Nachmittagssitzung.

[195] [Der Zeuge Hoffmann im Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Es dürfte den Verteidigern der Organisationen nützlich sein zu erfahren, daß der Gerichtshof die gesamte mündliche Beweisaufnahme durch die Zeugen für die Organisationen zuerst hören will; die Erläuterungen zu ihren Dokumenten sollten die Verteidiger nachher geben, weil einige Dokumente, nämlich Affidavits, noch nicht fertig sind. Ich glaube, daß dies wahrscheinlich für die Organisationen nützlich sein wird.

Der Gerichtshof wird Samstag vormittag bis 1.00 Uhr in öffentlicher Sitzung tagen.


M. MONNERAY: Zeuge! Sie sagten uns vorhin, daß Sie, abgesehen von dem Schutz gewisser französischer Politiker, mit der Kontrolle der Konzentrationslager nichts zu tun hatten.


HOFFMANN: Nein.


M. MONNERAY: Haben Sie Vorschriften für die Konzentrationslager herausgegeben?


HOFFMANN: Nein.


M. MONNERAY: Haben Sie Vorschriften an Konzentrationslager weitergegeben?


HOFFMANN: Ich kann mich nicht entsinnen.


M. MONNERAY: Ich möchte mit Erlaubnis des Gerichtshofs dem Zeugen das Dokument 2521-PS vorlegen, das Beweisstück RF-1538 wird. Das Dokument ist nicht im Dokumentenbuch enthalten, es ist ein neues Beweisstück.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Auf Seite 2 des Dokuments finden wir einen »Auszug aus dem ›Nacht-und-Nebel‹-Erlaß zum Dienstgebrauch bei den Konzentrationslagern«. Dieses Dokument ist vom 4. August 1942 datiert und kommt vom Amt IV D 4.

HOFFMANN: Ja, das ist eine inhaltliche Weitergabe des »Nacht-und-Nebel«-Erlasses an den Inspekteur der KL. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, seit wann auch der Vollzug des »Nacht -und -Nebel«-Erlasses in KLs durchgeführt wurde. Ich nehme an, daß die Ursache die schwierige Durchführung der Verfahren an den einzelnen Stellen war.

M. MONNERAY: Dieses Dokument ist doch von Ihnen gezeichnet, nicht wahr?


HOFFMANN: Es heißt: gezeichnet Dr. Hoffmann, und es ist auch ein Stempel da. Ich muß das irgendwann mal unterschrieben haben.


[195] M. MONNERAY: Ist das ein Dokument, das in Ihrer Dienststelle verfaßt worden ist?


HOFFMANN: Der Aufmachung nach muß ich es annehmen.


M. MONNERAY: Also war es doch Ihre Dienststelle, die Vorschriften und Erklärungen über diesen Erlaß herausgegeben hat?


HOFFMANN: Ja, das ist klar, das ist ja auch nie bestritten worden.


M. MONNERAY: Sie sagten uns heute morgen, daß der Staat und die Staatsführung nicht in Übereinstimmung mit den Ansichten der Polizei gehandelt hat?


HOFFMANN: In vielen Fällen nicht nach unseren Erkenntnissen, das ist richtig.


M. MONNERAY: Glauben Sie, daß der Inhalt des »Nacht-und-Nebel«-Erlasses mit den Auffassungen der Polizei übereinstimmt?


HOFFMANN: Nein.


M. MONNERAY: Das heißt also, Sie finden, daß er den Auffassungen der Polizei widerspricht?


HOFFMANN: Ja, ich habe dargelegt, daß dieser Erlaß ohne Anregung der Polizei herausgegeben wurde und habe in meinen Ausführungen über unsere Auffassung, über die Entstehung und Bekämpfung der Militärorganisationen erklärt, daß dieser Erlaß ihr nicht entspricht. Wenn jedoch dieser Erlaß von der obersten Staatsführung herausgegeben worden ist, dann mußte die Polizei auch nach diesen Richtlinien handeln, und sie konnte nur versuchen, im Rahmen des Erlasses ihre Anschauungen durchzusetzen.


M. MONNERAY: Das heißt, daß die Gestapo, ob sie mit den ergriffenen Maßnahmen einverstanden war oder nicht, bei der Durchführung mitwirkte.


HOFFMANN: Jawohl.


M. MONNERAY: Hatte die Gestapo das Recht, Exekutionen durchzuführen?


HOFFMANN: Nein. Ich habe allerdings gehört, daß auf einem Sektor, der nicht zu meiner Zuständigkeit gehörte, derartige Regelungen bestanden.


M. MONNERAY: Welche Abteilung war das?


HOFFMANN: Soviel ich weiß, die Abteilung, die mit polnischen Fragen zu tun hatte.


M. MONNERAY: Hat Ihre Dienststelle IV D hinsichtlich des Rechtes der Gestapo, Exekutionen durchzuführen, Anweisungen erhalten?


HOFFMANN: Ich kann mich hier nicht erinnern, ob wir Erlasse dieser Art zugeleitet bekommen haben.


[196] M. MONNERAY: Ich möchte Ihnen das Dokument 1715-PS zeigen, das RF-1539 wird.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Es ist ein Dokument, das von Kaltenbrunner gezeichnet ist und das an alle Dienststellen der Gestapo zur Kenntnisnahme übersandt wurde und auch an Ihr Amt IV D.

HOFFMANN: Ich darf darauf aufmerksam machen, daß mein Referat D 4 (Dora-4) war. IV D war die Gruppe, in der alle besetzten Gebiete zusammengefaßt waren. Dieses Dokument ist gerichtet an den Gruppenleiter IV D, nicht an das Referat 4, Dora 4. Dieses Dokument ist somit nicht an mein Referat gerichtet. Da auf dem Westsektor keine Hinrichtungen vorgenommen wurden, ist das Dokument auch nicht meinem Referat zugegangen.

M. MONNERAY: Aber die Dokumente entsprechen doch der Wirklichkeit. Die Gestapo durfte Hinrichtungen durchführen?


HOFFMANN: Ich kann aus eigener Wissenschaft über die Handhabung dieser Praxis Ihnen keine nähere Auskunft geben.


M. MONNERAY: Kannten Sie Eichmann?


HOFFMANN: Aus meiner Tätigkeit ist mir bekannt, daß Eichmann die Leitung des Judenreferates im Reichssicherheitshauptamt hatte.


M. MONNERAY: Ihre Dienststelle erhielt keine Informationen über die antijüdischen Aktionen in den besetzten Gebieten, nicht wahr?


HOFFMANN: Meine Dienststelle bekam die monatlichen Berichte der Befehlshaber in den besetzten Gebieten. In diesen Berichten wurde zum Beispiel über die Deportationen der Juden berichtet, und ich habe bereits dargelegt, daß ich die Tatsache der Judendeportationen erst aus diesen Berichten erfahren hatte und Eichmann in dieser Richtung angesprochen habe, warum diese Tatsachen dem Referat nicht vorher bekanntgegeben würden, und daß er dies abgelehnt hat, weil er gesagt hat, daß er nur auf Grund höherer Weisung handle.


M. MONNERAY: Hatte Eichmann Vertreter in den besetzten Gebieten?


HOFFMANN: Das ist mir bekannt, daß er bei den verschiedenen BDS-Befehlshabern seine Sonderbe auftragten hatte.


M. MONNERAY: Haben diese Vertreter das Recht gehabt, den Dienststellen der Gestapo Befehle zu erteilen?


HOFFMANN: Über die genaue Stellung dieser Beauftragten von Eichmann kann ich aus eigener Wissenschaft keine Auskunft geben. Eichmann war ja formell ein Teil des Geheimen Staatspolizeiamtes.


[197] M. MONNERAY: Er war also ein Teil der Dienststelle IV?


HOFFMANN: Er gehörte formell der Dienststelle IV an, führte aber ein sehr starkes Eigenleben, und ich betonte auch, daß dies zum großen Teil darauf zurückzuführen ist, weil er nicht aus der Polizei hervorgegangen ist.


M. MONNERAY: Wurden Sie ständig über die Vertreter Eichmanns in den verschiedenen besetzten Gebieten auf dem laufenden gehalten?


HOFFMANN: Eben nur aus den monatlichen Berichten der Befehlshaber.


M. MONNERAY: Und diese Berichte teilten Ihnen zum Beispiel die Anzahl der Deportationen mit?


HOFFMANN: Jawohl.

M. MONNERAY: Haben die Leute der Befehlshaber der Gestapo und der Sipo in den besetzten Gebieten bei diesen Deportationen nicht mitgewirkt?


HOFFMANN: Wie mir bekannt ist, ja.


M. MONNERAY: Was war die Tätigkeit der Abteilung II des RSHA?


HOFFMANN: Die Abteilung II des Reichssicherheitshauptamtes hatte Verwaltungs- und Wirtschaftsfragen, sowie früher, im Anfang bis, glaube ich, 1944, Paßfragen und Fragen der Internierung von Ausländern, sowie, glaube ich, das Justizrat.


M. MONNERAY: Gehörten die Beamten dieser Dienststelle hauptsächlich der Exekutive oder der Verwaltung der Polizei an?


HOFFMANN: Das Amt II bestand im wesentlichen aus Verwaltungsbeamten und Juristen.


M. MONNERAY: Ihrer Ansicht nach war diese Dienststelle sehr wenig über das informiert, was in der Abteilung der Exekutive vorging?


HOFFMANN: Ja, weil sie sich im wesentlichen mit Verwaltungs- und Rechtsfragen befaßte.


M. MONNERAY: Wissen Sie, was die Tätigkeit der Abteilung II D war?

HOFFMANN: Wenn ich mich nicht irre, war es die Gerichtsbarkeit.


M. MONNERAY: Ich möchte Ihnen ein Dokument zeigen, das bereits als Dokument 501-PS, US-288 vorgelegt worden ist.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Nach diesem Dokument wurden die Gaswagen zur Vernichtung der Ostbevölkerung und insbesondere der Juden von dieser Dienststelle II beschafft, die nach diesem Dokument über diese Vernichtung [198] völlig informiert war. Bestand also in dieser Weise eine Trennung zwischen Verwaltungs- und Exekutivstellen?

HOFFMANN: Soviel ich aus dem Dokument ersehe, handelt es sich bei der Abteilung II D um die... um das technische Referat, das das Kraftfahrwesen bearbeitete, und soweit der Inhalt ist, handelt es sich um Spezialkraftfahrzeuge, und es ist offensichtlich ein Bericht einer Fahrbereitschaft an die Zentralstelle für die Verwaltung der Kraftfahrzeuge in Berlin.

M. MONNERAY: Sie geben doch zu, daß es sich hier um ein Dokument handelt, das von besonderen Fahrzeugen zur Vernichtung von Menschen spricht.


HOFFMANN: Soweit ich das Dokument überfliegen kann, ergibt es sich aus dem Inhalt.


VORSITZENDER: Herr Monneray! Ich glaube, dieses Dokument spricht für sich selbst.


M. MONNERAY: Jawohl, Herr Präsident.


[Zum Zeugen gewandt:]


Hatten Sie während Ihrer Tätigkeit bei der Gestapo oft den Eindruck, daß die Staatsführung von Ihnen die Ausführung von Aufgaben verlangte, die im Gegensatz zu dem standen, was Sie als Polizeiaufgaben bezeichnen?

HOFFMANN: Dieses Gefühl, daß uns gewisse Aufgaben übertragen wurden, die im Widerspruch zu unseren polizeilichen Erkenntnissen standen, habe ich sowohl während meiner Tätigkeit in Berlin wie auch später in Dänemark bei gewissen Fragen gehabt, wobei ich jedoch bemerken muß, daß ich diese Fragen natürlich nur vom Standpunkt der Polizeibeamten beurteilen konnte und nur aus dieser Kenntnis heraus zu den Dingen Stellung nehmen konnte und mir nicht bekannt war, was die Führung zu den Entschlüssen, die uns mitgeteilt wurden, veranlaßt hatte.

M. MONNERAY: Haben Sie nicht zum Beispiel den Befehl über bestimmte Kategorien von sowjetischen Gefangenen für verbrecherisch angesehen?


HOFFMANN: Ich muß ehrlich sagen, daß ich für einen solchen Befehl absolut kein Verständnis gehabt habe, insbesondere, da er aus polizeilichen Gründen überhaupt nicht erklärbar war.


M. MONNERAY: Aber die Gestapo hat sich doch zur Durchführung dieser Befehle hergegeben, nicht wahr?


HOFFMANN: Ich kann das aus eigener Wissenschaft nicht sagen.


M. MONNERAY: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.


DR. MERKEL: Einige wenige Fragen, Herr Präsident.


[199] [Zum Zeugen gewandt:]


Traten die durch den Angleichungserlaß an die SS angeglichenen Gestapo-Angehörigen unter den Befehl der SS oder des SD, und machten Sie dort Dienst?

HOFFMANN: Nein. Die Einstufung in die SS war lediglich eine äußere Maßnahme, und ich habe seit meinem formellen Beitritt in die SS im Jahre 1939 weder bei der SS noch bei dem SD Dienst gemacht.

DR. MERKEL: War in dem Schutzhaftbefehl des RSHA das Konzentrationslager bereits bezeichnet, in das die Einlieferung erfolgen sollte?


HOFFMANN: Ich glaube, mich zu erinnern, ja. Genau kann ich es nicht sagen.


DR. MERKEL: Von wem wurde die Verhaftung derjenigen Personen durchgeführt, gegen die ein Schutzhaftbefehl erging, soweit sich diese Leute noch auf freiem Fuße befunden haben?


HOFFMANN: Entweder von den Beamten der Gestapo unmittelbar oder eventuell auch durch Gendarmerie und Ortspolizeibehörden.


DR. MERKEL: Wer begleitete den Sammeltransport der Häftlinge in das Konzentrationslager?


HOFFMANN: Soweit ich mich erinnern kann, erfolgte die Überführung mit den laufenden, von der allgemeinen Polizeiverwaltung durchgeführten Gefangenentransportwagen, die nach einem festen Fahrplan im gesamten Reichsgebiet kursierten.


DR. MERKEL: War Ihnen oder Ihren Dienststellen etwas über die wahren Zustände in den Konzentrationslagern bekannt?


HOFFMANN: Nein.


VORSITZENDER: Was verstehen Sie unter festen Fahrplänen, meinen Sie besondere Transporte oder gewöhnliche Züge?


HOFFMANN: Es waren besondere Gefangenenwagen, die von der allgemeinen Polizeiverwaltung eingesetzt waren zwischen den einzelnen Gefängnissen, die auch Justizhäftlinge transportierten. Diese Wagen wurden an die normalen Eil- und Personenzüge angehängt, und in diesen Wagen wurden auch diese Häftlinge transportiert. Es fanden also keine besonderen Transporte statt.


DR. MERKEL: Unterstanden die Konzentrationslager der Gestapo?


HOFFMANN: Nein, die Konzentrationslager unterstanden dem Inspekteur der Konzentrationslager in Oranienburg und, soviel mir bekannt, diese Inspektion dem SS-Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt.


[200] DR. MERKEL: Spricht nicht auch gerade das soeben von der Anklage vorgelegte Dokument, 2521-PS, selbst für diese Tatsache? Denn es trägt als Absender das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt in Oranienburg und ist an die Lagerkommandanten sämtlicher Konzentrationslager gerichtet.


HOFFMANN: Ja.


DR. MERKEL: War Ihnen die Vernichtung der Juden in Auschwitz bekannt?


HOFFMANN: Nein. Ich habe erst nach der Kapitulation von diesen Dingen gehört.


DR. MERKEL: War Ihnen bekannt, daß die Tätigkeit Eichmanns mit dieser biologischen Ausrottung der Juden in Auschwitz unmittelbar zusammenhing?


HOFFMANN: Ich habe, solange ich im Amt war und vor der Kapitulation, von derartigen Problemen nichts gehört.


DR. MERKEL: Wann haben Sie erstmals zuverlässige Kenntnis über diese Tatsachen erhalten?


HOFFMANN: Nach der Kapitulation.


DR. MERKEL: Ich habe an den Zeugen keine weiteren Fragen mehr.


MR. FRANCIS BIDDLE, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Zeuge! Sie haben von einem Erlaß gesprochen, auf Grund dessen der Gestapo gestattet war, in Dänemark die Vernehmungsmethode des »dritten Grades« durchzuführen. Erinnern Sie sich an diesen Erlaß?


HOFFMANN: Jawohl.

MR. BIDDLE: War das ein schriftlicher Erlaß?


HOFFMANN: Das war ein schriftlicher Erlaß des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD.


MR. BIDDLE: War er unterschrieben?


HOFFMANN: Ja. Wer sie unterschrieben hat...


MR. BIDDLE: Wer hat ihn unterschrieben?


HOFFMANN: Soviel ich mich entsinnen kann, den ersten Erlaß Heydrich und den zweiten Erlaß in Vertretung Müller. Das letztere kann ich aber nicht genau sagen.


MR. BIDDLE: Was war das Datum des ersten Erlasses?


HOFFMANN: Ich glaube, es war 1937.


MR. BIDDLE: Welcher Monat?


HOFFMANN: Das kann ich nicht mehr sagen.


MR. BIDDLE: Was war das Datum des zweiten Erlasses?


[201] HOFFMANN: 1942.


MR. BIDDLE: Haben Sie beide Anordnungen persönlich gesehen?


HOFFMANN: Ja.

MR. BIDDLE: Was war der Inhalt der ersten Anordnung?


HOFFMANN: Der Inhalt der ersten Anordnung war der, daß zur Aufrollung von reichsfeindlichen Organisationen, wenn kein anderes Mittel mehr zur Verfügung stand, der Betreffende eine gewisse Anzahl von Stockschlägen bekommen durfte. Bei einer bestimmten Anzahl mußte ein Arzt zugezogen werden. Diese Anweisung durfte nur zur Erpressung eines Geständnisses zur Überführung einer Einzelperson angewandt werden. Die Genehmigung hierzu mußte in jedem Falle beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD eingeholt werden.


MR. BIDDLE: Einen Augenblick. Bezog sich die Anordnung auf ein bestimmtes Gebiet, oder galt sie für alle besetzten Gebiete?


HOFFMANN: Die von 1937 war ja für das Reichsgebiet bestimmt, wurde aber dann, glaube ich, automatisch auch auf die Tätigkeit der Sipo angewandt in den Gebieten, wo sie eingesetzt war. Eine Beschränkung ist mir nicht erinnerlich.


MR. BIDDLE: Waren noch andere Methoden des »dritten Grades« außer Stockschlägen zulässig?


HOFFMANN: Nein. Nach dem zweiten Erlaß waren nur noch Maßnahmen genehmigt, die milder waren als die Stockschläge: Stehen im Verhör oder Ermüdungsübungen. Sie sind in dem Erlaß aufgezählt. Ich habe sie nicht alle in Erinnerung.


MR. BIDDLE: Sie erinnern sich an eine Methode, zum Beispiel an das Stehen. Welche Anordnung enthielt der Erlaß in Bezug auf das Stehen während des Verhörs?


HOFFMANN: Ich persönlich habe nie so einem Verhör beigewohnt.


MR. BIDDLE: Das habe ich Sie nicht gefragt. Was ich sagte war, wie die Vorschrift hinsichtlich des Stehens gelautet hat?


HOFFMANN: Es stand nur darin, daß angeordnet werden kann, daß der Betreffende sich während des Verhörs nicht setzt, sondern stehen muß.


MR. BIDDLE: Wie lange waren diese Verhöre? Wie lange dauerten sie?


HOFFMANN: Das stand nicht in dem Erlaß, aber...


MR. BIDDLE: Das habe ich Sie nicht gefragt. Wie lange dauerten die Verhöre?


HOFFMANN: Ja, sie dauerten natürlich unter Umständen sehr lange. Und nur so war ja das Stehenbleiben eine scharfe Maßnahme.

[202] MR. BIDDLE: War die Anzahl der Schläge, die verabfolgt werden durften, in dem Erlaß bestimmt? War angegeben, wie oft jemand mit dem Stock geschlagen werden durfte?


HOFFMANN: Soweit ich mich entsinne, durfte diese Maßnahme nur einmal bei dem Betreffenden durchgeführt werden, also nicht wiederholt werden. Und die Zahl der Stockschläge war meines Erachtens in dem Erlaß bestimmt.


MR. BIDDLE: Und dann wurde der Arzt gerufen?


HOFFMANN: Nein, ich glaube, es war so, wenn eine größere Anzahl der Schläge von vornherein vorgesehen war, mußte der Arzt sofort dabei sein.


MR. BIDDLE: Und was war die Höchstzahl der Schläge, die gegeben werden durfte? Erinnern Sie sich noch?


HOFFMANN: Soweit ich mich entsinne, 20. Das kann ich aber nicht genau sagen.


MR. BIDDLE: Und beide Anordnungen bezogen sich auf das ganze Reich, einschließlich der besetzten Gebiete, nicht wahr?


HOFFMANN: Jawohl.


MR. BIDDLE: Und die Anordnungen galten für Frankreich ebenso wie für Dänemark. War das so?


HOFFMANN: Ja, später. In dem zweiten Erlaß war die Genehmigung vom Chef der Sicherheitspolizei auf die Befehlshaber delegiert worden, 1942.


MR. BIDDLE: So konnte also später ein Kommandant Stockschläge anordnen, ohne mit dem Chef der Sicherheitspolizei in Verbindung zu treten?


HOFFMANN: Ja, seit 1942.


VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.


DR. MERKEL: Herr Präsident! Ich möchte nur eine kleine Richtigstellung anbringen... ein kleines Mißverständnis, das ich glaube, aufklären zu können. Das Gericht hat eben bei der Vernehmung des Zeugen von einem Kommandanten in den besetzten Gebieten gesprochen. Ich bitte, den Zeugen fragen zu dürfen, ob er darunter die Kommandeure der Sicherheitspolizei oder die Befehlshaber der Sicherheitspolizei meint. Das sind zwei gänzlich verschiedene Personen.


HOFFMANN: Soweit ich mich entsinnen kann, die Befehlshaber.


VORSITZENDER: Das ist alles. Danke schön.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Hoher Gerichtshof! Ich möchte im Anschluß an das Verhör des Gerichtshofs dem Zeugen noch eine Frage stellen. Ich glaube, der Zeuge sagte aus, daß im zweiten Erlaß keine Bestimmungen für Züchtigungen enthalten waren.

[203] Zeuge, habe ich Sie richtig verstanden?


HOFFMANN: Nein, ich habe gesagt, Stockschläge und... von jetzt ab noch weitere Maßnahmen, die aber in ihrer Art milder waren als die Stockschläge.


VORSITZENDER: Als ich kurze Notizen machte, hatte ich ihn so verstanden, daß er sagte, im zweiten Erlaß seien mildere Methoden vorgesehen gewesen, langes Stehen und Ermüdungsmethoden.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, Herr Präsident, so habe auch ich es verstanden, aber jetzt sehe ich, daß der Zeuge zugibt, daß beide Erlasse Stockschläge zuließen. Das ist alles, was ich feststellen wollte.


DR. MERKEL: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.


VORSITZENDER: Was wünschen Sie, Oberst Karev?


OBERST D. S. KAREV, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Die Sowjetische Anklage bittet um die Erlaubnis, einige neue Dokumente über die verbrecherische Tätigkeit der Gestapo vorlegen zu dürfen.


VORSITZENDER: Ja, sicher.


OBERST KAREV: Vor allem möchte ich dem Gerichtshof das Dokument USSR-258 vorlegen. Es enthält Auszüge aus einer Liste von Geiseln, die in Jugoslawien von der deutschen Polizei erschossen worden sind. Wenn der Gerichtshof dies für nötig hält, werde ich aus dem Dokument insgesamt zwei Sätze verlesen. Am Ende des ersten Abschnittes heißt es:

»Die Erschießungen erfolgen auf Entscheidung und Befehl der Chefs der Gestapo und des SD.«

Und dann möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs noch auf den zweiten Satz Punkt c) am Ende der zweiten Seite lenken, wo es heißt, daß

»... auf der Grundlage sonstiger Berichte, Listen, Todesprotokolle usw. in dieser Zeit die folgende Anzahl von Opfern festgestellt worden ist...«

Ich überspringe die detaillierte Aufzählung der Opfer und möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs nur auf die Tatsache lenken, daß im Jahre 1942 237 Personen erschossen oder gehängt worden sind, insgesamt mindestens 1575 Personen.

Weiter lege ich das Dokument USSR-465 vor. Es ist eine Bekanntmachung der deutschen Polizei über die Zerstörung einer [204] Reihe von Siedlungen in Slowenien und Erschießungen der männlichen Bevölkerung dieser Dörfer, weil sie die Partisanen unterstützt hatten. Ich werde die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auch hier nur auf zwei Sätze lenken, wo es heißt:

»Am 20. Juli 1942 wurden die Ortschaft Hrastnigg, ein Teil der Ortschaft Kanker und ein Teil der Ortschaft Savoden zerstört und dem Erdboden gleichgemacht, alle erwachsenen männlichen Dorfbewohner erschossen, die übrige Bevölkerung ausgesiedelt. Die Maßnahme erfolgte, weil sämtliche erwachsenen Dorfbewohner... die Banden unterstützt oder zumindest durch wohlwollendes passives Verhalten ihrem Treiben Vorschub geleistet haben.«

Noch ein Satz, am Ende des Dokuments: »Neben allen Maßnahmen, die hier durch die Gestapo vorgenommen wurden, mußte eine Anzahl von Zivilisten als Geiseln erschossen werden.«1

Das dritte Dokument ist USSR-416. Ich werde es nicht verlesen. Es ist eine Liste von jugoslawischen und alliierten Staatsangehörigen, zusammengestellt im Jahr 1938. Es stellt fest, daß die jugoslawischen Bürger häufig festgenommen wurden, ohne irgendeines Verbrechens angeklagt worden zu sein.

Neben allen diesen 4000 Namen stand ein Vermerk, ob die Gestapo für die Verhaftung die Verantwortung trug oder eine andere Behörde – das Reichssicherheitshauptamt.

Dieses Dokument wurde in den Archiven der Gestapo in Jugoslawien erbeutet.

Das vierte Dokument ist USSR-418. Es ist die Abschrift eines in Jugoslawien erbeuteten deutschen Polizeibefehls, der die Anordnung Himmlers enthält, »alle diejenigen Elemente, die im Hinblick auf die Tragik der Besatzung Stalingrads... Freude zeigen, sofort festzunehmen und einem KL zu überstellen«.

Ich glaube, Herr Vorsitzender, daß ich es nicht zu zitieren brauche.

Das nächste Dokument ist USSR-71. Es ist sehr kurz und besteht aus einem Telegramm der deutschen Polizei, das sich auf diplomatische Beamte, Attachés, diplomatische Kuriere, Konsuln und so weiter bezieht. Es ist einen Tag vor der deutschen Kriegserklärung an oder der Invasion in Jugoslawien datiert und stellt schon an sich eine Verletzung des Völkerrechts dar. Vom gleichen Thema handelt das Dokument USSR-316, betreffend die Ausdehnung dieses Telegramms auf diplomatische Kuriere, Konsuln und so weiter.

Das letzte Dokument USSR-518 bezieht sich auf eine Aussage des Generalleutnants der deutschen Wehrmacht Krappe, die unter [205] anderem feststellt, daß die Gestapo einen ihrer eigenen Leute getötet habe zu dem Zwecke der Geheimhaltung und daß daraufhin eine Untersuchung vor dem Vorgesetzten stattgefunden habe.

Das sind alle Dokumente, die ich dem Gerichtshof vorlegen möchte. Wenn der Gerichtshof gestattet, möchte ich noch die Nummern einiger anderer bereits vorgelegter USSR-Beweisstücke angeben, die sich mit der verbrecherischen Tätigkeit der Gestapo beschäftigen. Die Dokumente sind in anderem Zusammenhang vorgelegt worden, aber im Zusammenhang mit der Gestapo ist ihnen bisher noch nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden. Kann ich sie vorlegen, oder hält der Gerichtshof das nicht für erforderlich?

VORSITZENDER: Handelt es sich um Dokumente, die bereits vorgelegt worden sind?

OBERST KAREV: Diese Dokumente sind zwar vorgelegt und angenommen worden, aber nicht in Bezug auf die Gestapo, sondern im Zusammenhang mit, anderen Fragen, und deshalb möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf einige Auszüge lenken, die bisher übergangen wurden, obwohl die Dokumente an sich dem Gerichtshof bei anderer Gelegenheit vorgelegt worden sind.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie die Dokumente am besten dann vorlegen, wenn die Anklage über diesen Fall argumentiert, wenn es Dokumente sind, die bereits vorgelegt wurden.


OBERST KAREV: Jawohl, ich danke Ihnen, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Nun kann sich der Zeuge zurückziehen.


[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


Haben Sie alle Ihre Zeugen gehört?

DR. MERKEL: Jawohl, Herr Präsident. Wenn ich den Herrn Präsidenten richtig verstanden habe, dann soll der Urkundenbeweis erst nach Abschluß sämtlicher Zeugenvernehmungen sämtlicher Organisationen stattfinden.

VORSITZENDER: Ja. Der Zweck ist, daß dann alle Dokumente gemeinsam behandelt werden können, da jetzt nicht alle Dokumente zur Verfügung stehen. Wir fahren jetzt fort und kommen zur nächsten Organisation.


DR. MERKEL: Ich bitte, nur noch eines... Ich darf mich doch in meinem Urkundenbeweis zu den erst jetzt neu vorgelegten Dokumenten der Anklage äußern und eventuell Gegenbeweise gegen sie einführen. Es betrifft die Dokumente, die heute neu eingeführt wurden.

VORSITZENDER: Wenn Sie sagen: Gegenbeweis, so meinen Sie die Dokumente kritisieren und über sie argumentieren, nehme ich an?


[206] DR. MERKEL: Argumentieren und eventuell durch irgendwelche neue eidesstattliche Versicherungen oder auch Urkunden einen Gegenbeweis führen, gegen die heute neu vorgelegten Urkunden.


VORSITZENDER: Der Zeitpunkt für Sie, einen Gegenbeweis zu führen, wie Sie sagen, oder über die Dokumente zu argumentieren, die die Anklagebehörde heute vorgelegt hat, wird in Ihrem Schlußplädoyer sein. Am Ende der mündlichen Beweisaufnahme für die Organisationen werden alle Organisationen ihr Beweismaterial vorlegen und kurze Kommentare abgeben, dann werden sie Zeit haben, über den ganzen Fall zu argumentieren, dann können auch Sie über die heute vorgelegten Dokumente argumentieren und einen Gegenbeweis führen, wie Sie sagen.


DR. MERKEL: Ich danke.


VORSITZENDER: Ich rufe den Verteidiger für den Sicherheitsdienst. Wollen Sie bitte Ihre Zeugen jetzt rufen?


DR. GAWLIK: Ich habe vor der Kommission sieben Zeugen vernommen. Die Protokolle habe ich noch nicht vollständig, und werde sie nachreichen. Mit Genehmigung des Gerichts rufe ich den Zeugen Hoeppner.


[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wollen Sie uns Ihren vollen Namen angeben.

ZEUGE ROLF HEINZ HOEPPNER: Rolf Heinz Hoeppner.


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir den folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. GAWLIK: Ich stelle zunächst einige einleitende Fragen, um zu beweisen, daß der Zeuge die notwendige Kenntnis zur Beantwortung der Beweisthemen hat.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wann sind Sie geboren?

HOEPPNER: Am 24. Februar 1910.

DR. GAWLIK: Seit wann gehören Sie dem SD an?


HOEPPNER: Seit Anfang 1934.


DR. GAWLIK: Welche Tätigkeit haben Sie vorher ausgeübt?


HOEPPNER: Ich habe vorher studiert und juristischen Vorbereitungsdienst abgeleistet.


[207] DR. GAWLIK: Welche juristischen Examen haben Sie bestanden?


HOEPPNER: Ich habe das erste und das zweite juristische Staatsexamen bestanden.


DR. GAWUK: Welches war Ihre Dienststellung im SD?


HOEPPNER: Ich war zunächst ehrenamtlicher Mitarbeiter und Referent in einem Oberabschnitt, später Stabsführer in einem Leitabschnitt, dann Abschnittsführer und zum Schluß Gruppenleiter im Reichssicherheitshauptamt.


DR. GAWLIK: Welche Gruppe haben Sie geleitet?


HOEPPNER: Ich habe die Gruppe III A, Rechtsverwaltung und Volksleben, geleitet.


DR. GAWLIK: Welche sonstigen Aufgabengebiete haben Sie beim SD bearbeitet?


HOEPPNER: Ich habe am Anfang während meiner ehrenamtlichen Tätigkeit das Gebiet der Presse bearbeitet. Später Personal- und Organisationsfragen, und als Stabsführer und Abschnittsführer war ich verantwortlich für das volle Aufgabengebiet des Sicherheitsdienstes in meinem Bereich.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zu meinem ersten Beweisthema. Ich will beweisen, daß der SD als Nachrichtenorganisation und die SS-Formation als SD völlig getrennte Organisationen waren.


[Zum Zeugen gewandt:]


Was bedeutet die Abkürzung SD?

HOEPPNER: Die Abkürzung SD bedeutet Sicherheitsdienst.

DR. GAWLIK: Welche verschiedenen Bedeutungen hatte das Wort?


HOEPPNER: Das Wort Sicherheitsdienst hat zwei vollkommen verschiedene Bedeutungen. Es bedeutet einmal die SS-Sonderformation SD, und es bedeutet zum zweiten den Sicherheitsdienst als Nachrichtendienst.


DR. GAWLIK: Wurde auch der Auslandsnachrichtendienst als SD bezeichnet?


HOEPPNER: Jawohl, man bezeichnete ihn auch als SD, und zwar als SD-Ausland.


DR. GAWLIK: Wurde auch das Amt VII als SD bezeichnet?


HOEPPNER: Jawohl.


DR. GAWLIK: Womit beschäftigte sich das Amt VII?


HOEPPNER: Das Amt VII beschäftigte sich mit Archivfragen, mit Bibliothekfragen, und hatte meines Wissens eine Reihe von wissenschaftlichen Sonderaufträgen.


[208] DR. GAWLIK: War der SD als SS-Formation etwas völlig Verschiedenes vom SD-Inlandsnachrichtendienst und dem SD-Auslandsnachrichtendienst?


HOEPPNER: Jawohl.


DR. GAWLIK: Wem unterstand die Sonderformation SD der SS?


HOEPPNER: Die Sonderformation SD der SS unterstand dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD.


DR. GAWLIK: Wer gehörte dieser Sonderformation an?


HOEPPNER: Dieser Sonderformation gehörten erstens die Angehörigen des Sicherheitsdienstes als Nachrichtendienst an, die aus der Allgemeinen SS kamen. Dieser Sonderformation gehörten zweitens diejenigen an, die, nachdem sie in diesem Nachrichtendienst arbeiteten, in das Amt VII aufgenommen wurden, und drittens gehörten dieser Sonderformation die SS-Angehörigen der Sicherheitspolizei, also der Staatspolizei und Kriminalpolizei, an und schließlich auch noch viertens die Angehörigen von Formationen, die mit dieser Sicherheitspolizei in einer gewissen arbeitsmäßigen Verbindung standen.


DR. GAWLIK: Gehörten auch andere Personen dieser Sonderformation an, die nicht bei der Sicherheitspolizei oder beim Sicherheitsdienst tätig waren?


HOEPPNER: Jawohl, ich meinte damit die soeben genannte vierte Gruppe, die in der SS aufgenommen wurde als Zollgrenzschutz.


DR. GAWLIK: Hatte dieser Zusammenschluß von Personen irgendeine gemeinsame Aufgabe?


HOEPPNER: Nein, es handelte sich bei diesem Zusammenschluß von Personen lediglich darum, daß er zunächst im SD-Hauptamt und später, nachdem im September 1939 das Reichssicherheitshauptamt gegründet war, in Amt I dieses Reichssicherheitshauptamtes registriert war.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr...


VORSITZENDER: Das Licht leuchtet immer wieder auf. Wollen Sie bitte zwischen Fragen und Antworten Pausen machen.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum zweiten Beweisthema. Dem Verhältnis zwischen Inlandsnachrichtendienst, Amt III, Auslandsnachrichtendienst, Amt VI, und Amt VII.

Handelte es sich bei den Ämtern III, VI und VII um verschiedene oder um eine einheitliche Organisation des SD?


HOEPPNER: Es handelte sich um verschiedene Organisationen. Ich darf vielleicht das mit einigen Worten begründen. Erstens waren die Aufgabengebiete dieser drei Ämter völlig verschieden. Das [209] Amt III beschäftigte sich mit dem Nachrichtendienst im Inland, das Amt VI mit dem Nachrichtendienst im Ausland und das Amt VII mit Bibliothek- und Archivfragen. Zweitens war die Organisation eine völlig verschiedene. Beim Amt III, Inlandsnachrichtendienst, lag der Hauptwert der Organisation erstens in der Außenstelle und im Abschnitt. Die Arbeitsmethode war also dezentralisiert. Ich darf das vielleicht mit einigen Worten begründen: Beim Amt VI Auslandsnachrichtendienst handelte es sich um eine starke Zentralisierung der Aufgabe. Das Amt VII hatte überhaupt nur eine Zentrale.


DR. GAWLIK: Bestand zwischen diesen Ämtern III, VI und VII eine feststellbare Verbindung mit einem allgemeinen gemeinsamen Zweck?


HOEPPNER: Nein, dazu waren die Ziele dieser Ämter viel zu verschieden. Die Angehörigen der Ämter hatten kaum Verbindung miteinander.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum dritten Beweisthema, die Entwicklung des SD bis zur Errichtung des Reichssicherheitshauptamtes, insbesondere zu der Frage, ob es während dieser Zeit zu den Aufgaben des SD gehörte, mit anderen an einer gemeinsamen Planung und Verschwörung zusammenzuwirken. Wann ist der SD-Inlandsnachrichtendienst gegründet worden?


HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst ist gegründet worden 1931/1932.


DR. GAWLIK: Hatte der SD in der Zeit seit seiner Gründung bis zur Beendigung des Krieges dieselben Aufgaben, dasselbe Ziel und die gleiche Tätigkeit?


HOEPPNER: Das kann man in keiner Weise sagen. Die Aufgaben und Ziele haben sich sogar sehr stark geändert je nach der politischen Konstellation. Während der Sicherheitsdienst bis etwa 1933, Anfang 1934 die Aufgabe hatte, der Allgemeinen SS zu helfen, wurde dieser Aufgabe der Boden entzogen, nachdem die Parteien, mit denen die Nationalsozialistische Partei konkurriert hatte, aufgelöst waren, es also eine legale konkurrierende Partei nicht mehr gab und die Bekämpfung beziehungsweise Beobachtung oder Abwehr eines illegalen Gegners Aufgabe der Geheimen Staatspolizei wurde.


DR. GAWLIK: Welche Zeitabschnitte sind von der Gründung bis zur Beendigung des Krieges zu unterscheiden?


HOEPPNER: Von einem Zeitabschnitt sprach ich soeben schon, von dem von 1931 bis etwa 1933/1934. Der zweite Zeitabschnitt begann 1934. Ich möchte als ein Ereignis oder besser vielleicht als Dokument von besonderer Bedeutung an den Beginn den Auftrag des Stellvertreters des Führers setzen, daß der Sicherheitsdienst...


[210] DR. GAWLIK: Herr Zeuge! Geben Sie zunächst nur die Zeitabschnitte an. Ich werde Sie dann zu den einzelnen Zeitabschnitten kurz fragen.


HOEPPNER: Der erste Zeitabschnitt war von 1931 bis 1934, der zweite von Mitte 1934 bis zur Errichtung des Reichssicherheitshauptamtes, und der dritte umfaßt die Zeit von der Errichtung des Reichssicherheitshauptamtes bis Kriegsende.


DR. GAWLIK: Welches war das Ziel, die Aufgabe und die Tätigkeit des SD in der Zeit von 1931 bis

1934?

HOEPPNER: Die Aufgabe des Sicherheitsdienstes von 1931 bis 1934 war die, einer Gliederung der Partei, nämlich der SS, bei ihrer Aufgabe, dem Führerschutz und dem Versammlungsschutz, dadurch zu helfen, daß dieser SS durch Nachrichtendienst bei den konkurrierenden gegnerischen Parteien möglichst viele Mitteilungen darüber gegeben werden konnten, welche Maßnahmen von seiten der anderen Parteien geplant waren, ob also Redner überfallen werden sollten, ob irgendwelche Versammlungen gefährdet waren und so weiter.


DR. GAWLIK: War der SD in dieser Zeit bereits unter seinem Führer Heydrich zu einem mächtigen, fachlich gründlich ausgebildeten Spionagesystem ausgebaut?

Herr Präsident! Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite VIII B der englischen Ausgabe hinweisen, VIII B oben, Zeile 1 und 2.


[Zum Zeugen gewandt:]


Bitte beantworten Sie die Frage.

HOEPPNER: Bei der Beantwortung dieser Frage muß ich davon ausgehen, was ich bei meinem Eintritt in den Sicherheitsdienst Anfang 1934 in dieser Richtung selbst gesehen habe und was mir damals und später von Kameraden aus der Zeit vorher berichtet worden ist. Es handelte sich bei dem Sicherheitsdienst vor dem 30. Januar 1933 um eine ganz kleine Einrichtung, die kaum mehr als 20 bis 30 hauptamtliche und nicht viel mehr ehrenamtliche Angehörige hatte, bei denen man von einer zentralen Steuerung oder einer fachlichen Ausbildung – so daß man von einem wirklichen Spionagenetz sprechen könnte – überhaupt nicht ausgehen kann.

DR. GAWLIK: Sie sprachen von 20 bis 25 hauptamtlichen Angehörigen, für welches Gebiet?


HOEPPNER: Für das gesamte deutsche Reichsgebiet.


DR. GAWLIK: Gab es sonstige Angehörige, ehrenamtliche?


HOEPPNER: Die Zahl der ehrenamtlichen Angehörigen war nicht viel größer.


[211] DR. GAWLIK: Hatten die Angehörigen des SD eine allgemeine und gemeinsame Vereinbarung getroffen, sich an Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Kriegsgesetze und gegen die Menschlichkeit zu beteiligen?


HOEPPNER: Nein, sie hatten lediglich, wenn man überhaupt von einer Vereinbarung sprechen kann – da sie sich ja kaum kannten – die Absicht, der legal um die Macht kämpfenden Partei dadurch zu helfen, daß sie die konkurrierenden gegnerischen Parteien abwehrten.


DR. GAWLIK: Verfolgten die Angehörigen des Sicherheitsdienstes in den Jahren 1933 und 1934 den Zweck, irgendwelche Personen zu unterstützen, die einen allgemeinen und einen gemeinsamen Plan zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Kriegsgesetze oder die Menschlichkeit gefaßt hatten?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: War von einem derartigen Plan in den Jahren 1931 bis 1934 bei den Angehörigen des SD irgend etwas bekannt?


HOEPPNER: Ich glaube, es ging da den Angehörigen des Sicherheitsdienstes nicht viel anders als dem weitaus überwiegenden Teil des deutschen Volkes. Es war nichts bekannt.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zu dem zweiten Zeitabschnitt. Welches war das Ziel und die Aufgabe des SD während des Zeitabschnitts von 1934 bis zur Gründung des Reichssicherheitshauptamtes im Jahre 1939?


HOEPPNER: Nachdem eine legale konkurrierende Partei nicht mehr vorhanden war, es also lediglich einen illegalen politischen Gegner gab, dessen Bekämpfung, wie ich bereits sagte, Aufgabe der aus den politischen Polizeiabteilungen hervorgegangenen Staatspolizei war, mußte sich die Aufgabe des Sicherheitsdienstes ändern. Sie änderte sich zunächst in der Weise, daß andere weltanschauliche Erscheinungsformen und politische Erscheinungsformen, andere weltanschauliche Gruppen...


DR. GAWLIK: Herr Zeuge! Vielleicht können Sie kürzer die Aufgaben und Ziele angeben?


HOEPPNER: Also, etwa um ein paar Beispiele zu nennen, Freimaurer, Marxisten, Juden, daß diese Gruppen in einer mehr wissenschaftlichen und statistischen Methode erfaßt wurden und daß der Partei Material für Schulung und sonstige Aufgaben zugeführt wurde. Das war auch der letzte Sinn des Auftrags, der Partei einziger politischer Unterrichts- und Abwehrdienst zu werden, von Juli 1934 etwa, was im übrigen nie eingetreten ist, da es noch eine Unmasse von Informationsdiensten, Informationsquellen in der Partei bis zum Schluß weiter gegeben hat. Auch [212] diese Aufgabe, mehr forschungsmäßig mit anderen weltanschaulichen Erscheinungsformen mit politischen Gruppen zu arbeiten, war nicht von Beständigkeit, da sich nach kurzer Zeit herausstellte, daß auch diese Forschungsarbeit in das Aufgabengebiet der Geheimen Staatspolizei gehörte, weil sich eine derartige Gegnerforschung auf die Dauer nicht trennen läßt von der Exekutive, von den Erfahrungen der täglichen Vernehmungen und so weiter. Diese Aufgaben änderten sich deshalb mit einer ganz klaren Aufgabenteilung zwischen Sicherheitsdienst und Staatspolizei, die Mitte 1933 begann und insbesondere 1939 durchgeführt wurde und im wesentlichen mit der Errichtung des Reichssicherheitshauptamtes im September 1939 beendet war. Nach dieser Aufgabentrennung wäre die sicherheitsdienstliche Aufgabe überhaupt erledigt gewesen, wenn sich nicht aus diesem Sicherheitsdienst heraus, beginnend mit dem sogenannten geistigen SD, 1933/1934 über ein Sonderreferat Kultur und eine Zentralabteilung Lebensgebiet Nachrichtendienst... Ich sagte, daß sich aus diesem Sicherheitsdienst heraus die ganz eigene Aufgabe für den Inlandsnachrichtendienst entwickelt hatte, nämlich die Aufgabe, die Lebensgebiete des deutschen Volkes nach den Entwicklungen zu untersuchen und über die volle Entwicklung die Führungsstellen zu unterrichten.


VORSITZENDER: Wie ich schon den anderen Anwälten gesagt habe: Wir mochten nicht, daß die Zeugen genau dieselben Gebiete behandeln, die sie schon vor der Kommission behandelt haben.

Diese Aussagen haben wir ja vor uns. Wir möchten nur, daß Sie die Zeugen vorführen, damit wir sehen, welche Glaubwürdigkeit ihnen beigemessen werden kann, und um besonders wichtige oder neue Gegenstände zu behandeln, die vor der Kommission noch nicht erörtert worden sind.

Es hat den Anschein, als ob dieser Zeuge genau dieselben Gebiete behandelt, die er bereits sehr ausführlich vor der Kommission behandelt hat. Es wird einfach zweimal dasselbe getan.


DR. GAWLIK: Ich habe das so aufgefaßt, Herr Vorsitzender, daß ich das, was vor der Kommission länger als in zwei Tagen verhandelt worden ist, nun kurz noch einmal im Ergebnis zusammenfasse. Und so ist es ja auch. Ich bringe jetzt nun... Der Zeuge ist vor der Kommission zwei Tage vernommen worden, und ich werde das jetzt vielleicht in einer bis eineinhalb oder zwei Stunden bringen. Aber ich glaubte, daß gerade die verschiedene Zielsetzung des Sicherheitsdienstes In den einzelnen Jahren für das Hohe Tribunal von Interesse ist.


VORSITZENDER: Gut, wollen Sie dann versuchen, die Zusammenfassung in vernünftigen Grenzen zu halten?


DR. GAWLIK: Jawohl, Herr Präsident!


[213] [Zum Zeugen gewandt:]


Was können Sie über die Bedeutung der SD-Arbeit in dieser Zeit sagen?

HOEPPNER: Die SD-Arbeit in dieser Zeit war fast ohne jede Bedeutung. Es handelte sich zunächst um ein Suchen der eigentlichen Aufgabe, um ein Herstellen des Nachrichtennetzes, um das Suchen des notwendigen Grundlagematerials; insbesondere ist wesentlich, daß der Sicherheitsdienst in dieser Zeit nach außen kaum hervortrat.

DR. GAWLIK: Von der Anklagebehörde ist vorgetragen worden, daß die SS und auch der SD eine Elitegruppe der Partei gewesen sei – die draufgängerischsten Anhänger der Nazi-Sache –, die die Verpflichtung zur blinden Ergebenheit für die Nazi-Prinzipien übernahm und bereit gewesen sei, diese, ohne lange zu fragen, auszuführen, was es auch kosten möge. Ich bitte, in diesem Zusammenhange auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite VII A, B hinweisen zu dürfen.

Ich frage Sie, Herr Zeuge, sind die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des SD nach diesen Grundsätzen ausgesucht worden?


HOEPPNER: Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sind danach ausgesucht worden, daß sie fachlich etwas konnten und daß sie charakterlich ordentliche Männer waren.


DR. GAWLIK: Beantworten Sie mir zuerst die Frage mit Ja oder Nein.


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Und geben Sie bitte jetzt die Begründung.


HOEPPNER: Ich sagte bereits, daß die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter danach ausgesucht worden sind, daß sie fachlich etwas konnten und charakterlich in Ordnung waren. Es war weder für die haupt-noch für die ehrenamtliche Mitarbeit Voraussetzung, daß jemand Parteigenosse oder daß er etwa SS-Angehöriger war.


DR. GAWLIK: Hat der SD Dinge getan, für die keine Regierungsstelle oder politische Partei, selbst nicht die Nazi-Partei, öffentlich die volle Verantwortung tragen wollte?

Ich bitte, die Aufmerksamkeit des Gerichts hierbei auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite 7, Absatz 2, lenken zu dürfen.


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Arbeitete der SD in der Zeit, die Sie schilderten, von der Gründung bis 1939 hinter den Kulissen und ganz im geheimen?


HOEPPNER: Nein, man könnte eine ganze Reihe von Beispielen anführen. Erstens trugen die hauptamtlichen Angehörigen Uniform. [214] Sie hatten das Zeichen SD auf dem Ärmel. Die Dienststellen waren beschildert, standen im Telephonbuch und so weiter.


DR. GAWLIK: Hatten die Angehörigen des SD während des Zeitabschnitts von 1934 bis 1939 eine allgemeine und gemeinsame Vereinbarung getroffen, sich an Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Kriegsgesetze oder gegen die Menschlichkeit zu beteiligen?


HOEPPNER: Nein.


VORSITZENDER: Es wäre jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für eine Unterbrechung.


[Pause von 10 Minuten.]


DR. GAWLIK: Haben die Angehörigen des SD während der Zeit von 1934 bis 1939 das Ziel und die Aufgabe verfolgt, irgendwelche Personen zu unterstützen, die einen allgemeinen und gemeinsamen Plan zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, die Kriegsgesetze und gegen die Menschlichkeit gefaßt hatten?

HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Bestand eine derartige Unterstützung auch nicht dadurch, daß der SD durch Erlangung von Auskünften über tatsächliche und mögliche Gegner der Nazi-Führung zur Vernichtung und Unschädlichmachung der Opposition beitrug?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Können Sie die Frage beantworten und begründen?


HOEPPNER: Jawohl.


DR. GAWLIK: Aber bitte ganz kurz.


HOEPPNER: Es war die Aufgabe des Sicherheitsdienstes, Fehlentwicklungen auf den Lebensgebieten nachzugehen. Einzelfälle waren Beispiele. Es war nicht die Aufgabe, gegen einzelne Personen Verfahren bei irgendwelchen anderen Dienststellen einzuleiten.

DR. GAWLIK: Mußte nicht die Stimmungsberichterstattung und die Berichterstattung auf den Lebensgebieten, insbesondere seit der Rheinlandbesetzung bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges, die Angehörigen des SD davon überzeugen, daß in Deutschland alles den Krieg erwartete?


HOEPPNER: Ganz im Gegenteil...


DR. GAWLIK: Bitte beantworten Sie zuerst die Frage mit Ja oder Nein.


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Geben Sie jetzt bitte die Begründung.


HOEPPNER: Ich sagte schon, ganz im Gegenteil. Es hat in dieser Zeit kaum jemand in Deutschland gegeben, der einen Krieg erwartete und gerade die Lageberichterstattung auf den Lebensgebieten, [215] etwa auf den Gebieten der Ernährung, Wirtschaft und Industrie hat zwar gezeigt, daß eine Rüstung in einem beschränkten Umfang im Anrollen war, hat aber in keinem Umfang... hat aber in keiner Weise Anhaltspunkte dafür gegeben, daß auf einen Angriffskrieg hingearbeitet wurde.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum Verhältnis des SD zur SS. War der SD immer ein untrennbarer und wichtiger Teil der SS?

Ich beziehe mich hierbei auf das Protokoll vom 9. Dezember, wo dies von der Anklagebehörde vorgetragen worden ist. Bitte beantworten Sie meine Frage.


HOEPPNER: Nein. Zur Begründung möchte ich dazu folgendes sagen: Nachdem die Aufgabe für die SS, den Versammlungsrednern und zum Führerschutz zu helfen, erledigt war, ist die neue Aufgabe, völlig unabhängig von der SS, auch unabhängig vom Reichsführer-SS, aus dem eigenen Mitarbeiterstab des Sicherheitsdienstes herausgebildet und weiterentwickelt worden.


DR. GAWLIK: Die Anklagebehörde hat weiter vorgetragen, die Allgemeine SS sei die Grundlage, die Hauptwurzel gewesen, aus der die verschiedensten Zweige hervorwuchsen.

Nehmen Sie dazu im Hinblick auf den Inlandsnachrichtendienst Stellung.


HOEPPNER: Das kann für den Inlandsnachrichtendienst schon deshalb nicht gelten, weil etwa nur zehn Prozent der hauptamtlichen Mitarbeiter aus der Allgemeinen SS hervorgegangen sind, und weil mindestens 90 Prozent der sämtlichen ehrenamtlichen Mitarbeiter und der Vertrauensmänner des SD der SS weder angehört haben, noch ihr angehören wollten, noch ihr, vom Apparat aus gesehen, angehören sollten.


DR. GAWLIK: Gab es in der SS ein einheitliches Oberkommando, unter dem die einzelnen Hauptämter gemeinsam operierten oder in der Weise automatisch zusammenwirkten, daß jeder Zweig der SS eine bestimmte Spezialaufgabe im Rahmen des Ganzen erfüllte? Ich beziehe mich hierbei auf das Protokoll vom 19. Dezember 1945. Nehmen Sie hierzu Stellung.


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Geben Sie eine Begründung.


HOEPPNER: Die einzige institutionelle Gesamtverkörperung der SS war der Reichsführer-SS. Die Hauptämter, die unter ihm standen, waren in keiner Weise ein Oberkommando. Sie vertraten nach außen in gleichen Fragen verschiedene Standpunkte, sie konkurrierten miteinander, sie waren oft auch eifersüchtig aufeinander. Es war auch nicht so, daß jedes dieser Hauptämter irgendwie einen Zweig dargestellt hätte, der für das Ganze notwendig war, weil sich ihre Aufgaben, ihre Zuständigkeiten überschnitten. So waren zum [216] Beispiel für Volkstumsfragen vier bis fünf Hauptämter mitverantwortlich, und es war nicht möglich, obwohl gerade vom Reichssicherheitshauptamt aus der Vorschlag gemacht wurde, die Zuständigkeit eines Amtes herbeizuführen. Es gab unter diesen verschiedenen Hauptämtern auch kein Führungsamt. Das sogenannte Führungshauptamt hatte lediglich Funktionen der Waffen-SS zu erfüllen. Wenn irgendein Amt diese Führung beansprucht hätte, wären die anderen sofort dagegen aufgestanden.


DR. GAWLIK: Welchen Einfluß hatte Himmler auf die Entwicklung der Aufgaben des Inlandsnachrichtendienstes gehabt?


HOEPPNER: Himmler hat einen positiven Einfluß auf die Entwicklung der eigentlichen Lebensgebietaufgaben des Inlandsnachrichtendienstes nicht gehabt. Die Aufgabe hat sich aus dem Amt heraus entwickelt, sie hatte sich auch ebensogut an einer ganz anderen Stelle entwickeln können, und es hat sogar eine ganze Reihe von Fällen gegeben, wo die Aufgabe dadurch, daß sie an einen Mann gebunden war, der in der Führung einer unter mehreren war, daß die Aufgabe dadurch gelitten hat, weil es nicht immer möglich war, Berichte über den Reichsführer hinweg an die Stellen zu bringen, an die sie kommen sollten.


DR. GAWLIK: Zum Nachweis eines einheitlichen Willens, einer planmäßigen Verbindung zwischen SD und SS hat sich die Anklagebehörde insbesondere auf das Buch von Dr. Best: »Die Deutsche Polizei« und auf die Rede Himmlers über die Organisation und Ziele der SS und Polizei berufen. Es handelt sich hierbei um die Dokumente 1852-PS und 1992-PS. Ist Ihnen das Buch von Dr. Best und ist Ihnen die Rede von Himmler über die Organisation und Ziele der SS und Polizei bekannt?


HOEPPNER: In großen Zügen, ja.


DR. GAWLIK: Nehmen Sie dazu Stellung, ob in dem Buch von Dr. Best und in der Rede von Himmler das Verhältnis von SS und SD richtig wiedergegeben wird.


HOEPPNER: Es handelt sich bei dieser Frage im wesentlichen um die Klärung des Begriffes, der in verschiedenen Reden und Veröffentlichungen mit Staatsschutzkorps bezeichnet worden ist. Dieser Staatsschutzkorps-Gedanke ist von Himmler und Heydrich sehr früh, etwa seit 1936, vertreten worden. Er hat seinen Inhalt gewandelt, er ist aber, obwohl er immer wieder in Reden auftauchte, in Wirklichkeit niemals durchgeführt worden, sondern die einzelnen Teile dieses von Himmler so genannten Staatsschutzkorps haben sich selbständig entwickelt, haben sich selbständig entfaltet, sind keine Einheit gewesen, so daß man hier davon sprechen kann, daß es zwar der Wunsch Himmlers gewesen ist, dieses Staatsschutzkorps zu bilden, daß es aber zu einer tatsächlichen Durchsetzung dieser Gedanken nicht gekommen ist.


[217] DR. GAWLIK: Hatten die Höheren SS- und Polizeiführer auch über den SD Befehlsgewalt, und hatten sie die Tätigkeit des SD zu überwachen? Ich beziehe mich hierbei auf den Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD, Seite 12 der englischen Ausgabe, und auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite 12 der englischen Ausgabe.


HOEPPNER: Die Höheren SS- und Polizeiführer hatten weder Befehlsgewalt, noch hatten sie den Sicherheitsdienst zu überwachen. Sie waren in ihren Bereichen lediglich Repräsentanten des Reichsführers, ohne daß sie irgendwie eine sachliche oder disziplinäre Zuständigkeit über den Sicherheitsdienst hatten. Versuche in dieser Richtung sind im Zusammenhang mit dem vorhin erwähnten Staatsschutzkorps-Gedanken gemacht worden, sind aber gerade vom Inlandsnachrichtendienst aus abgewehrt worden.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum Verhältnis des SD zur Partei. Wie war das organisatorische Verhältnis zwischen dem Inlandsnachrichtendienst und der politischen Leitung der NSDAP?


HOEPPNER: Der Inlandsnachrichtendienst war zwar eine Einrichtung der Partei, aber er gehörte nicht der Organisation der Politischen Leiter an. Ein organisatorischer Zusammenhang bestand also nicht. Die eigentliche und letzte Aufgabe des Inlandsnachrichtendienstes ist ihm auch nicht von der Partei gegeben worden. Der von der Partei gegebene Auftrag war, wie ich vorhin bereits erwähnte, im wesentlichen in den Jahren 1938/1939 erledigt.


DR. GAWLIK: Hatte der SD die Aufgabe, die Nazi-Führung an der Macht zu erhalten?


HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hatte die Aufgabe...


DR. GAWLIK: Können Sie die Frage zuerst mit Ja oder Nein beantworten?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Geben Sie bitte jetzt die Begründung.


HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hatte eine andere Aufgabe. Der Sicherheitsdienst hatte die Aufgabe, die Auswirkung von Maßnahmen der Führung von Staat, Partei, Wirtschaft, von Selbstverwaltungskörperschaften zu beobachten, festzustellen, was das Volk dazu sagte, ob diese Auswirkungen positiv oder negativ waren und dann die Führung über das, was er erfahren hatte, zu unterrichten.


DR. GAWLIK: War der Inlandsnachrichtendienst der Spionagedienst der NSDAP? Ich beziehe mich hierbei auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite 8 a und 8b der englischen Ausgabe.


HOEPPNER: Nein. Erstens war der Sicherheitsdienst überhaupt kein Spionagedienst, zweitens hat er seine Berichte an sämtliche [218] Führungsstellen gegeben, nicht nur an die Partei, sondern auch an die Führungsstellen des Staates.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum nächsten Beweisthema, zu dem Verhältnis des SD zur Gestapo. Waren Gestapo und SD ein immer enger werdendes einheitliches Polizeisystem?

Ich beziehe mich hierbei auf den Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD. In welchem Zusammenhang standen die Organisationen Gestapo und SD hinsichtlich der Ziele, Aufgaben, Tätigkeiten und Methoden?


HOEPPNER: Zunächst die erste Frage: Es handelte sich nicht um ein einheitliches Polizeisystem, da Sicherheitsdienst und Polizeisystem überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Sicherheitsdienst und Geheime Staatspolizei waren zwei vollständig verschiedene Organisationen. Während sich der Sicherheitsdienst aus einer Gliederung der Partei heraus entwickelt hatte, war die Geheime Staatspolizei die Fortsetzung einer bereits bestehenden staatlichen Einrichtung.

Während der Sicherheitsdienst seine Ziele und seine Aufgabe darin sah, einen Überblick auf Lebensgebieten oder über bestimmte Tätigkeitsformen anderer weltanschaulicher Gruppen zu finden, den Einzelfall als System und Beispiel ansah, war die Aufgabe der Geheimen Staatspolizei, auf Grund von gegebenen Gesetzen, Verordnungen, Erlassen und so weiter sich gerade um den Einzelfall zu bekümmern, vorbeugend oder nachfolgend in Polizeiexekutive, die Fortsetzung einer bereits bestehenden staatlichen Einrichtung. Während die Geheime Staatspolizei mit Exekutivmitteln, wie Vernehmung, Beschlagnahme und so weiter arbeitete, hatte der Sicherheitsdienst zu keiner Zeit eine Exekutive.


DR. GAWLIK: Hatte der SD die Aufgabe, die Sicherheitspolizei zu unterstützen, wie dies in Erlassen und anderen Verlautbarungen, insbesondere im Runderlaß vom 11. November 1938 – ich beziehe mich hierbei auf das Dokument 1638-PS – zum Ausdruck gebracht worden ist?


HOEPPNER: Nein, das ist mißverständlich ausgedrückt. Ich darf vielleicht zu dem Runderlaß vom 11. November 1938 mit einigen Worten Stellung nehmen:

Es handelt sich bei diesem Runderlaß darum, daß zum erstenmal eine Vereinbarung zwischen dem Sicherheitsdienst und einer staatlichen Dienststelle geschlossen wurde. Der Hauptzweck dieser Vereinbarung war, daß der Sicherheitsdienst damit von einer staatlichen Dienststelle offiziell nach außen anerkannt wurde...


DR. GAWLIK: Langsamer.


[219] HOEPPNER:... und daß Beamte, die in ihm mitarbeiteten, nicht, wie es bis dahin wiederholt geschehen war, auf Grund dieser Mitarbeit etwa wegen Bruches ihrer Schweigepflicht verfolgt werden konnten. Die Vereinbarung wurde damals davon abhängig gemacht, daß irgendeine staatliche Aufgabe genannt werden konnte. Da einmal der Sicherheitsdienst nach außen in dieser Zeit 1938 kaum hervortrat, zum anderen die Lebensgebietsarbeit von der Partei überhaupt noch nicht legitimiert war, so daß sie im Erlaß nicht angerührt werden konnte, hat Heydrich das Beispiel der Unterstützung der Sicherheitspolizei angeführt, weil das von außen her nicht nachprüfbar war.


DR. GAWLIK: Hatte der SD die Aufgabe, die Angehörigen der Gestapo zu überwachen?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Ergibt sich aus der Einrichtung der Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD eine Verbindung dieser beiden Organisationen?


HOEPPNER: Nein, die Inspekteure hatten lediglich eine gewisse Aufsichtsbefugnis über die Organisation im einzelnen. Sämtliche Weisungen, Aufgabestellun gen und so weiter kamen von Berlin.


DR. GAWLIK: Wie war das Verhältnis der Abteilungen III bei den Dienststellen der Befehlshaber beziehungsweise bei den Kommandeuren der Sicherheitspolizei und des SD?


HOEPPNER: Die Frage ist mir nicht ganz verständlich; Verhältnis zu wem?


DR. GAWLIK: Zur Sicherheitspolizei.


HOEPPNER: Die Abteilungen III der Dienststellen der Befehlshaber und Kommandeure waren ebenso Abteilungen wie die Abteilung IV. Sie bearbeiteten sicherheitsdienstliche Aufgaben, während die Abteilung IV staatspolizeiliche Aufgaben bearbeitete. Sie waren Abteilungen des Befehlshabers, der Dienststelle des Befehlshabers und nicht Teile oder Einrichtungen des Amtes III des Reichssicherheitshauptamtes, ebensowenig wie die Abteilung IV Einrichtungen des Amtes IV des Reichssicherheitshauptamtes waren.


DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zur kurzen Erörterung der einzelnen Kriegsverbrechen, die dem SD zur Last gelegt werden. Zunächst zu den Einsatzgruppen.

Ich beziehe mich hierbei auf Beweistatbestand VIA des Trial-Briefs.

Waren die Einsatzgruppen und Einsatzkomman dos, die im Osten eingesetzt waren, ein Teil des SD?


HOEPPNER: Nein, diese Einsatzgruppen und Einsatzkommandos waren Einrichtungen ganz eigener Art.


[220] DR. GAWLIK: Ist die Organisation des SD-Inland für die Tätigkeit der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos verwendet worden? Das ist etwas Wichtiges.


HOEPPNER: Die Frage muß in der Weise, wie sie gestellt worden ist, verneint werden. Es ist nicht so, daß etwa Teile der Organisation zu diesen Einsatzgruppen abgeordnet worden sind. Wenn einzelne Angehörige des Sicherheitsdienstes zu den Einsatzgruppen oder Einsatzkommandos kamen, dann ist das vergleichbar einer militärischen Einberufung. Ebenso wie ein Beamter, der zur Wehrmacht einberufen wird, dort andere Aufgaben bekommt, zumindest bekommen kann, war das auch bei den Angehörigen des Sicherheitsdienstes der Fall. Soweit von den Einsatzgruppen sicherheitsdienstliche Aufgaben zu erledigen waren, also Berichterstattungen, kamen Weisungen an die Einsatzgruppen von Amt III.


DR. GAWLIK: Haben die Angehörigen des SD und der nachgeordneten Dienststellen durch die Berichte aus dem Osten oder von Einsatzgruppenberichten Kenntnis über Massenerschießungen, sonstige Ver brechen, also Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhalten?


HOEPPNER: Derartige Einsatzgruppenberichte wurden an die nachgeordneten Dienststellen im Reich überhaupt nicht weitergegeben, so daß also auch die Angehörigen dieser Dienststellen keine Kenntnis von diesen Dingen haben konnten.


DR. GAWLIK: Hatte der SD die Verantwortung für die Errichtung, Einteilung, Bewachung und Verwaltung von Konzentrationslagern?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Können Sie die Antwort begründen?


HOEPPNER: Es gibt da keine Begründung. Der Sicherheitsdienst hatte mit diesen Dingen zuständigkeitsmäßig nie etwas zu tun.


DR. GAWLIK: Hat der SD irgendwelche Konzentrationslager errichtet?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Hat der SD irgendwelche Konzentrationslager eingeteilt?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: Ist die Organisation des SD zur Bewachung der Konzentrationslager verwendet worden?


HOEPPNER: Nein.


DR. GAWLIK: War der SD für die Einweisung und Behandlung von Konzentrationslagerhäftlingen zuständig?


HOEPPNER: Nein.


[221] DR. GAWLIK: Hatte der Inlandsnachrichtendienst Weisung von Himmler, sich bei Zusammenstößen zwischen deutschen und englischen und amerikanischen Fliegern nicht einzumischen?


HOEPPNER: Nein, der Sicherheitsdienst hat schon deshalb keine Weisung haben können, weil er keine polizeilichen Funktionen hatte und eine Einmischung überhaupt nicht in Frage gekommen wäre.


DR. GAWLIK: Hat der Inlandsnachrichtendienst Standgerichte gebildet, um Personen in besonderen und abgekürzten Verfahren zu verurteilen?

Diese Frage bezieht sich auf den Beweistatbestand VIH des Trial-Briefs.


HOEPPNER: Es gehörte überhaupt nicht zu den Funktionen des Sicherheitsdienstes, Standgerichte zu bilden, also auch nicht Standgerichte dieser Art, weil auch das wieder eine Exekutivmaßnahme gewesen wäre, die mit Sicherheitsdienst nichts zu tun hatte.

DR. GAWLIK: Hat der Inlandsnachrichtendienst Amt III Personen in Konzentrationslagern hingerichtet oder gefangengehalten wegen Verbrechen, die angeblich von den Verwandten begangen worden sind? Diese Frage bezieht sich auf den Beweistatbestand VIJ des Trial-Briefs.


HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hatte damit nichts zu tun.


DR. GAWLIK: Hat der SD Verhöre dritten Grades durchgeführt? Diese Frage bezieht sich auf den Beweistatbestand VIL.


HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hat überhaupt keine Verhöre durchgeführt, infolgedessen auch nicht solche dritten Grades.


DR. GAWLIK: Schildern Sie ganz kurz die Ziele, Aufgaben, Tätigkeiten und Methoden der Gruppe III A des Reichssicherheitshauptamtes, die Sie zeitweise geleitet haben.


HOEPPNER: Es war Aufgabe der Gruppe III A, die Auswirkungen von Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltungsmaßnahmen auf das deutsche Volk zu beobachten, diese Beobachtungen berichtsmäßig zusammenzustellen und den Führungsstellen zugänglich zu machen. Es war weiter Aufgabe der Gruppe III A, und zwar der Abteilung IIIA4, in regelmäßigen Berichten über die allgemeine Stimmung und Haltung der deutschen Bevölkerung den Führungsstellen ein laufendes Bild über diesen Tatbestand zu geben.


DR. GAWLIK: War die Mitgliedschaft im SD freiwillig oder das Ergebnis gesetzlicher Anordnung?


HOEPPNER: Diese Frage läßt sich mit Ja oder Nein nicht beantworten. Ich darf vielleicht als Beispiel meine eigene Gruppe nehmen. Ich hatte in meiner Gruppe zum Schluß etwa über 60 Personen beschäftigt. Davon waren ungefähr 75 Prozent kraft gesetzlicher [222] Anordnung tätig. Zum Beispiel waren meine sämtlichen vier Abteilungsleiter zum Sicherheitsdienst abgeordnet, notdienstverpflichtet oder kommandiert. Ich glaube, daß man für den gesamten Sicherheitsdienst die Zahl auf etwa 50 bis 60 Prozent schätzen kann, die kraft gesetzlicher Anordnung tätig waren. Diese verhältnismäßig hohe Zahl ergibt sich daraus, daß einmal bei Kriegsbeginn eine ganze Masse hauptamtlicher Kräfte eingezogen wurde, daß zweitens das Aufgabengebiet räumlich vergrößert wurde, daß also Männer, zum Teil auch weibliche Hilfskräfte, zum Einsatz in die besetzten Gebiete geschickt werden mußten; und daß drittens überhaupt die Gesamtaufgaben des Sicherheitsdienstes im Krieg anwuchsen und das Personal mit den dafür gegebenen gesetzlichen Maßnahmen notdienstverpflichtet wurde, und so weiter.


DR. GAWLIK: Herr Präsident! Ich habe keine weiteren Fragen.


VORSITZENDER: Wünscht die Anklage ein Kreuzverhör vorzunehmen?


MAJOR HARTLEY MURRAY, HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Ich werde als Vertreter der Vereinigten Staaten das Kreuzverhör durchführen.

Zeuge! Wann wurden Sie Chef des Amtes III A des RSHA?


HOEPPNER: Im Juli 1944.


MAJOR MURRAY: Wer war Chef des Amtes III zu dieser Zeit und einige Zeit vorher?


HOEPPNER: Das Amt III hat überhaupt nur einen Chef gehabt, das war der damalige Gruppenführer Ohlendorf.


MAJOR MURRAY: Zeitweise haben Sie Ohlendorf vertreten, nicht wahr?


HOEPPNER: Ich glaube, es ist nicht alles durchgekommen. Ich habe nur »zeitweise vertreten« gehört.


MAJOR MURRAY: Zu verschiedenen Zeiten während Ihrer Amtszeit vertraten Sie Ohlendorf als Chef des Amtes III, nicht wahr?


HOEPPNER: Nein. Als ich im Amt war, war Ohlendorf immer da. Außerdem gab es keinen allgemeinen Vertreter. Wenn er auf Dienstreise war, vertraten ihn die Gruppenleiter für ihre eigenen Gebiete. Das ist aber in der Zeit, in der ich in Berlin war, verhältnismäßig selten vorgekommen.


MAJOR MURRAY: Kennen Sie Dr. Wilhelm Höttl, der ein Mitglied des Amtes VI des RSHA war?


HOEPPNER: Darf ich nochmals um den Namen bitten; ich habe den Namen nicht verstanden.


[223] MAJOR MURRAY: Vielleicht habe ich ihn nicht richtig ausgesprochen. Dr. Wilhelm Höttl, ich buchstabiere: H-ö-t-t-l.


HOEPPNER: Höttl? Habe ich überhaupt erst hier kennengelernt.


MAJOR MURRAY: Sie wissen, daß er eine verantwortliche Stellung im SD hatte, nachdem Sie ihn hier kennengelernt haben, nicht wahr?


HOEPPNER: Nein. Ich habe mit Höttl auch hier nicht gesprochen, da er immer von uns getrennt war.


MAJOR MURRAY: Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich kurz aus dem Affidavit Dr. Höttls vorlesen, Dokument 2614-PS, das die Tätigkeit des SD behandelt. Es wird US-918. Dr. Höttl schrieb dieses Affidavit am 5. November 1945, ich zitiere:

»Die Aufgabe des SD war, seinen Chef Himmler und über diesen das Nazi-Regime über alle Vorgänge im Deutschen Reich, in den besetzten Gebieten und im sonstigen Auslande zu unterrichten. Diese Tätigkeit wurde im Deutschen Reich vom Amte III – Inlandsnachrichtendienst, im Ausland vom Amt VI – Auslandsnachrichtendienst durchgeführt.«

Einige Zeilen weiter lesen wir:

»Für die Aufgabe im Inlande hatte das Amt III ein großes Netz von Vertrauensleuten geschaffen, das von den verschiedenen regionalen Dienststellen des SD aus operierte. Dieser Apparat bestand aus vielen Hunderten hauptamtlichen SD-Angehörigen, die von Tausenden ehrenamtlichen SD-Angehörigen und Vertrauenspersonen unterstützt wurden. Diese Vertrauenspersonen und ehrenamtlichen Mitarbeiter waren in allen Gebieten der Wirtschaft, Kultur, der Staats- und Parteiverwaltung etc. plaziert. Vielfach hielten sie ihre Tätigkeit in ihren Betrieben geheim. Dieser Nachrichtenapparat berichtete über die Stimmung des deutschen Volkes über alle wichtigen Vorkommnisse im Staat, sowie auch über Einzelpersonen.«

Halten Sie das für eine richtige Darstellung der Aufgaben des SD?

VORSITZENDER: Zeuge! Beantworten Sie die Frage bitte! Halten Sie das für eine richtige Darstellung der Aufgaben des SD? Sie brauchen nicht das Dokument zu Ende zu lesen, beantworten Sie diese Frage.

HOEPPNER: Es ist Richtiges mit Unrichtigem durcheinander gemischt. Ich empfinde diese Art und Weise, wie der Bericht über die Sicherheitsdienstarbeit urteilt, etwas oberflächlich. Es macht nicht den Eindruck, als ob Höttl sehr lange im Inlandsnachrichtendienst gearbeitet hat, nach diesem Dokument.


[224] VORSITZENDER: Sie wissen doch, nicht wahr, Zeuge, daß Ihr Chef Ohlendorf im Jahre 1941 und 1942 der Chef der Einsatzgruppe D in Südrußland war? Sie wurden doch davon in Kenntnis gesetzt?


HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Sie wußten auch, nicht wahr daß diese Einsatzgruppen aus Mitgliedern des SD, der Gestapo und der Kriminalpolizei gebildet waren?


HOEPPNER: Ich wußte, daß Angehörige von diesen Organisationen zum Einsatz kommandiert waren.


VORSITZENDER: Sie wußten, daß sie von SD-Mitgliedern befehligt wurde, nicht wahr?


HOEPPNER: Die Einsatzgruppen und Kommandos wurden von Angehörigen ganz verschiedener Sparten kommandiert, von Angehörigen der Staatspolizei, der Kriminalpolizei, auch des Sicherheitsdienstes. Ich selbst bin übrigens nicht im Einsatz gewesen.


MAJOR MURRAY: Ich möchte mich, wenn der Gerichtshof es gestattet, auf das Affidavit Ohlendorfs beziehen. Es ist Dokument 2620-PS, das US-919 wird. Dieses Affidavit ist noch nicht als Beweis benutzt worden. Es ist sehr kurz und sagt folgendes:

»Die Einsatzgruppen und die Einsatzkommandos wurden vom Personal der Gestapo, des SD oder der Kriminalpolizei geführt...« Manchmal auch von Mitgliedern der regulären Polizei. »...Gewöhnlich wurden die kleineren Einheiten von Angehörigen...«


HOEPPNER: Darf ich unterbrechen? Daß sie von Mitgliedern der... ich bitte um Entschuldigung... daß sie von Mitgliedern der regulären Polizei angeführt wurden, steht nicht im Dokument, sondern es steht nur im Dokument, daß »zusätzliche Mannschaften von der Ordnungspolizei und von der Waffen-SS gestellt wurden«.

MAJOR MURRAY: Ich habe das ausgelassen, ich bin einige Zeilen weiter unten:

»Gewöhnlich wurden die kleineren Einheiten von einem Angehörigen des SD, der Gestapo oder Kriminalpolizei geführt«,

so daß also tatsächlich Mitglieder des SD diese Einsatzgruppen im Osten anführten; war das nicht so?


HOEPPNER: In der eidesstattlichen Versicherung steht, daß sowohl Angehörige des Sicherheitsdienstes wie der Staatspolizei und der Kriminalpolizei derartige Einheiten anführten.

MAJOR MURRAY: Die Offiziere der Einsatzgruppen trugen doch SD-Uniformen im Dienst, nicht wahr?


[225] HOEPPNER: Entschuldigung, da sind wieder nur einige Worte durchgekommen; die Einsatzgruppen trugen Uniformen?


MAJOR MURRAY: Die Offiziere der Einsatzgruppen trugen die Uniform des SD während ihres Einsatzes im Osten, stimmt das?


HOEPPNER: Sämtliche Angehörige der Einsatzkommandos trugen feldgraue Uniform und trugen an den Ärmeln das Zeichen »SD«. Das ist einer der Hauptgründe für zahlreiche Verwechslungen, die vorgekommen sind, weil nämlich auch die Angehörigen der Sicherheitspolizei dieses Abzeichen »SD« trugen – das bezieht sich ebenso auf die SS-Sonderformation SD, von der ganz am Anfang der heutigen Vernehmung die Rede war –, und weil darüber hinaus sogar diejenigen Angehörigen der Einsatzkommandos und Ein satzgruppen Uniform trugen, die überhaupt nicht SS-Angehörige waren, und die also im Frieden im Altreich niemals eine Uniform getragen hätten. Sie wurden als sogenannte Uniformträger in den Einsatz geschickt und bekamen Dienstgrade entsprechend ihrem Beamtenrang.


MAJOR MURRAY: Jedenfalls waren viele Mitglieder der Einsatzgruppen Angehörige des SD, und viele jener Offiziere trugen die Uniform des SD, als sie diese Menschen in den Ostgebieten töteten, nicht wahr?


HOEPPNER: Ich verstehe den Inhalt der Frage nicht ganz. Es waren vom Sicherheitsdienst sehr wenig Leute für diese Einsatzgruppen, Einsatzkommandos abgeordnet, am wenigsten von den drei genannten Sparten, und diese Männer und Führer trugen während ihrer ganzen Einsatzzeit Uniform mit dem »SD« am Ärmel.


MAJOR MURRAY: Ich möchte ein weiteres kurzes Dokument vorlegen, es ist 2992-PS, US-494. Es ist jener Teil des Affidavits, der vorher nicht als Beweismaterial verlesen wurde. Es ist das Affidavit von Hermann Friedrich Gräbe.

Ich nehme an, daß sich der Gerichtshof an dieses Affidavit erinnert, in welchem dieser deutsche Staatsangehörige erklärt, daß durch die SS und SD eine große Anzahl hilfloser Menschen erschossen worden sind. Es ist das Dokument, auf das der britische Hauptankläger vor einigen Tagen hingewiesen hat.

Im ersten Teil dieses Affidavits sagt Gräbe:

»Der SS-Mann, der als Schütze auf dem Grubenrand bei der Erschießung der jüdischen Männer...«


VORSITZENDER: Einen Moment, dieses Dokument ist schon Beweismaterial, nicht wahr?

MAJOR MURRAY: Es ist so, Euer Lordschaft, aber nicht diese besondere Stelle, die sich mit dem SD beschäftigt. Ich hatte nicht die Absicht, die anderen Teile zu wiederholen, aber diese Stellen [226] beschäftigen sich besonders mit dem SD, und ich möchte nur zwei Sätze verlesen.

Absatz 1:

»Der SS-Mann, der als Schütze auf dem Grubenrand bei der Erschießung der jüdischen Männer, Frauen und Kinder auf dem Flugplatz bei Dubno tätig war, trug eine SS-Uniform mit einem grauen, etwa 3 cm breiten Ärmelstreifen am unteren Ärmelende mit schwarzen, eingewebten oder aufgestickten Buchstaben ›SD‹.«

Im letzten Teil des zweiten Absatzes lesen wir folgendes:

»Ich erkannte am Morgen des 14. Juli innerhalb des Ghettos 3 oder 4 SS-Leute, die mir persönlich bekannt waren und alle dem SD in Rowno ange hörten. Auch diese Leute trugen den bereits oben erwähnten Ärmelstreifen.«

Es ist doch Tatsache, nicht wahr, Zeuge, daß viele der Mitglieder dieser Einsatzkommandos Mitglieder Ihres SD waren?

HOEPPNER: Ich sagte vorhin schon, daß wenige Mitglieder dieser Einsatzgruppen und Einsatzkommandos Angehörige des Sicherheitsdienstes waren. Es ist in keiner Weise gesagt, daß diejenigen, auf die in diesem Dokument Bezug genommen wird, irgend etwas mit dem Inlandsnachrichtendienst zu tun haben; und wenn einer dabei ist, der dem Inlandsnachrichtendienst angehörte – was sich aus dem Dokument überhaupt nicht ergibt – da lediglich darin steht, daß er eine Uniform mit dem Zeichen »SD« trug, dann war er zu diesem Einsatz kommandiert, genau so wie irgend jemand anderes zur Wehrmacht eingezogen wird. Es ist ja gerade der Hauptgrund für eine große Zahl von Verwechslungen, die mit dem Begriff SD vorkamen, daß eben die Angehörigen, die im Einsatz waren, sämtlich die gleiche Uniform getragen haben.

MAJOR MURRAY: Aber Ohlendorf war auf jeden Fall Angehöriger des SD, nicht wahr?


HOEPPNER: Ohlendorf war Amtschef des Amtes III, das hat aber nichts damit zu tun, daß er eine Einsatzgruppe führte. Die Einsatzgruppe hätte genau so gut der Amtschef IV oder V oder ein Inspekteur oder irgend jemand anders führen können. Das hat mit der Tätigkeit Ohlendorfs als Amtschef III nichts zu tun.


MAJOR MURRAY: Nun, Ohlendorf hat ausgesagt, daß häufig Berichte von Einsatzgruppen aufgestellt und an die Zentrale geschickt wurden. Haben Sie solche Berichte gesehen, während Sie in der Zentrale des RSHA waren?


HOEPPNER: Nein, das ist schon deshalb nicht möglich, weil in der Zeit, als ich nach Berlin kam, die meisten Einsatzgruppen aus dem Osten zum größten Teil zurückgezogen waren. Jedenfalls kamen keine Berichte mehr; und ich bin überhaupt der Meinung,[227] daß im Amt III, dem Inlandsnachrichtendienst, nur ganz wenige Männer die Berichte der Einsatzgruppen gesehen haben.


MAJOR MURRAY: Ich möchte Ihnen gern eine Reihe von 55 Wochenberichten über die Tätigkeit der Einsatzgruppen zeigen. Und zufällig sind die Einsatzgruppen als Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bekannt.


HOEPPNER: Nein, nein, es gab keine Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, sondern es gab im Osten nur die Einsatzgruppen A, B, C und D, und zwar war das mit gutem Grund so gewesen.


MAJOR MURRAY: Bevor ich Ihnen dieses Dokument vorlege, Herr Zeuge, möchte ich, daß Sie sich Dokument 3876-PS ansehen, das bereits als US-808 zugelassen worden ist. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf das Titelblatt des Dokuments lenken, das von Heydrich unterzeichnet ist und wie folgt beginnt:

»Als Anlage übermittle ich den neunten zusammenfassenden Lagebericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR. Die Lageberichte werden in Zukunft laufend übersandt. Gezeichnet Heydrich.«

Irren Sie sich nicht, wenn Sie sagen, daß diese nicht als Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bekannt waren?

HOEPPNER: Nein. Diese Einsatzgruppen haben als Einsatzgruppe A, B, C und D figuriert. Sie wurden angeführt von einem Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD bei den betreffenden Heeresgruppen beziehungsweise bei einer Armee.

Die Bezeichnung: Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD ist leider falsch.


MAJOR MURRAY: Entweder hat Heydrich wieder unrecht, nicht wahr, und alle Dokumente sind falsch?


HOEPPNER: Nein, daß das Dokument falsch ist, will ich nicht behaupten, sondern ich behaupte nur, daß die Bezeichnung nicht richtig ist. Ich bitte, auch den Verteiler zu beobachten, da steht: »An die Chefs der Einsatzgruppen A, B, C und D.« Im übrigen hießen auch die Einsatzkommandos nicht Kommandos der Sicherheitspolizei des SD, sondern hatten arabische Ziffern, soweit ich gehört habe, 1 bis 12.


MAJOR MURRAY: Dies ist natürlich ein Bericht Ihres Chefs Heydrich, und ich will nicht weiter darauf eingehen. Gehen Sie jetzt zu Seite 31 und 32; unten auf Seite 32 finden. Sie folgende Erklärung: »In Weißruthenien...«


HOEPPNER: Einen Moment bitte, Seite 31 und 32 gibt es bei mir nicht.


[228] MAJOR MURRAY: Es ist ein sehr kurzer Absatz, und ich werde ihn Ihnen vorlesen:

»In Weißruthenien ist die Säuberung von Juden im Gange. Die Zahl der Juden in dem bisher der Zivilverwaltung übergebenen Teil beläuft sich auf 139000 Juden.«


HOEPPNER: Ja.

MAJOR MURRAY: Im letzten Satz:

»33210 Juden wurden inzwischen von der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD erschossen.«

Da steht nichts von Gruppe A, B, C und D.

HOEPPNER: Nein, es steht hier Sicherheitspolizei und SD.

Ich verstehe nur nicht, was das mit dem Inlandsnachrichtendienst, Sicherheitsdienst, zu tun haben soll?


MAJOR MURRAY: Ausgenommen, daß Ohlendorf Chef Ihrer Organisation war, nicht wahr?


HOEPPNER: Wenn er als Amtschef III tätig war, in Berlin war, aber in der Zeit, wo er die Einsatzgruppe D geführt hat, war er im Einsatz und die Einsatzzeit wird genau so behandelt wie die Zeit einer militärischen Einziehung.


MAJOR MURRAY: Zeuge! Wissen Sie, daß der SD vor der Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten, Spionagetätigkeiten in den Vereinigten Staaten ausführte?


HOEPPNER: Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Inlandsnachrichtendienst in den Vereinigten Staaten gearbeitet hätte.


MAJOR MURRAY: Ich möchte dem Gerichtshof Dokument 4053-PS als Beweisstück vorlegen, das US-920 wird. Dieses Dokument ist ein Fernschreiben des Auswärtigen Amtes vom 11. Juli 1941. Ich möchte aus diesem Dokument nur einen Satz verlesen:

»Zu Tel. Nr. 2110 vom 5. 7. aus Washington, bit tet Sie Herr RAM...« – das war Ribbentrop, nicht wahr? – »... Herr RAM um umgehende Vorlage eines Schriftberichtes darüber, wer von den in New-York wegen Spionageverdachtes Verhafteten mit der Abwehr und wer mit dem SD zusammengearbeitet hat.«

Zeuge! Sieht das nicht aus, als ob der SD Spionagetätigkeiten in Neuyork lange Zeit vor der Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten betrieben hat?

HOEPPNER: Eine der ersten Fragen, die mir vorhin Herr Gawlik vorlegte, war die, ob man auch den Auslandsnachrichtendienst mit »SD« bezeichnet. Ich habe das bejaht. Und die weitere Erörterung bezog sich dann darauf, daß Inlandsnachrichtendienst und Auslandsnachrichtendienst verschiedene Organisationen sind. [229] Ob der Auslandsnachrichtendienst, der Auslands-SD, das Amt VI, etwa mit dieser Angelegenheit zu tun hat, kann ich nicht beurteilen, weil ich im Amt VI nie gearbeitet habe und von diesen Dingen nichts verstehe.

MAJOR MURRAY: Natürlich, wenn sie alle dem SD angehörten, so waren sie auch nach meiner Meinung Mitglieder des SD.

Ich habe keine Frage mehr.


VORSITZENDER: Wollen Sie den Zeugen im Rückverhör vernehmen?

Wollte der sowjetische Anklagevertreter einige Fragen stellen?


OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Herr Präsident! Ich wollte einige Fragen an den Zeugen richten, aber diese Fragen stehen im Zusammenhang mit einem neuen Dokument, einem ziemlich interessanten Dokument, das wir erst heute erhalten haben. Aus diesem Grund konnten wir noch keine Übersetzung ins Englische machen lassen. Ich weiß daher nicht, ob es angebracht ist, diese Fragen jetzt zu stellen, da ich noch keine englische Übersetzung dem Gerichtshof übergeben kann.


VORSITZENDER: Vielleicht können wir das morgen vormittag tun. Es könnte dann bis dahin übersetzt werden. Vielleicht können Sie die Fragen morgen vormittag stellen.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Danke, Herr Vorsitzender, jawohl.


VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Wollen Sie den Zeugen jetzt im Rückverhör vernehmen?


DR. GAWLIK: Herr Präsident! Ich weiß nicht, ob ich nicht nach dem neuen Dokument auch noch Fragen habe. Das kann ich ja jetzt noch nicht beurteilen.


VORSITZENDER: Gut, sollte sich aus diesem neuen Dokument etwas ergeben, so können Sie die Fragen später stellen. Sie werden hierzu, wenn nötig, Gelegenheit erhalten.


DR. GAWLIK: Jawohl.


[Zum Zeugen gewandt:]


Trugen die SS-Uniform mit der SD-Raute im Einsatz auch Personen, die mit dem SD nichts zu tun hatten?

HOEPPNER: Jawohl. Ich habe das bereits wiederholt ausgeführt.

DR. GAWLIK: Trugen diese SS-Uniform mit der SD-Raute auch Personen, die nicht der SS angehörten?


HOEPPNER: Jawohl.


DR. GAWLIK: Können Sie irgendeine Erklärung abgeben, [230] warum Personen, die nichts mit dem SD zu tun hatten, die SD-Raute getragen haben?


HOEPPNER: Erstens, weil auch sämtliche Angehörigen der Sicherheitspolizei diese Uniform getragen haben; zweitens, weil überhaupt jeder Mann, der bei einem Einsatzkommando oder bei einer Einsatzgrup pe Dienst tat, eine Uniform trug, und die einzige Uniform war die feldgraue SS-Uniform mit SD-Raute.


DR. GAWLIK: Warum trugen sie nun die SD-Raute?


HOEPPNER: Weil sie zur Uniform gehörte.


DR. GAWLIK: Ich habe keine weiteren Fragen.


VORSITZENDER: Haben Sie das Dokument 3876-PS vor sich?


HOEPPNER: 3876-PS?


VORSITZENDER: Ja. Dort heißt es:

»Als Anlage übermittle ich den neunten zusammenfassenden Lagebericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR.«

Es ist dies der zweite Absatz – sehen Sie das? – der den Bericht beschreibt?

HOEPPNER: In meinem Dokumentenbuch sind verschiedene Dokumente abgeheftet. Ist es vom 27. Februar?

VORSITZENDER: 27. Februar 1942, Seite 17. Haben Sie es gefunden?


HOEPPNER: Jawohl, ich habe es.


VORSITZENDER: Sehen Sie, ganz am Anfang heißt es:

»... den neunten zusammenfassenden Lagebericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR.«

Und dann die erste Anlage. Heydrich fügt den neunten zusammenfassenden Lagebericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der USSR bei.

HOEPPNER: Jawohl.

VORSITZENDER: Sie sagten, wie ich Sie verstanden habe, daß Sie nicht verstünden, warum es da SD heiße, weil die Einsatzgruppen die Buchstaben A, B, C und D hatten.


HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Das haben Sie doch gemeint, daß Sie nicht erklären könnten, warum der SD dort war?


HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Wollen Sie dann erklären, warum der Verteiler nicht nur die Leiter der Einsatzgruppen A, B, C und D nennt, sondern auch die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD?


[231] HOEPPNER: Darf ich mir erlauben, zu diesem Anschreiben etwas zu sagen?

Wenn von Einsatzgruppen und von Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD die Rede ist, dann ist diese Bezeichnung ungenau in diesem Anschreiben, denn es gab diese Bezeichnung im Osten nicht.

Es gab nur Einsatzgruppe A, B, C, D und Einsatzkommando 1, 2, 3 und so weiter.


VORSITZENDER: Nehmen wir an, daß dies der Fall ist. Warum sollten dann die Berichte an die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD getrennt gesandt werden und auch eine Verteilung an die Einsatzgruppen erfolgen, wenn der SD nichts damit zu tun hatte?


HOEPPNER: Ich glaube, dann bin ich jetzt irgendwie mißverstanden worden. Es ist ein Bericht der Tätigkeit sämtlicher Einsatzgruppen vom Chef der Sicherheitspolizei des SD zusammengefaßt worden, der nun den einzelnen Einsatzgruppen zugeht, wie ich annehme, damit sie wissen, was bei den anderen Einsatzgruppen, also etwa die Einsatzgruppe D bei den Einsatzgruppen A, B und C vorgekommen ist.


VORSITZENDER: Ja, es wurde nicht nur an die Einsatzgruppen A, B, C und D gesandt, es wurde auch an die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD gesandt. Ich frage Sie nun: Warum ist es an die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD gesandt worden, wenn sie nichts damit zu tun hatten?


HOEPPNER: Ja, wahrscheinlich hat Heydrich gewollt, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau, daß die Höheren SS- und Polizeiführer von dem, was in diesen Einsatzgruppen getan worden ist, Kenntnis bekommen. Denn es ist ja auch an den Höheren Polizeiführer in Breslau und Dresden und so weiter, die also bestimmt mit der Tätigkeit der Einsatzgruppen nichts zu tun hatten, geschickt worden und an die Reichsverteidigungskommissare Königsberg, Stettin, Breslau.


VORSITZENDER: Nun, dann lautet also Ihre Antwort, daß Heydrich einen Fehler gemacht hat, als er es als die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD beschrieb, und wenn eine Verteilung auch an die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD erfolgte, so war dies nur zu Informationszwecken, nicht wahr.


HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Sehen Sie den letzten Verteiler auf Seite 46 und 47, oder ist das der Verteiler eines anderen Berichtes: Es handelt sich um den Bericht vom 23. April 1942.


HOEPPNER: Ja, 23. April 1942.


[232] VORSITZENDER: Und jetzt sehen Sie sich Seite 46 und 47 an.

HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Ungefähr in der achten Zeile sehen Sie im Verteiler: an SS Gruf. Dr. Kaltenbrunner, Wien.


HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Und in der zweitvorletzten Zeile steht: an den Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frank.


HOEPPNER: Reichsminister Frick kann ich nicht finden.


VORSITZENDER: Ich sagte Frank.


HOEPPNER: Jawohl, zu Händen von Oberregierungsrat Dr. Schepers.


VORSITZENDER: Und dasselbe trifft auch zu für Seite 18 des Berichts vom 27. Februar 1942.


HOEPPNER: 27. Februar.


VORSITZENDER: Ja, 27. Februar 1942, es wurde an dieselben Leute verteilt?


HOEPPNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich nun.


[Das Gericht vertagt sich bis

2. August 1946, 10.00 Uhr.]


1 Dieser Satz ist in dem Originaldokument nicht enthalten.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 20.
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