Nachmittagssitzung.

[472] OBERST POKROWSKY: Im Punkt 7 der allgemeinen Schlußfolgerungen der Kommission, über die ich in der vorhergehenden Sitzung berichtet habe, wird gesagt:

»Die Schlußfolgerungen, die aus den Zeugenaussagen und aus dem gerichtsmedizinischen Gutachten über die Erschießungen der kriegsgefangenen Polen durch die Deutschen im Herbst 1941 gezogen wurden, werden durch die in den Gräbern von Katyn aufgefundenen Beweisstücke und Dokumente in vollem Umfange bestätigt.

8. Indem die deutsch-faschistischen Eindringlinge die polnischen Kriegsgefangenen im Wald von Katyn erschossen, führten sie folgerichtig ihre Politik der physischen Ausrottung der slawischen Völker durch.«

Es folgen die Unterschriften aller Mitglieder der Kommission.

Mit den Massenmorden von Katyn werden die Hitler-Verbrechen an den Angehörigen der polnischen Armee nicht erschöpft. In dem Bericht der Polnischen Regierung, der von mir als Dokument USSR-93 vorgelegt wurde, finden wir im Hinblick auf die Kriegsgesetze zahlreiche Beweise über die Verletzung der einfachsten Regeln des Internationalen Rechtes durch die Hitler-Verschwörer. Auf Seite 36 dieses polnischen Berichts, das entspricht der Seite 285 Ihres Dokumentenbuches, finden wir in einem besonderen Abschnitt das gesammelte Material über die Verhöhnung der Kriegsgefangenen und ihre Ausrottung. Im Bericht heißt es; ich zitiere:

»Nach der Rückkehr der polnischen Offiziere und Mannschaften aus den deutschen Kriegsgefangenenlagern werden mehr und mehr Einzelheiten über die Behandlung in den Lagern bekannt. Alle diese Einzelheiten beweisen ohne Zweifel die allgemeine politische Linie, die Instruktionen und Verordnungen, die die polnischen Kriegsgefangenen betrafen: Mißhandlung, Bedrängnis und unmenschliche Daseinsverhältnisse waren eine allgemeine Erscheinung. Mord und schwere körperliche Verwundungen der polnischen Kriegsgefangenen waren an der Tagesordnung. Weiter unten sind Beispiele angeführt, die durch Augenzeugen festgelegt und durch die Vereidigung der Zeugen bekräftigt wurden.«

Ich werde jetzt einige Beispiele, die im polnischen Bericht aufgeführt sind, verlesen. Ich werde als erstes Beispiel die Beschreibung einer Tatsache anführen, die sich in dem provisorischen Kriegsgefangenenlager in der Stadt Bjelsk abgespielt hat. In Ihrem Dokumentenbuch befindet sich die entsprechende Stelle auf Seite 285.

»Am 10. Oktober 1939 versammelte der Komman dant des Lagers alle Internierten und forderte diejenigen, die als [472] Freiwillige in der polnischen Armee gekämpft haben, auf, ihren Arm zu heben. Drei Kriegsgefangene erhoben die Hand. Sie wurden sofort aus den Reihen herausgeführt und in einer Entfernung von 25 m vor eine mit Maschinengewehren bewaffnete Gruppe deutscher Soldaten aufgestellt. Der Kommandant gab den Feuerbefehl. Der Kommandant sagte dann zu den Überlebenden, daß die drei Freiwilligen als Beispiel niedergeschossen wurden.«

Es ist dies nicht ein Fall von gewöhnlicher Ermordung dreier wehrloser polnischer Soldaten...

VORSITZENDER: Entschuldigen Sie, Herr Oberst, daß ich Sie unterbreche, aber Sie werden sich erinnern, daß ich in anderen Fällen die Anklagevertreter unterbrach, um sie darauf aufmerksam zu machen, daß eine Einführungsrede im Namen ihrer Delegation gemacht wurde, und daß ihre eigentliche Aufgabe darin besteht, Dokumentenmaterial vorzulesen. Sie haben soeben ein Dokument eingereicht; aus diesem Dokument geht hervor, daß drei freiwillige polnische Soldaten erschossen worden sind. Irgendwelche Randbemerkungen dazu sind meiner Meinung nach wirklich unnötig.

OBERST POKROWSKY: Ich fahre mit meinen Betrachtungen über den zweiten Auszug auf Seite 37, Punkt G, fort. Es ist Seite 226 in Ihrem Dokumentenbuch.

Im Frühjahr 1939 wurde in Kunau bei Sagan am Bober, einem Nebenfluß der Oder, das »Stalag VIII-C« errichtet. Zeugenaussagen über dieses Lager lauten wie folgt:

»Kunau war ein Lager im offenen Felde, das mit einem Stacheldrahtzaun umgrenzt war. Im Felde standen große Zelte, jedes für 180-200 Personen. Trotz bitterer Kälte (-25° C.) im Dezember 1939 waren hier keine Heizvorrichtungen angelegt. Dies hatte zur Folge, daß vielen Insassen Hände, Beine und Ohren erfroren waren. Da die Kriegsgefangenen keine Bettdecken besaßen und ihre abgetragene Uniform sie vor Kälte nicht schützte, sind Krankheiten ausgebrochen. Die schlechte Ernährung verursachte völlige Erschöpfung.

Dabei wurden die Kriegsgefangenen durch die Wachmannschaften ständig schlecht behandelt. Sie wurden bei jeder Gelegenheit geschlagen. Zwei Personen waren besonders durch Brutalität bekannt: Der Leutnant Schinke und der Oberfeldwebel Grau. Sie verabreichten den Kriegsgefangenen Ohrfeigen und schlugen sie derartig, daß sie ihnen Rippen brachen und sogar die Augen beschädigten.

Diese unmenschliche Behandlung hatte viele Selbstmorde und Krankheiten zur Folge.«

[473] Ich glaube, wir können jetzt unverzüglich zu den allgemeinen Schlußfolgerungen übergehen und zu diesem Zweck Punkt »G« auf Seite 39, in dem Dokumentenbuch Seite 287, behandeln.

»Diese Behandlung der polnischen Kriegsgefangenen, die auch die Behörden der Deutschen Wehrmacht belastet, bildet eine flagrante Verletzung der Genfer Konvention von 1929 und insbesondere der Artikel 2, 3, 9, 10, 11, 29, 30, 50, 54. Die genannte Konvention wurde von Deutschland am 21. Februar 1934 ratifiziert.«

Soldaten der jugoslawischen Armee, die von deutschen Truppen gefangengenommen wurden, sind der zügellosesten Mißhandlung der faschistischen Eindringlinge ausgesetzt worden. Mißhandlung, Folterung und Marter sowie Massenhinrichtungen wurden als Bestandteile des Systems eingeführt. Auch hier waren sich die Hitler-Verbrecher in vollem Umfang ihrer Handlungen bewußt.

Damit sie sich auf irgendeine Art und Weise vor den Augen aller Welt reinwaschen konnten, wurden die Offiziere und Mannschaften der jugoslawischen Armee als »Banditen« hingestellt, und zwar in allen Dokumenten, die sich auf die Vernichtung kriegsgefangener Jugoslawen beziehen.

Der zweite Absatz von unten auf Seite 23 des amtlichen jugoslawischen Berichts über die oben angeführte Angelegenheit lautet wie folgt, wobei ich Seite 23 des Dokuments USSR-36 anführe, ein Zitat, das sich bei Ihnen auf Seite 326 befindet:

»Überall da, wo die Deutschen sogenannte Aktionen gegen die ›Banden‹ und ›Banditen‹ zum Vorwand für die Vernichtung der Zivilbevölkerung (Frauen, Kinder und Greise) nahmen, hat es sich tatsächlich um die Nationale Befreiungsarmee und die Partisanenabteilungen gehandelt.

...unter militärischem Kommando stehend und mit deutlichen militärischen Abzeichen versehen, führten sie den bewaffneten Kampf gegen die faschistischen Okkupatoren und genossen dabei die volle Anerkennung aller Verbündeten.

Übrigens werden wir später sehen, daß selbst das deutsche Kommando in einigen seiner Dokumente diese Tatsachen ausdrücklich zugab, aber in seinem Verfahren gegenüber den jugoslawischen Kämpfern die rücksichtslose Verletzung aller Vorschriften des Internationalen Kriegsrechtes fortsetzte.«

Als weitere Bestätigung lege ich dem Gerichtshof Dokument USSR-305 vor, dem die nach Artikel 21 des Statuts über die Zulässigkeit von Beweismaterial rechtsgültige Form gegeben wurde. Es handelt sich um einen Auszug aus einem Bericht der jugoslawischen Staatskommission für die Feststellung von Verbrechen, die von den Besatzungstruppen und ihren Helfershelfern begangen [474] worden sind. Die Staatskommission erklärt, daß sie einen Geheimbericht des Generalleutnant Hößlin, des Befehlshabers der 188. Ge birgs-Infanterie-Reserve-Division, besitze, der die Nummer 9070/44 trüge. Der Bericht ist aus Erwägungen, über die ich Ihnen, meine Herren Richter, beim Verlesen des Dokuments USSR-305 Mitteilung machen werde, von größter Bedeutung. Ich zitiere:

»Obwohl der Bericht anläßlich der Kampfbewegungen mit unseren Divisionen, Brigaden und Abteilungen diese mit ihrem richtigen Namen und mit richtigen Nummern nennt, wird in ihm unsere Armee konsequent mit dem Sammelnamen ›Banditen‹ bezeichnet, und zwar aus dem offenbaren Grunde, um ihr die völkerrechtlichen Vorteile einer kriegführenden Partei zunehmen und um auf diese Weise Kriegsgefangene erschießen, Verwundete töten und weiterhin um den Vorwand für Vergeltungsmaßnahmen gegen die nichtkämpfende und ruhige Bevölkerung, wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem ›Banditentum‹, aufrechterhalten zu können.

Generalleutnant Hößlin gibt zu, daß die Kampfgruppe des Obersten Christel nach ›nächtlichen Zusammenstößen mit nur schwachen Banditenkräften‹, so lautet wörtlich der Bericht, die Orte Laskowitz, Lazna, Lokwa und Cepowan niedergebrannt und ein Lazarett vernichtet hat.

Im Bericht des Generals Hößlin wird weiter gesagt, daß sie, zusammen mit dem 3. Brandenburger Regiment und anderen deutschen Militär- und Polizeieinheiten, an der (wörtlich) ›freien Jagd auf Banditen in der Umgebung von Klana‹, (Aktion Ernst) teilgenommen haben...«

Ich lege Ihnen Dokument USSR-132, Seite 363 Ihres Dokumentenbuches, vor. Es stellt einen Auszug aus den Richtlinien des Generalmajors Kübler dar und betrifft das Verhalten der Truppen im Einsatz. Dieser Auszug ist von der jugoslawischen Staatskommission beglaubigt. Ich verlese diese Auszüge.

»Geheim. 118. Jäger-Division Abteilung I c Br.B.Nr. 1418/43 geh. Div.St.Qu. 12. 5. 43.

Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz.

2) Gefangene.

Wer sich offen am Kampf gegen die Deutsche Wehrmacht beteiligt hat und gefangen wird, ist nach Vernehmung zu erschießen.«

Ferner überreiche ich dem Gerichtshof das Dokument USSR-304. Diese Nummer wurde einem Auszug aus dem Bericht Nummer 6 der jugoslawischen Staatskommission zur Feststellung der von den Besatzungsstreitkräften und deren Helfershelfern verübten Verbrechen gegeben.

[475] Im letzten Absatz des Dokuments USSR-304, Seite 2 des russischen Textes, Seite 365 Ihres Dokumentenbuches, steht folgendes:

»Am 3. Mai 1945 schafften die Deutschen aus einem Partisanenkrankenhaus 35 Kranke und Krankenwärter gebunden fort. Zehn Kranke, die nicht gehen konnten, wurden einfach aufgestellt, erschossen, auf einen Haufen geschichtet, mit Holz bedeckt und angezündet.«

Als Dokument USSR-307 überreiche ich noch einen anderen Auszug aus dem Bericht Nummer 6 derselben Staatskommission. Dieser Auszug befindet sich auf den Seiten 85 bis 115 des ersten Buches, der betitelt ist: »Denkschrift über Verbrechen, die von den Besatzungsstreitkräften und ihren Helfershelfern begangen worden sind.« Ich werde nunmehr einen Titel dieses Auszuges verlesen:

»Am 5. Juni 1944 haben Hitler-Verbrecher zwei Soldaten aus der jugoslawischen Freiheitsarmee und slowenischen Partisanenabteilungen gefangen genommen. Sie brachten sie nach Razori, wo sie ihre Gesichter mit Bajonetten verstümmelten, ihnen die Augen ausstachen und sie dann fragten, ob sie nun den Genossen Tito sehen könnten. Daraufhin riefen sie die Bauern zusammen und köpften die beiden Opfer... Nachher legten sie die Köpfe auf einen Tisch.«

Unter Anwendung ihres üblichen Verfahrens, die Leichen ihrer Opfer zu photographieren, nahmen die Faschisten Bilder auf. In dem von mir zitierten Auszug heißt es dann weiter:

»Später, nach einem Kampf, wurden bei einem gefallenen Deutschen die Photoaufnahmen beschlagnahmt, aus denen die oben geschilderte Begebenheit in Razori ersehen werden kann.«

Diese Bilder werden dem Gerichtshof, zusammen mit anderem jugoslawischen photographischen Beweismaterial, vorgelegt werden.

Ich überreiche dem Gerichtshof als Dokument USSR-65 (a) eine Bekanntmachung, die von dem Kommandeur der SS- und Polizeiabteilung des 18. militärischen Bereiches, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Rösener unterzeichnet ist.

Ich werde einen Teil dieser Bekanntmachung verlesen. Daraus werden Sie ersehen können, daß gefangengenommene Mitglieder der jugoslawischen Wehrmacht gehängt oder erschossen wurden. Das von mir zitierte Dokument werden Sie auf Seite 367 des Dokumentenbuches finden:

»Anläßlich verschiedener Kampfhandlungen zwischen...Polizeikräften und«

Hier überspringe ich einige Sätze, in denen diese Kämpfe zwischen der Polizei und den jugoslawischen Einheiten beschrieben werden.

[476] »...wurden in letzter Zeit 18 Banditen im Kampf erschossen und eine größere Anzahl gefangengenommen.

Von den Gefangenen wurden nachstehend aufgeführte Banditen am 30. Juni 1942 in Stein öffentlich gehängt:«

Es folgen nun in dieser Bekanntmachung die Namen von acht jugoslawischen Kämpfern im Alter von 21 bis 40 Jahren, die ich nicht verlese. Auf Seite 36 unseres Dokuments USSR-36, Seite 339 des Do kumentenbuches, lesen wir im ersten Absatz von unten:

»Wir können ähnliche Berichte in den beschlagnahmten amtlichen Aufzeichnungen über die Stabskonferenzen des Gauleiters Uiberreither finden.«

So zum Beispiel enthalten die Aufzeichnungen über die am 23. März 1944 abgehaltene Konferenz folgendes:

»Heute wurden in Maribor 15 Banditen hingerichtet.«

Ich lasse einige Sätze aus.

In den Aufzeichnungen vom 27. Juli 1942 heißt es:

»In letzter Zeit wurden viele Mitglieder der Banden erschossen.«

In den Aufzeichnungen über die Konferenz vom 21. Dezember 1942 heißt es unter anderem:

»Seit Beginn der Bandentätigkeit im Juli 1941 sind 164 Banditen durch Kräfte der Ordnungspolizei und 1043 im Sonderverfahren erschossen worden.«

Die Aufzeichnungen vom 25. Januar 1943 stellen fest:

»Die Anzahl der Bandenmitglieder, welche am 8. Januar 1943 durch die Sipo und die Ordnungspolizei liquidiert wurden, beträgt 86, die Verwundeten und Gefangenen eingeschlossen, von diesen wurden 77 hingerichtet.«

Derartige Aufzeichnungen enthält jedes Protokoll der von Uiberreither abgehaltenen Konferenzen.

Ein Teil der Kriegsgefangenen, die der sofortigen Vernichtung entgingen, wurde in besondere Lager verbracht, in denen sie langsam durch Hunger und aufreibende Arbeit vernichtet wurden. Ich verlese nunmehr den letzten Absatz auf Seite 37 des Berichts der Jugoslawischen Regierung, der zuvor von mir erwähnt und als Dokument USSR-36 dem Gerichtshof vorgelegt wurde. Es ist Seite 340 des Dokumentenbuches:

»Ein solches Lager wurde im Jahre 1942 in Osen bei Rognan errichtet. Hierher wurden etwa 1000 jugoslawische Kriegsgefangene gebracht. Im Laufe einiger Monate sind durch Krankheit, Hunger, körperliche Mißhandlung und unmittelbare Tötungen alle bis zum letzten Mann umgekommen. Sie mußten alltäglich schwerste Arbeiten auf Landstraßen und [477] Dämmen verrichten. Die Arbeitszeit dauerte von Tagesanbruch bis 6.00 Uhr abends, und zwar unter den furchtbarsten klimatischen Bedingungen im hohen Norden Norwegens. Während der Arbeit wurden die Gefangenen fortwährend geprügelt und waren im Lager ununterbrochenen Mißhandlungen ärgster Art ausgesetzt.

So ordneten zum Beispiel im August 1942 die deutschen Lagerorgane an, daß sich alle Gefangenen des Haarwuchses in den Achselhöhlen und an den Geschlechtsorganen zu entledigen hätten. Wer dies nicht täte, würde erschossen. Obwohl man wußte, daß die Gefangenen kein Rasierzeug besaßen, wurde ihnen keines geliefert. So mußten die Gefangenen die ganze Nacht hindurch sich selbst und einander die Haare ausreißen. Trotzdem wurden in der Frühe durch deutsche Posten vier Gefangene erschossen und drei verwundet.

Am 26. November 1943 drangen die deutschen Soldaten nachts ins Revier ein, führten 80 kranke Gefangene in den Hof, entkleideten sie trotz der furchtbaren Kälte vollkommen und erschossen sie. Am 26. Januar 1943 starben infolge erlittener Prügel weitere 50 Gefangene unter schwersten Qualen. Während des ganzen Winters wurden zahlreiche Kriegsgefangene derart getötet, daß sie ganz nackt bis zur Hälfte im Schnee eingegraben und von oben mit Wasser begossen wurden. So machte man aus ihnen ›Eisfiguren‹. Es ist festgestellt, daß in diesem Lager auf verschiedene Weise 880 jugoslawische Kriegsgefangene getötet wurden.«

Ferner enthält das Beweisstück USSR-36 auf Seite 38 Angaben über die Erschießung jugoslawischer Kriegsgefangener im Lager Bajsfjord, Norwegen. Als am 10. Juli 1942 eine Flecktyphusepidemie in diesem Lager ausgebrochen und sich auf weitere sechs Lager verbreitet hätte, fanden die Deutschen zur Bekämpfung der Epidemie keinen anderen Ausweg, als alle Patienten zu erschießen. Dies geschah am 17. Juli 1942. Auf derselben Seite 38 wird auf einen norwegischen Bericht vom 22. Januar 1942 Bezug genommen, der nach Aussagen norwegischer Wachen, die aus dem Lager Bajsfjord geflohen waren, zusammengestellt ist. In diesem wird festgestellt, daß von 900 jugoslawischen Kriegsgefangenen 320 erschossen, während der Rest zwecks Isolierung nach einem anderen Lager, Bjerfjel, verlegt wurde. Ich verlese jetzt Seite 38 des Beweisstückes USSR-36 und beginne mit dem fünften Absatz von unten; die von mir zu verlesende Stelle werden Sie auf Seite 341 des Dokumentenbuches finden:

»Als hier wieder Flecktyphus auftrat, wurden im Laufe der folgenden 5-6 Wochen durchschnittlich 12 Menschen am [478] Tage erschossen. Ende August 1942 kehrten insgesamt 350 Gefangene nach Bajsfjord zurück. Die deutschen SS-Truppen setzten die weitere Vernichtung fort. Schließlich blieben nur noch 200 Menschen am Leben, die in das Lager Osen überführt wurden.«

Ich lasse 2 Absätze aus und gehe zum letzten Abschnitt über, der sich auf derselben Seite befindet:

»Am 22. Juni 1943 erreichte ein Transport mit 900 jugoslawischen Gefangenen Norwegen. Der Transport bestand hauptsächlich aus Intellektuellen, ferner aus Arbeitern und Bauern, die teilweise Gefangene des ehemaligen jugoslawischen Heeres, teilweise gefangene Partisanen oder sogenannte ›politisch verdächtige Elemente‹ waren. Ein Teil, etwa 400, wurde in dem noch nicht ganz ausgebauten Lager Korgen untergebracht, die zweite Gruppe von etwa 500, 10 bis 20 km weiter, in Osen. Kommandant beider Lager war zur gleichen Zeit SS-Sturmbannführer Dolps, und zwar vom Juni 1942 bis Ende März 1943...

Die Leute starben allmählich vor Hunger. In den Baracken, die normalerweise für 6 Personen bestimmt waren, wurden 45 Personen untergebracht... Arzneien gab es gar keine.... Sie arbeiteten unter schwersten Verhältnissen...auf den Landstraßen, bei größter Kälte, ohne Kleider und Mützen, in Wind und Regen, alltäglich 12 Stunden....

Im Lager Osen schliefen die Kriegsgefangenen ständig nur in Hemden, ohne Unterhosen, ohne irgendwelche Decken auf nackten Brettern. Dolps persönlich besichtigte und kontrollierte die Baracken. Die Gefangenen, die in ihrem Unterzeug schliefen, erschoß er an Ort und Stelle mit seiner Maschinenpistole. Ebenso ging er mit jenen vor, die bei der Besichtigung in Reih und Glied, die er selbst durchführte, unreine Unterwäsche anhatten...

Gegen Ende des Jahres 1942 waren von der ersten Gruppe von 400 Gefangenen in Korgen nur noch 90 am Leben... Von den 500 Gefangenen, die Ende Juni 1942 nach Osen gebracht wurden, lebten im März 1943 nur noch 30.«

Ich werde jetzt einen Auszug von Seite 39 des Beweisstückes USSR-36 verlesen und beginne mit dem dritten Absatz von unten. Die Stelle befindet sich auf Seite 342 des Dokumentenbuches:

»Nebst diesem grausamen Verfahren gegenüber den gefangenen Kämpfern der nationaljugoslawischen Befreiungs-Armee und der Partisanenabteilungen behandelten die Deutschen auch die jugoslawischen Kriegsgefangenen des alten jugoslawischen Heeres vollkommen völkerrechtswidrig und[479] in deutlichem Gegensatz zu den Vorschriften des Genfer Abkommens von 1929 über die Behandlung von Kriegsgefangenen.

Im April 1941, sofort nach der Besetzung des jugoslawischen Gebietes, brachten die Deutschen etwa 300000 Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere als Kriegsgefangene nach Deutschland. Die staatliche jugoslawische Kommission besitzt zahlreiche Beweise über die Mißhandlung und das rechtswidrige Verfahren gegenüber diesen Kriegsgefangenen. Wir führen hier nur einige Beispiele an:

So wurden zum Beispiel am 14. Juli 1943 im SS-Offizierslager in Osnabrück 740 kriegsgefangene jugoslawische Offiziere von den anderen abgesondert und in ein spezielles Straflager, ›Lager D‹ genannt, verbracht. Hier wurden alle in vier Baracken gestopft. Es wurde ihnen jede Berührung mit den übrigen Teilen des Lagers untersagt. Die Behandlung verstieß ihnen gegenüber in noch viel stärkerem Maße gegen das Abkommen, als dies gegenüber den anderen Kriegsgefangenen der Fall war.

In diesem Straflager befanden sich solche Offi ziere, die deutscherseits als Anhänger der nationalen Befreiungsbewegung betrachtet wurden. Oft kamen ihnen gegenüber auch kollektive Strafmaßnahmen zur Anwendung.

Die Deutschen spielten mit dem Leben der Kriegsgefangenen und schossen oft auf sie aus reinstem Übermut. Im schon erwähnten Lager Osnabrück schoß am 11. Januar 1942 ein deutscher Posten auf eine Gruppe von Kriegsgefangenen und verwundete den Hauptmann Peter Nozinic schwer. Am 22. Juli 1942 schoß ein Posten auf eine Gruppe von Offizieren. Am 2. September 1942 schoß wieder ein Posten, diesmal auf den jugoslawischen Oberleutnant Vladislav Vajs, welcher infolge der Verwundung dauernd Invalide blieb. Am 22. September 1942 schoß ein Posten aus dem Wachturm in eine Gruppe von Offizieren, die aus den Fenstern ihrer Baracke vorbeigehende englische Kriegsgefangene betrachteten. Am 20. Februar 1942 schoß ein Posten auf einen kriegsgefangenen Offizier nur deshalb, weil dieser rauchte. Am 11. März 1943 schoß ein Posten durch die Tür in eine Baracke hinein und tötete bei dieser Gelegenheit den kriegsgefangenen General Dimitrij Pavloviè. Am 21. Juni 1943 schoß ein Posten auf den jugoslawischen Oberstleutnant Branko Popanic. Am 26. April 1944 schoß ein deutscher Unteroffizier namens Richards auf den Oberleutnant Wladislav Gaider, der kurze Zeit darauf an der erhaltenen Wunde starb.

[480] Am 26. Juni 1944 schoß der deutsche Hauptmann Kuntze auf 2 jugoslawische Offiziere und verwundete dabei den Oberleutnant Djordjevic schwer.

Alle diese Schießereien erfolgten ohne irgendwelchen ernsten Grund und Anlaß, lediglich als Folge der grausamen Befehle der deutschen Lagerkommandanten, nach denen auch im Fall ganz unbedeutender Vergehen, ja sogar auch ohne ein solches, die Waffe benutzt werden sollte.

Alle erwähnten Fälle sind aus einem einzigen Lager. Ebenso ging es in allen anderen Lagern der kriegsgefangenen jugoslawischen Offiziere und Soldaten zu.«

Ein gewisser Zwischenfall wird im Bericht der Tschechoslowakischen Regierung beschrieben, den ich hier gern erwähnen möchte. Dieser Zwischenfall ist nicht dadurch charakteristisch, daß er neues Licht auf die Methoden der faschistischen Verbrecher wirft, sondern, daß er zu einer Zeit erfolgte, in der die Hitler-Faschisten bereits klar erkannten, daß ihre Tage gezählt waren. Dieser Zwischenfall ist im Anhang 4 zum tschechoslowakischen Regierungsbericht geschildert, und ich werde ihn kurz mit eigenen Worten beschreiben.

In Gawlichkow Brod befand sich ein Flugfeld, auf dem militärische Dienststellen untergebracht waren, während die frühere Irrenanstalt als SS-Lazarett verwendet wurde. Als die Frage über die Formalitäten der Kapitulation der deutschen militärischen Einheiten auf dem Flugfeld im Jahre 1945 akut wurde, begaben sich als amtliche Vertreter der tschechischen Armee der Stabskapitän Sulamit einem seiner Offizierskameraden zu diesem Flugfeld. Keiner von ihnen kehrte jemals zurück. Einige Zeit danach wurde das Flugfeld und das Lazarett von tschechischen Einheiten besetzt und eine Untersuchung vorgenommen. Diese zeigte, daß die Parlamentäre zusammen mit sechs anderen Personen, die schon früher in Gawlichkow Brod verschwunden waren, von den Deutschen in das SS-Lazarett verbracht worden waren, wo sie grausamen Folterungen unterworfen worden sind. Dem Hauptmann Sula schnitten die Deutschen die Zunge heraus, stachen ihm die Augen aus und schnitten seine Brust auf. Die anderen wurden ähnlich behandelt. Den meisten wurden die Geschlechtsorgane abgeschnitten.

Ich verfüge über photographisches Beweismaterial, das diese Tatsachen bekräftigt und das ich dem Gerichtshof vorlegen werde.

Meine Ausführungen haben mehrere Stunden in Anspruch genommen. Selbstverständlich reichen weder Zeit noch Worte der lebenden menschlichen Sprache aus, um auch nur einen tausendsten Teil der Leiden zu schildern, die die Kämpfer meines Landes und anderer demokratischer Nationen, die das Unglück hatten, in die Hände der faschistischen Henkersknechte zu fallen, erleiden mußten.

[481] Ich konnte dem Gerichtshof nur in stark zusammengefaßter Form die Art und Weise zeigen, in der die kannibalischen faschistischen Befehle ausgeführt wurden, die die Mißhandlung von Kriegsgefangenen und deren Massenhinrichtung betrafen, und die alle Schrecken des Mittelalters in den Schatten stellen.

Wir wollen hier versuchen, die Lücke ein wenig auszufüllen. Zehntausende von Zeugen werden an Ihnen vorüberziehen. Sie haben den Ruf erhalten, vor Gericht zu erscheinen, um in diesem Verfahren ebenfalls ihren Beitrag zu liefern. Ich kann sie nicht mit Namen nennen, und Sie werden sie nicht vereidigen, jedoch sind ihre Aussagen über jeden Zweifel erhaben, denn die Toten lügen nicht. Ein großer Teil der Filme über deutsche Greueltaten, die von der Sowjetischen Anklagebehörde vorgeführt werden, beziehen sich auf Verbrechen gegen Kriegsgefangene. Die stummen Zeugenaussagen der lebendig in den Lazaretten Verbrannten, der durch Martern bis zur Unkenntlichkeit Verstümmelten, der dem Hungertode Überlassenen, werden, dessen bin ich sicher, stärker als irgendeines meiner Worte sein. Die Hände der Angeklagten sind mit dem Blut der Opfer von Rostow und Charkow, der Märtyrer von Auschwitz und anderer von den Hitler-Banditen geschaffenen Vernich tungslager besudelt.

Der Feind hat unser Land in der niederträchtigsten Weise angegriffen, Völker griffen zu den Waffen, um ihre Heimat, ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit, die Ehre und das Leben ihrer Familien zu verteidigen. Sie schlossen sich den Reihen der Kämpfer an. Sie kämpften und fielen in die Hände des Feindes. Sehen Sie sich an, wie der Feind sie verhöhnte, als sie keine Waffen mehr in Händen hatten!

Die Hauptschuldigen an den faschistischen Verbrechen müssen sich jetzt vor den Märtyrern für die unbeschreiblichen Greueltaten verantworten, die Sie selbst sehen werden, sowie für viele ähnliche Verbrechen, von denen wahrscheinlich niemand mehr etwas erfahren wird; sie werden die ganze Strenge des Internationalen Gesetzes von Rechts wegen zu spüren bekommen.

Gestatten Sie mir, dem Gerichtshof den Justizrat erster Klasse der Hauptanklagevertretung der Sowjetunion L. N. Smirnow, vorzustellen, der Ihnen Beweise zum Thema: »Verbrechen gegenüber der friedlichen Bevölkerung« vorlegen wird.

OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Meine Herren Richter! Meine Aufgabe besteht darin, Ihnen schriftliche Dokumente und andere gerichtliche Beweise vorzulegen, die die von den Hitler-Verschwö rern begangenen schwersten Verbrechen gegen die friedliche Bevölkerung der vorübergehend besetzten Gebiete der USSR, Jugoslawiens, Polens und der Tschechoslowakei bestätigen.

[482] Die Sowjetanklage verfügt über eine Unmenge derartiger Beweise.

Es genügt, darauf hinzuweisen, daß sich allein in den Akten der Außerordentlichen staatlichen Kommission für die Feststellung und Untersuchung der Greueltaten der deutsch-faschistischen Eindringlinge und ihrer Helfershelfer 54 784 Vorgänge über die Greueltaten der Hitler-Verbrecher gegen die friedlichen Bürger der Sowjetunion befinden.

Aber auch diese Dokumente umfassen noch lange nicht alle von den Kriegsverbrechern gegen die friedliche Bevölkerung begangenen Greueltaten.

Die Sowjetanklage behauptet, und ich bringe dem Gerichtshof dafür Beweise, daß längs der ganzen Riesenfront von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer, überall, wo deutsch-faschistische Horden meine Heimat betreten haben, überall, wo nur ein deutscher Soldat oder ein SS-Mann aufgetreten ist, unerhörte, grausame Verbrechen begangen worden sind, deren Opfer friedliche Menschen, Frauen, Kinder und Greise waren.

Die Greueltaten der deutsch-faschistischen Verbrecher wurden jeweils mit dem Vorrücken der Roten Armee nach dem Westen aufgedeckt. Die Protokolle über die von den Hitler-Räubern gegen die friedliche Bevölkerung begangenen Verbrechen wurden von Offizieren der Vorausabteilungen der Roten Armee, von den Ortsbehörden und von den öffentlichen Organisationen aufgenommen.

Die Sowjetbevölkerung erfuhr zuerst von den Verbrechen der deutsch-faschistischen Eindringlinge nicht aus den Rundschreiben der Befehlshaber der Deutschen Wehrmacht, nicht aus den Anweisungen der Reichsleiter oder den Instruktionsschreiben der SS-Obergruppenführer, die mit den laufenden Nummern der entsprechenden Kanzleien versehen waren, allerdings wurden solche Dokumente in großer Zahl von den vorrückenden Truppenteilen der Roten Armee erbeutet und stehen der Sowjetanklage zur Verfügung, sondern aus ganz anderen Quellen; als die Soldaten der Befreiungsarmee in ihre Heimatorte zurückkehrten, da fanden sie viele Dörfer und Städte, die von den Hitler-Horden in »Wüstenzonen« verwandelt worden waren.

Vor den Massengräbern der durch »typische deutsche Methoden« ermordeten Sowjetbürger, ich werde später dem Gerichtshof Beweismaterial über diese Methoden und über die Regelmäßigkeit ihrer Anwendung vorlegen, vor den Galgen, an denen die Körper der Jugendlichen hingen, vor den Öfen der gigantischen Krematorien, wo die in den Vernichtungslagern Ermordeten verbrannt wurden, vor den Leichen der Frauen und Mädchen, die dem Sadismus der faschistischen Banditen zum Opfer gefallen waren, vor den in zwei Teile zerrissenen Kinderleichen, – überall dort erkannten die [483] Sowjetbürger das Ziel der Verbrechen, die, wie in der Rede des Hauptanklägers der USSR richtig gesagt wurde, »sich vom Ministersessel bis zu den Händen des Henkers erstreckten«.

Diese ungeheuerlichen Greueltaten wurden nach einem eigenen verbrecherischen System begangen. Es gab einheitliche Methoden der Tötung: überall die gleiche Einrichtung der Gaskammern, die gleichen Massenstanzen der runden Büchsen mit dem Giftstoff »Zyklon A« oder »Zyklon B«, die nach den gleichen Serienentwürfen gebauten Krematoriumsöfen, die gleiche Planung der »Vernichtungslager«, der gleiche Bau der übelriechenden »Todesmaschinen«, die von den Deutschen »Gaswagen«, von unseren Leuten »Seelentöter«, »Duschegubka« genannt wurden, die technische Ausarbeitung der Konstruktion der Wandermühlen zur Vermahlung der Menschenknochen, das alles zeugte von dem Vorhandensein des einheitlichen bösen Willens, der die einzelnen Mörder und Henker vereinte.

Es wurde klar, daß es die deutschen Wärmetechniker und Chemiker, Baumeister und Toxikologen, Mechaniker und Ärzte waren, die sich nach den Anweisungen der verbrecherischen Hitler-Regierung und unter der Leitung der Deutschen Wehrmacht mit der Rationalisierung des Massenmordes befaßten.

Es wurde klar, daß die »Todesfabriken« zahlreiche Zweige der Hilfsindustrie ins Leben gerufen haben.

Aber die Einheitlichkeit des bösen Willens offenbarte sich nicht nur dort, wo die Spezialtechnik den Zwecken der verbrecherischen Tötung diente.

Diese Einheitlichkeit des bösen Willens offenbarte sich auch in der Einheitlichkeit der von den Anführern der Greueltaten verwendeten Methoden, in der Einheitlichkeit der Technik der Menschentötung, auch dort, wo keine besonderen technischen Mordeinrichtungen, sondern die in der deutschen Armee üblichen Waffen benutzt wurden.

Aus diesen Beweisen, die ich später vorlegen werde, werden Sie ersehen, daß die Gräber von Opfern der Deutschen im Norden wie im Süden des Landes von sowjetischen Gerichtsärzten geöffnet wurden. Die Gräber lagen oft Tausende von Kilometern voneinander entfernt, und es war klar, daß die Verbrechen von verschiedenen Personen begangen sein mußten; aber die Methoden der Verbrechen waren überall die gleichen. Die Verwundungen befanden sich an der gleichen Stelle. Die als Antitankgräben oder Schützengräben getarnten gigantischen Gruben wurden in genau derselben Weise hergerichtet. Die Mörder gebrauchten fast genau dieselben Ausdrücke, wenn sie den zur Erschießung vorgeführten waffen- und schutzlosen Menschen befahlen, sich auszuziehen und sich mit dem Gesicht nach unten in die vorher ausgehobenen Gruben zu legen. Ganz gleich, ob das in den Sümpfen von Weißrußland oder in den [484] kaukasischen Vorgebirgen geschah, überall wurde die erste Schicht der Erschossenen mit Chlorkalk bestreut, dann zwangen die Mörder die verurteilten hilflosen Menschen, sich auf die erste Reihe der Toten zu legen, die mit einer blutgemischten ätzenden Masse bedeckt waren.

Dadurch wird nicht nur die Einheitlichkeit der von oben erhaltenen Anweisungen und Befehle erwiesen. Die Methoden der Henker waren derart einheitlich, daß klar ersichtlich wurde, wie die Mörder in besonderen Schulen vorbereitet wurden, wie methodisch alles, von dem Befehl, sich vor der Erschießung auszuziehen bis zur Tötung selbst, vorausgesehen und besprochen worden ist. Diese auf der Analyse der Tatsachen beruhenden Vermutungen wurden später durch die von der Roten Armee aufgefundenen Dokumente und durch Zeugenaussagen vollauf bestätigt.

Bereits in den ersten Kriegsmonaten wurde es der Sowjetregierung klar, daß die unzähligen Verbrechen der deutsch-faschistischen Angreifer gegen den friedlichen Bürger unserer Heimat keine Übergriffe undisziplinierter Truppen oder vereinzelte Übeltaten einzelner Offiziere oder Soldaten waren: es war vielmehr ein vorgesehenes System, ein System, das von der verbrecherischen Hitler-Regierung nicht nur sanktioniert, sondern von ihr mit Vorbedacht organisiert worden war und mit allen Mitteln gefördert wurde.

Dem Gerichtshof ist bereits als unumstößliches, und dem Artikel 21 des Statuts entsprechendes Beweisstück, die Note des Volkskommissars für die auswärtigen Angelegenheiten der USSR, V. M. Molotow, vom 6. Januar 1942 als Dokument USSR-51 vorgelegt worden. Dieses Dokument befindet sich auf Seite 1 Ihrer Dokumentenmappe. Ich zitiere vom Absatz 3 am Anfang der Note:

»Als die Rote Armee im Zuge ihrer fortdauernden erfolgreichen Gegenoffensive eine Reihe von Städten und ländlichen Ortschaften befreite, die sich vorübergehend in den Händen der deutschen Eindringlinge befunden haben, da trat ein beispielloses Bild hervor, und dieses Bild wird mit jedem Tag immer deutlicher, das Bild der an allen Orten erfolgten Plünderungen, der allgemeinen Zerstörung, gemeiner Gewalttaten, Schandtaten und Massenmorde, die von den faschistischen deutschen Okkupanten bei ihrer Offensive, während der Okkupation und bei ihrem Rückzug an der friedlichen Zivilbevölkerung verübt worden sind. Zahlreiches Dokumentenmaterial, über das die Sowjetregierung verfügt, bezeugt, daß die Ausplün derung und Vernichtung der Bevölkerung die von bestialischen Gewalttaten und Massenmorden begleitet waren, in allen Gebieten verübt wurden, die unter die Stiefel der deutschen Eindringlinge geraten sind. Unumstößliche Tatsachen bezeugen, daß das Regime des Raubes und des blutigen [485] Terrors gegen die friedliche Bevölkerung der besetzten Dörfer und Städte nicht aus irgendwelchen Exzessen einzelner undisziplinierter Truppenteile oder einzelner deutscher Offiziere und Soldaten besteht. Es stellt vielmehr ein bestimmtes System dar, das im vorausgeplant und von der Deutschen Regierung und der deutschen Armeeführung gefördert wurde und in ihrer Armee, unter den Offizieren und Soldaten, mit Vorbedacht die niedrigsten tierischsten Instinkte entfesselte.

Jeder Schritt der faschistischen deutschen Armee und ihrer Bundesgenossen auf den von ihnen besetzten Sowjetterritorien in der Ukraine und der Moldau, in Weißrußland und Litauen, in Lettland und Estland, auf karelisch-finnischem Territorium, in den russischen Kreisen und Bezirken zieht die Zerstörung und Vernichtung zahlloser materieller und kultureller Werte unseres Volkes nach sich, er bringt der Zivilbevölkerung den Verlust des in zäher Arbeit erworbenen Eigentums, die Aufrichtung eines Zwangsarbeitsregimes, Hungersnöte und blutige Gemetzel, vor deren Schrecken die furchtbarsten Verbrechen verblassen, die die menschliche Geschichte jemals gekannt hat.

Die Sowjetregierung und ihre Organe führen ausführlich Buch über alle diese frevelhaften Verbrechen der Hitler-Armee, für die das tief empörte Sowjetvolk berechtigterweise Vergeltung fordert und auch erhalten wird.

Die Sowjetregierung hält es für ihre Pflicht, der ganzen zivilisierten Menschheit und allen ehrlichen Menschen in der ganzen Welt ihre Erklärung zu den Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, durch die die ungeheuerlichen Verbrechen der Hitler- Armee gegenüber der friedlichen Bevölkerung in dem von den Deutschen besetzten Territorium der Sowjetunion charakterisiert werden.«

Ich verlese jetzt den zweiten, vierten und fünften Absatz dieser Note. Die Herren Richter können diese Stelle auf der Rückseite der vierten Seite des zitierten Dokuments, im fünften Absatz der ersten Spalte des Textes finden.

»Die Hitler-Regierung Deutschlands, die die Sowjetunion wortbrüchig überfallen hat, nimmt in ihrem Krieg keine Rücksicht auf irgendwelche völkerrechtlichen Normen oder auf irgendwelche Forderungen der menschlichen Moral. Sie führt Krieg vor allem gegen die friedliche und unbewaffnete Bevölkerung, gegen Frauen, Kinder und Greise, wodurch sie ihr niederträchtiges Räuberwesen offenbart. Diese Räuberregierung, die nur Gewalt und Raub anerkennt, muß durch die alles zermalmende Kraft der freiheitliebenden Völker [486] zerschmettert werden, in deren Reihen die Sowjetvöl ker ihre große Befreiungsaufgabe bis zu Ende durchführen werden.

Indem die Sowjetregierung alle diese von den deutschen Eindringlingen verübten Bestialitäten allen Regierungen, mit denen die Sowjetunion diplomatische Beziehungen unterhält, zur Kenntnis bringt, erklärt sie, daß sie die gesamte Verantwortung für diese unmenschlichen und räuberischen Handlungen der deutschen Truppen der verbrecherischen Hitler-Regierung Deutschlands auferlegt.

Gleichzeitig hiermit erklärt die Regierung der Sowjetunion mit unerschütterlicher Zuversicht, daß der Befreiungskampf der Sowjetunion ein Kampf für die Rechte und die Freiheit nicht nur der Völker der Sowjetunion, sondern auch für die Rechte und Freiheit aller übrigen freiheitliebenden Völker der Welt ist und daß dieser Krieg nur enden kann mit der völligen Zertrümmerung der Hitler-Truppen und mit dem vollen Sieg über die Hitler-Tyrannei.«

Die zahlreichen Dokumente, die ich dem Gerichtshof vorlegen muß, machen ein sehr genaues System bei der Vorlage dieses Materials erforderlich.

Dem Gerichtshof werden nacheinander Beweisstücke vorgelegt werden über:

  • 1) Die bewußte Auslösung der niedrigsten Instinkte bei deutschen Soldaten und Offizieren und bei den in die östlichen Gebiete entsandten Amtspersonen, die durch die Hauptkriegsverbrecher zu Morden und Gewalttaten gegen die friedliche Bevölkerung angestiftet wurden. Diese Hauptkriegsverbrecher schufen eine Atmosphäre der Unverantwortlichkeit und legalisierten die Terrorherrschaft.

  • 2) Die besondere Erziehung und Auslese des zur Durchführung der Massenmorde und der Terrorherrschaft gegen die friedliche Bevölkerung bestimmten Personals.

  • 3) Den Umfang der Verbrechen, den Grad und das ungeheure Ausmaß der deutsch-faschistischen Greueltaten.

  • 4) Die allmähliche Entwicklung und Vervollkommnung der Methoden der Verwirklichung dieser unerhörten Verbrechen von den ersten Erschießungen bis zur Schaffung der »Vernichtungslager«.

  • 5) Die Versuche der Tarnung der Spuren der Verbrechen und die durchgeführten besonderen Maßnahmen auf Grund von Befehlen der höchsten Stellen.

Ich gehe jetzt zur Vorlage der Dokumente über, die sich auf die beiden ersten Punkte dieser Aufstellung beziehen.

Dem Gerichtshof wurden bereits die Beweise dafür vorgelegt, daß die tatsächlichen Befehle, Rundschreiben und sogenannten »Gesetze«, die von den Hitler-Verbrechern zur Legalisierung des [487] Terrors gegen die friedliche Bevölkerung und zur Rechtfertigung der Morde und Gewalttaten herausgegeben wurden, in unmittelbarem Zusammenhang mit den unmenschlichen »Theorien« des Faschismus stehen. Der Hauptanklagevertreter der USSR hat zweimal das Buch von Hermann Rauschning, dem früheren Staatspräsidenten von Danzig, der einmal Hitler sehr nahe stand, zitiert. Dieses Buch wurde 1940 in Neuyork unter dem Titel: »Die Stimme der Zerstörung« veröffentlicht. Es wurde später auch in anderen Ländern unter anderen Titeln, wie zum Beispiel »Hitler sagte mir« oder »Gespräche mit Hitler« und so weiter herausgegeben.

In der Rede des Hauptanklagevertreters der USSR sind zwei Stellen aus dem von mir soeben vorgelegten Buche von Rauschning zitiert worden. Die eine befindet sich auf Seite 225 des Originals, Seite 14 des Dokumentenbuches, letzter Absatz. Der Inhalt dieses Zitate ist kurz folgender: Hitler sagte zu Rauschning, daß er »die Menschheit von dem Wahn, den man Gewissen nennt, befreien wird«.

Das andere Zitat ist ebenfalls sehr wichtig. Ich werde versuchen, auf Grund zahlreicher konkreter Tatsachen, den etwas abstrakt erscheinenden Inhalt dieses Zitats klar zu machen. Sie werden das Zitat auf den Seiten 137 und 138 finden. Es beschreibt ein Gespräch zwischen Hitler und Rauschning über die »spezielle Entvölkerungstechnik«, über die Aktionen, die zur Vernichtung ganzer Völker notwendig sind, und über das Recht des Siegers, ganze Völker systematisch auszurotten.

Es ist selbstverständlich, daß es nicht genügte, chemische Rezepte für »Zyklon A« auszuarbeiten, Gaskammern und Krematoriumsöfen zu konstruieren oder Spezialverfahren der Massenerschießung in allen Einzelheiten festzulegen, um Millionen unschuldiger und hilfloser Menschen zu vernichten, sondern man mußte zu diesem Zwecke viele Tausende von Befehlsvollstreckern ausbilden, die diese Politik nicht »ihrer Form, sondern ihrem Geiste nach«, wie sich Himmler einst ausdrückte, ausführten. Man mußte Menschen ohne Herz und Gewissen, mit perversen Neigungen, solche, die mit den Grundsätzen der Moral und des Rechts bewußt gebrochen hatten, erziehen. Man mußte die Rechtmäßigkeit des Begriffs »Schuld« durch den Begriff »Verdacht« ersetzen, den Begriff »Strafe« durch den Begriff der »vorbeugenden Säuberung von unerwünschten Elementen aus politischen Gründen«, den Begriff »Gerechtigkeit« durch den Begriff »Herrenrecht«, den Begriff »Gericht« durch die »Verherrlichung bürokratischer Tyrannei und Polizeiterror« legalisieren und »theoretisch begründen«. Man mußte in Form von Verordnungen, Befehlen, Gesetzen die Hunderttausende der Vollstrecker der von den Hauptverbrechern erdachten Greueltaten, die wie Bluthunde erzogen wurden, überzeugen, daß sie für nichts [488] verantwortlich seien. Aus diesem Grunde hat Hitler »die Menschheit von dem Wahn, den man Gewissen nennt«, befreit.

Aber die theoretischen Begründungen waren noch nicht in erforderlichem Umfang vorschriftsmäßige Instruktionen; sie sahen keine Strafen für jene vor, die ungebührlich weich waren, und die »die Freude an Grausamkeit« nicht genügend verstanden und zu milde waren.

Deswegen haben die deutsch-faschistischen Verbrecher vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion denjenigen Deutschen, die nach dem Osten gingen, sogenannte »Merkblätter«, »Gebote« und ähnliche Vorschriften mit auf den Weg gegeben. Ich lege dem Gerichtshof eines dieser Dokumente vor, wobei ich bemerke, daß ich mit Absicht aus dem mir zur Verfügung stehenden Material dieses kurze Dokument ausgewählt habe. Ich habe dieses Dokument ausgesucht, weil es nicht für die SS-Leute und nicht für die Polizei, sondern nur für die sogenannten Landwirtschaftsführer bestimmt gewesen ist. Das Dokument heißt: »12 Gebote für das Verhalten der Deutschen im Osten und die Behandlung der Russen«.

Ich lege dem Gerichtshof dieses Dokument als USSR-89 vor. Die Herren Richter werden dieses Schriftstück auf Seite 17 des Dokumentenbuches finden. Von den zwölf Geboten verlese ich nur eins, und zwar das sechste, das, wie mir scheint, in unmittelbarem Verhältnis zu meinem Thema steht.

DR. NELTE: Herr Präsident, die Urkunde USSR-89 ist überschrieben: »12 Gebote für das Verhalten der Deutschen im Osten und die Behandlung«. Damit schließt es bei mir. Dieses Dokument trägt keinen Kopf und es trägt keine Unterschrift. Wegen der Frage der Verantwortlichkeit wäre es doch wohl erwünscht, wenn der Herr Anklagevertreter angeben könnte, wer der Verfasser dieser zwölf Gebote ist. Demgemäß bitte ich um Ihre Entscheidung, ob die Urkunde als Beweismittel in dieser Form zulässig ist.

VORSITZENDER: Können Sie uns über die Herkunft des Dokuments informieren?


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Dieses Dokument befindet sich in den Akten der Außerordentlichen staatlichen Kommission zur Untersuchung und Feststellung der deutsch-faschistischen Greueltaten. Seine Herkunft ist folgende: Die weiteren Ausführungen muß ich hier kurz unterbrechen...

Der Verteidiger sagte, daß dieses Dokument keine Unterschrift trägt. Wenn der verehrte Herr Vorsitzende das Original, das ihm vorgelegt wurde, zur Hand nehmen will, wird er dort die Unterschrift eines gewissen Backe sehen. Leider kann ich nicht sagen, wer dieser Backe ist; ich habe jedoch diese Unterschrift auf einer Anzahl deutscher, besser gesagt, deutsch-fa schistischer Dokumente [489] gesehen, die gewöhnlich in einem seltsamen Zusammenhang zwei Sachen behandelten: Die Viehzucht und die russische Seele. Anscheinend wurde der Verfasser dieses Dokuments in beiden Fällen als kompetent angesehen. Ich kenne jedoch seine Diensttätigkeit nicht.

Ich wiederhole, daß dieses Dokument von Feldtruppen unserer Armee in der Nähe von Rossoschi beschlagnahmt wurde. Es wurde der Außerordentlichen staatlichen Kommission übergeben, und das Originaldokument liegt jetzt dem verehrten Gerichtshof vor.


VORSITZENDER: Ich habe das Original hier vor mir. Es trägt das Datum: Berlin, 1. Juni 1941 und eine Unterschrift, etwa wie: B-a-c-k-e. Vielleicht möchte der Herr Verteidiger das Dokument im Original sehen? Soweit ich den Anklagevertreter verstanden habe, gehört es zum Bericht der Sowjetregierung und, wenn das richtig ist, dann müssen wir es zur Kenntnis nehmen.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das ist richtig, Herr Vorsitzender. Ich bekomme eben eine Auskunft über die Diensttätigkeit von Backe. Er war Ernährungsminister. Vorhin wußte ich das nicht, weil ich praktisch diesen Zweig des faschistischen Deutschlands nicht kenne.


DR. NELTE: Herr Präsident, ich glaube, die Unterschrift mit »Backe« identifizieren zu können. Backe war im Ernährungsministerium, und zwar damals Staatssekretär.


VORSITZENDER: Ich glaube, es ist Zeit, eine Pause einzuschalten.


[Pause von 10 Minuten.]


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Erlauben Sie mir, fortzufahren, Herr Vorsitzender!

Ich verlese nun das sechste Gebot der dem Gerichtshof soeben vorgelegten zwölf Gebote. Dieses sechste Gebot befindet sich auf Seite 17 des dem Gerichtshof vorliegenden Dokumentenbuches und lautet wie folgt:

»6. Da die neu erschlossenen Räume für Deutschland und Europa auf die Dauer gewonnen werden müssen, kommt es entscheidend auf Eure Haltung an. Ihr müßt Euch bewußt sein, daß Ihr Repräsentanten Großdeutschlands und Bannerträger der nationalsozialistischen Revolution und des neuen Europa für Jahrhunderte seid. Ihr müßt daher auch die härtesten und rücksichtslosesten Maßnahmen, die aus Staatsnotwendigkeiten gefordert werden, mit Würde durchführen. Charaktermängel des Einzelnen werden grundsätzlich zu seiner Abberufung führen. Wer aus solchen Gründen [490] abberufen wird, kann auch im Reich nicht mehr an entscheidender Stelle stehen.«

Für welche grausamen und unbarmherzigen Maßnahmen die verbrecherische Hitler-Regierung diejenigen, die sie die »Bannerträger der nationalsozialistischen Revolution« nannte, vorbereitete, und welche Verbrechen von diesen Bannerträgern begangen wurden, werden wir später aufzeigen. Auf diese Weise werden die abstrakten theoretischen Abhandlungen durch bestimmte und unzweideutige amtliche Befehle klargemacht.

Die Gruppen der Henker wurden in besonderen Schulen vorgebildet, deren Netz die niedersten Rangstufen erfaßte.

Ich möchte dem Gerichtshof die Anklageschrift des Staatsanwalts für Außerordentliche Angelegenheiten der Sowjetunion Über die deutsch-faschistischen Verbrechen in der Stadt und der Provinz von Charkow vorlegen. Dieses Dokument wurde bereits durch das Urteil des Militärgerichtshofs voll bestätigt, das dem Hohen Gerichtshof vorgelegt wird. Das Urteil befindet sich auf Seite 20 des Dokumentenbuches.

Die Anklageschrift und das Urteil werden dem Hohen Gerichtshof als Beweisstück USSR-32 vorgelegt.

Auf der ersten Seite der Anklageschrift befindet sich ein Auszug aus der Zeugenaussage des Angeklagten Retzlaff. Er steht auf Seite 24 des Dokumen tenbuches, letzter Absatz. Ich verlese diesen Auszug der Zeugenaussage:

»So sagte der in vorliegender Strafsache unter Anklage gestellte Obergefreite der Deutschen Wehrmacht, Reinhard Retzlaff, der im Sonderbataillon ›Altenburg‹ seine Ausbildung erhalten hatte, in der Voruntersuchung aus: Der Lehrgang umfaßte sogar einige Vorträge führender Beamter der GFP (Geheime Feldpolizei), durch die unmittelbar darauf hingewiesen wurde, daß die Völker der Sowjetunion und insbesondere diejenigen russischer Nationalität minderwertig seien und in ihrer überwiegenden Mehrheit vernichtet, zu einem unbedeutenden Teil aber von deutschen Gutsherren als Sklaven ausgenutzt werden müssen.

Diese Weisungen entsprangen der Politik der Deutschen Regierung gegenüber den Völkern besetzter Territorien und wurden, wie zugegeben werden muß, in der Praxis von jedem deutschen Wehrmachtsangehörigen, darunter auch von mir, unweigerlich ausgeführt.«

So sahen die Lehrgänge aus, die der Schulung und Ausbildung der untersten Ränge der Polizeibeamten gewidmet waren.

Aber das faschistische System der Ausbildung von Mördern kannte auch andere Schulungsarten, die insbesondere der Technik der Tarnung der Verbrechenspuren gewidmet waren. Der Gerichtshof [491] hat bereits unser Beweisstück USSR-6 (c) erhalten. Dieses Schriftstück stellt einen Anhang zu dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die im Gebiet von Lemberg begangenen Verbrechen dar. Es handelt sich um die Aussage des Zeugen Manussewitsch, der vom Stellvertreter des Staatsanwalts im Gebiet Lemberg auf besondere Anordnung der Außerordentlichen staatlichen Kommission vernommen wurde. Das Protokoll dieser Vernehmung ist unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen der Ukrainischen Sowjetrepublik rechtsgültig angefertigt worden. Der Gerichtshof wird dieses Dokument auf Seite 48 des Dokumentenbuches finden.

Manussewitsch wurde von den Deutschen im Janovskylager gefangengehalten, wo er in jener Gefangenengruppe arbeitete, die die Leichen von ermordeten Bürgern der Sowjetunion zu verbrennen hatte. Nach Beendigung der Verbrennung von 40000 Leichen der im Janovskylager Ermordeten wurde die Gruppe für ähnliche Zwecke in ein Lager geschickt, das sich im Lissenitzkywald befand.

Ich verlese nun das Protokoll über das Verhör, das der Gerichtshof auf Seite 52 des Dokumentenbuches finden kann. Die Stelle, die ich verlese, befindet sich im zweiten Absatz, Zeile 26 von oben.

Ich zitiere:

»In diesem Lager wurden in der Todesfabrik besondere zehntägige Kurse zur Verbrennung von Leichen eingerichtet. Dort waren 12 Mann be schäftigt. Die Hörer kamen zu diesen Kursen aus den Lagern von Lublin, Warschau u. a. Ihre Familiennamen kenne ich nicht, es waren aber nicht Mannschaften, sondern Offiziere, vom Oberst bis herunter zu den Feldwebeln. Der Lehrer für diese Kurse war der Kommandeur der Krematorien, Oberst Schallock.

Er erklärte an dem Ort, wo die Leichen ausgegraben und verbrannt wurden, wie es praktisch zu machen sei, wie die Maschine zur Zermahlung der Knochen eingerichtet ist, wie man die Grube ebnen soll, wie an dieser Stelle Bäume gepflanzt werden und wie die Asche von den Menschenleichen zu verstreuen und zu verbergen ist. Solche Kurse bestanden über einen langen Zeitraum hindurch. Während meines Aufenthalts, das heißt im Verlauf von fünfeinhalb Monaten meiner Arbeit im Janovsky- und Lissenitzkylager, gab es in diesen Kursen zehn Hörergruppen.«

Dem Gerichtshof werden später Photographien über diese Maschine zusammen mit einer Beschreibung, oder besser gesagt, einer technischen Gebrauchsanweisung, vorgelegt werden.

Zur Erziehung der Jugend gründeten die deutschen Faschisten eine besondere Organisation, die sogenannte »Hitlerjugend«. Der [492] Angeklagte Baldur von Schirach war während langer Zeit der Leiter dieser Organisation.

Die Art der von den faschistischen Verbrechern für die Erziehung der deutschen Jugend angewandten Methoden wird von einer französischen Staatsbürgerin, Ida Vasso, geschildert, die die Leiterin eines französischen Altersheims in Lemberg war. Während der deutschen Besetzung von Lemberg hatte sie Gelegenheit, das Ghetto von Lemberg zu besuchen. Ida Vasso beschreibt in ihrer Aussage vor der Außerordentlichen staatlichen Kommission das dort herrschende System der Menschenausrottung.

Aus der Aussage von Frau Vasso ist zu ersehen, daß die Deutschen die Hitlerjugend dahin erzogen, auf lebende Ziele zu schießen; den Hitlerjungen wurden Kinder als lebende Zielscheibe für ihre Schießübungen zur Verfügung gestellt. Die Aussage von Frau Vasso wurde durch die Außerordentliche staatliche Kommission geprüft und voll bestätigt. Als Bestätigung dieses Tatbestandes lege ich dem Gerichtshof das Beweisstück USSR-6 vor, einen Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission: »Über die Greueltaten der Deutschen im Gebiet von Lemberg«.

Ich verlese nunmehr die Aussage von Frau Vasso. Diese Aussage ist in den Text des Berichts als geprüftes Beweismaterial eingeschlossen und befindet sich auf Seite 6. Der Gerichtshof wird diese Aussage der Frau Vasso im Dokumentenbuch auf der Rückseite der Seite 59, Absatz 5 finden, der mit der Zeile 14, gerechnet vom Anfang des Absatzes, beginnt:

»... Die kleinen Kinder waren Märtyrer. Sie wurden der Hitlerjugend übergeben, die sie als lebende Zielscheiben für ihre Übungen benützte.

›Kein Erbarmen für die anderen, alles für sich selbst‹, das war das Motto der Deutschen. Die ganze Welt muß von ihren Methoden erfahren. Wir, die wir hilflose Zeugen dieser scheußlichen Szenen waren, müssen über diese Schreckenstaten berichten, damit es alle wissen, und was am wichtigsten ist, damit es niemand vergißt; denn keine Vergeltung wird die Millionen von Menschen wieder zum Leben erwecken.«

Auf derselben Seite 59, Zeile 10, Absatz 2 wird der Gerichtshof die Bestätigung dieser Erklärung von Frau Vasso finden. Die Außerordentliche staatliche Kommission hat festgestellt, daß die Deutschen in Lemberg niemanden verschonten. Ich zitiere:

»Sie verschonten weder Männer, Frauen noch Kinder. Die Erwachsenen wurden einfach ermordet, während die Kinder der Hitlerjugend als Zielscheibe für deren Schießübungen zur Verfügung gestellt wurden.«

Auf diese Weise wurden diese Unholde, die zur Ausführung des Programms der Hauptverbrecher für die physische Vernichtung der [493] Bevölkerung von Osteuropa berufen wurden, geschaffen, ausgebildet und geschult.

Die faschistische Regierung hatte keinen Grund, zu befürchten, daß die »Bannerträger der nationalsozialistischen Revolution« im Osten irgendwelche Spuren der Menschlichkeit zeigen würden.

VORSITZENDER: Oberst Smirnow, verzeihen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche, aber ich habe erst vor kurzem Oberst Pokrowsky darauf aufmerksam gemacht, daß wir kein Kommentar über jedes einzelne Dokument wünschen.

Der uns soeben vorgelesene Satz ist nichts anderes als ein Kommentar zu dem schrecklichen Schriftstück, das Sie gerade verlesen haben. All das nimmt Zeit in Anspruch. Wenn Sie es ermöglichen könnten, das Kommentieren der Dokumente wegzulassen und diese einfach verlesen würden, so würde das viel Zeit ersparen.


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich verlese die vorhin unter USSR-6 vorgelegte Aussage des Zeugen Manussewitsch, und zwar jenen Teil, in dem er von der Tätigkeit der Verwaltung des Janovskylagers spricht, deren Zeuge er gewesen ist, als er in einer Sondergruppe von Häftlingen arbeitete, die mit der Verbrennung der Leichen der in diesem Lager getöteten Menschen beschäftigt war. Ich verlese auf Seite 3 des Vernehmungsprotokolls. Der Gerichtshof wird dieses Schriftstück auf Seite 50 des Dokumentenbuches finden, Zeile 25 von oben. Ich verlese diesen Auszug zur Veranschaulichung jener von den Hitler-Verbrechern geschaffenen Gruppen und einiger von ihnen begangener Verbrechen.

»Außer den Erschießungen wandte man im Janovskylager verschiedene Folterungen an. Im Winter wurde zum Beispiel ein Mensch mit zusammengebundenen Händen und Füßen in ein Faß, das voll Wasser war, hineingesetzt, in dem er erfror. Um das Janovskylager herum war ein Stacheldraht angebracht, und zwar zwei Reihen, die 1,20 Meter voneinander entfernt waren. Dahin brachte man Menschen, die dort vor Kälte und Hunger umkamen, da sie sich von dort nicht retten konnten. Bevor man aber für mehrere Tage dorthin gebracht wurde, wurde man verprügelt. Ein Mensch wurde am Hals, an den Händen oder Füßen aufgehängt, dann wurden die Hunde auf ihn gehetzt und rissen ihn in Stücke. Der Mensch wurde als Zielwand bei Schießübungen verwendet. Mit diesen Dingen beschäftigten sich am meisten die Gestapoleute Heine, Müller, Blum, der Chef des Lagers, Willhaus, und andere, an deren Namen ich mich nicht erinnere. Sie schlugen die Menschen fast zu Tode, hetzten die Hunde auf sie, die sie in Stücke rissen. Sie gaben einem Mann ein Glas in die Hand und schossen darauf; wenn das Glas getroffen wurde, so blieb der Mann am Leben, wenn man ihn aber in die Hand traf, so [494] wurde er erschossen. Es wurde dabei gesagt, daß er arbeitsunfähig und infolgedessen zu erschießen sei. Die Menschen wurden an den Beinen angefaßt und auseinandergerissen; Kinder im Alter von einem Monat bis zu drei Jahren wurden in Fässern, die mit Wasser gefüllt waren, ertränkt. Manche Menschen wurden auch an Pfähle gebunden und standen da, bis sie an Sonnenstich zugrunde gingen.

Bevor die Leute zur Arbeit geschickt wurden, wurden sie untersucht. Während der Untersuchung wurden die Männer gezwungen 50 Meter zu laufen; wer diese Entfernung schnell durchlief, ohne zu stolpern, der blieb am Leben, die übrigen aber wurden erschossen. Im Lager gab es einen mit Gras bewachsenen Platz, auf dem man ebenfalls herumlaufen mußte; wenn jemand im Gras stolperte und hinfiel, so wurde er sofort erschossen. Das Gras reichte bis über die Hüfte. Die Frauen wurden an den Haaren aufgehängt, dabei wurden sie ausgezogen, hin und her geschaukelt, und so hingen sie, bis sie starben.

Folgendes trug sich zu: Der Gestapomann Heine schnitt einem jungen Burschen Fleischstücke heraus, einem anderen wurden an der Schulter 28 Wunden zugefügt, später arbeitete er in der Todesbrigade, und am Schluß wurde er erschossen. Einmal, als an der Küche eine Reihe stand, um Kaffee zu empfangen, kam der Henker Heine und fragte den ersten in der Reihe, warum er als erster hier stehe und erschoß ihn auf der Stelle. Auf diese Weise erschoß er einige Leute und so machte er es auch mit dem Letzten in der Reihe, den er fragte: ›Warum siehst du als Letzter in der Reihe?‹ Alle diese Bestialitäten habe ich selbst im Janovskylager erlebt...«

Die von mir verlesenen Aussagen des Zeugen Manussewitsch wurden durch die amtlichen Mitteilungen der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die deutschen Greueltaten im Gebiet Lemberg vollauf bestätigt. Aber das ist nicht alles; Manussewitsch spricht hier hauptsächlich von den Taten der Beamten der Lagerverwaltung der untersten und mittleren Ränge. Aus der Mitteilung der Außerordentlichen staatlichen Kommission können Sie ersehen, daß das System der gemeinsten Verhöhnungen gegenüber hilflosen Menschen von den höheren Lagerverwaltungsinstanzen eingeimpft und organisiert wurde. Sie gaben selbst ihren Untergeordneten ständig persönliche Beispiele unmenschlichen Tuns.

Ich werde zu diesem Dokument keinen Kommentar abgeben, möchte aber die verehrten Richter auf einen gewissen Obersturmführer Willhaus aufmerksam machen, der in diesem Dokument erwähnt ist.

[495] Das Zitat, das ich verlese, finden Sie auf Seite 58, Rückseite des Dokumentenbuches, erste Spalte des Textes. Ich zitiere:

»Der SS-Hauptsturmführer Gebauer führte im Janovskylager ein unmenschliches Vernichtungssystem durch. Nach seiner Versetzung auf einen anderen Posten wurde sein System von dem Lager kommandanten, SS-Obersturmbannführer Gustav Willhaus, und SS-Hauptsturmführer Warzek vervollkommnet. Ein früherer Insasse des Lagers erzählte der Kommission: Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie SS-Hauptsturmführer Fritz Gebauer Frauen und Kinder eigenhändig erwürgte, und wie man Männer mitten im Winter in Fässer steckte, um sie erfrieren zu lassen. Die Fässer wurden mit Wasser gefüllt und die Opfer wurden an Händen und Füßen gefesselt und in das Wasser gestellt. Die zum Tode Verurteilten blieben in den Fässern, bis sie erfroren.

Auf Grund von Aussagen vieler Zeugen, sowjetischer Kriegsgefangener und auch französischer Staatsangehöriger, die sich in deutschen Lagern befanden, ist festgestellt worden, daß die deutschen Verbrecher die furchtbarsten Methoden für die Vernichtung von Menschen erfunden haben. Diese Taten galten als besonders ehrenvoll; sie wurden von den höheren Wehrmachtskommandostellen und von der Deutschen Regierung gefördert.

SS-Hauptsturmführer Franz Warzek zum Beispiel liebte es, Kriegsgefangene mit beiden Füßen an Stangen zu hängen und sie in dieser Lage zu lassen bis sie starben. Obersturmführer Rokita schlitzte persönlich Kriegsgefangenen den Bauch auf. Der Leiter der Untersuchungsabteilung des Janovskylagers, Heine, durchbohrte die Körper der Kriegsgefangenen mit Stöcken oder einem eisernen Stab; er pflegte die Fingernägel der Frauen mit Zangen auszureißen, dann entkleidete er seine Opfer, hängte sie bei den Haaren auf und ließ sie hin und her schwingen. Dann schoß er nach den ›beweglichen Zielen‹.

Der Kommandant des Janovskylagers, Obersturmführer Willhaus, pflegte des Sportes wegen und zur Unterhaltung seiner Frau und Tochter regelmäßig mit einem automatischen Gewehr von dem Balkon seines Amtszimmers auf die in den Werkstätten beschäftigten Häftlinge zu schießen. Manchmal reichte er sein Gewehr auch seiner Frau, die ebenfalls schoß. Manchmal gab Willhaus, um seine neunjährige Tochter zu amüsieren, den Auftrag, zwei bis vierjährige Kinder in die Luft zu schleudern, während er auf sie schoß. Seine Tochter applaudierte und rief: ›Papa, mach das noch einmal!‹ Und er tat es noch einmal.

[496] In diesem Lager wurden Häftlinge ohne jeden Vorwand vernichtet, oft wegen einer Wette. Die Zeugin Kirschner teilte der Untersuchungskommission mit, daß Wepke, ein Gestapokommissar, in Gegenwart anderer Lagerhenker damit prahlte, daß er einen Knaben mit einem Axthieb in 2 Teile spalten könne. Man glaubte ihm nicht, daher fing er einen zehnjährigen Knaben auf der Straße, zwang ihn in die Knie, forderte ihn auf, sein Gesicht in den Händen zu verbergen, führte einen Schlag zur Probe aus, brachte das Haupt des Kindes in die passende Lage und spaltete den Knaben mit einem einzigen Schlag in zwei Hälften. Die Hitleristen beglückwünschten Wepke herzlichst und schüttelten ihm die Hand.

Im Jahre 1943, zu Hitlers 54. Geburtstag, wählte der Kommandant des Janovskylagers, Obersturmführer Willhaus, 54 Häftlinge und erschoß sie eigenhändig.

Im Lager gab es ein sogenanntes Spital für Gefangene. Die deutschen Henker Brambauer und Birmann untersuchten die Patienten am ersten und fünfzehnten Tag jeden Monats. Wenn sie Patienten fanden, die bereits länger als 14 Tage im Krankenhaus waren, erschossen sie diese auf der Stelle. Sechs oder sieben Leute wurden während jeder derartigen Untersuchung getötet.

Die Deutschen führten ihre Folterungen, Mißhandlungen und Erschießungen bei Musikbegleitung aus. Zu diesem Zweck errichteten sie ein besonderes Orchester, das aus Gefangenen bestand. Sie zwangen Professor Stricks und den bekannten Dirigenten Mund, dieses Orchester zu leiten. Sie forderten Komponisten auf, eine besondere Melodie zu komponieren, die sie den ›Todestango‹ nannten. Kurz vor der Auflösung des Lagers erschossen die Deutschen sämtliche Mitglieder des Orchesters.«

Dokumentarische Beweise in Form von Photoaufnahmen dieses »Todesorchesters« werden dem Gerichtshof später vorgelegt werden.

Was im Janovskylager vor sich ging, war keines wegs eine Ausnahme. Genau so haben sich die deutschen Lagerleiter in allen anderen Konzentrationslagern benommen, die in den besetzten Gebieten der Sowjetunion, Polens, Jugoslawiens und in anderen Ländern des östlichen Europas errichtet waren.

Dem Gerichtshof liegt bereits unter USSR-29 ein Dokument vor, das die Berichte der Polnisch-Sowjetischen Außerordentlichen Kommission zur Untersuchung der deutschen Greueltaten enthält, die im Vernichtungslager Maidanek im Bezirk Lublin ausgeführt wurden. Sie, meine Herren Richter, werden dieses Dokument auf Seite 63 Ihres Dokumentenbuches finden. Ich zitiere Teil 3 dieses Schriftstückes unter dem Titel: »Folter und Blutbad im Vernichtungslager«.

[497] Ich beginne das Zitat auf Seite 64 des Dokumentenbuches, letzter Absatz, erste Spalte:

»Die Folter- und Martermethoden waren außerordentlich verschieden. Manche waren sogenannte ›Scherze‹, die oft mit dem Tode endeten. Dazu gehörten Scheinerschießungen, verbunden mit Betäubung des Opfers durch einen Schlag auf den Kopf mit einem breiten oder stumpfen Gegenstand, und Scheinertränkungen im Lagerteich, die oft mit wirklicher Ertränkung endeten. Unter den deutschen Henkern befanden sich Spezialisten für besondere Folter- und Martermethoden. Gefangene wurden durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben auf den Hinterkopf, durch einen Fußtritt in den Magen oder in die Leistengegend oder auf andere Weise getötet. Die SS-Folterer ertränkten ihre Opfer in dem schmutzigen Wasser, das vom Badehaus in den schmalen Graben floß. Der Kopf des Opfers wurde in dieses schmutzige Wasser getaucht und durch den Stiefel eines SS-Mannes niedergehalten bis der Tod eintrat. Eine Lieblingsmethode der Nazi-SS bestand darin, Gefangenen die Hände auf dem Rücken zusammenzubinden und dann an den Händen aufzuhängen. Der Franzose de Courantin, der dieser Bestrafung unterzogen war, bekundete, daß ein auf diese Weise Aufgehängter schnell das Bewußtsein verlor, woraufhin das Hängenlassen unterbrochen wurde; sobald er das Bewußtsein wieder erlangt hatte, wurde er wieder aufgehängt und dieser Vorgang wurde vielmals wiederholt.

Für das geringste Vergehen, besonders wegen Fluchtverdachts, wurden Lagerinsassen von den deutschen Teufeln erhängt. In der Mitte jeder Abteilung stand ein Balken mit einem Querarm, zwei Meter über dem Erdboden, an dem die Leute aufgehängt wurden. ›Ich sah von meiner Baracke aus‹ bekundete ein Zeuge Domashev, ehemaliger Lagerinsasse und Sowjetkriegsgefangener, ›wie Menschen an dem Balken in der Mitte der Abteilung erhängt wurden.‹

In der Nähe der Waschanstalt, in dem Raum zwischen dem ersten und zweiten Flur befand sich ein besonderer Schuppen mit Balken an der Decke, an denen Gefangene in ganzen Gruppen aufgehängt wurden. Die weiblichen Gefangenen wurden nicht weniger erniedrigt und gefoltert. Das gleiche System des Appells, der Schwerarbeit, die weit über menschliche Kraft hinausging, das System der Schläge und Erniedrigung wurde auch ihnen gegenüber angewandt. Besondere Grausamkeiten wurden von dem weiblichen SS-Personal, der Oberwärterin Erich und den Wärterinnen Braunstein, Anni David, Weber, Knoblic, Ellert und Radli verübt. Die Kommission stellte viele Tatsachen fest, die auf unerhörte, [498] von den weiblichen Henkern des Lagers ausgeführte Grausamkeiten, zurückzuführen waren.

Heinz Stalbe, der Chef der deutschen Lagerpolizei, bekundete in einer Vollsitzung der Kommission, daß er mit eigenen Augen gesehen hat, wie der Direktor des Krematoriums, Oberscharführer Mußfeld, die Hände und Füße einer Frau band und sie lebend in den Verbrennungsofen warf. Die Zeugen Jelinski und Olech, die im Lager gearbeitet hatten, sprechen auch von der Verbrennung lebender Gefangener im Krematoriumsofen.

Der Zeuge Atrochov sagte aus: ›Sie rissen ein Kind von der Brust einer Mutter weg und töteten es, indem sie es vor den Augen der Mutter gegen die Wand schmetterten; sie hielten ein ganz kleines Kind an einem Fuß fest, traten auf den anderen und rissen es auseinander.‹

Besonders verhaßt war der stellvertretende La gerkommandant, SS-Obersturmführer Tumann. Er ließ ganze Gruppen von Gefangenen hinknien und tötete sie durch Schläge mit dem Gewehrkolben auf den Kopf; er hetzte Schäferhunde gegen die Gefangenen. Er nahm an allen Hinrichtungen weitgehend Anteil.

So wurden Hunger, unerträgliche Arbeit, Folter, Marterung, Erniedrigung und Mord mit unerhörtem Sadismus als Mittel zur Massenvernichtung der Lagerinsassen angewandt.«

Man möchte glauben, daß es nur die SS und besondere Polizeieinheiten waren, die diese Greueltaten durchführten. Dem ist nicht so. Ich werde beweisen, daß breite Massen der faschistischen Deutschen Wehrmacht vorsätzlich von den Hauptkriegsverbrechern in einen Zustand völliger moralischer Entartung gestürzt wurden. Um dies zu bestätigen, wende ich mich dem Inhalt der Note des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der USSR, V. M. Molotow, vom 6. Januar 1942 zu, die dem Gerichtshof bereits als Dokument USSR-51 vorliegt. Die Stelle, die ich zitieren werde, können die Herren Richter auf der Rückseite der Seite 3 des Dokumentenbuches, Absatz 4, erste Spalte des Textes finden.

Ich beginne mit dem Zitat:

»Grenzenlos sind der Volkszorn und die Empörung, die in der gesamten Sowjetbevölkerung und in der Roten Armee durch die zahllosen Fälle gemeiner Gewalttaten und niederträchtiger Schandta ten hervorgerufen sind. Schandtaten gegen die Frauenehre, sowie Massenmorde an Sowjetbürgern und -bürgerinnen, die von den faschistischen deutschen Offizieren und Soldaten verübt werden. Überall, wo das deutsche Bajonett zu herrschen beginnt, wird ein unerträgliches Regime des blutigen Terrors, qualvoller Folterungen und bestialischer [499] Mordtaten eingeführt. Die Plünderungen, mit denen sich die deutschen Offiziere und Soldaten allerorts befassen, werden begleitet von Mißhandlungen und Mordtaten an einer riesigen Zahl völlig unschuldiger Menschen. Wer der Forderung nicht nachkommt, alle Lebensmittel bis zur letzten Krume abzuliefern oder alle Kleidungsstücke bis zum letzten Hemd herzugeben, wird von den Okkupanten zerfleischt und erhängt, einerlei ob alt oder jung, ob Frauen oder Kinder. Bei den Zwangsarbeiten werden die Leute, die die festgesetzten Arbeitsnormen nicht vollständig erfüllen, geschlagen und erschossen.

Am 30. Juni zogen die Hitler-Banditen in die Stadt Lemberg ein, und gleich am nächsten Tage veranstalteten sie ein Massenmorden unter der Losung: ›Schlagt die Juden und die Polen tot‹. Als sie Hunderte von Menschen erschlagen hatten, da veranstalteten die Hitler-Banditen eine Ausstellung der Ermordeten in der Passage. An die Häuserwände wurden verstümmelte Leichen, hauptsächlich von Frauen gelegt. Auf den ersten Platz dieser schaurigen Ausstellung legten sie die Leiche einer Frau, auf die ihr Kind mit einem Bajonett aufgespießt war.

Solcherart waren die ungeheuerlichen Greueltaten der Hitler-Faschisten gleich von Anfang des Krieges an. In dem Blute Unschuldiger watend, setzten die Hitler-Schufte ihre niederträchtigen Verbrechen fort.

In der Siedlung Krasnaja Poljana in der Nähe von Moskau riefen die deutschen Faschistenschufte am 2. Dezember die gesamte Ortsbevölkerung im Alter von 15 bis 60 Jahren zusammen und sperrten sie in dem kalten Gebäude des Kreisexekutivkomitees ein, in dem die Fensterscheiben eingeschlagen waren, und gaben ihnen acht Tage lang weder Brot noch Wasser. Unter denen, die auf diese Art gefoltert wurden, befanden sich die Arbeiterinnen einer Fabrik in Krasnaja Poljana, A. Saizewa, T. Grudinka, E. Naljotkina und M. Michailowa, deren Säuglinge in ihren Armen starben.

Nicht selten kommt es vor, daß die Hitler-Faschisten Sowjetkinder als Zielscheiben für Schießübungen benutzten.

In dem Dorf Bjely Rast, im Kreis Krasnaja Poljana, stellte eine Gruppe betrunkener deutscher Soldaten vor der Anfahrt eines Hauses den 12jährigen Wolodja Tkatschew als Zielscheibe auf und eröffneten auf ihn das Feuer aus Maschinenpistolen. Der Knabe wurde völlig von Kugeln durchlöchert. Hierauf richteten die Banditen ein regelloses Feuer auf die Fenster der Häuser. Die Kollektivbäuerin I. Mossolowa wurde von ihnen mit ihren drei Kindern auf der Straße [500] angehalten und an Ort und Stelle mit ihren Kindern niedergeschossen.

In dem Dorf Woskressenkoje, Kreis Dubininski, schossen sich die Hitler-Faschisten auf einen dreijährigen Knaben mit Maschinengewehren ein.

In der Kreishauptstadt Wolowo, im Gebiet Kursk, wo sich die Deutschen vier Stunden befanden, schleuderte ein deutscher Offizier den zweijährigen Sohn einer Frau namens Boikowa mit dem Kopf an die Wand und tötete ihn, nur weil das Kind geweint hatte.

In dem Dorfsowjet Slobin, Bezirk Orel, ermordeten die Faschisten das zweijährige Kind des Kollektivbauern Kratow, weil es sie durch sein Weinen am Schlafen hinderte.

In dem Dorf Semjonowskoje, im Bezirk Kalinin, fesselten und vergewaltigten die Deutschen die 25 jährige Olga Tichonowa, die Frau eines Rotarmisten, Mutter von drei Kindern, die hochschwanger war. Nach der Vergewaltigung durchschnitten sie ihr den Hals, durchstachen ihre beiden Brüste und schnitten sie auf sadistische Art ab. In dem gleichen Dorf erschossen die Okkupanten einen Knaben von 13 Jahren, auf dessen Stirn sie einen fünfzackigen Stern einschnitten.

Im Monat November ging die Telegraphistin Iwanowa aus der Stadt Kalinin zusammen mit ihrem 13 jährigen Sohn Leonid zu ihren Verwandten in das Dorf Buraschowo bei Kalinin. Als sie die Stadt verließen und die Hitler-Faschisten sie bemerkten, begannen diese aus einer Entfernung von 60 Metern auf sie zu schießen, wobei der Knabe getötet wurde. Mehrere Male versuchte die Mutter, die Leiche des Kindes aufzuheben und wegzutragen, aber jedesmal, wenn sie es versuchte, eröffneten die Deutschen das Feuer auf sie, so daß sie gezwungen war, ihr Kind liegen zu lassen. Acht Tage lang gestatteten die deutschen Soldaten nicht, die Leiche wegzuschaffen. Sie wurde von der Frau Iwanowa erst geborgen und beerdigt, als die betreffende Gegend von unseren Truppen besetzt wurde.«

Ferner ist in der Note von einem anderen Kinde die Rede, das ebenfalls ein Opfer der Faschisten wurde. Die Herren Richter werden diesen getöteten Knaben in unserem Filmdokument sehen. Ich bitte den Gerichtshof, die weiteren Ausführungen der Note, die ich verlesen werde, zur Kenntnis zu nehmen:

»In Rostow am Don spielte der Schüler einer Handwerksschule, der 15 jährige Witja Tscherewitschny, auf dem Hof mit seinen Tauben. Zu dieser Zeit gingen deutsche Soldaten vorbei und versuchten, ihm die Tauben wegzunehmen. Der [501] Junge protestierte. Die Deutschen nahmen ihn mit, und an der Ecke der 28. Linie und der 2. Maiskaja Uliza erschossen sie ihn, weil er die Tauben nicht hergegeben hatte. Durch Tritte mit den Absätzen entstellten die Hitler-Faschisten das Gesicht des Knaben bis zur Unkenntlichkeit.

Das Anfang September durch unsere Truppen befreite Dorf Basmanowo, Kreis Glinkow im Bezirk Smolensk, stellte, nachdem die Deutschen darin gehaust hatten, einen einzigen Aschenhaufen dar. Gleich am ersten Tage trieben die faschistischen Scheusale mehr als 200 Schüler und Schülerinnen, die zur Einbringung der Ernte eingetroffen waren, auf dem Felde zusammen. Die Kinder wurden umzingelt und bestialisch niedergeschossen. Eine bedeutende Gruppe von Schülerinnen wurde von den Hitler-Faschisten für die Herren Offiziere ins Hinterland mitgenommen.

Die Besetzung der Dörfer und Städte beginnt gewöhnlich mit der Errichtung von Galgen, an denen die deutschen Henker die ersten besten ihnen in die Hände fallenden friedlichen Einwohner aufhängen. Dabei lassen die Faschisten die Galgen mit den Gehängten viele Tage und sogar viele Wochen stehen. Ebenso verfahren sie mit Personen, die sie auf den Straßen der Städte und Dörfer erschießen, die Leichen blieben viele Tage lang ungeborgen liegen.

Nach der Besetzung der Stadt Charkow hängten die deutschen Räuber mehrere Personen an den Fenstern eines großen Hauses im Stadtzentrum auf. Außerdem wurden in Charkow am 16. November an den Balkons zahlreicher Häuser 19 Personen von den Faschisten aufgehängt; eine dieser Personen war eine Frau.«

Ein weiteres Zeugnis für die moralische Verkommenheit der Verbrecher sind die bestialischen Vergewaltigungen, die überall an Frauen verübt wurden.

Ich zitiere die Note an der Stelle, die die Herren Richter auf der Seite 4 des Dokumentenbuches finden werden:

»Die niederträchtigen Gewalttaten an Frauen und Mädchen erstreckten sich in den okkupierten Gebieten auf alle Orte.

In dem ukrainischen Dorf Borodajewka, im Bezirk Dnjepropetrowsk, vergewaltigten die Faschisten alle Frauen und Mädchen.

In dem Dorf Beresowka, im Bezirk Smolensk, vergewaltigten und verschleppten betrunkene deutsche Soldaten alle Frauen und Mädchen im Alter von 16 bis zu 30 Jahren.

In der Stadt Smolensk eröffnete das deutsche Kommando in einem der Hotels ein Offiziersbordell, in das Hunderte von [502] Mädchen und Frauen geschleppt wurden. Sie wurden an den Armen und an den Haaren gezerrt und erbarmungslos über das Pflaster geschleift.

In allen Orten brechen die vertierten deutschen Banditen in die Häuser ein, vergewaltigen Frauen und Mädchen vor den Augen der Angehörigen und ihrer Kinder, verüben Schandtaten an den Vergewaltigten und metzeln ihre Opfer an Ort und Stelle bestialisch nieder.

In der Stadt Lemberg wurden 32 Arbeiterinnen der Lemberger Konfektionsfabrik vergewaltigt und dann von den deutschen Sturmtruppen ermordet. Die betrunkenen deutschen Soldaten schleppten die Lemberger Mädchen und jungen Frauen in den Kostjuschkopark, um sie bestialisch zu vergewaltigen. Der alte Geistliche W. L. Pomasnew, der mit einem Kreuz in den Händen den Versuch machte, die Vergewaltigung der Mädchen zu verhindern, wurde von den Faschisten mißhandelt. Sie rissen ihm den Priesterrock ab, zündeten ihm den Bart an und erstachen ihn mit Bajonetten. In Weißrußland, nahe der Stadt Borrissow, fielen den Hitler-Faschisten 75 Frauen und Mädchen in die Hände, die beim Anmarsch der deutschen Truppen geflohen waren. 36 Frauen und Mädchen wurden von den Deutschen vergewaltigt und darauf bestialisch ermordet. Das 16 jährige Mädchen L. I. Meltschukowa führten die Soldaten auf Befehl des deutschen Offiziers Hummer in den Wald, wo sie es vergewaltigten. Nach einiger Zeit sahen andere Frauen, die ebenfalls in den, Wald geführt worden waren, daß bei den Bäumen Bretter standen, an denen die sterbende Meltschukowa aufgespießt war. Die Deutschen haben ihr vor den Augen der anderen Frauen, unter ihnen der W. J. Alperenko und W. M. Beresnikowa, die Brüste abgeschnitten.

Aus dem Dorf Borowka des Rayons Swenigorod, im Bezirk Moskau, führten die Faschisten bei ihrem Rückzug mehrere Frauen gewaltsam mit sich, wobei sie diese trotz ihrer Bitten und ihrer Proteste von ihren minderjährigen Kindern trennten.

In der Stadt Tichwin, im Bezirk Leningrad, wurde die 15 jährige M. Kolodezkaja, die durch einen Granatsplitter verwundet war, in das in einem früheren Kloster eingerichtete Krankenhaus geführt, wo sich verwundete deutsche Soldaten befanden. Trotz ihrer Verwundung wurde die Kolodezkaja von einer Gruppe deutscher Soldaten vergewaltigt, wodurch ihr Tod herbeigeführt wurde.«

Ich lasse einen Absatz aus und fahre fort:

[503] »Aber die Hitler-Faschisten beschränken sich nicht darauf, einzelne Bürger des Sowjetlandes zu ermorden. In der Geschichte des hitler-faschistischen Raubes und Terrors in den besetzten Sowjetgebieten ragen durch ihre furchtbare Barbarei die Massenmorde an Sowjetbürgern heraus, die in der Regel auf die von den Deutschen vorgenommene vorübergehende Besetzung von Städten, Dörfern und anderen Ortschaften folgten.

Nehmen wir einige Beispiele für das von den deutschen Okkupanten unter den Einwohnern ganzer Dörfer ausgeführte Gemetzel: In dem Dorf Jaskino, im Bezirk Smolensk, erschossen die Hitler- Faschisten alle Greise und Halbwüchsigen, und brannten die Häuser bis auf die Grundmauern nieder. In dem Dorf Potschinok im gleichen Bezirk trieben die Deutschen alle alten Männer, alten Frauen und Kinder in dem Verwaltungsgebäude der Kollektivwirtschaft zusammen, schlossen die Türen und verbrannten alle Eingesperrten. In dem ukrainischen Dorf Jemeltschino, im Bezirk Shito mir, sperrten die Deutschen 68 Personen in einem kleinen Bauernhaus ein. Die Fenster und Türen wurden luftdicht verschlossen, so daß alle Eingesperrten den Erstickungstod fanden. In dem jetzt von unseren Truppen befreiten Dorf Jerschowo, Kreis Swenigorod, im Bezirk Moskau, trieben die Deutschen beim Verlassen des Dorfes etwa 100 friedliche Einwohner und verwundete Rotarmisten in der Kirche zusammen. Dort wurden sie eingesperrt und darauf wurde die Kirche in die Luft gesprengt. In dem Dorf Agrafenowka, im Bezirk Rostow, verhafteten die Faschisten am 16. November die gesamte männliche Bevölkerung im Alter von 16 bis zu 70 Jahren und erschossen jeden dritten.«

Der nächste Teil der Note ist dem Massenverbrechen der Deutschen, den sogenannten »Aktionen«, insbesondere in Kiew, gewidmet. Ich muß den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß die in der Note genannte Zahl der Getöteten in Babje Yar in Wirklichkeit höher ist.

Nach der Befreiung von Kiew wurde festgestellt, daß der Umfang der von den deutsch-faschistischen Eindringlingen verübten Verbrechen bei weitem höher ist als nach den ersten Informationen angenommen wurde.

Aus dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Stadt Kiew, der dem Gerichtshof später vorgelegt werden wird, ist zu ersehen, daß in Babje Yar während dieser furchtbaren, sogenannten Aktion nicht 52000, sondern 100000 Menschen erschossen wurden.

[504] Ich zitiere weiter auf Seite 4 des Dokumentenbuches, Absatz 3:

»Furchtbare Massaker und Pogrome wurden von den deutschen Eindringlingen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew angerichtet. In wenigen Tagen ermordeten und zerfleischten die deutschen Banditen 52000 Männer, Frauen, Greise und Kinder. Sie wüteten schonungslos unter Ukrainern, Russen und Juden, die irgendwie ihre Ergebenheit für die Sowjetmacht gezeigt hatten. Die diesem Gemetzel entronnenen Sowjetbürger aus Kiew geben ein erschütterndes Bild über eine dieser Massenhinrichtungen: Auf dem jüdischen Friedhof der Stadt Kiew wurden zahlreiche Juden, unter denen sich Frauen und Kinder aller Altersstufen befanden, zusammengeholt. Vor der Erschießung wurden alle splitternackt ausgezogen und mißhandelt.

Die erste für die Erschießung bestimmte Gruppe mußte sich auf den Boden eines Grabens legen, und zwar mit dem Gesicht nach unten. Sie wurde daraufhin mit Maschinenpistolen erschossen. Hierauf bedeckten die Deutschen die Erschossenen leicht mit Erde, worauf die nächste Partie der Opfer als zweite Schicht auf sie gelegt und ebenfalls aus Maschinenpistolen erschossen wurde.«

Ich überspringe einen Absatz und fahre mit dem Zitat fort. Sie werden später die Verbrechen der Hitler-Banditen, von denen in der Note die Rede ist, sehen. Die deutschen Verbrechen in Rostow werden durch Filmdokumente vorgeführt werden.

»Der Blutdurst der Nazis gegenüber den Einwohnern der Stadt Rostow ist besonders bekanntgeworden. Die Deutschen, die 10 Tage lang in Rostow hausten, metzelten nicht nur einzelne Personen und Familien nieder, sondern vernichteten in ihrem Blutrausch Dutzende und Hunderte von Einwohnern, besonders in den Arbeitervierteln der Stadt. In der Nähe des Gebäudes der Eisenbahnverwaltung erschossen deutsche Soldaten am hellichten Tag mit Selbstladewaffen 48 Personen. Auf dem Bürgersteig der Rostower Hauptstraße erschossen die hitlerischen Mörder 60 Personen. Auf dem armenischen Friedhof wurden 200 Personen ermordet. Sogar die von unseren Truppen aus Rostow verjagten deutschen Generale und Offiziere haben sich öffentlich damit gerühmt, sie würden nach Rostow eigens zu dem Zweck zurückkehren, um ein blutiges Strafgericht gegen die Stadtbevölkerung zu veranstalten, die bei der Vertreibung ihrer Feinde aus ihrer Heimatstadt aktiv mitgeholfen hat.«

Auf direkte Initiative der Befehlshaber der Einheiten der deutsch-faschistischen Armee wurde die kämpfende Truppe beim [505] Angriff wie auch beim Rückzug von den friedlichen Einwohnern, hauptsächlich von Frauen, Greisen und Kindern, gedeckt.

Ohne diese Tatsache kommentieren zu wollen, muß ich trotzdem hinzufügen, daß so nur Menschen handeln konnten, die sich an die dem Gerichtshof bereits bekannten Befehle Keitels erinnerten, Befehle, die anordneten, daß Menschenleben »in besetzten Ländern nichts kosten«.

Ich zitiere die Note des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten weiter. Sie werden diese Stelle auf Seite 7 des Dokumentenbuches, letzter Absatz, finden:

»Außer allem bisher Gesagten verfügt die Sowjetregierung über dokumentarisches Material, das die sich systematisch wiederholenden ungeheuerlichen Verbrechen der faschistischen deutschen Armeeführung beweisen: die Ausnützung der friedlichen Sowjetbevölkerung als Kugelfang für die deutschen Truppen während der Kämpfe gegen die Rote Armee.

Am 28. August 1941 versammelten die faschistischen deutschen Truppen bei einem Übergang über den Fluß Iputj, da sie nicht in der Lage waren, den standhaften Widerstand der Truppenteile der Roten Armee zu überwinden, die ortsansässige Bevölkerung der bjelorussischen Stadt Dobrusch im Bezirk Gomel und trieben dann unter Androhung des Erschießens Frauen, Greise und Kinder vor sich her, hinter denen sie dann ihre Kampfgliederungen entfalteten und zum Angriff vorgingen.

Das gleiche gemeine Verbrechen wurde von der deutschen Armeeführung gegenüber der Zivilbevölkerung im Gebiet von Leningrad wiederholt, und zwar in der Gegend des Sowjetgutes Wybory, und ebenso im Kreis Jelnja, im Bezirk Smolensk. Die faschistischen Schufte haben sich dieser bestialischen und feigen Methode bis in die letzten Tage bedient. Am 8. Dezember deckten die Nazis ihren Abzug aus dem Dorf Jamnoje, im Bezirk Tula, durch ortsansässige Einwohner. Am 12. Dezember nahmen sie in dem gleichen Kreise 120 Greise und Kinder zusammen und schickten sie während der Kämpfe gegen die angreifenden Truppenteile der Roten Armee ihren Soldaten voraus. In den Kämpfen, die unsere Truppen zur Befreiung der Stadt Kalinin führten, sammelten die Truppenteile des deutschen Regiments 303 der 162. Division bei einem Versuch, zum Gegenangriff überzugehen, in einem vor der Stadt gelegenen Dorf Frauen und stellten sie vor sich auf, als sie in den Kampf gingen. Zum Glück gelang es den Sowjettruppen, diesen Angriff abzuschlagen, sich zwischen die Hitleristen und ihre Opfer einzukeilen und die Frauen zu retten.«

[506] Die Nazi-Armeen verwendeten zum Schutz ihrer Soldaten, allen internationalen Regeln zum Trotz, die Zivilbevölkerung für besonders gefährliche Arbeiten, insbesondere für die Räumung von Minenfeldern.

Ich verlese jetzt einen Auszug aus dem Teil 2 dieser Note. Der Gerichtshof findet ihn auf Seite 2 des Dokumentenbuches, Absatz 4. Ich zitiere:

»Überall, wo deutsche Truppen und deutsche Behörden auf Sowjetterritorium erschienen, wurde sofort ein Regime der grausamsten Ausbeutung, der Rechtlosigkeit und der Willkür gegenüber der schutzlosen Zivilbevölkerung errichtet. Ohne Alter oder Gesundheit der Sowjetbürger zu berücksichtigen, trieben die Nazis, nachdem sie viele Häuser besetzt oder zerstört hatten, zahlreiche Sowjetbürger in Konzentrationslager, wo sie unter Androhung von Foltern, Erschießungen und Hungertod gezwungen wurden, die verschiedensten schweren Arbeiten, darunter auch Arbeiten militärischen Charakters, unbezahlt zu verrichten. In zahlreichen Fällen wurde die Zivilbevölkerung, nachdem sie für diese oder jene militärischen Arbeiten verwendet worden war, aus Sicherheitsgründen Mann für Mann erschossen.

So trieben die Okkupanten in dem Dorf Kolpino, im Gebiet Smolensk, alle Bauern zur Anlegung von Brücken und Unterständen für die deutschen Truppenteile zusammen. Nach Beendigung der Bauarbeiten an diesen Befestigungen wurden alle Bauern erschossen.«


VORSITZENDER: Es scheint Zeit zu sein, die Sitzung zu vertagen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Jawohl, Herr Vorsitzender.


[Das Gericht vertagt sich bis

15. Februar 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 7, S. 472-508.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Prévost d'Exiles, Antoine-François

Manon Lescaut

Manon Lescaut

Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon