatsächlich keine Rüstungsgegenstände im engeren Sinne herstellten.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und hat die Textilindustrie keine Fallschirme und Ausrüstungsgegenstände für die Luftwaffe hergestellt?


SPEER: Ja, aber Sie müssen dann das Genfer Kriegsgefangenenabkommen studieren, da steht darin, daß das nicht verboten ist herzustellen – mit Kriegsgefangenen herzustellen. Ich habe den Text da, ich kann ihn Ihnen vorlesen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, und so wollen Sie, daß wir Ihnen ernstlich glauben, daß man Pulver ohne Zellulose herstellen kann; schränken Sie deswegen die Begriffe »Kriegsindustrie« und »Kriegsproduktion« so ein?


SPEER: Nein, dann haben Sie es vollständig falsch verstanden. Ich wollte den Begriff der Rüstungswirtschaft so weit wie nur irgend möglich machen, um nachweisen zu können, daß dieser Begriff »Rüstungswirtschaft«, der moderne Begriff »Rüstungswirtschaft«, etwas ganz anderes ist als wie die Industrie, die Rüstungsgegenstände im Sinne der Genfer Konvention herstellt.


[630] STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Schön. Sie haben über Ihre Einwände gegen die Verwendung von ausländischen Arbeitern gesprochen. Über die Motive dieses Einwandes hat Schmelter ausgesagt. Er war der Leiter des Amtes für Arbeitseinsatz in Ihrem Ministerium. Ihr Verteidiger hat es unterbreitet. Ich möchte bloß einen Satz vorlesen; bitte bestätigen Sie, ob das, was Schmelter sagt, stimmt: »Soweit er – Speer – wiederholt darauf hingewiesen hat, daß die Ausnutzung ausländischer Arbeiter große Schwierigkeiten für das Reich schaffen wird, bezüglich der Ernährungsfrage dieser Arbeiter...« Waren dies die Motive für Ihre Verordnungen?


SPEER: Die Übersetzung muß hier inkorrekt sein. Ich weiß genau, wie der Text heißt und wie der Sinn der Aussage ist. Er ist vollständig richtig, der Sinn. Es handelte sich um folgendes Problem:

Wenn wir neue Arbeitskräfte nach Deutschland brachten, dann mußten ja für diese Arbeitskraft zunächst einmal die Grundkalorien, die notwendig sind, um einen Menschen zu ernähren, bereitgestellt werden. Diese Grundkalorien hatten aber die Arbeitskräfte, die deutschen, die noch in Deutschland da waren, sowieso zu erhalten. Infolgedessen wurde für die Ernährung eingespart, wenn ich die deutschen Arbeitskräfte in Deutschland beschäftigte; die zusätzlichen Kalorien, die notwendig sind für Schwerarbeit und Langarbeit, hätten etwas erhöht werden können. Das war der Sinn dieser Ausführungen von Schmelter.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Angeklagter Speer! Sie vermeiden es, eine direkte Antwort auf meine Frage zu geben.


SPEER: Doch, gerne...


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie bringen Einzelheiten, die mich nicht interessieren. Ich fragte Sie: ob ich die Stelle, die ich Ihnen aus der Aussage von Schmelter verlesen habe, richtig verstanden habe oder nicht?


SPEER: Nein, die sind falsch übersetzt, ich möchte dann das Original in deutsch haben.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Das Original befindet sich in Ihrem deutschen Dokumentenbuch. Ich gehe jetzt zur nächsten Frage über.


SPEER: Ja, aber es ist notwendig, daß Sie mir das dann jetzt zeigen. Ich brauche ja nicht bei einem Kreuzverhör durch den russischen Anklagevertreter mein Dokumentenbuch mit auf den Zeugenstand nehmen.


VORSITZENDER: Sie müssen ihm das Dokument geben, wenn Sie es haben.


[631] STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Es befindet sich im Dokumentenbuch der Verteidigung. Das Original dieses Buches liegt dem Gerichtshof vor. Ich habe bloß die russische Übersetzung des Affidavits von Schmelter, und sie ist gestern dem Gerichtshof übergeben worden.


VORSITZENDER: Haben Sie es, Dr. Flächsner?


DR. FLÄCHSNER: Ja.


[Dokument wird dem Zeugen ausgehändigt.]


VORSITZENDER: Danke.

SPEER: Auf welcher Seite etwa?


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Es ist auf Seite 129 des russischen Textes, und es ist die Antwort auf Frage 13, letzter Absatz.


SPEER: Ja, hier steht im deutschen Text:

»Wiederholt wies er darauf hin,...« – also Speer – »... daß der Einsatz ausländischer Arbeiter größere Schwierigkeiten in der Produktion und die Bereitstellung zusätzlicher Nahrungsmittel durch das Reich bedingen würde.«

(Dokument Speer 38.)

Das habe ich ja erläutert, aus welchen Gründen das der Fall war. Es steht, glaube ich, auch in derselben Aussage später, wenn Sie nicht davon überzeugt sind, diese Begründung von mir auch drin.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ihr Stellvertreter Schieber hat auf die Frage, ob Speer gewußt habe, daß die von Sauckel angeforderten Arbeiter aus den besetzten Gebieten hereingebracht wurden, geantwortet:

»Ja. Das war der große Streitpunkt. Wir haben immer gesagt, daß Sauckel nur Partisanen schaffen würde, wenn er Arbeitskräfte, die nicht freiwillig nach Deutschland kommen, gezwungenermaßen hierher verbringe.«

(Dokument Speer 37.)

In diesem Zusammenhang behaupte ich nun, daß Sie nicht nur gewußt haben, daß die Leute, die in Ihren Betrieben arbeiteten, Zwangsarbeiter waren, sondern, daß Sie auch die Methoden, die Sauckel anwandte, kannten. Geben Sie das zu?

SPEER: Ich wußte, daß die Arbeitskräfte gegen ihren Willen zum Teil nach Deutschland kamen; das habe ich ja auch bereits ausgeführt. Ich habe auch bereits ausgeführt, daß ich die Auswirkungen dieser zwangsmäßigen Werbung für falsch, für verhängnisvoll hielt für die Produktion in den besetzten Gebieten. Das ist eine Wiederholung meiner Aussage.

[632] STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Es lohnt sich nicht, diese Aussage zu wiederholen. Sagen Sie: Haben Sie nicht darauf bestanden, daß Sauckel Ihnen Arbeiter zur Verfügung stellte, die er durch Zwangsmaßnahmen aus den besetzten Gebieten herbeischaffen sollte, und zwar über die Zahl hinaus, die Sie schon vorher bei ihm angefordert hatten? Ich werde Sie an Ihren Brief an Sauckel erinnern, um das Kreuzverhör abzukürzen. Am 6. Januar 1944 haben Sie an Sauckel geschrieben:

»Lieber Parteigenosse Sauckel!... Ich bitte Sie, Ihrer Zusage beim Führer gemäß, diese Arbeitskräfte zuzuweisen, damit die termingemäße Durchführung der mir vom Führer erteilten Aufträge ermöglicht wird. Außerdem ist für die vom Führer durch Befehl Nr. 51 gegebenen Termine am Atlantikwall ein sofortiger Arbeitsbedarf für die OT von 70000 Kräften vorhanden, der seit über 6 Monaten angemeldet und noch nicht abgedeckt wurde,...«

(Dokument Speer Nummer 11.)

Geben Sie das zu? Haben Sie einen solchen Brief an Sauckel geschrieben?

SPEER: Ja. Ich gebe sogar zu, daß ich diesen Brief in mein Dokumentenbuch hereingenommen habe, und zwar aus folgendem Grunde: Am 4. Januar 1944 fand die Besprechung bei Hitler statt, in der Hitler befohlen hatte, daß aus Frankreich eine Million Arbeitskräfte nach Deutschland kamen. Am selben Tage habe ich dem General Studt, meinem Beauftragten in Frankreich, mitgeteilt, daß der Bedarf für die Sperrbetriebe vorweg, das heißt also vor dem Bedarf nach Deutschland abzudecken ist. Mit dem Schreiben, das Sie hier in der Hand haben, habe ich Sauckel dann zwei Tage später mitgeteilt, daß mein Bedarf in Frankreich 800000 Arbeitskräfte für französische Betriebe sind und daß außerdem am Atlantikwall auch noch Arbeitskräfte fehlen, und daß diese daher zunächst zu stellen sind, bevor die eine Million Arbeitskräfte nach Deutschland kommt.

Ich hatte ja gestern bereits ausgeführt, daß durch diese beiden Schreiben die Aktion, die vorher von Hitler befohlen war, zum Stillstand kam und daß es der Zweck war, daß der Militärbefehlshaber, der dieses Schreiben auch bekam, sich darüber im klaren war, daß zunächst die Arbeitskräfte in Frankreich verwendet werden sollen. Das war für den Militärbefehlshaber sehr wertvoll.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Angeklagter Speer! Wußten Sie, daß in den Kriegsfabriken, die Ihnen unterstanden, auch ehemalige Häftlinge zwangsweise als Arbeiter eingesetzt wurden, die bereits ihre Haftzeit abgesessen hatten? War Ihnen das bekannt?


SPEER: Es war mir während meiner Dienstzeit nicht bekannt; aber ich habe das hier aus einem Dokument entnommen.


[633] STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Es war Ihnen nicht bekannt?


SPEER: Ja. Ich weiß, was Sie meinen; es steht in dem Brief von Schieber vom 4. Mai 1944, der in meinem Dokumentenbuch ist. Aber diese Einzelheiten können mir unmöglich alle im Gedächtnis bleiben.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Können Ihnen nicht im Gedächtnis bleiben? Aber Schieber hat Ihnen am 7. Mai 1944 in einem besonderen Brief, der an Sie persönlich adressiert war, darüber berichtet, und Sie konnten doch unmöglich im Jahre 1944 davon keine Kenntnis haben. Die Tatsache, daß dieser Brief in Ihrem Dokumentenbuch eingeschlossen ist, ändert nichts an der Lage.


SPEER: Ich habe... Auf Grund dieses Schreibens habe ich dann auch an Himmler geschrieben, gerade wegen der Arbeitskräfte, die ihre Gefängnisstrafe abgesessen hatten. Dieses Schreiben kann ich jederzeit vorlegen. Ich habe es unterlassen, damit das Dokumentenbuch nicht zu stark wird. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß ich Himmler darum gebeten habe, daß diese Arbeitskräfte, nachdem sie ihre Strafe abgebüßt haben, in Freiheit bleiben, während Himmler dafür eingetreten war, daß diese Arbeitskräfte überhaupt weiter in Haft bleiben.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Erinnern Sie sich an den Brief vom OKW vom 8. Juli 1943 über die Frage des Arbeitseinsatzes für den Bergbau? Erinnern Sie sich an solch einen Brief und an seinen Inhalt?


SPEER: Nein.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich werde Sie daran erinnern. Dieses Dokument ist dem Gerichtshof vorgelegt worden. Es ist Beweisstück US-455 und ist hier öfter zitiert worden. Ich nehme daher an, daß es nicht nötig ist, den ganzen Brief vorzulesen, sondern nur die wichtigsten Stellen.

In diesem Brief wird auf einen Befehl des Führers, 300000 russische Kriegsgefangene in den Kohlenbergbau einzusetzen, Bezug genommen. Erinnern Sie sich an eine solche Tatsache?


SPEER: Ich hätte ihn gern gesehen.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Man wird Ihnen das Dokument vorlegen.

In Punkt 2.) dieses Dokuments heißt es:

»Alle im Osten seit 5. 7. 43 anfallenden Kriegsgefangenen sind den Lagern des OKW zuzuführen und von dort unmittelbar oder im Ringtausch über andere Bedarfsträger dem GBA zum Einsatz im Kohlenbergbau zur Verfügung zu stellen....«

[634] In Punkt 4.) des Dokuments wird gesagt:

»Die in den Bandenkämpfen des Operationsgebietes, der Heeresgebiete, der Ostkommissariate, des Generalgouvernements und des Balkans gemachten männlichen Gefangenen im Alter von 16-55 Jahren gelten künftig als Kriegsgefangene.

Das gleiche gilt für diese Männer in neueroberten Gebieten des Ostens. Sie sind den Kriegsgefangenenlagern zuzuführen und von dort zum Arbeitseinsatz ins Reich zu bringen.«

Dieser Brief ist doch auch an Sie gerichtet, und daher war Ihnen bekannt, auf welche unmenschliche Weise Sie sich Arbeiter für den Kohlenbergbau beschafften. Das geben Sie doch zu?

SPEER: Nein, das gebe ich nicht zu.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gut.


SPEER: Nein, ich finde das... Ich weiß nicht, ob Sie damit meinen, daß die Gefangenen, die im Kampf gegen die Partisanen im Operationsgebiet gefangengenommen wurden, daß diese in den Bergbau sollten. Ich nahm damals an, daß die im Kampf gegen die Partisanen gefangengenommenen Soldaten... daß diese im Kampf gefangengenommen wurden, und ein Partisane, der im Kampf gefangengenommen wird, ist selbstverständlich dann Kriegsgefangener.

Ich habe aber hier gehört, daß die Behauptung aufgestellt wurde, daß gerade die Gefangenen aus den Partisanengebieten nicht als Kriegsgefangene behandelt wurden; mir scheint dies hier der Gegenbeweis zu sein. Es zeigt, daß die Gefangenen aus den Partisanengebieten als Kriegsgefangene behandelt wurden.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ihre Kommentare zu diesem Dokument interessieren mich gar nicht. Ich habe Sie gefragt, auf welche Weise Sie Kriegsgefangene für den Bergbau bekamen, worauf Sie antworteten, daß Sie das nicht zugeben, und ich habe keine weiteren Fragen zu diesem Dokument zu stellen. Gehen wir jetzt zum nächsten Dokument über.

Am 4. Januar 1944 haben Sie an einer Besprechung bei Hitler teilgenommen, bei der die Frage der Ausnützung der Arbeitskräfte für das Jahr 1944 besprochen wurde. Sie haben damals erklärt, daß Sie weitere 1300000 Arbeiter benötigen würden. Bei dieser Besprechung wurde der Beschluß gefaßt, daß Sauckel im Jahre 1944 nicht weniger als 4000000 Arbeiter aus den besetzten Gebieten beschaffen sollte und daß Himmler ihm bei der Beschaffung dieser Arbeiter helfen sollte. In der Niederschrift über diese Besprechung, von Lammers unterschrieben, steht, daß alle Teilnehmer dieser Sitzung zu einem einstimmigen Beschluß gekommen seien. Geben [635] Sie zu, daß Sie als Teilnehmer an dieser Besprechung und als Reichsminister für die zwangsmäßigen Deportationen von einigen Millionen Arbeitern nach Deutschland verantwortlich sind?


SPEER: Das Programm ist ja in keiner Weise durchgeführt worden. Gerade dieses Programm ist nicht durchgeführt worden.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Angeklagter Speer! Wir werden sehr viel Zeit verlieren, wenn Sie meine Fragen nicht beantworten.


VORSITZENDER: Aber, General Raginsky, schon seit dem Anfang seiner Beweisaufnahme hat dieser Angeklagte, wenn ich es richtig verstehe, zugegeben, daß er wußte, daß Kriegsgefangene und andere Arbeitskräfte gezwungenermaßen und gegen ihren Willen nach Deutschland gebracht worden sind. Das hat er ja nicht abgestritten.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, Herr Vorsitzender, er hat auf meine Frage, ob er zugibt, daß er für diese am 4. Januar beschlossene Operation verantwortlich ist, nicht geantwortet, und ich wiederhole daher nochmals meine Frage.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ich frage Sie nicht darüber, ob Sauckel dieses Programm wirklich durchgeführt hat. Meine Frage ist folgende: Am 4. Januar wurde in Ihrer Gegenwart bei Hitler darüber ein Beschluß gefaßt, daß Sauckel vier Millionen Leute mit Hilfe von Himmler in die Sklaverei nach Deutschland bringen sollte. Sie haben an dieser Besprechung teilgenommen. Wie aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, sind alle Teilnehmer der Besprechung zu einem gemeinsamen Beschluß gekommen.

Erkennen Sie dafür Ihre Verantwortung an?

SPEER: Soweit mein Sektor in Frage kommt und meine Verantwortung in Frage kommt. Ich nehme an, das Gericht wird das entscheiden, wie weit meine Verantwortung geht. Ich kann aber nicht selbst das festlegen hier.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich möchte Ihnen jetzt einen Auszug aus einem Dokument vorlegen, das dem Gerichtshof als Beweisstück US-184 vorliegt. In diesem Dokument wird auf einen Befehl Sauckels hingewiesen, die Musterung und Einziehung von zwei Jahrgängen – 1926 und 1927 – in allen neubesetzten Ostgebieten durchzuführen. In diesem Dokument steht:

»Der Herr Reichsminister für Bewaffnung und Munition hat zu diesem Befehl seine Zustimmung gegeben.«

Das Dokument schließt mit folgendem Satz:

»Die Musterungen und Aushebungen sind mit größtem Nachdruck und unter Anwendung aller geeigneten Maßnahmen beschleunigt zu beginnen und durchzuführen.«

[636] Erinnern Sie sich dieses Erlasses?

SPEER: Ich habe das Dokument hier gelesen; es ist korrekt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun wollen wir zur nächsten Frage übergehen. Sie haben hier gesagt, daß Sie die Umgebung Hitlers scharf kritisierten. Nennen Sie mir, wen Sie kritisiert haben.


SPEER: Nein, ich nenne sie Ihnen nicht.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie wollen sie nicht nennen, weil Sie niemanden kritisiert hatten; soll ich das so verstehen?


SPEER: Die Kritik habe ich geübt, aber ich halte es nicht für richtig, daß ich sie hier nenne.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich will nicht auf Ihrer Antwort bestehen. Sagen Sie uns, Ihre sogenannten Auseinandersetzungen mit Hitler haben erst da angefangen, als Sie der Überzeugung waren, daß Deutschland den Krieg verloren hat?


SPEER: Das habe ich gestern präzise ausgesagt.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben hier ganz ausführlich darüber gesprochen, daß Sie dagegen waren, daß die Industrieanlagen im westlichen Teil des Reiches vor dem Rückzug der deutschen Wehrmacht zerstört würden.

Haben Sie das nicht ausschließlich deswegen getan, weil Sie damit rechneten, daß dieses Gebiet in kurzer Zeit wiedererobert werden würde und Sie daher diese Industrien für Ihren Gebrauch schonen wollten?


SPEER: Nein, das war nicht der Grund. Ich habe das gestern länger ausgeführt, daß ich das als Vorwand genommen habe, um diese Zerstörungen zu verhindern. Wenn Sie meine Denkschrift zum Beispiel über die Treibstofflage durchlesen, geht klar daraus hervor, daß ich nicht der Überzeugung war, daß eine Wiedereroberung in Frage kommt, und ich glaube, jeder militärische Führer war auch nicht der Überzeugung, daß eine Wiedereroberung von Frankreich, Belgien oder Holland im Jahre 1944 in Frage kam. Dasselbe galt natürlich auch für die östlichen Gebiete.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Vielleicht ist es besser, wenn wir uns dem Dokument zuwenden würden; dies würde richtiger sein und uns Zeit sparen. Es steht im Telegramm, das Sie für die Gauleiter Bürckel, Wagner und andere entworfen hatten. Ich verlese auf Seite 56 Ihres Dokumentenbuches (Dokument Speer 18):

»Der Führer hat festgestellt, daß er die Rückgewinnung der jetzt verlorengegangenen Gebiete in kurzer Frist vollziehen kann. Da zur Weiterführung des Krieges die Westgebiete für die Rüstung und Kriegsproduktion von wichtiger Bedeutung sind,...«

[637] Ist das etwa dasselbe, was Sie hier aussagen? Sie haben doch etwas ganz anderes geschrieben.

SPEER: Nein, das wurde von meinem Anwalt gestern zitiert und erklärt. Ich möchte das Dokument noch einmal haben. Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, diese ganze Erklärung noch einmal abzugeben, denn sie wurde gestern auch abgegeben und hat etwa zehn Minuten gedauert. Entweder wird meine Erklärung von gestern geglaubt oder sie wird nicht geglaubt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich will damit nicht sagen, daß Sie das wiederholen, was Sie gestern gesagt haben, wenn Sie nicht antworten wollen...

Gehen wir zu einem anderen Dokument über.


VORSITZENDER: General Raginsky! Wenn Sie ihm eine Frage vorlegen, die bereits gestern gestellt wurde, so muß er die gleiche Antwort geben, wenn er eine folgerichtige Antwort geben will.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Ich finde, es ist nicht nötig, die gestrige Frage zu wiederholen; es wäre eine nutzlose Zeitverschwendung. Wenn der Angeklagte nicht wahrheitsgemäß auf diese Frage antworten will, so ziehe ich es vor, ihn nicht darüber zu befragen.


VORSITZENDER: Der Zeuge hat gesagt: »Ich habe die Frage gestern wahrheitsgemäß beantwortet. Wenn Sie jedoch wollen, daß ich die Antwort wiederhole, so werde ich es tun, aber es wird zehn Minuten in Anspruch nehmen.« Das hat er gesagt, und das ist eine vollkommen angemessene Antwort.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich ziehe vor, auf die nächste Frage überzugehen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sagen Sie uns, warum Sie das Telegramm über die Zerstörung von Industriebetrieben an die Gauleiter gesandt haben.

SPEER: Das ging einmal... das ging nicht nur an die Gauleiter allein, sondern das ging an meine Beauftragten und an die Gauleiter. Die Gauleiter mußten deswegen unterrichtet werden, weil sie unter Umständen von sich aus Zerstörungen befohlen hätten, und da die Gauleiter mir nicht unterstanden, mußte ich dieses Fernschreiben von mir entworfen an Bormann schicken, dem die Gauleiter unterstanden und mußte es von Bormann an die Gauleiter gehen lassen.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben ausgesagt, daß Ley, Goebbels und Bormann Anhänger der Hitlerschen Politik der »Verbrannten Erde« waren. Hat denn keiner von den hier auf der Anklagebank Sitzenden Hitler in dieser Politik unterstützt?


SPEER: Meiner Erinnerung nach war niemand von denen, die auf der Anklagebank sind, für die »Verbrannte-Erde«-Politik. Im [638] Gegenteil, zum Beispiel Funk war einer derjenigen, der sich auch sehr scharf dagegen gewandt hat.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Diese Politik wurde nur von denjenigen unterstützt, die jetzt tot sind.


SPEER: Ja, deswegen werden sie wahrscheinlich sich auch getötet haben, weil sie für diese Politik waren und andere Sachen gemacht haben.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ihr Verteidiger hat dem Gerichtshof verschiedene Briefe vom März 1945 vorgelegt, die an Hitler gerichtet waren. Sagen Sie uns, haben Sie nach diesen Briefen das Vertrauen zu Hitler verloren?


SPEER: Ich hatte ja gestern bereits gesagt, daß es sehr scharfe Auseinandersetzungen danach gab und daß Hitler haben wollte, daß ich auf Urlaub gehe, auf Dauerurlaub gehe, das heißt also praktisch, aus dem Amt entlassen werde. Aber ich wollte nicht.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Das habe ich bereits gehört. Trotzdem hat Hitler gerade Sie am 30. März 1945 mit der totalen Zerstörung der Industrieanlagen beauftragt.


SPEER: Ja. Es war so. Ich war zuständig für die Zerstörung oder Nichtzerstörung der Industrien in Deutschland bis zum 19. März 1945. Dann hat durch einen Erlaß Hitlers, der auch vorgelegt wurde, mir Hitler diese Vollmacht, die Zerstörung selbst durchzuführen, genommen und durch den Erlaß Hitlers vom 30. März 1945, der von mir entworfen war, habe ich das Recht, Zerstörungen durchzuführen, wieder bekommen. Aber die Hauptsache ist ja die... Ich habe ja auch die Befehle von mir vorgelegt, die auf Grund dieser Vollmacht, die Zerstörungen durchzuführen, ergangen sind, und aus denen geht ja klar hervor, daß ich verboten habe, daß Zerstörungen durchgeführt werden. Damit war ja der Zweck erreicht. Es ist nicht entscheidend, wie der Erlaß Hitlers aussieht, sondern wie mein Durchführungserlaß aussieht. Der ist auch bei den Dokumenten.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Hat Hitler Sie nach Empfang dieser Briefe nicht als einen Mann betrachtet, der ihm Widerstand leistete?


SPEER: Hitler hat damals gesagt in der Besprechung, die ich mit ihm hatte, daß er auf mich weder aus innen- noch außenpolitischen Gründen verzichten könnte. Das war seine Begründung. Ich glaube, daß er in seinem Vertrauen zu mir bereits damals etwas erschüttert war, denn er hat ja in seinem Testament einen anderen ernannt als Nachfolger.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und die letzte Frage. Im April 1945 haben Sie im Studio des Hamburger Senders eine Rede [639] verfaßt, die Sie halten wollten, wenn Berlin fallen sollte. In dieser vorbereiteten Rede, die nicht gehalten wurde, traten Sie für das Verbot der Werwolf-Organisation und so weiter ein. Sagen Sie, wer war der Leiter der Werwolf-Organisation?


SPEER: Den Werwolf leitete der Reichsleiter Bormann.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und wer noch außer Bormann?


SPEER: Nein, es war Bormann, denn, soweit ich unterrichtet bin – ich kann es nicht ganz genau sagen –, war der Werwolf eine Organisation, die Bormann unterstellt war.


STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Selbstverständlich. Wenn Bormann noch am Leben wäre, dann wäre Himmler der Leiter dieser Organisation gewesen. Eine andere Antwort habe ich von Ihnen auch nicht erwartet.

Ich habe keine weiteren Fragen mehr.


VORSITZENDER: Dr. Servatius! Haben Sie noch etwas zu fragen, was sich aus dem Kreuzverhör ergibt?


DR. SERVATIUS: Ich habe nur wenige Fragen zu dem Kreuzverhör.

Herr Zeuge! Sie haben erklärt, daß nach Fliegeran griffen Mängel, die in den Betrieben aufgetreten seien, von Ihnen weitergemeldet worden seien an die DAF oder auch an Sauckel. Das ist doch richtig?


SPEER: Nein, nicht ganz in dieser Form. Ich wurde gefragt, ob ich gelegentlich Berichte über derartige Zustände bekommen hätte, und ich habe gesagt: Ja. Und ich habe diese an Sauckel oder an die DAF weitergegeben, weil sie dafür zuständig waren.


DR. SERVATIUS: Was war der Inhalt dieser Berichte, die an Sauckel gingen?


SPEER: Ich habe ja, soviel ich weiß, bei dem Verhör schon gesagt, daß ich mich nicht daran präzis erinnere, daß ich derartige Berichte bekommen habe. Die Frage war ja auch nur eine theoretische: Was hätte ich getan, wenn derartige Berichte gekommen wären. Und ich dachte, es sind bestimmt Berichte gekommen, aber ich kann mich an den Inhalt im einzelnen nicht mehr erinnern.


DR. SERVATIUS: Was sollte dann Sauckel unternehmen?


SPEER: Sauckel konnte gegen die Fliegerangriffe auch nichts unternehmen.


DR. SERVATIUS: Wenn Sie ihm die Berichte zuleiteten, dann sollte es doch den Sinn haben, daß er Hilfe brachte?


SPEER: Ja, oder daß er als der Zuständige über die Zustände auf seinem Arbeitsgebiet präzise unterrichtet ist, wenn er auch keine Hilfe bringen konnte.


[640] DR. SERVATIUS: Sein Arbeitsgebiet war Vermittlung von Arbeitskräften.


SPEER: Nein, es waren auch die Arbeitsbedingungen.


DR. SERVATIUS: Die Arbeitsbedingungen konnten nur gebessert werden durch Materiallieferungen, durch Lieferungen von Ernährung und derartige Sachen.


SPEER: Selbstverständlich. Aber letzten Endes war der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz für die Arbeitsbedingungen zuständig. Das geht aus dem Erlaß hervor, den Göring unterschrieben hat. Daß natürlich, um die Arbeitsbedingungen einwandfrei für die Arbeitskräfte zu machen, wieder andere Behörden weiter zuständig waren, das ist ganz klar.


DR. SERVATIUS: Es handelte sich doch aber nicht darum, eine Anordnung zu erlassen, sondern um praktische Hilfe?


SPEER: Die praktische Hilfe nach Fliegerangriffen wurde auch nicht von der Zentralinstanz gemacht, das war unmöglich, weil die Verkehrsbedingungen, meistens die Telephonverbindungen, abgeschnitten waren, sondern das wurde örtlich geregelt.


DR. SERVATIUS: Also konnte Sauckel nicht helfen?


SPEER: Er nicht in seiner Person, aber örtlich hatte er seine unteren Instanzen, die dann mit eingeschaltet waren in diese Arbeit.


DR. SERVATIUS: Für irgendwelches Material mußte er sich an Sie wenden, denn alles war für die Rüstung beschlagnahmt?


SPEER: Soweit Baumaterial in Frage kommt, konnte er das Baumaterial nur von mir bekommen, und er hat an sich auch in größeren Mengen dieses Baumaterial zur Verfügung gestellt bekommen. Ich möchte hier auch sagen, das hat nicht Sauckel zur Verfügung gestellt bekommen, sondern, soviel ich weiß, im allgemeinen die Deutsche Arbeitsfront, die an sich ja die Lagerbetreuung tatsächlich durchführte.


DR. SERVATIUS: Was waren die betreuenden Dienststellen? Waren Sie nicht die betreuende Dienststelle für die Betriebe?


SPEER: Nicht in dem Sinne, wie Sie es verstehen. Sie möchten gerne die Antwort von mir haben, daß ich die Betreuung für die Arbeitsbedingungen hatte.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, Dr. Servatius, daß wir das alles mit dem Zeugen bereits besprochen haben.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich glaube, über diese Frage ist noch nicht gesprochen worden. Es ist gestern die Rede gewesen von der Selbstverwaltung. Es ist ein zweiter Instanzenzug da zur Betreuung der Betriebe über die Rüstungskommission und [641] Rüstungsinspektion, und es ist eine dritte Möglichkeit, die der Zeuge Speer hat, in Verbindung zu treten mit den Betrieben durch die Arbeitseinsatz-Ingenieure. Ich wollte dazu eine Frage noch an ihn richten.


SPEER: Ja. Ich kläre es gerne auf.


DR. SERVATIUS: Hatten Sie nicht durch die Arbeitseinsatz-Ingenieure allein die Möglichkeit, eine Besserung zu schaffen in den Betrieben, und hatten Sie den unmittelbaren Einblick?


SPEER: Ich muß dann die Aufgabe der Arbeits-Ingenieure umschreiben. Sie ist folgende: Die Arbeitseinsatz-Ingenieure hatten eine Ingenieuraufgabe, das geht ja aus dem Titel hervor.


DR. SERVATIUS: Sie war auf diese Ingenieuraufgabe beschränkt?


SPEER: Ja.


DR. SERVATIUS: Dann habe ich keine Frage mehr.

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Ich habe mit Rücksicht auf das Kreuzverhör nur zwei Fragen.

Die eine ist: Herr Speer, ich nehme noch einmal Bezug auf die Antwort, die Sie Herrn Oberrichter Jackson am Schluß des Kreuzverhörs gegeben haben. Wollen Sie zur Klarstellung sagen: Wollten Sie mit der Übernahme einer Gesamtverantwortung eine strafrechtliche, meßbare Schuld oder Mitverantwortlichkeit anerkennen, oder wollten Sie eine historische Verantwortung vor dem eigenen Volk und der Geschichte damit statuieren?


SPEER: Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Eigentlich eine Frage, die wahrscheinlich das Gericht beantworten wird in seinem Urteil. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß es auch in einem autoritären System eine Gesamtverantwortung der Führenden geben muß und daß es ausgeschlossen ist, nach der Katastrophe sich der Gesamtverantwortung zu entziehen, denn wenn der Krieg gewonnen worden wäre, hätte wahrscheinlich die Führung auch Anspruch darauf genommen, daß sie gesamtverantwortlich gewesen wäre. Aber inwieweit das nun strafrechtlich ist oder moralisch ist, das kann ich nicht entscheiden, das wollte ich auch nicht entscheiden.


DR. FLÄCHSNER: Danke. Dann sind Ihnen von der Amerikanischen Anklage eine Reihe von Dokumenten vorgelegt worden über Vorgänge, die im wesentlichen, ich glaube sogar ausschließlich, nur die Firma Krupp betrafen. Sie haben ja hier schon ausgesagt, daß Sie von den Vorgängen selbst keine Kenntnis hatten, wenn ich Sie richtig verstanden habe?


SPEER: Den Detail-Einblick hatte ich nicht, wie es notwendig ist, um diese Dokumente im einzelnen beurteilen zu können.


[642] DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Ich habe dann keine weiteren Fragen. Ich muß nur nur vorbehalten, darüber noch eine Entscheidung zu treffen, ob, soweit diese eidesstattlichen Versicherungen zur Belastung meines Klienten vorgetragen sind – das ist mir nicht ganz klar geworden –, die Person, die diese Affidavits abgegeben hat, eventuell ins Kreuzverhör zu laden ist. Das tut mir sehr leid, aber das muß ich eventuell tun. Es sind ja Vorgänge, von denen ich vorher noch gar keine Kenntnis hatte, daß sie hier eingeführt werden würden. Dann, Herr Präsident, ich hätte fünf Minuten, dann wäre ich mit meinem Urkundenbeweis fertig.


VORSITZENDER: Dr. Flächsner! Wenn Sie bezüglich dieser Affidavits irgendeinen Zeugen im Kreuzverhör vernehmen wollen, so müssen Sie dafür einen schriftlichen Antrag stellen, und zwar bald. Ich glaube, ich irre mich nicht, wenn ich sage, daß nur noch zwei von den anderen Angeklagten zu verhören sind, und wenn der Antrag nicht bald eingereicht wird, so wird es nicht möglich sein, die Zeugen zu finden oder sie rechtzeitig hierher zu bringen.

Sie sagen, daß Sie in fünf Minuten fertig sein können?


DR. FLÄCHSNER: Ja.


VORSITZENDER: Dann sollten Sie es vielleicht besser jetzt tun. Aber, Herr Dr. Flächsner, zuerst will der Gerichtshof dem Zeugen eine oder zwei Fragen vorlegen.


MR. BIDDLE: Angeklagter! Sie haben davon gesprochen, daß die Gefangenen aus den westlichen Staaten nicht in der Kriegsindustrie und bei der Herstellung von Munition verwandt wurden. Erinnern Sie sich hieran?


SPEER: Ja.


MR. BIDDLE: Hat es diesbezügliche Anordnungen gegeben?


SPEER: Ja.


MR. BIDDLE: Es hat diesbezügliche Anordnungen gegeben?


SPEER: Das habe ich aus meiner Kenntnis gesagt, die nicht präzise zu sein braucht.

Ich habe mich nur erinnert an Gespräche, die ich mit Keitel hatte über die Verwendung in Einzelfällen, und in diesen Einzelfällen hat es Keitel abgelehnt. Sonst habe ich keine Kenntnis davon gehabt.


MR. BIDDLE: Sie haben niemals Anordnungen gesehen, die diesen Unterschied machten?


SPEER: Nein.


MR. BIDDLE: Und wie verhielt es sich mit den Zivilpersonen aus nichtbesetzten Gebieten? Ich nehme an, daß sie in den Kriegsindustrien verwendet wurden, oder nicht?


[643] SPEER: Die werden... Die ausländischen Arbeiter wurden ohne Rücksicht auf irgendein Abkommen beschäftigt.


MR. BIDDLE: Das ist es, was ich wissen wollte.

Nun weiter, Sie sagten, daß die Konzentrationslager einen schlechten Ruf hatten. Ich glaube, dies waren Ihre Worte: »einen schlechten Ruf«. Ist das richtig?


SPEER: Ja.


MR. BIDDLE: Was meinen Sie mit dem Ausdruck »einen schlechten Ruf«? Was für einen Ruf und weshalb?


SPEER: Das ist schlecht zu definieren. Es ist... in Deutschland wußte man, daß ein Konzentrations... daß ein Aufenthalt in einem Konzentrationslager eine unangenehme Angelegenheit ist, und diese Kenntnis hatte ich auch. Aber ich hatte keine Einzelkenntnisse.


MR. BIDDLE: Auch wenn Sie die Einzelheiten nicht kannten, so ist doch »unangenehm« ein bißchen milde ausgedrückt? Waren die Lager nicht dafür bekannt, daß dort Gewalt und körperliche Züchtigungen angewandt wurden; war das nicht der Ruf, den Sie meinen? Ist es nicht wirklich richtiger, das zu sagen?


SPEER: Nein. Das ist nach der Kenntnis, die wir hatten, etwas zu weitgehend. Ich hatte auch angenommen, daß in Einzelfällen Mißhandlungen vorkommen, aber ich habe nicht angenommen, daß das zur Regel gehören könnte; das war mir unbekannt.


MR. BIDDLE: Wußten Sie nicht, daß Gewalt oder körperliche Züchtigung angewandt wurden, um die Vorschriften durchzusetzen, wenn die Internierten sie nicht befolgten?


SPEER: Nein, das habe ich nicht in dieser Form gewußt. Ich wurde... Ich muß hier sagen, ich wurde in der Zeit, in der ich Minister war, so seltsam das klingt, über das Schicksal der Häftlinge in den Konzentrationslagern beruhigter, als ich war, bevor ich Minister war, weil mir in der Zeit – in meiner Ministerzeit – von offiziellen Stellen immer nur Gutes und Beruhigendes über die Konzentrationslager gesagt wurde; es wurde gesagt, die Ernährung wird verbessert und so weiter und so weiter.


MR. BIDDLE: Nur noch eine Frage. Was Sie am Schluß über die Verantwortung aller Führer für gewisse allgemeine Grundsätze, gewisse große Dinge, gesagt haben, hat mich sehr interessiert. Können Sie mir irgendeines dieser Dinge nennen? Was meinten Sie damit? Welche Grundsätze meinten Sie? Meinten Sie die Fortsetzung des Krieges zum Beispiel?


SPEER: Ich finde, so eine grundsätzliche Angelegenheit wie der Beginn des Krieges oder das Ende des Krieges zum Beispiel. Ich finde...


[644] MR. BIDDLE: Sie finden also, daß der Beginn oder das Ende des Krieges grundsätzliche Angelegenheiten wären, wofür die Führer verantwortlich gewesen seien?


SPEER: Ja.


MR. BIDDLE: Danke schön.


VORSITZENDER: Der Angeklagte kann auf die Anklagebank zurückkehren.


[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


Sie könnten eigentlich heute nachmittag noch abschließen, Dr. Flächsner.

DR. FLÄCHSNER: Jawohl, sehr gerne.

Meinem gestrigen Vortrag noch nachreichend, wollte ich einen Brief Speers an Sauckel vom 28. Januar 1944, der hier gestern zitiert worden ist, vorlegen und wollte ihm die Exhibit-Nummer 31 geben. Weiterhin ein gleiches Schreiben Speers an Sauckel vom 11. März 1944, dem ich die Exhibit-Nummer 32 geben wollte. Dann die vom Angeklagten gestern in seiner Vernehmung erwähnte Durchführungsbestimmung zu dem Zerstörungserlaß, den das Gericht auf Seite 81 des englischen Dokumentenbuches findet, und den ich unter Exhibit-Nummer 33 überreichen wollte. Weiterhin wollte ich als Exhibit-Nummer 34 ein Schreiben Hitlers an Speer unter dem 21. April 1944 überreichen.


VORSITZENDER: Bitte geben Sie uns das Datum der Exhibit-Nummer 33, Sie sagten, es sei auf Seite 81. Meinen Sie Seite 81 des Originals, welches im englischen Text Seite 85 ist?


DR. FLÄCHSNER: Nein, das war der englische Text, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Welches Datum hat das Dokument?


DR. FLÄCHSNER: Das war eine Durchführungsbestimmung zum Führerbefehl vom 19. März 1945.


VORSITZENDER: Jawohl.


DR. FLÄCHSNER: Also das nächste Dokument, Herr Präsident, befindet sich auf Seite 55 des englischen Textes und Seite 52 des Originals, das mit dem französischen Text gleichlautet. Es ist das vorerwähnte Schreiben Hitlers an Speer, betreffend Beauftragung des Dorsch mit dem Jägerbau. Das hat die Exhibit-Nummer 34.

Als Exhibit-Nummer 36, – Nummer 35 muß noch später nachgereicht werden – überreiche ich den Fragebogen Kehrl. Er ist unterzeichnet von dem Zeugen Hans Kehrl, eine Beglaubigung der Unterschrift durch einen Lageroffizier, durch Unterschrift eines Vertreters der Anklagebehörde und meine eigene.


VORSITZENDER: Welche Seite ist Exhibit-Nummer 36?


[645] DR. FLÄCHSNER: 36, das ist Seite 105 im Original.

Auf Seite 113, Herr Präsident, des Dokumentenbuches II finden Sie einen Auszug über die Befragung des Zeugen Schieber, die ich als Exhibit-Nummer 37 einreiche. Die ist doppelt eingereicht in deutsch und englisch. Das Protokoll ist beglaubigt durch einen Vertreter der Anklagebehörde und durch mich.

Im II. Buch auf Seite 127 findet das Gericht die Vernehmung des Zeugen Schmelter, welche ich unter Exhibit-Nummer 38 einreichen möchte. Auch dies Protokoll ist in gleicher Weise beglaubigt.

Auf Seite 136 des Dokumentenbuches II bitte ich, die Aussage des Zeugen Hupfauer, der hier auch heute genannt worden ist, suchen zu wollen; das wird Exhibit-Nummer 39. Auf Seite 142 des Dokumentenbuches II findet das Gericht die Vernehmung des Zeugen Saur, diese überreiche ich als Exhibit-Nummer 40, wieder im englischen und deutschen Protokoll. Das englische Protokoll ist durch Unterschrift eines Vertreters der Anklagebehörde und meine eigene beglaubigt.

Wenn das Gericht Seite 148 meines Dokumentenbuches II aufschlägt, findet es dort den Fragebogen Frank, beziehungsweise das Protokoll über die Vernehmung Franks, die von der Anklagebehörde und mir in Ludwigsburg durchgeführt wurde. Das Protokoll ist ebenfalls von der Anklagebehörde und mir beglaubigt.


VORSITZENDER: Das war Nummer 41, nicht wahr?


DR. FLÄCHSNER: Das war Nummer 41, Herr Präsident.

Auf Seite 153 des Dokumentenbuches findet das Gericht die Vernehmung... das Protokoll über die Vernehmung Rohlands, welches Exhibit-Nummer 42 wird. Auch dieses ist im englischen und deutschen Protokoll in der üblichen Weise beglaubigt.

Auf Seite 165 des Dokumentenbuches findet das Gericht das Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Kempf, welche in Kransberg von der Anklagebehörde und mir am 3. Mai durchgeführt wurde. Das Protokoll ist in der üblichen Weise beglaubigt, es erhält die Exhibit-Nummer 43.


VORSITZENDER: Wie viele haben Sie noch?


DR. FLÄCHSNER: Es sind noch zwei.

Auf Seite 176 des Dokumentenbuches ist der Fragebogen betreffend Guderian, der in Hersbruck vernommen wurde. Das Protokoll ist in englisch und deutsch. Das englische Protokoll ist von mir und der Anklagebehörde beglaubigt. Es wird Exhibit-Nummer 44.

Auf Seite 181 des Dokumentenbuches, das wird Exhibit-Nummer 45, findet das Gericht die Aussage des Zeugen Stahl, ebenfalls in englischem und deutschem Protokoll; das englische Protokoll von der Anklagebehörde und mir beglaubigt.

[646] Und zum Schluß auf Seite 186 des Dokumentenbuches ist der Fragebogen von Karl Brandt, der von der Lagerbehörde beglaubigt ist, sowohl in englisch und deutsch. Es wird Exhibit-Nummer 46.


VORSITZENDER: Ist das alles?


DR. FLÄCHSNER: Das wäre alles.

Nun, Herr Präsident, ist gestern vom Angeklagten ein Auszug aus dem Besprechungspunkt der Führerbesprechung vom 3. bis 5. Januar herangezogen worden. Dieses Dokument ist noch nicht übersetzt, ich werde mir gestatten, es später einzureichen. Die Staatsanwaltschaft hat es schon gesehen und hat gegen die Einreichung keine Bedenken.

Damit wären an sich die von mir einzureichenden Dokumente abgeschlossen. Ich glaube, einen Vortrag zu den Dokumenten im Dokumentenbuch wünscht das Gericht nicht, zumal hier ja die Russische Anklagebehörde in großzügiger Form die Dokumente schon vorgetragen hat.

Damit ist mein Fall des Angeklagten Speer abgeschlossen.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.


[Das Gericht vertagt sich bis

22. Juni 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 16, S. 603-648.
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