Nachmittagssitzung.

[598] DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Vorsitzender! Der Angeklagte Heß hat den Wunsch geäußert, der heutigen Nachmittagssitzung fernbleiben zu dürfen, und zwar deshalb, weil er sich für seine Vernehmung als Zeuge, die ja in den nächsten Tagen erfolgen wird, vorbereiten möchte. Ich glaube nicht, daß irgendeine Verzögerung im Verfahren dadurch entstehen würde, und ich möchte den Gerichtshof bitten, diesem Wunsche des Angeklagten Heß stattgeben zu wollen.

VORSITZENDER: Gewiß, unter den gleichen Bedingungen wie vorher, nämlich, daß Sie mit einem Kollegen vereinbaren, Ihre Interessen während Ihrer Abwesenheit wahrzunehmen.


DR. SEIDL: Ich werde nicht abwesend sein, sondern nur Heß.


VORSITZENDER: Dann ist es in Ordnung.


JUSTICE JACKSON: [zum Zeugen gewandt] Ich verweise Sie nochmals auf US-261, Dokument 1816-PS. Schlagen Sie Teil 5 auf, in dem Sie über Margrafs verschwundene Juwelen sprachen.

GÖRING: Also wieder zurück zu dem, was schon vorbei war.


JUSTICE JACKSON: Ja, für eine Weile, zu Teil 5. Ich verweise Sie auf Ihre Erklärung, die wie folgt lautet:

»Jetzt kommen die Schäden, zunächst die Schäden, die der Jude gehabt hat, daß bei Margraf die Juwelen verschwunden sind und so weiter. Die sind weg und werden ihm nicht ersetzt. Den Schaden hat er. Soweit die Juwelen von der Polizei wieder eingebracht werden, verbleiben sie dem Staat.«

Können Sie das finden?

GÖRING: Ja, das ist richtig. Aber auf Grund der Gesetze erfolgte dafür ja eine Entschädigung.

JUSTICE JACKSON: Es nahm auch ein Vertreter von Österreich an dieser Sitzung teil, nicht wahr?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Betrachten Sie nun bitte seine Erklärung über die Zustände in Österreich; ungefähr eine Seite weiter.


GÖRING: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie nun, ob er Ihrer Versammlung nicht folgendermaßen Bericht erstattet hat:

»Wir haben darüber in Österreich schon einen genauen Plan, Herr Generalfeldmarschall. In Wien gibt es 12000 jüdische Handwerksbetriebe und 5000 jüdische Einzelhandelsgeschäfte. Für diese zusammen 17000 offenen Läden lag die [598] endgültige Planung für alle Gewerbetreibenden schon vor dem Umbruch vor. Von den 12000 Handwerksbetrieben sollten nahezu 10000 endgültig gesperrt...«

GÖRING: Der Übersetzer kam nicht mit.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie es?


GÖRING: Ich habe es, aber nicht der Übersetzer:

»10000 sollten gesperrt und 2000 aufrechterhalten werden. Von den 5000 Einzelhandelsgeschäften sollten 1000 aufrechterhalten, das heißt arisiert, und 4000 geschlossen werden. Nach diesem Plan würden also 3000 bis 3500 von den im ganzen 17000 Geschäften offenbleiben, alle übrigen geschlossen werden. Das ist auf Grund von Untersuchungen für jede einzelne Branche nach den örtlichen Bedürfnissen abgestimmt, mit allen zuständigen Stellen erledigt und kann morgen hinausgehen, sobald wir das Gesetz bekommen, das wir im September erbeten haben, das uns ermächtigen soll, ganz allgemein ohne Zusammenhang mit der Judenfrage Gewerbeberechtigungen zu entziehen. Das wäre ein ganz kurzes Gesetz.

Göring: Die Verordnung werde ich heute machen.«

Selbstverständlich. Es handelt sich hier um ein Gesetz für die Einschränkung des außerordentlich überbesetzten Einzelhandels, das auch ohne Zusammenhang mit der Judenfrage eine Einschränkung der Gewerbetreibenden gebracht haben würde. Dies geht aus dem Protokoll hervor.

JUSTICE JACKSON: Gut, wir wollen jetzt ein bißchen weiterlesen.

Wollen Sie dem Gerichtshof damit sagen, daß sich das nicht auf jüdische Geschäfte bezieht, daß das nichts mit der jüdischen Frage zu tun hatte?


GÖRING: Ich habe gesagt, daß unabhängig von der Judenfrage eine Einschränkung der Gewerbetreibenden bei der Überbesetzung des Einzelhandels erfolgt wäre, und daß dies aus folgendem Satz des Herrn Fischböck hervorgeht, den Sie selbst verlesen haben, daß ich ein Gesetz erbeten habe, das uns ermächtigen soll, ganz allgemein, ohne Zusammenhang mit der Judenfrage, Gewerbeberechtigungen zu entziehen. Das wäre ein ganz kurzes Gesetz. Worauf ich antwortete: Die Verordnung werde ich heute machen.


JUSTICE JACKSON: Nun, wenn Sie...


GÖRING: Daß nun natürlich hierbei in erster Linie die jüdischen Geschäfte ausgeschaltet werden sollten, habe ich schon eingangs gesagt.

JUSTICE JACKSON: Wollen Sie bitte weiter unten lesen, zwei Absätze weiter, wo folgendes steht:

[599] »Ich glaube aber nicht, daß das 100 Geschäfte sein werden, wahrscheinlich weniger. Auf diese Weise könnten wir bis Ende des Jahres die gesamte nach außen sichtbare jüdische Geschäftswelt beseitigt haben.

Göring: Das wäre hervorragend!

Fischböck«...


GÖRING: Jawohl, das war ja der Sinn der Sitzung.

JUSTICE JACKSON:

»Fischböck: Dann wären von 17000 Geschäften 12000 oder 14000 geschlossen und der Rest arisiert oder an die Treuhandstelle übertragen, die dem Staat gehört.

Göring: Ich muß sagen: der Vorschlag ist wunderbar. Dann würde in Wien, einer der Hauptjudenstädte sozusagen, bis Weihnachten oder Ende des Jahres diese ganze Geschichte wirklich ausgeräumt sein.

Funk: Das können wir auch hier machen. Ich habe für diesen Fall eine Verordnung vorbereitet, die besagt, daß Juden vom 1. Januar 1939 ab der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen und Versandgeschäften sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt ist. Ferner ist es ihnen verboten, dafür Angestellte einzustellen oder Leistungen anzubieten, dafür zu werben oder Bestellungen darauf anzunehmen. Wo ein jüdisches Ge werbe geführt wird, ist es polizeilich zu schließen. Ein Jude kann vom 1. Januar 1939 ab nicht mehr Betriebsführer im Sinne des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 sein. Ist ein Jude an leitender Stellung eines Wirtschaftsunternehmens tätig, ohne Betriebsführer zu sein, so kann das Anstellungsverhältnis durch den Betriebsführer mit einer Frist von sechs Wochen gekündigt werden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist sind alle Ansprüche des Dienstverpflichteten aus dem gekündigten Vertrag einschließlich etwaiger Versorgungsansprüche erloschen. Das ist immer sehr unangenehm und eine große Gefahr. Ein Jude kann nicht Mitglied einer Genossenschaft sein. Jüdische Mitglieder von Genossenschaften scheiden bis 31. Dezember 1938 aus. Eine besondere Genehmigung ist nicht erforderlich. Die zuständigen Reichsminister werden ermächtigt, die zu dieser Verordnung erforderlichen Durchführungsbestimmungen zu erlassen.

Göring: Ich glaube, daß wir diese Verordnung unterschreiben können.«


GÖRING: Ja.

[600] JUSTICE JACKSON: Überspringen Sie jetzt bitte eine ziemlich lange Unterhaltung über die Lage in Wien. Ich verweise Sie auf den Teil, in dem Funk Sie fragt:

»Warum dürfen Juden keine Wertpapiere mehr behalten?

Göring: Damit wäre der Jude beteiligt.«


GÖRING: Ja, das war der Zweck, ihn aus dem Unternehmen herauszubringen. Wenn er die Wertpapiere behielt, hatte er auf Grund seiner Aktienrechte die Beteiligung weiter an dem Unternehmen und konnte auf Grund der Aktienbeteiligung in dem Unternehmen seinen Willen geltend machen.

JUSTICE JACKSON: Sie haben Funks Vorschlag, Juden den Besitz von Wertpapieren zu erlauben, zurückgewiesen.


GÖRING: Jawohl, Schuldverschreibungen habe ich an Stelle der Wertpapiere gesetzt.


JUSTICE JACKSON: Wir überspringen jetzt mehrere Seiten der Debatte, vorausgesetzt, daß Sie uns nicht auf etwas Besonderes aufmerksam machen wollen; wir kommen jetzt zu der Stelle, wo Heydrich seine Ansicht bekanntgibt. Ich verweise auf folgende Unterhaltung:

»Heydrich: Durch legale Maßnahmen sind zum mindesten 45000 Juden herausgebracht worden.

Göring...«


GÖRING: Einen Augenblick, bitte.

Ich habe es jetzt.


JUSTICE JACKSON:

»Heydrich: Durch legale Maßnahmen sind zum mindesten 45000 Juden herausgebracht worden.

Göring: Wie war das möglich?«

Und dann sagt Ihnen Heydrich:

»Heydrich: Wir haben das in der Form gemacht, daß wir den reichen Juden, die auswandern wollten, bei der jüdischen Kultusgemeinde eine gewisse Summe abgefordert haben. Mit dieser Summe und Devisenzuzahlungen konnte dann eine Anzahl der armen Juden herausgebracht werden. Das Problem war ja nicht, den reichen Juden herauszukriegen, sondern den jüdischen Mob.«

Stimmt das?

GÖRING: Einen Augenblick. Ich habe es zwar hier nicht, aber generell stimmt das, ja.

JUSTICE JACKSON: Und etwas weiter unten macht Heydrich Vorschläge und sagt:

[601] »Für die Isolierung möchte ich rein polizeilich einige Vorschläge kurz unterbreiten, die auch wegen ihres psychologischen Einflusses auf die öffentliche Meinung von Wert sind. Zum Beispiel die persönliche Kennzeichnung des Juden, indem man sagt: Jeder Jude im Sinne der Nürnberger Gesetze muß ein bestimmtes Abzeichen tragen. Das ist eine Möglichkeit, die viele andere Dinge erleichtert – in Bezug auf Ausschreitungen sehe ich keine Gefahr –, die uns auch das Verhältnis zum ausländischen Juden erleichtert.

Göring: Eine Uniform!

Heydrich: Ein Abzeichen. Dadurch könnte man auch die Schäden abstellen, die dadurch entstehen, daß die ausländischen Juden, die sich in ihrem Äußeren nicht von inländischen Juden unterscheiden, in Mitleidenschaft gezogen werden.

Göring: Aber lieber Heydrich, Sie werden nicht darum herumkommen, in ganz großem Maßstab in den Städten zu Ghettos zu kommen. Die müssen geschaffen werden.« Haben Sie das gesagt?


GÖRING: Das habe ich gesagt. Es handelte sich auch damals darum, die Zusammenfassung der Juden in gewissen Teilen und Straßen der Städte durchzuführen, weil auf Grund der Mietordnung das anders nicht möglich war, und jeder einzelne Jude an sich, wenn diese Abzeichen gekommen wären, geschützt hätte werden können.

JUSTICE JACKSON: Wir gehen in der Diskussion nunmehr weiter, und ich verweise Sie auf die Warnung von Heydrich in Zusammenhang mit den besprochenen Maßnahmen:

»Göring: Wenn wir überhaupt einmal ein Ghetto haben, könnten wir feststellen, was für Geschäfte da hereinmüssen, und dann kann man sagen: Du, Jude Soundso, bekommst jetzt mit dem und dem zusammen die Konzession für die Anlieferung. Dann wird eine deutsche Engrosfirma beauftragt, für dieses jüdische Geschäft zu liefern. Dieses Geschäft ist dann nicht ein Einzelgeschäft, sondern eine Konsumwirtschaft, ein Konsumverein für die Juden.

Heydrich: Diese ganzen Maßnahmen werden praktisch organisch zu einem Ghetto führen. Ich muß sagen: Man soll heute nicht ein Ghetto bauen wollen. Aber durch diese Maßnahmen werden die Juden automatisch in ein Ghetto gedrängt in der Form, wie das angedeutet wurde.«

Hat Heydrich diese Warnung ausgesprochen?

GÖRING: Das steht hier, jawohl, aber es geht ja aus den nächsten Gesprächen dann hervor, daß ich sage: »Jetzt kommt das, was Minister Goebbels vorhin sagte: Es kommt das Zwangsvermieten. [602] Jetzt kommen die jüdischen Mietsparteien zusammen.« Um das Zusammenrücken der jüdischen Mietsparteien handelte es sich, damit die Unerquicklichkeiten, die sich aus dem gegenseitigen Vermieten ergaben, aufhören.

JUSTICE JACKSON: Sie haben ausgelassen, daß Funk zu diesem Punkte bemerkt hat:

»Der Jude muß ganz eng zusammenrücken. Was sind 3 Millionen? Da muß der einzelne für den anderen einstehen.

Der einzelne verhungert.«

Finden Sie das?

GÖRING: Ja. Aber es steht auch an einer anderen Stelle in dem Protokoll, wo ganz klar ausgedrückt wird: »Man kann doch die Juden nicht verhungern lassen, und deshalb müssen hier die notwendigen Maßnahmen geschaffen werden.«

JUSTICE JACKSON: Gegen Ende der Sitzung sagten Sie folgendes:

»Ich werde den Wortlaut wählen, daß die deutschen Juden in ihrer Gesamtheit als Strafe für die ruchlosen Verbrechen und so weiter und so weiter eine Kontribution von einer Milliarde auferlegt bekommen. Das wird hinhauen. Die Schweine werden einen zweiten Mord so schnell nicht machen. Im übrigen muß ich noch einmal feststellen: Ich möchte kein Jude in Deutschland sein.«

GÖRING: Das war schon verlesen worden, ja.

JUSTICE JACKSON: Und war das ebenfalls ein Witz?


GÖRING: Ich habe Ihnen genau gesagt, wie es zu der Auferlegung der einen Milliarde gekommen ist.


JUSTICE JACKSON: Sie haben darauf hingewiesen, daß die Chauffeure der Gauleiter daran gehindert werden müssen, sich bei der Arisierung von jüdischem Eigentum zu bereichern. Richtig?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Wir wollen jetzt zur Behandlung der Frage der Kunstgegenstände übergehen.

Ich verweise Sie auf Dokument 141-PS, US-368. Das ist die Verordnung, die den Vorrang des Anspruchs auf jüdisches Kunsteigentum festsetzte. Können Sie sich daran erinnern?


GÖRING: Dies ist mehrfach vorgetragen worden, und ich habe neulich dazu ausgiebig Stellung genommen.


JUSTICE JACKSON: Die Anordnung wurde in der Form erlassen, wie sie hier wiedergegeben ist, nicht wahr?


GÖRING: Jawohl, ich habe es ja betont.


[603] JUSTICE JACKSON: Und in Paragraph 5 wird von den Kunstgegenständen gesprochen, die für Abgabe an die französischen Museen geeignet sind und die versteigert werden sollten. Der bei dieser Auktion erzielte Erlös sollte dem französischen Staat zugunsten der Kriegshinterbliebenen übergeben werden. Sie sagen, das sei niemals geschehen?


GÖRING: Ich habe nicht gesagt, daß dies niemals geschehen ist. Das war ja in dem Erlaß hier meine Meinung.


JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie nun, ob dies jemals geschehen ist?


GÖRING: Soweit es sich um den Paragraphen 5 handelt, kann ich das nicht sagen. Ich kann nur Stellung nehmen zu den Zahlungen, die aus Paragraph 2 her vorgehen, die von mir angedeuteten Dinge, die ich also nach den Schätzungen festlegen ließ, und ich habe neulich genau ausgeführt, daß dieser Betrag bereitlag, und daß ich immer wieder anfragte, auf welches Konto er eingezahlt werden soll. Und ich habe jeden einzelnen Gegenstand abschätzen lassen von denen, die zu dieser von mir zu errichtenden Sammlung gehen sollten.


JUSTICE JACKSON: Wo wurde dieser Betrag deponiert?


GÖRING: Auf meiner Bank unter dem Namen Kunstfonds.


JUSTICE JACKSON: Auf welcher Bank?


GÖRING: Es war, das kann ich nicht genau sagen, es waren mehrere Banken, auf welcher Bank das Konto »Kunstfonds« stand, kann ich Ihnen nicht sagen. Dazu müßte ich die Unterlagen hier haben.


JUSTICE JACKSON: Sie waren in verschiedenen Verhören nicht in der Lage zu sagen, wo sich dieser Fonds befindet, stimmt das?


GÖRING: Ich kann das nicht sagen, aber es brauchte ja nur meine Sekretärin verhört zu werden, die sämtliche Fonds führte; die kann Ihnen das ganz genau sagen.

JUSTICE JACKSON: Dieser Befehl, 141-PS, wurde vom Einsatzstab Rosenberg durchgeführt, nicht wahr?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Wußten Sie, wer ihn tatsächlich durchgeführt hat? Kannten Sie Turner?


GÖRING: Ich habe den Namen nicht verstanden.


JUSTICE JACKSON: Kannten Sie Herrn Turner?


GÖRING: Ich kenne einen Turner, der aber mit dem Einsatzstab, dem Sonderstab Rosenberg, nichts zu tun hatte, und der in Jugoslawien, soviel ich weiß, war.


[604] JUSTICE JACKSON: War Staatsrat Turner nicht in Paris im Zusammenhang mit den Kunstsammlungen?


GÖRING: Ich wiederhole noch einmal, damit kein Irrtum möglich ist. Sie sagten Turner, oder Körner?


JUSTICE JACKSON: Turner.


GÖRING: Körner?


JUSTICE JACKSON: Turner.


GÖRING: Turner, ich weiß nicht, daß er mit dem Einsatzstab Rosenberg zu tun hatte.


JUSTICE JACKSON: Aber Sie kannten ihn? Stimmt das?

GÖRING: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Kannten Sie Dr. Bunjes?


GÖRING: Bunjes, jawohl.


JUSTICE JACKSON: Kannten Sie ihn?


GÖRING: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Er hatte mit den erbeuteten oder beschlagnahmten jüdischen Kunstgegenständen zu tun, nicht wahr?


GÖRING: Ich glaube nicht, daß Dr. Bunjes damit zu tun hatte, er war in einem anderen Kunstgebiet zuständig, sondern zu tun damit hatten der Einsatzstab Rosenberg und gewisse Organe der Militärverwaltung.


JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen nun, damit Sie mir folgen können, und zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses das Schriftstück 2523-PS, US-783 vorlegen lassen. Es handelt sich um einen Brief des Dr. Bunjes, und ich frage Sie nunmehr, ob dieser Ihrer Erinnerung an gewisse Ereignisse nachhelfen wird?

»Ich wurde am Dienstag, den 4. 2. 1941, zum ersten Male um 18.30 Uhr, zum Vortrag bei Herrn Reichsmarschall im Quai d'Orsay befohlen. Bei dem Vortrag war zugegen Herr Feldführer von Behr vom Einsatzstab Rosenberg. Man kann mit Worten natürlich kaum den herzlichen Ton andeuten, in dem die Unterhaltung verlief.«

Können Sie sich an eine derartige Zusammenkunft erinnern?

GÖRING: Nein, sie ist nicht so bedeutend, daß ich mich erinnere, aber ich will sie keinesfalls abstreiten.

JUSTICE JACKSON: Vielleicht wird das Folgende Ihrem Erinnerungsvermögen nachhelfen:

»Herr Reichsmarschall verließ dann aber zunächst das Thema und ließ sich berichten über den gegenwärtigen Stand der Erfassung jüdischen Kunstbesitzes in den westlichen besetzten Gebieten. Bei dieser Gelegenheit übergab er Herrn [605] von Behr die Photographien derjenigen Kunstgegenstände, die der Führer in seinen Besitz bringen möchte. Weiter übergab er Herrn von Behr die Photos derjenigen Kunstgegenstände, die Herr Reichsmarschall selbst erwerben will.«

GÖRING: Ich kann hier nicht folgen.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie die betreffende Stelle noch nicht gefunden, oder erinnern Sie sich der Zusammenkunft nicht?


GÖRING: Nein, ich habe die Stelle noch nicht gefunden. Ich bitte mir Zeit zu lassen, damit ich den Zusammenhang dieses Schreibens, das ja weder von mir stammt, noch an mich gerichtet ist, erkennen kann.

JUSTICE JACKSON: Ich will Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren Absatz desselben lenken. Vielleicht wird es Ihr Gedächtnis auffrischen:

»Am Mittwoch, den 5. 2. 1941, wurde ich von Herrn Reichsmarschall in das Jeu de Paume beordert. Um 15.00 Uhr besuchte Herr Reichsmarschall in Begleitung von General Hanesse, Herrn Angerer und Herrn Hofer die dort neuerdings ausgestellten jüdischen Kunstschätze.«

GÖRING: Ja, ich habe ja in meiner Aussage bereits betont, daß ich die im Jeu de Paume ausgestellten Kunstschätze ausgewählt habe. Das ist richtig.

JUSTICE JACKSON: Jetzt kommen wir schon ein Stück weiter. Ich setze fort:

»Anschließend besichtigte Herr Reichsmarschall die aufgestellten Kunstschätze unter meiner Führung und traf eine Auswahl derjenigen Kunstwerke, die dem Führer zugeführt werden sollen und derjenigen, die in seine eigene Sammlung gebracht werden sollen.

Ich machte bei dieser Besprechung unter vier Augen Herrn Reichsmarschall noch einmal darauf aufmerksam, daß eine Protestnote der Französischen Regierung gegen die Tätigkeit des Einsatzstabes Rosenberg vorliege unter Bezugnahme auf die von Deutschland im Waffenstillstand von Compiegne anerkannte Haager Landkriegsordnung und wies darauf hin, daß bei Herrn General von Stülpnagel über die Behandlung der sichergestellten jüdischen Kunstschätze anscheinend eine Auffassung herrsche, die der von Herrn Reichsmarschall vertretenen zuwiderliefe.

Herr Reichsmarschall ließ sich darauf eingehend informieren und traf folgende Anordnung:

1. ›Maßgeblich sind meine Befehle. Sie handeln unmittelbar nach meinen Befehlen.‹ Die im Jeu de Paume [606] zusammengetragenen Kunstgegenstände werden auf Befehl des Reichsmarschalls sofort in einen Sonderzug verladen und nach Deutschland gebracht. Diejenigen Kunstgegenstände, die in den Besitz des Führers übergehen sollen und diejenigen Kunstgegenstände, die der Reichsmarschall für sich beansprucht, werden in zwei Eisenbahnwagen verladen, die dem Sonderzug des Reichsmarschalls angehängt und bei dessen Abreise nach Deutschland – Anfang nächster Woche – nach Berlin mitgenommen werden. Herr Feldführer von Behr wird Herrn Reichsmarschall in seinem Sonderzug auf der Fahrt nach Berlin begleiten.

Auf meinen Einwand, daß die Juristen wahrscheinlich anderer Meinung sein würden und von Seiten des Militärbefehlshabers in Frankreich wahrscheinlich Einwendungen erhoben würden, antwortete Herr Reichsmarschall wörtlich: ›Lieber Bunjes, das lassen Sie meine Sorge sein, der höchste Jurist im Staate bin ich‹.

Herr Reichsmarschall versprach, am Donnerstag, den 6. Februar, den schriftlichen Befehl zur Über führung der sichergestellten jüdischen Kunstschätze nach Deutschland aus seinem Hauptquartier durch Kurier an den Chef des Militärverwaltungsbezirkes Paris zu übersenden.«

Nun, hat dies jetzt Ihr Gedächtnis etwas aufgefrischt?

GÖRING: Ich entsinne mich dessen durchaus nicht, aber es steht ja nicht bis auf einen einzigen Satz im Widerspruch zu meinen Ausführungen, die ich darüber im Zusammenhang mit den Kunstschätzen gemacht habe. Der einzige Unsinn, der hier drin steht, ist der, daß ich sicherlich niemals gesagt habe, daß ich der höchste Jurist im Staate bin, denn das war ich Gott sei Dank nicht. Das ist eine Äußerung, die Herr Bunjes gebraucht hat, und ich kann ja hier nicht verantwortlich gemacht werden für jede Äußerung, die irgend jemand zu einem anderen gemacht hat, ohne daß ich die Möglichkeit hatte, sie richtigzustellen. Im übrigen, das andere entspricht meiner Darstellung, die ich neulich gegeben habe.

JUSTICE JACKSON: Nun, die Kunstschätze wurden dann in Waggons verladen und nach Berlin befördert? Ist das richtig?


GÖRING: Zum Teil, ja.


JUSTICE JACKSON: Ich lenke nunmehr Ihre Aufmerksamkeit auf Dokument 014-PS, US-784 und lasse es Ihnen übergeben. Ich ersuche Sie jetzt, Ihr Gedächtnis aufzufrischen und mir zu sagen, ob dieser Bericht an den Führer mit Ihrer Aussage übereinstimmt?

»Ich melde, daß der Haupttransport...«

GÖRING: Ich möchte betonen, die Meldung stammt nicht von mir.

[607] JUSTICE JACKSON: Das weiß ich. Ich möchte nur wissen, ob der Inhalt richtig ist.

»Ich melde, daß der Haupttransport des in Paris von meinem Einsatzstab sichergestellten, herrenlosen jüdischen Kulturgutes am Sonnabend, den 15. dieses Monats, als Sonderzug am Bergungsort in Neuschwanstein eingetroffen ist. Der vom Reichsmarschall Hermann Göring zur Verfügung gestellte Sonderzug umfaßte 25 D-Zug-Packwagen mit wertvollsten Gemälden, Möbeln, Gobelins, Kunsthandwerk- und Schmuckgegenständen. Der Transport umfaßte in der Hauptsache den wichtigsten Teil der Sammlungen Rothschild, Seligmann...«

und ein halbes Dutzend anderer Namen. Haben Sie die Stelle gefunden und stimmt das?

GÖRING: Ob das so richtig ist, weiß ich nicht, da die Meldung nicht von mir stammt. Das einzige, an was ich mich erinnern kann, ist, daß ich gebeten worden bin vom Einsatzstab, dafür zu sorgen, daß ihnen genügend Sonderwagen, Packwagen zur Verfügung gestellt würden zum Abtransport der Kunstschätze, da Jeu de Paume kein sicherer Ort bei irgendwelchen Bombenangriffen gewesen sein würde. Neuschwanstein liegt im Süden von München. Es handelte sich hier um die Gegenstände, die zum Führer gingen.

Ich möchte aber auf den nächsten Satz des nicht von mir verfaßten Dokuments hinweisen. Er lautet wie folgt:

»Die Beschlagnahmeaktion meines Einsatzstabes hat auf Grund Ihres Befehls, mein Führer, im Oktober 1940 in Paris begonnen.«

Es deckt sich also mit dem, was ich in meiner früheren Aussage gesagt habe.

JUSTICE JACKSON: Würden Sie auch noch weiter lesen?

GÖRING: Sie meinen, wo steht:

»Außer diesem Sonderzug sind bereits vorher die vom Reichsmarschall ausgewählten Hauptwerke – hauptsächlich der Sammlung Rothschild – in zwei Sonderwagen nach München gebracht worden und dort in den Luftschutzräumen des Führerbaues deponiert.«

Es sind die von mir zunächst für den Führer bestimmten kostbarsten Kunstwerke, die auf Wunsch des Führers dort in den Luftschutzkeller geschickt werden sollten, haben also nicht unmittelbar mit meinen Dingen zu tun; aber ich habe es ja nicht bestritten und das eingehend ausgeführt.

JUSTICE JACKSON: Bei Ihrem Verhör vor der Amerikanischen Kommission für Auslandsguthaben gaben Sie den Wert Ihrer Kunstschätze zur Zeit der Übergabe an den Staat mit 50 Millionen Reichsmark an, soweit ich mich erinnere. Ist das richtig?

[608] GÖRING: So stimmt das nicht. Diese Kommission wollte unter allen Umständen eine Wertfestsetzung haben, und es ging die Diskussion lange hin und her. Und ich sagte der Kommission ausdrücklich, daß ich den Wert gar nicht feststellen könne, da ich die Dinge nicht vor mir habe und auch kein Verzeichnis und sie nicht so im Kopfe besitze, ferner auch die jeweiligen Schwankungen und Einschätzungen betrachtet werden müßten, und in einem Falle Liebhaberwert und im anderen Falle Handelswert eingesetzt werden müßte. Da ich die Niederschriften dieser Protokolle trotz meiner Bitten nicht gesehen habe und sehr häufig gerade bei diesen Protokollen Mißverständnisse entstanden sind, vermag ich nur die Protokolle anzuerkennen, die ich unterschrieben habe.


JUSTICE JACKSON: Nun, stellen Sie die folgende Tatsache in Zweifel? »Als ich die Nachricht dem Finanzminister bekanntgab, schätzte ich den Wert zu jener Zeit mit 50 Millionen Reichsmark.« Sagten Sie das oder nicht?

GÖRING: Ich kann nicht den Wert angeben, ich habe nur dem Finanzminister seinerzeit gesagt, daß meine gesamte Sammlung, auch meine eigene, in den Staatsbesitz übergehen würde. Und weil ich meine Sammlerleidenschaft kannte, dachte ich mir, ist es durchaus möglich, daß mir plötzlich etwas geschehen kann und ich mein gesamtes, auch privates Vermögen in diese Kunstsachen gegeben habe, und folgedessen es sein kann, daß auf Grund meiner Bestimmungen der gesamte Kunstbesitz in Staats- beziehungsweise Volkseigentum übergeht, meine Familie auf diese Weise vis-a-vis de rien stehen könnte, und er möchte dann eine entsprechende Rente oder Ausgleich aussetzen. Das waren die Verhandlungen mit dem Finanzminister, die er bezeugen kann.


JUSTICE JACKSON: Welcher Teil Ihrer Kunstsammlung wurde nach 1933 erworben?


GÖRING: Ich habe die Frage nicht verstanden.


JUSTICE JACKSON: Welcher Teil Ihrer Kunstsammlung wurde nach 1933 erworben?


GÖRING: Im einzelnen kann ich das nicht sagen, eine ganze Reihe von Bildern und Statuen.


JUSTICE JACKSON: Sie haben behauptet, daß ein Teil Ihrer Kunstsammlung von Ihnen käuflich erworben wurde?

GÖRING: Sicherlich.


JUSTICE JACKSON: Und im Zusammenhang damit wurden Erkundigungen über Ihre finanziellen Transaktionen eingezogen, stimmt das?


GÖRING: Das weiß ich nicht, wer die Untersuchungen angestellt hat.


[609] JUSTICE JACKSON: Wurde Ihnen nicht eine Frage über den Empfang eines Betrags von RM 7276000,-von der Reemtsma-Zigarettenfabrik gestellt?


GÖRING: Nein, bin ich nie gefragt worden.


JUSTICE JACKSON: Man hat Sie niemals darüber befragt?


GÖRING: Nein, weder über die Summe noch über die Zigarettenfabrik, noch sonst etwas.


JUSTICE JACKSON: Lassen Sie mich über diesen Punkt Ihrem Gedächtnis etwas nachhelfen. Haben Sie diesen Leuten und auch Oberst Amen nicht im Laufe von Verhören erklärt, daß Ihnen dieses Geld von der Zigarettenfabrik für die Streichung von deren Steuerrückständen übergeben worden war?


GÖRING: Nein, ich habe sogar bestritten, daß deren rückständige Steuern gestrichen worden seien. Ich erinnere mich jetzt, daß die Frage in einem anderen Zusammenhang an mich gestellt worden ist. Von der Wirtschaft wurde ein Teil in der sogenannten Adolf-Hitler-Spende aufgebracht, und diese Summe wurde vom Führer für allgemeine Kulturaufgaben mir zur Verfügung gestellt, diese Teilsumme.


JUSTICE JACKSON: Von der Zigarettenfabrik?


GÖRING: Nicht von der Zigarettenfabrik; sondern für die Adolf-Hitler-Spende hat sich eine Reihe von Wirtschaftlern eingesetzt, und unter anderem hat Herr Reemtsma diesen Betrag im Laufe der Jahre an mich gegeben, nach Vereinbarung mit dem Führer. Ein Teil davon ist für die Staatstheater eingesetzt worden, ein Teil für den Ausbau der Kunstsammlungen und andere kulturelle Ausgaben.


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie wurden am 22. Dezember 1945 von der Abteilung für Auslandsguthaben der US-Untersuchungskommission für Kartelle und Auslandsguthaben verhört. Ist das richtig?


GÖRING: Ich darf hier vorher ausdrücklich nun bemerken, daß ich aufgefordert worden bin, ob ich hierzu bereit wäre, Aussagen zu machen, und daß diese Aussagen in keiner Weise mit diesem Prozeß in Verbindung gebracht würden. Deshalb sei auch die Anwesenheit meines Verteidigers nicht notwendig. Diese Zusage ist ausdrücklich gegeben worden und ist mir wiederholt worden durch die Gefängnisleitung und vor dem Verhör nochmals bestätigt worden, daß diese Aussage in keiner Weise mit dem derzeitigen Prozeß in Verbindung gebracht werden sollte. An sich ist es mir gleichgültig. Sie können sie gerne bringen. Ich möchte aber wegen der Methode dies ausdrücklich hier festgestellt haben.


DR. OTTO STAHMER: Ich erhebe gegen die Aussage hiermit Widerspruch, und zwar mit der Begründung, die soeben von dem [610] Zeugen gegeben worden ist. Ich selbst bin vor einiger Zeit, ich glaube es war um Weihnachten, von den Herren des amerikanischen Schatzamts, glaube ich, befragt worden, ob sie über Vermögensangelegenheiten den Angeklagten Göring vernehmen können, mit dem ausdrücklichen Hinweis, ich brauche bei seiner Vernehmung nicht zugegen sein, weil sie mit dem Prozeß nichts zu tun hat und nicht hierfür verwertet werden solle.


JUSTICE JACKSON: Ich bin nicht in der Lage, dies zu bestätigen oder abzustreiten und will daher dieses Thema jetzt nicht weiter verfolgen. Ich glaube nicht, daß eine Abmachung getroffen wurde, diese Tatsachen nicht zu behandeln. Ich wurde hierüber nicht unterrichtet, aber falls es geschehen ist, wäre es sinnwidrig gewesen.

Sie sind über den Empfang von Kunstgegenständen von Monte Cassino gefragt worden?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie, ob es nicht den Tatsachen entspricht, daß Ihnen eine Altarstatue aus dem Kloster Cassino übergeben wurde, über die Sie mit besonderer Wertschätzung gesprochen haben.


GÖRING: Ich bin froh, auch diese Sache aufklären zu können. Nachdem das Kloster Monte Cassino vollständig zerschossen worden war und von einer Fallschirmdivision verteidigt wurde, erschien eines Tages eine Abordnung und brachte eine völlig wertlose, vom Kunststandpunkt völlig wertlose Figur irgendeines oder einer Heiligen als letzte Erinnerung an dieses zusammengeschossene Kloster. Ich habe den Männern gedankt und habe dann dem Direktor meiner Kunstsammlungen die Sache gezeigt, und er betrachtete sie ebenfalls als völlig wertlos. Sie blieb dann in dem Kasten und wurde irgendwo abgestellt. Die übrigen in Monte Cassino...


VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß die Übertragung laut genug durchkommt, die Stenotypisten können es nicht hören.


GÖRING: Die übrigen in Monte Cassino befindlichen Kunstgegenstände sind nach meiner Kenntnis folgendermaßen abtransportiert worden: Ein sehr großer Teil besonders der Dinge, die dem alten Kloster persönlich gehörten, nach dem Vatikan. Ich muß das daraus entnehmen, daß der Abt des Klosters mir und meiner Division einen persönlichen, allerdings lateinisch geschriebenen, außerordentlichen Dankesbrief für diese Aktion übermittelte. Zum zweiten: Die Kunstschätze, soweit ich mich der Lage erinnere, die von dem Museum in Neapel dort in Monte Cassino lagen, sind zum allergrößten Teil ebenfalls durch uns nach Venedig geschafft und dort der Italienischen Regierung übergeben worden. Einige wenige Bilder und Statuen sind nach Berlin gebracht worden und wurden mir dort gegeben. Ich habe dem Führer am selben Tage die Liste übergeben und eine [611] Zeit später aus meinem Luftschutzkeller auch diese Gegenstände, damit er darüber mit Mussolini verhandeln könnte. Ich habe von diesen Gegenständen nicht einen einzigen für meine Sammlung behalten. Hätten meine Truppen nicht eingegriffen, so wären diese unerhörten Kunstschätze, die in Monte Cassino untergebracht waren, und die dort dem Kloster selbst gehörten, durch das Bombardement des Gegners, nämlich des amerikanisch-englischen Angreifers, restlos vernichtet worden. So sind sie heute vorhanden.


JUSTICE JACKSON: Sie sagen von keinem Wert, keinem wesentlichen Wert?


GÖRING: Das ist meine Überzeugung heute noch, und ich habe mich vor allem auf das Urteil meiner Sachverständigen verlassen. Ich habe auch diese Figur deshalb niemals aus dieser Kiste herausgenommen. Sie war für mich uninteressant; andererseits wollte ich den Männern, die sie mir gebracht haben, einige Worte der Freundlichkeit sagen.


JUSTICE JACKSON: Der Arbeitermangel im Reich war gegen November 1941 akut geworden, stimmt das?


GÖRING: Das ist richtig.


JUSTICE JACKSON: Und Sie selbst erteilten die Richtlinien für den Einsatz von russischen Kriegsgefangenen, nicht wahr?


GÖRING: Wozu?


JUSTICE JACKSON: Für die Kriegsindustrie: Panzer, Artillerie, Flugzeugteile?


GÖRING: Das ist richtig.


JUSTICE JACKSON: In der Sitzung vom 7. November 1941 haben Sie diesen Befehl erteilt, nicht wahr?


GÖRING: Auf welcher Sitzung das war, kann ich nicht sagen. Ich habe nur generell die Weisungen herausgegeben.

JUSTICE JACKSON: Und die Weisung lautete, russische Kriegsgefangene in den Sammellagern außerhalb der deutschen Reichsgrenzen auszusuchen, so schnell wie möglich zu verschicken und in folgender Reihenfolge zu verwenden: Bergbau, Eisenbahnarbeiten, Kriegsindustrie zur Herstellung von Panzern, Artilleriegeschützen und Flugzeugteilen, Landwirtschaft, Bauindustrie und so weiter. Sie haben diese Weisung erteilt, nicht wahr?


GÖRING: Wenn mein Name daruntersteht, werde ich sie erteilt haben. An Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern.


VORSITZENDER: Welche Nummer hat das Dokument, Herr Jackson?


JUSTICE JACKSON: Ich bitte, Ihnen Dokument 1193-PS zu zeigen.


[612] GÖRING: Ich habe es noch nicht gesehen.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Dieses Dokument, das Sie soeben erwähnt haben...

JUSTICE JACKSON: Ich habe die Antwort nicht gehört.

GÖRING: Verzeihung, ich habe eben ein Dokument bekommen über den Einsatz von Sowjettruppen. Ist dieses das Dokument, von dem Sie eben sprachen?


JUSTICE JACKSON: Das ist richtig, und ich verweise Sie auf die Tatsache, daß in der Anlage zu dem von Göring unterzeichneten Schreiben darauf Bezug genommen wird.


GÖRING: Ich mache darauf aufmerksam, daß dieses Dokument nicht von mir unterzeichnet ist, sondern von Körner, was aber meine Verantwortung nicht abschwächt.


JUSTICE JACKSON: Sie stellen also die Tatsache nicht in Zweifel, daß Sie am 7. November 1941 den Befehl in der Form gegeben haben, wie dies Körner hier in dem Dokument 1193-PS berichtet?


GÖRING: Ich habe soeben nur gesagt, daß das nicht von mir, sondern von Körner unterschrieben ist und hier sogar von einem noch jüngeren Beamten, einem Regierungsrat, so daß ich nur erklären wollte, daß dieses mein Ressort ist, und ich infolgedessen die Verantwortung trage. Ich habe es noch nicht durchgesehen. Es handelt sich hier um Richtlinien, die ich im allgemeinen gegeben habe, und die dann von der Ressortabteilung zweckentsprechend ausgearbeitet worden sind, wobei natürlich nicht jedes Wort und jeder Satz, so wie er hier steht, von mir angegeben oder diktiert wurde. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß ich die Verantwortung dafür trage, selbst dann, wenn ich hier im einzelnen nicht gewußt habe oder ich die Formulierung vielleicht anders gefaßt haben würde. Die allgemeinen Richtlinien sind ja von mir gegeben und darnach von den unteren Behörden die Ausführung aufgestellt.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben auch den Befehl erteilt, daß 100000 Männer der noch nicht in Rüstungsbetrieben eingesetzten französischen Kriegsgefangenen ausgesucht werden sollten und der Rüstungs- und Flugzeugindustrie zuzuteilen seien. Die hierdurch im Arbeitseinsatz entstehenden Lücken sollten durch sowjetische Kriegsgefangene ausgefüllt werden. Die Verschickung der obengenannten französischen Kriegsgefangenen sollte bis 1. Oktober durchgeführt sein. Sie haben diesen Befehl gegeben, nicht wahr?


GÖRING: Das ist richtig. Hier handelt es sich in der Hauptsache darum, daß ein großer Teil der französischen Facharbeiter, die in Kriegsgefangenschaft waren, in freie Arbeiter umgesetzt wurden [613] unter der Bedingung, daß sie in der deutschen Rüstungsindustrie arbeiteten. Die hierfür sich ergebenden Ausfälle an ihren bisherigen Arbeitsplätzen, wo sie als Kriegsgefangene gearbeitet hatten, sollten durch russische Kriegsgefangene ausgefüllt werden, weil ich es für unzweckmäßig hielt, daß qualifizierte Facharbeiter der Industrie zum Beispiel in der Landwirtschaft oder in sonst nicht ihren Fachgebieten entsprechenden Arbeiten eingesetzt wurden. Somit gab es einen Anreiz dadurch, daß die Leute an Stelle von Kriegsgefangenen freie Arbeiter werden konnten, wenn sie auf diese Bedingungen eingingen. Diese Richtlinien sind von mir gegeben.


JUSTICE JACKSON: Wußten Sie, daß in Deutschland Menschen zu Zwangsarbeit eingesetzt wurden?


GÖRING: »Pflichtarbeit.«


JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht bei einem Verhör am 3. Oktober 1945 wie folgt ausgesagt:

»Antwort: Ich möchte etwas zur letzten Frage des Verhörs hinzufügen. Der Herr Oberst fragte mich, ob das Zwangsarbeitsprogramm wirksam gewesen war. Ich sagte ja. Zwei Bemerkungen möchte ich hinzufügen.

Frage: Schön.

Antwort: Ich muß sagen, das Resultat als solches zeigte eine gute Wirkung; aber eine große Anzahl von Sabotageakten kam vor und ebenfalls Verrat und Spionage.

Frage: Aber Sie würden sagen, im großen und ganzen sei es, vom deutschen Gesichtspunkt aus gesehen, ein erfolgreiches Programm gewesen?

Antwort: Ja, ohne diesen Arbeitseinsatz hätten wir viele Dinge nicht verwirklichen können.«

Haben Sie das gesagt?

GÖRING: Das ist selbstverständlich, denn ohne Arbeiter kann man keine Arbeit leisten.

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie haben die Frage nicht beantwortet. Die Frage lautete, ob Sie gesagt haben, daß der Einsatz zu Zwangsarbeit ein Erfolg gewesen sei. Was haben Sie dazu zu sagen? Haben Sie das gesagt?


GÖRING: Ich habe auf die Frage, ob diese eingesetzten Arbeiter erfolgreich gearbeitet hätten, ausgeführt: das ist richtig.


JUSTICE JACKSON: Ihnen ist ein Dokument gezeigt worden, das die Nummer 3700-PS trägt, und das von Schacht an Sie gerichtet war. Sie haben zugegeben, daß es Ihnen vorgelegt worden war.


GÖRING: Ja, ich erinnere mich.


[614] JUSTICE JACKSON: Sie und Schacht waren einmal in gewisser Hinsicht Rivalen auf wirtschaftlichem Gebiet, nicht wahr?


GÖRING: Ich habe das neulich ja ausgeführt, inwieweit.


JUSTICE JACKSON: Sie wollten im Kriegsfalle sei nen Posten abgeschafft sehen, und er wollte, daß Ihnen im Kriegsfalle Ihr Posten, Ihre Stellung in der Wirtschaft, entzogen werden sollte, nicht wahr?


GÖRING: Nicht ganz. Es sind die gleichen Autoritäten oder die gleichen Vollmachten zur gleichen Zeit zwei Persönlichkeiten übertragen gewesen, und das war auf die Dauer nicht möglich, und es mußte nun ganz einfach festgelegt werden, wer von beiden die Vollmachten allein ausführte. Besonders würde das für den Fall einer Mobilmachung sehr dringend sein.


JUSTICE JACKSON: In Ihrer Aussage am 17. Oktober vergangenen Jahres haben Sie über Ihre Beziehungen zu Schacht, im Hinblick auf Ihre Meinungsverschiedenheiten mit ihm, das Folgende gesagt, nicht wahr?:

»Ich muß betonen, Schacht hat immer versucht, herauszurutschen und hochzurutschen und sich noch einen neuen Posten zu sichern, während alle anderen Minister unbedingt zusammenarbeiteten.«

Haben Sie das gesagt?

GÖRING: Nicht so, wie es dort steht, sondern ich wollte betonen, daß im Gegensatz zu den anderen Ministern, die meinen Weisungen für den Vierjahresplan ohne weiteres nachkamen, ich mit Schacht ganz andere Schwierigkeiten hatte, die ich hier ja auf Grund seiner Eigenart und starken Persönlichkeit schon aus führte.

JUSTICE JACKSON: Die Frage lautete, ob Sie diese Erklärung dem Sinne nach oder in diesen Worten abgegeben haben?


GÖRING: Nicht in diesen direkten Worten habe ich sie gemacht, aber so, wie ich sie soeben ausführte, dem Sinne nach.


JUSTICE JACKSON: Können Sie sich an Schachts Brief an Sie erinnern, 3700-PS?


GÖRING: Jawohl, ich habe ihn vor kurzer Zeit gelesen.


JUSTICE JACKSON: Und sagte Ihnen nicht Schacht in diesem Schreiben, ich spreche immer von 3700-PS, das Folgende?: »Es mag wohl militärisch nötig sein«, wollen Sie es sehen, um mitzulesen?


[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]


»Daß die 15jährigen eingezogen werden, mag militärisch nötig sein, wird aber für die Siegeszuversicht der deutschen Bevölkerung zu einer schweren Belastung. Die Tatsachen, die das deutsche Volk sieht, sind folgende:

[615] 1. Die ursprüngliche Inaussichtstellung eines kurzen Krieges ist nicht in Erfüllung gegangen.

2. Die in Aussicht gestellte schnelle Niederringung Englands durch die Luftwaffe ist nicht erfolgt.

3. Die Ankündigung, daß Deutschland von feindlichen Luftangriffen bewahrt bleiben würde, hat sich nicht erfüllt.

4. Die wiederholte Feststellung, daß die russische Widerstandskraft endgültig gebrochen sei, hat sich nicht bewahrheitet.

5. Die Belieferung Rußlands mit alliiertem Rüstungsmaterial und die Mannschaftsreserven Rußlands haben vielmehr zu dauernden schweren Gegenangriffen gegen unsere Ostfront ausgereicht.

6. Der anfänglich siegreiche Vormarsch gegen Ägypten ist nach wiederholten Ansätzen bis jetzt gescheitert.

7. Die als unmöglich hingestellte Landung der Alliierten in West- und Nordafrika ist trotzdem eingetroffen.

8. Der außerordentlich große Schiffsraum, der für diese Landung erforderlich war, hat gezeigt, daß unsere U-Bootwaffe trotz ihrer großen Erfolge zur Verhinderung dieser Transporte nicht ausgereicht hat.

Dazu kommt die jedem Volksgenossen sichtbare Einschränkung in der Zivilversorgung, im Verkehrswesen, im Rüstungsmaterial, im Arbeitseinsatz. Die Einziehung der 15jährigen wird die Bedenken verstärken, wie eigentlich dieser Krieg beendet werden soll.«

Können Sie das Datum, an dem Sie diesen Brief bekommen haben, genauer festlegen, als Sie es bereits getan haben?

GÖRING: Ich kann nur immer wieder sagen, daß hier der 3. November steht, daß aber das Jahr fehlt. Wenn mir ein Exemplar gegeben würde, wo das Jahr darauf steht, könnte ich genau antworten. Ich habe neulich gesagt, ich nehme aus meiner Kenntnis der Ereignisse an, daß es sich entweder um den November 1944 oder den November 1943 handeln muß. Aber es steht ja hier leider nicht. Ich kann nur lesen, 3. November. Das Jahr fehlt.

JUSTICE JACKSON: Wissen Sie, wann Schacht ins Konzentrationslager eingewiesen wurde? Wissen Sie, wann das war?


GÖRING: Nicht genau, aber jetzt, wo Sie mich daran erinnern, kann ich sagen, daß dieser Brief sicherlich nicht 1944 geschrieben worden ist, denn im November 1944, glaube ich, war Herr Schacht schon im Konzentrationslager; also muß er aus dem November 1943 stammen.


[616] JUSTICE JACKSON: Und er wurde, kurz nachdem er diesen Brief an Sie geschickt hatte, ins Konzentrationslager eingewiesen; ist das richtig?


GÖRING: Nein, das ist nicht richtig.


JUSTICE JACKSON: Wie lange ist er noch auf freiem Fuß geblieben?


GÖRING: Der Brief stammt vom 3. November, wie wir eben feststellten, 1943. Von der Verhaftung Schachts hörte ich erst nach dem Attentat auf den Führer und meiner wenige Tage später erfolgten Rückkehr nach einer längeren Krankheit, also erst im September 1944. Ein Zusammenhang mit diesem Brief und seiner Verhaftung besteht nicht im geringsten, denn als ich mich nach dieser Verhaftung erkundigte, wurde mir einwandfrei gesagt, sie erfolgte im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie als Oberbefehlshaber der Luftwaffe mit dem Reichsführer-SS, dem Reichsjugendführer und dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ein Abkommen getroffen über die Aushebung jugendlicher Russen, Ukrainer, Weißrussen, Litauer und Tartaren im Alter von 15 bis 20 Jahren? Haben Sie mit Himmler und Rosenberg darüber irgendein Abkommen getroffen?


GÖRING: Ob ich persönlich ein solches Abkommen getroffen habe, glaube ich nicht. Meine Dienststelle, das ist durchaus möglich und wahrscheinlich.


JUSTICE JACKSON: Sie haben gestern oder vorgestern, ich glaube es war am Freitag, folgendes ausgesagt. Ich will Ihr Gedächtnis etwas auffrischen, es handelt sich um die Frage von Beschlagnahmen:

»Nun zur Frage, ob nur Staatseigentum beschlagnahmt worden ist. Soweit ich weiß, ja. Bei Privateigentum, wie hier in Staatsberichten vorgetragen wurde, könnte ich mir denken, daß im kalten Winter 41/42 von deutschen Soldaten Pelzstiefel oder Filzstiefel oder Schafpelze da und dort den Einwohnern abgenommen worden sind; das ist durchaus möglich. Im großen gab es aber kein Privateigentum, infolgedessen war kein solches zu beschlagnahmen.«

Ich glaube, Sie haben ferner noch gesagt, daß Sie bei der Besetzung fremder Gebiete niemals etwas weggenommen haben, nicht einmal eine Schraube oder einen Bolzen. Können Sie sich an diese Aussage erinnern?

GÖRING: Sehr genau.

JUSTICE JACKSON: Behaupten Sie das jetzt immer noch?


GÖRING: Selbstverständlich.


[617] JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen jetzt das Dokument EC-317 zeigen lassen. Dies ist eine »Geheime Kommandosache« vom 7. September 1943. Stimmt das?


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


GÖRING: Ich habe hier einen Brief vor mir liegen vom 21. Februar 1944.

JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie das falsche Beweisstück, es soll EC-317 sein, Seite 3.


GÖRING: Ja, Seite 3.


JUSTICE JACKSON: Wir wollen den Begleitbrief außer acht lassen. Ihre »Geheime Kommandosache« trägt das Datum 7. September 1943, nicht wahr?


GÖRING: Das ist richtig.


JUSTICE JACKSON: Und der Text ist folgender:

»Betr.: Räumung der Erntevorräte und Zerstörung der Produktionsmöglichkeiten der Land- und Ernährungswirtschaft in Teilen der besetzten Ostgebiete.

Auf Weisung des Führers ordne ich an:

I. In den Räumen ostwärts der von der Obersten militärischen Führung festgelegten Linie sind folgende Maßnahmen nach der jeweiligen militärischen Lage abschnittsweise durchzuführen. Die Abschnitte sind durch die OB der Heeresgruppen zu bestimmen:

1. Alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, Betriebsmittel und Maschinen sind ausland- und ernährungswirtschaftlichen Betrieben abzutransportie ren.

2. Die ernährungswirtschaftlichen Be- und Verarbeitungsbetriebe sind zu zerstören.

3. Die Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft, insbesondere die Unterlagen und Einrichtungen (Lager und so weiter) der ernährungswirtschaftlichen Erfassungsorganisationen sind zu vernichten.

4. Die in der Land- und Ernährungswirtschaft tätige Bevölkerung ist in Räume westlich der festgelegten Linie zu verbringen.«

Stimmt das?

GÖRING: Das ist absolut richtig; aber ich darf nun dazu folgende Erklärung abgeben. Es handelt sich hier um rein militärische Maßnahmen bei einem Rückzug. Darf ich zu den vier Punkten Stellung nehmen. Erstens habe ich neulich betont, daß wir außerordentlich zahlreiche landwirtschaftliche Betriebsmaschinen nach Rußland [618] geschafft haben. Nachdem die Russen auf ihrem Rückzug damals alles zerstört haben, hatten wir um so weniger militärische Veranlassung, unsere dort aufgebauten und hingeführten Maschinen und Betriebe ihnen unzerstört in die Hände fallen zu lassen. Es handelt sich hier um einen militärisch dringend notwendigen Befehl, der bei einem Rückzug angeordnet worden ist, und der in der gleichen Weise wie vorher im umgekehrten Sinne durchgeführt wurde. Es handelt sich um keinerlei Privateigentum.

JUSTICE JACKSON: Und er trägt Ihre Unterschrift?


GÖRING: Ja, dieser Befehl trägt meine Unterschrift.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte jetzt auf ein anderes Thema übergehen, Hoher Gerichtshof.


VORSITZENDER: Ja, wir lassen jetzt eine Pause eintreten.


[Pause von 10 Minuten.]


JUSTICE JACKSON: Ich möchte bitten, dem Zeugen ein Dokument vorzulegen, 3786-PS, von dem keine Abschriften vorhanden sind, da wir es erst in letzter Minute bekommen haben. Ich bitte Sie, dieses Dokument durchzusehen und mir zu sagen, ob Sie sich an die Besprechung erinnern, die in diesem Protokoll erwähnt ist.

GÖRING: Es handelt sich hier scheinbar um einen Bericht über eine Lage, wie sie täglich beim Führer ein- oder zweimal stattfand. Da diese Lage täglich ein- bis zweimal stattgefunden hat, kann ich mich natürlich mit keiner Exaktheit, ohne den Bericht gelesen zu haben, an die vom 27. Januar 1945 genau oder auch nur annähernd erinnern; denn solche Lagen habe ich im Laufe des Krieges unzählige Male mitgemacht.


JUSTICE JACKSON: Ich verweise Sie auf einen bestimmten Punkt im Protokoll. Das Protokoll erwähnt, daß der Führer, Sie selbst, Keitel und Jodl anwesend waren. Stimmt das?


GÖRING: Das steht hier auf Grund der Besprechungsnotiz.


JUSTICE JACKSON: Ich verweise Sie auf Seite 31 und ersuche Sie, das Protokoll mit mir durchzulesen und zu sagen, ob das Ihr Gedächtnis auffrischt. Es bezieht sich auf 10000 in Gefangenschaft befindliche Fliegeroffiziere, und ich zitiere die Aussprüche, die Ihnen zugeschrieben werden:

»Göring: Bei Sagan sind 10000 gefangene Fliegeroffiziere, die Bewachung ist beim BdE. Bewachungs- und Transportkräfte sollen nicht zur Verfügung stehen. Es wurde der Gedanke laut, ob man nicht die Gefangenen den sowjetrussischen Bundesgenossen überlassen soll. Sie würden 10000 Flieger bekommen.

[619] Der Führer: Warum transportieren sie die nicht früher weg? Das ist eine Schlamperei sondergleichen.

Göring: Das ist der BdE. Wir haben damit nichts zu tun. Ich kann das nur melden.

Der Führer: Die müssen weg, und wenn sie im Treck zu Fuß marschieren. Da wird Volkssturm aufgeboten. Wer ausreißt, wird erschossen. Das muß mit allen Mitteln gemacht werden.

Göring: Das ist aus Sagan, da sind 10000 Mann.

Guderian: Im Abtransport ist die 4. Panzerdivision ganz abgerollt, ebenso die 227. Division. Von der 32. Division rollt jetzt der Rest. Dann kommt das Generalkommando des III. SS-Panzerkorps in der Nacht von heute zu morgen, und von morgen zu übermorgen die Division ›Nederland‹, die bereits heraus ist. Ebenfalls sind Teile von ›Nordland‹ bereits aus der Front herausgezogen.

Der Führer: Kriegen sie nun Nachersatz? Ist das schon im Anrollen?

Guderian: Das hat Fegelein veranlaßt. Er ist bereits bestellt, daß sie sofort aufgefrischt werden.

Der Führer: Es ist ganz klar, die Heeresgruppe Weichsel hat zunächst außer dem Korps Nehring, der einen Gruppe und dem, was sie an der Weichsel hat, nichts. Das muß organisiert werden. Das kommt jetzt erst von hier, zum Teil von Deutschland. Das muß gemacht werden. Trotzdem!

Göring: Wieviel Viehwagen braucht man für 10000 Männer?

Der Führer: Wenn wir sie nach deutschen Begriffen transportieren, brauchen wir für 10000 Männer mindestens 20 Transportzüge. Wenn wir sie nach russischen Begriffen transportieren, brauchen wir fünf oder drei.

Göring: Hosen und Stiefel ausziehen, daß sie bei Schnee nicht laufen können.«

Erinnern Sie sich an diesen Zwischenfall?

GÖRING: Ich kann mich an diesen Zwischenfall nur schwach erinnern.

Ich möchte jetzt, nachdem ich die Antwort gegeben habe, eine kurze Erklärung zu dem Wert dieses Dokuments abgeben:

Ich habe Sie so verstanden, daß dieses Dokument eben erst gekommen ist. Aber ich bin zu diesem Dokument schon lange vor Beginn des Prozesses gehört worden, und ich habe damals schon darauf aufmerksam gemacht, daß bei den Mitstenogrammen der Lage zwei Stenographen gleichzeitig mitschrieben, daß diese Lage [620] oft vier bis fünf Stunden dauerte, und daß deshalb diese Stenogramme später immer außerordentlich haben überarbeitet werden müssen und daß vor allem bei Anwesenheit von vielen Herren besonders viele und besonders häufig Fehler in der Übermittlung vorgekommen sind, daß man Aussprüche, die der eine getan hat, im Protokoll als Ausspruch eines anderen wiedergefunden hat. Ich habe daher damals schon gesagt, daß ich mich an diese Aussprüche nicht nur nicht erinnern kann, sondern daß ich diese auch nach meiner Überzeugung keineswegs getan habe, sondern es handelte sich nur um die Bereitstellung der Kraftwagen zum Abtransport.


JUSTICE JACKSON: Ich darf wohl sagen, daß Sie über diesen Zwischenfall schon vernommen wurden, aber nicht über diese Niederschrift.


GÖRING: Mit Bezug auf diese Niederschrift und diesen Zwischenfall wurde ausdrücklich betont, daß es sich um ein Stenogramm des Lageberichtes handelt, und ich habe mich schon damals im ähnlichen Sinne geäußert. Es ist mir damals, das ist richtig, nicht vorgelegt worden.


JUSTICE JACKSON: Es ist nicht in Maschinenschrift, sondern als gewöhnliches Stenogramm aufgenommen worden.

Sie sind auch auf Seite 35 erwähnt. Ich verweise Sie hierauf und frage Sie, ob Ihnen auch das Folgende irrtümlicherweise zugeschrieben wurde:

»Göring: Die 10000 Gefangenen in Sagan soll Obergruppenführer Jüttner abtransportieren!« Möglicherweise ist meine Aussprache nicht zu gut.

»Der Führer: Die müssen mit allen Mitteln abtransportiert werden, da muß Volkssturm aufgeboten werden mit den energischsten Leuten. Fluchtversuch wird mit Erschießen geahndet.

Fegelein: Wir haben einen Mann dafür, der die KZs bewacht. Das ist Gruppenführer Glücks, der muß das machen.«

Hat sich das so abgespielt?

GÖRING: Das weiß ich nicht. Ich habe mich ja schon vorher geäußert, daß BdE den Abtransport leiten mußte, weil wir damit nichts zu tun haben. Welche Erörterungen im einzelnen die anderen Herren in dem Hin und Her dieser Gespräche gegeben haben, kann ich hier nicht voll bestätigen oder aussagen. Es ging darum, ob die 10000 übergeben oder abtransportiert werden sollten.

JUSTICE JACKSON: Jetzt will ich Ihnen eine oder zwei Fragen über die Bombardierung Warschaus stellen. Ist Ihnen bekannt, daß am 3. September das Haus des Amerikanischen Botschafters, das sich ungefähr 17 Kilometer außerhalb von Warschau befindet, von der deutschen Luftwaffe bombardiert wurde?


[621] GÖRING: Nein, das ist mir nicht bekannt.


JUSTICE JACKSON: Ihre Luftwaffe hat viele Bilder von polnischen Dörfern und Warschau aufgenommen und sie unter das deutsche Volk verteilt. Ist das richtig?


GÖRING: Möglich. Darum habe ich mich nicht gekümmert. Dem deutschen Volke hat jedenfalls meine Luftwaffe keine Bilder verteilt. Es ist nur möglich, daß Bilder, die die Luftwaffe angefertigt hat, über die Propagandaabteilung in deutsche Zeitschriften gekommen sind; das ist möglich. Aber Verteilen in dem Sinne, daß die Luftwaffe unter das deutsche Volk Bilder gleich Flugblättern verteilte, ist niemals vorgekommen.


JUSTICE JACKSON: Die Luftwaffe hat die Bilder aufgenommen, um ihre Zielsicherheit festzustellen. Stimmt das?


GÖRING: Die Luftwaffe nimmt die Bilder auf, bevor man ein Ziel bombardiert und, nachdem ein Ziel bombardiert worden ist, wiederum zur Feststellung, ob das Ziel getroffen worden ist.


JUSTICE JACKSON: Ich lasse Ihnen fünf Bilder zeigen und frage Sie, ob das nicht Aufnahmen sind, die die Luftwaffe nach dem Angriff auf Polen aufgenommen hat?


[Dem Zeugen werden Photographien überreicht.]


GÖRING: Zur ersten Frage, ob die Bilder von der deutschen Luftwaffe gemacht sind, kann ich leider keine positive Antwort geben, weil keinerlei Hinweis darauf gegeben ist, daß diese Bilder von der deutschen Luftwaffe gemacht wurden. Vier Bilder von den fünf sind, wenn Sie dieselben betrachten, Schrägaufnahmen, wie sie eigentlich von einer Anhöhe oder von einem Kirchturm aus eher noch möglich sind, wie aus dem Flugzeug, wo immer nur Senkrechtaufnahmen infolge der eingebauten Apparatur im allgemeinen ge macht werden.

Das Bild, das die Zerstörung von Teilen Warschaus zeigt, könnte rein technisch eher als eine solche senkrechte Luftbildaufnahme gewertet werden. Hier fehlt das Datum. Aber keines der Bilder zeigt irgendeinen Beweis dafür, daß sie von der Luftwaffe stammen.

Nun, zweitens möchte ich aber einmal unterstellen, sie sollen von der Luftwaffe stammen, um die weiteren Fragen zu erleichtern.


JUSTICE JACKSON: Sie wollen annehmen, daß sie von der Luftwaffe aufgenommen sind?


GÖRING: Ja, obwohl ich es bezweifle.


JUSTICE JACKSON: Ich will nicht, daß Sie irgend etwas hier preisgeben. Wenn Sie glauben, sie seien nicht von der Luftwaffe aufgenommen, wünsche ich nicht, daß Sie es zugeben.


[622] GÖRING: Ich sagte, keinerlei Beweis ist dafür erbracht. Ich habe sie nicht gemacht, ich kenne sie nicht, sie sind mir auch nicht als Luftwaffenaufnahmen vorgelegt worden und rein technisch gesehen, könnten sie nur in einem Flugzeug mit einem Privatapparat in außerordentlicher Schrägaufnahme gemacht worden sein. Eigentliche Luftbilder, so wie sie technisch von der Luftwaffe hergestellt werden, das heißt Senkrechtaufnahmen, sind sie nicht.


JUSTICE JACKSON: Gut, wir wollen sie nicht in Betracht ziehen und zu etwas anderem übergehen.

Wir wollen in Dokument 638-PS Einsicht nehmen, über das Sie schon vernommen worden sind, und das Sie auch, wie ich mich erinnere, anerkannt haben. Dies ist das Dokument, das Dr. Joel unterzeichnet hat. Ich bitte Sie, mir beim Lesen zu folgen.

Aus den Ausführungen des Reichsmarschalls vom 24. September 1942:

»1. Der Reichsmarschall sucht verwegene Burschen, die im Osten als Sonderkommandos eingesetzt werden und hinter den Linien Störaufgaben durchführen können. Zusammensetzung soll in Banden geschehen, die unter Führung stehen, und die Dolmetscher zugeteilt erhalten. RM denkt dabei an Strafgefangene, die einmal gescheitert sind, nicht besonders ehrenrührige Straftaten begangen haben, bei denen menschliches Verständnis für die Tat besteht.

RM erwähnte zunächst wegen Jagdvergehens Bestrafte. Er wisse zwar, daß RFSS die sogenannten Wildschützen herausgefordert und erhalten habe. Er bittet aber um erneute Überprüfung. Es kommen nur Männer in Frage, die aus Jagdleidenschaft um der Trophäe willen gewildert haben, keinesfalls Schlingen- und Fallensteller. Weiter erwähnte RM die passionierten Angehörigen von Schmugglerbanden, die sich in Feuergefechten an den Grenzen herumschlagen und deren Passion es ist, unter eigenem Lebenseinsatz den Zollschutz zu überlisten, nicht aber Männer, die im D-Zug oder so ähnlich Gegenstände über die Grenze zu bringen suchen.

Der RM gibt anheim, zu überlegen, ob noch andere Gruppen Strafgefangener diesen Banden- oder Jagdkommandos zugeteilt werden können.

In den ihnen zugewiesenen Gebieten könnten diese Banden, deren Aufgabe in erster Linie die Vernichtung der Leitungen der Partisanengruppen sein soll, morden, brennen, schänden, im Lande kämen sie wieder unter strenge Aufsicht.

gez. Dr. Joel, 24. September 1942.«

Wünschen Sie, dem Gerichtshof eine Erklärung über dieses Dokument zu geben?

[623] GÖRING: Jawohl, die gleiche Erklärung, die ich damals schon gegeben habe. Die beiden ersten Absätze zeigen eindeutig und einwandfrei, daß ich nur solche Leute haben wollte, die keinerlei ehrenrührige Vergehen begangen haben, sondern in erster Linie Wildschützen, und zwar auch hier bereits der Unterschied zwischen dem Wildschützen aus Jagdleidenschaft und dem, der lediglich Diebstahl begehen will. Auch bei den Schmugglern habe ich unterschieden zwischen denen, die sich persönlich einsetzten, eine gewisse Leidenschaft dabei zeigen und jenen, die das auf ehrlose Weise machen.

Diese beiden Hauptabsätze zeigen deutlich, daß ich nicht hier Verbrecher in irgendeiner Form einzusetzen wünschte, und ich habe deshalb dem letzten Absatz auf das schärfste damals widersprochen, daß ich diesen geäußert haben könnte. Es handelt sich hier nicht um eine Niederschrift, sondern um eine Notiz eines Beamten, mit dem ich generell über diese Dinge sprach. Woher er und ob er von mir diese Worte hat, müßte er bezeugen können. Sie widersprechen aber, und das betone ich ganz besonders, meiner Auffassung; insonderheit habe ich damals schon erklärt, daß ich den Begriff der Schändung, den ich durchwegs mit Todesstrafe belegt habe, auch wenn sie gegen Angehörige der Feindstaaten begangen worden ist, daß ich diese Äußerung zurückweise und habe nochmals darauf hingedeutet, daß die Hauptabsätze in krassem Widerspruch zu der letzten Bemerkung stehen, denn, wenn mir das gleichgültig gewesen wäre, dann hätte ich dazu Verbrecher aussuchen können.

Zum dritten habe ich ausdrücklich auch oben festgelegt, daß ihre Hauptaufgabe hinter den Linien Störungsaufgaben seien, Leitungen zu stören, Eisenbahnstrecken zu stören und ähnliches. Letztens, und zum vierten, ist das Ganze überhaupt nicht zustande gekommen.


JUSTICE JACKSON: Sie erhoben Einspruch gegen das Wort »schänden«, das zuerst mit »Vergewaltigung« übersetzt worden war, und das war Ihr einziger Einspruch gegen das Dokument, als es Ihnen vorgelegt wurde. Ist das richtig?


GÖRING: Nein, das ist so nicht richtig. Ich sage das, weil dies ein sehr markanter Begriff ist, der meiner Rechtsauffassung ganz besonders widersprochen hat von jeher, weil ich kurz nach der Machtergreifung auch auf diesem Gebiet im deutschen Strafgesetz Verschärfungen einführen ließ. Und an diesem Wort und an diesem Begriff wollte ich zeigen, daß die ganze letzte Sache von mir nicht geäußert werden konnte. Und ich weise sie zurück. Ich übernehme absolut und gerne die Verantwortung auch für schwerste Dinge, die ich getan habe. Diese Äußerung lehne ich aber ausdrücklich als mir völlig widersprechend ab.


JUSTICE JACKSON: Wer hat dieses Dokument unterzeichnet?


[624] GÖRING: Dr. Joel.


JUSTICE JACKSON: Kannten Sie ihn?


GÖRING: Ich kannte ihn flüchtig. Ich habe ihn bei dieser Besprechung gesehen.


JUSTICE JACKSON: Er war bei dieser Besprechung anwesend?


GÖRING: Ich habe ihn ja hinkommen lassen, um ihm zu sagen, daß ich diese Art Leute wünsche.


JUSTICE JACKSON: Sie haben auf Wirtschaftsfragen in den verschiedenen besetzten Ländern durch die Reichskommissare Einfluß genommen, ist das richtig?


GÖRING: Ich äußerte neulich, daß die verschiedensten Stellen, auch die Reichskommissare angewiesen waren, meinen wirtschaftlichen Richtlinien und Weisungen zu folgen.


JUSTICE JACKSON: Und hatten Ihnen über Wirtschaftsfragen Meldung zu erstatten?


GÖRING: Nicht über alle, nur insoweit, als sie meine Richtlinien betroffen haben.


JUSTICE JACKSON: Wer war Ihr Reichskommissar in Polen?


GÖRING: Reichskommissar in Polen gab es keinen. In Polen gab es den Generalgouverneur, das war Dr. Frank.


JUSTICE JACKSON: Wer war Reichskommissar in den Niederlanden?


GÖRING: Reichskommissar für Holland war Dr. Seyß-Inquart.


JUSTICE JACKSON: Und wer war Reichskommissar für Norwegen?


GÖRING: In Norwegen war Reichskommissar der Gauleiter Terboven.


JUSTICE JACKSON: Terboven, er war auch Gauleiter, wie Sie sagen?


GÖRING: Er war Gauleiter in Essen.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie ihn für Norwegen ernannt, oder ernennen lassen?


GÖRING: Ich habe ihn weder für Norwegen ernannt, das stand mir nicht zu, noch habe ich ihn ernennen lassen. Ich habe seiner Ernennung allerdings in keiner Weise widersprochen und hielt ihn auch für einen der geeigneten Leute, die für Reichskommissare in Frage kommen.


JUSTICE JACKSON: Und er befand sich dort von 1940 bis 1945?


GÖRING: Ich glaube, das ist richtig.


[625] JUSTICE JACKSON: Ich lasse Ihnen nunmehr Dokument R-134 zeigen. Es ist ein Schreiben von Terboven an Sie. Das Schreiben ist vom 1. Mai 1942, nicht wahr?


GÖRING: Das Datum habe ich gesehen, jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und darin steht folgender Bericht, der an Sie, den Reichsmarschall, »Sehr verehrter Herr Reichsmarschall«, gerichtet ist. Ist das richtig?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Ich lasse den ersten Absatz aus, vorausgesetzt, daß Sie ihn nicht lesen wollen:

»Wir haben vor einigen Tagen auf einer Insel westlich von Bergen einen, vom Secret Service ausgebildeten norwegischen Sabotagetrupp ausgehoben und sind dabei auf ein umfangreiches Lager zum Teil neuartigster Sabotagemittel gestoßen, unter denen sich wahrscheinlich auch Gift und Bazillen befinden und die, soweit sie unbekannt sind, heute dem Reichssicherheitshauptamt zur näheren Untersuchung überstellt wurden.

Neben anderen Aufgaben hatte dieser Sabotagetrupp, wie aus vorgefundenen schriftlichen Anweisungen hervorgeht, auch die, mit den in einem Exemplar beigefügten Sprengkörpern auf Sola und Herdla mit der Sabotagearbeit zu beginnen. Da anzunehmen ist, daß ein ähnliches Vorgehen auf Flugplätzen der übrigen europäischen Küste in Gang ist, und in der Voraussetzung, daß es sich hier tatsächlich um ein bislang unbekanntes Sabotagemittel handelt, übermittle ich es Ihnen auf dem schnellsten Wege, um Gelegenheit zu geben, eine entsprechende Warnungsweisung herauszugeben.

Im Kampf gegen den Sabotagetrupp sind leider zwei besonders bewährte Beamte der Sicherheitspolizei gefallen. Wir haben sie gestern morgen um 10.00 Uhr auf dem Ehrenfriedhof in Bergen beigesetzt.

Am gleichen Tag und zur gleichen Stunde sind auf meinen Befehl 18 Norweger erschossen worden, die einige Zeit vorher bei dem Versuch, illegal nach England zu fahren, gefangengenommen wurden.

Ebenso ist am gleichen Tage die gesamte Ortschaft, die dem Sabotagetrupp Unterschlupf gewährt hat, niedergebrannt und die Bevölkerung deportiert worden. Sämtliche Männer werden, ohne daß ihre Angehörigen über ihr Schicksal eine Mitteilung bekommen, einem deutschen Konzentrationslager überwiesen, die Frauen einem weiblichen Zwangsarbeitslager [626] in Norwegen, und die nicht arbeitsfähigen Kinder kommen in ein Kinderheim.

Heil Hitler!

Ihr sehr ergebener gez. Terboven.«

Stimmt das?

GÖRING: Das steht in diesem Brief, der mir als Abschrift vorgelegt ist.

JUSTICE JACKSON: Terboven behielt seinen Posten, nachdem er diese Meldung gemacht hat, bis 1945. Nicht wahr?


GÖRING: Das ist richtig.

JUSTICE JACKSON: Im gleichen Jahre, 1942, etwas später, haben Sie Methoden, die den Ihnen von Terboven mitgeteilten sehr ähnlich waren, zur Anwendung gebracht. Stimmt das?


GÖRING: Ich habe die Frage nicht verstanden.


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie bedienten sich später, im gleichen Jahre, der gleichen Methoden wie Terboven, nicht wahr?


GÖRING: Ich? Wo?


JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen jetzt Dokument 1742-PS vorlegen lassen. Hier handelt es sich um eine Verordnung vom 26. Oktober 1942, Unterschrift Göring. Ich bitte Sie, mitzulesen:

»Bei der Durchführung der durch den Führer angeordneten verstärkten Bekämpfung der Bandentätigkeit und Säuberung, insonderheit des rückwärtigen Gebietes der Heeresgruppe Mitte, bitte ich, daß nachstehende Gesichtspunkte berücksichtigt werden beziehungsweise die sich daraus ergebenden Folgerungen zur Durchführung gelangen.

1. Bei der Bekämpfung der Bandengruppen und der Durchkämmung der von ihnen verseuchten Räume sind gleichzeitig sämtliche dort vorhandenen Viehbestände in gesicherte Gebiete abzutreiben, desgleichen die Lebensmittelvorräte so wegzuschaffen und zu sichern, daß sie den Banden nicht mehr zugänglich sind.

2. Sämtliche männlichen und weiblichen Arbeitskräfte, die irgendwie für einen Arbeitseinsatz in Frage kommen, sind zwangsmäßig zu erfassen und dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zuzuführen zur Verwendung in den rückwärtigen gesicherten Gebieten oder in der Heimat. Die Unterbringung der Kinder ist in rückwärtigen Lagern gesondert zu regeln.«

Ist das richtig?

GÖRING: Absolut. Es handelt sich hier um die Bandengebiete, und es konnte kein Mensch von mir verlangen, Vieh und [627] Lebensmittelbestände zu deren Verfügung zu lassen. Auch mußten die Menschen, die immer wieder erneut von den Banden zu Bandendienst und Aufruhr gegen uns eingesetzt wurden, in gesicherte Gebiete zurückgeführt und dort zunächst dem Arbeitseinsatz zugeführt werden. Ich möchte hier betonen, daß dies hier eine absolute Lebensnotwendigkeit für die Sicherheit der kämpfenden Truppe war. Aber ich darf nochmals betonen, daß Sie sagten, ich habe dasselbe angeordnet, was Sie in dem Brief Terbovens vorgelesen haben. Ich habe hier kein Niederbrennen von Dörfern und kein Erschießen von Geiseln angeordnet. Es handelt sich hier um etwas grundsätzlich anderes.

JUSTICE JACKSON: Sie haben einfach die Männer, Frauen und Kinder verhaften lassen und haben sie wegtransportiert. Darauf habe ich Bezug genommen.

Gegen Mai 1944 waren Ihre Verluste an Jagdflugzeugen und Jagdfliegern bedenklich geworden.


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Am 19. Mai 1944 hatten Sie in Ihrer Dienststelle eine Besprechung über das Thema Jagdflugzeuge und Verluste an Jagdfliegern. Stimmt das?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: Das Protokoll dieser Sitzung wurde Ihnen bereits gezeigt, und Sie haben es in Ihrem Verhör anerkannt.


GÖRING: Es ist kein Protokoll dieser Sitzung. Es ist eine ganz kurze und knappe Zusammenfassung eines Offiziers über eine, soviel ich weiß, zweitägige Sitzung in wenigen Sätzen.


JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen Dokument L-166 vorlegen lassen. Es trägt die Überschrift: »Geheime Kommandosache«. Stimmt das?


GÖRING: Das ist alles richtig.


JUSTICE JACKSON: Es trägt außerdem die Überschrift: »Protokoll einer Besprechung über Jagdflugzeuge mit dem Reichsmarschall am 15. und 16. Mai 1944«. Das stimmt auch, nicht wahr?


GÖRING: Nein, es heißt: »Aktennotiz über eine Jagdbesprechung beim Reichsmarschall am 15. und 16. Mai 1944.«


JUSTICE JACKSON: Sie übersetzen das Aktennotiz?


GÖRING: Aktennotiz steht hier, das ist ja das Original.


JUSTICE JACKSON: Notiz einer Besprechung über Jagdflugzeuge?


GÖRING: Über zwei Tage.


[628] JUSTICE JACKSON: Ja. Zuerst beschrieb General Galland im einzelnen die Jäger-Personallage, so war das doch, nicht wahr, und er gab einen Überblick über die Verluste.


GÖRING: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und er gab einen Überblick über die Verluste?


GÖRING: Das stimmt.


JUSTICE JACKSON: Und dann sprach er unter Punkt 2 ziemlich eingehend über die Abhilfemaßnahmen. Ist das richtig?

GÖRING: Nach dieser Aktennotiz ja, aber daß das aktuell war, kann ich nicht sagen.


JUSTICE JACKSON: Diese Konferenz hat stattgefunden, nicht wahr?


GÖRING: Absolut, zwei Tage lang.


JUSTICE JACKSON: Und unter Punkt 3 machte General Galland gewisse Vorschläge, nicht wahr?


GÖRING: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und dann nach längerer Diskussion machte General Schmidt gewisse Vorschläge, Punkte 12 und 13. Stimmt das?


GÖRING: Es wird so gewesen sein. Nach dieser Aktennotiz steht es jedenfalls darin.


JUSTICE JACKSON: Und Sie empfahlen eine Besprechung zwischen dem Chef des Generalstabes und dem General der Flakartillerie, und zwar so schnell wie möglich. Stimmt das? Punkt 13?


GÖRING: Ja.


JUSTICE JACKSON: General Schmidts Vorschläge und Wünsche stehen in den Punkten 14, 15, 16, 17 und 18.


GÖRING: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und dann haben Sie Ihre Entscheidung getroffen.

»... der Reichsmarschall entscheidet, daß nur die III. Gruppen der Jagdgeschwader unter Abgabe ihrer einsatzbereiten Flugzeugführer... im Reich verbleiben.«

Ist das richtig?

GÖRING: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und dann kommen wir zu Punkt 19:

»Der Reichsmarschall wünscht, daß bei Tiefangriffen auf Flugplätze mit erheblichem Ausfall an Personal und Material grundsätzlich durch den LWFüSt die Abwehr- und Auflockerungsmaßnahmen geprüft werden.«

[629] Ist das richtig?

GÖRING: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und Punkt 20 lautet:

»Herr Reichsmarschall will dem Führer vorschlagen, daß amerikanische und englische Besatzungen, die wahllos in Städte schießen, auf fahrende Zivilzüge oder am Fallschirm hängende Soldaten, sofort am Ort der Tat erschossen werden.«

Habe ich das richtig verlesen?

GÖRING: So steht das hier, und ich habe sofort damals dagegen Einspruch erhoben, daß das nicht richtig ist. Aus dem ganzen Zusammenhang dieser Aktennotiz 19/21 findet diese Stelle überhaupt keinen Zusammenhang. Darüber hinaus ist auch der Ausdruck: »Am Fallschirm hängende Soldaten« vollkommen irreführend und nicht geläufig. Ich habe mir das lange überlegt, wie dieses überhaupt in die Notiz, die ich nie gesehen habe und die zusammenfassend über zwei Tage angefertigt wurde, hineingekommen sein kann und finde daraus nur die Erklärung, daß ich darauf hinwies, wie sich das aus dem anderen Beweismaterial ergibt, daß um diese Zeit der Führer in dieser Richtung Anweisung gegeben hat, und daß es sich hier unter allen Umständen um einen Irrtum handeln muß, nicht dergestalt, daß der Reichsmarschall dem Führer vorschlagen wolle, sondern daß ich angedeutet haben könnte, daß der Führer eine derartige Absicht hat. Darüber müßte aber der Ausfertiger dieser Aktennotiz gefragt werden. Es befindet sich kein anderer Punkt in dieser ganzen Aktennotiz, der darauf Bezug nimmt. Schon der nächste sagt etwas total anderes. Während sonst die ganze Sache im Zusammenhang steht, platzt dieser Punkt aus dem Zusammenhang heraus.

JUSTICE JACKSON: Von all den Notizen über die zwei Tage scheint Ihnen nur dieser eine Punkt falsch zu sein?

Jetzt will ich Ihnen Dokument 731-PS zeigen lassen.


[Das Schriftstück wird dem Zeugen übergehen.]


Der Besprechung, über die ich gerade die Aktennotiz verlesen habe, folgte eine Woche später der Befehl, 731-PS, das Memorandum, 731-PS, worin folgendes steht:

»Der Führer hat über Maßnahmen gegenüber englisch-amerikanischen Flugzeugbesatzungen in Sonderfällen entschieden:

Abgeschossene feindliche Flieger sind ohne Standgericht zu erschießen, in folgenden Fällen:...«


VORSITZENDER: Herr Jackson! Sollten Sie nicht einen Abschnitt verlesen, der vier Zeilen vorher, nach dem »Bericht des Reichsmarschalls«, steht?

[630] JUSTICE JACKSON: Ich hatte es nicht im Sinn, aber vielleicht sollte es für das Protokoll vollständig verlesen werden:

»Chef WFSt.

Bitte Befehlsentwurf anordnen!

W.« (Abzeichnung Warlimont) »K.« (Abzeichnung Keitel, Bleistiftvermerk Keitels.)

»Muß auch an den RfSS gehen.« (Bleistiftnotiz Jodls.) »(Gen. Korten teilt nach Vortrag des Reichsmarschalls mit:)« (Bleistiftnotiz Keitels.)

»Notiz:

Der Führer hat über Maßnahmen gegenüber englisch-amerikanischen Flugzeugbesatzungen in Sonderfällen entschieden:

Abgeschossene feindliche Flieger sind ohne Standgericht zu erschießen, in folgenden Fällen:

1. Bei Beschuß von am Fallschirm hängenden eigenen (deutschen) Flugzeugbesatzungen;

2. Bei Bordwaffenangriffen auf notgelandete deutsche Flugzeuge, in deren unmittelbarer Nähe sich Angehörige der Besatzungen befinden;

3. Bei Angriffen auf Eisenbahnzüge des öffentlichen Verkehrs;

4. Bei Bordwaffen-Tiefangriffen auf einzelne Zivilpersonen (Bauern, Arbeiter, Einzelfahrzeuge und so weiter).«

Nun ist da eine Korrektur eingefügt:

»Bei Bordwaffen-Tiefangriffen auf einzelne Zivilpersonen, zivile Einzelfahrzeuge und so weiter.«

Nicht wahr?

GÖRING: Bei mir: bei »Bordwaffen-Tiefangriff auf einzelne« ist »einzelne« ausgestrichen, und es stehen zwei Worte, die ich nicht lesen kann, darüber.

Vor »Einzelfahrzeuge« ist das Wort »zivile« gesetzt, und zu Punkt 2 steht:

»Das halte ich für bedenklich, denn die Zerstörung eines notgelandeten Flugzeuges kann man nicht als ›Gangstermethode‹ bezeichnen, sondern entspricht durchaus dem strengsten Maßstab einer gesitteten Kriegsführung.«

Es handelt sich hier um den gesamten Komplex, der in diesen Tagen spielte oder in diesen Wochen, und von dem neulich schon auch der Zeuge Brauchitsch berichtet hat.

JUSTICE JACKSON: Und diese Bemerkung über die Notlandung ist mit dem Buchstaben J. unterzeichnet, der Jodl bedeutet?

[631] GÖRING: Sicherlich.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, das ist alles, was ich zu fragen beabsichtigte.

Es sind eine Reihe von Dokumenten vorhanden, die in diesem Zusammenhang vorgelegt werden sollten, und ich glaube, es wäre vielleicht am besten, sie heute Abend listenmäßig zusammenzustellen und morgen früh vorzulegen.


VORSITZENDER: Ja, Herr Jackson! Sie können sie dann alle vorlegen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Ihnen zuerst über die Angelegenheit der aus Stalag Luft III entkommenen englischen Fliegeroffiziere Fragen stellen. Erinnern Sie sich daran, in Ihrer Aussage erklärt zu haben, daß Sie von diesem Zwischenfall sehr genaue und eingehende Kenntnis hatten? Können Sie sich erinnern, daß Sie das gesagt haben?


GÖRING: Nein, daß ich genau Kenntnis bekommen habe, nicht, daß ich hatte, sondern bekommen habe.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann will ich Ihre eigenen Worte zitieren, wie sie niedergeschrieben wurden:

»Ich kenne diesen Vorfall ganz genau bis ins einzelnste. Er wurde mir aber unglücklicherweise erst später unterbreitet.« Das haben Sie vor einigen Tagen doch gesagt. Stimmt das?

GÖRING: Ja, so meinte ich das, daß ich den Vorfall genau kenne, aber ihn erst zwei Tage später erfahren habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben dem Gerichtshof erklärt, daß Sie damals auf Urlaub waren, gegen Ende März 1944. Stimmt das?


GÖRING: Jawohl, ich habe mich, soweit ich mich genau erinnern kann, habe ich mich den März über auf Urlaub befunden, bis wenige Tage vor Ostern.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagten, »wie ich beweisen kann«. Ich möchte, daß Sie dem Gerichtshof das Datum Ihres Urlaubes nennen.


GÖRING: Ich sage noch einmal, daß der ganze März nach meiner bestimmten Erinnerung dazu gehört, und als Beweis wollte ich die Personen anführen, die mit mir während dieses Urlaubs zusammen waren.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte wissen, wo Sie Ihren Urlaub verbrachten.


GÖRING: Hier, in der Nähe von Nürnberg.


[632] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren also telephonisch vom Luftfahrtministerium oder von Breslau aus leicht zu erreichen, wenn man Sie gewünscht hätte?


GÖRING: Wenn man mich gewünscht hätte, wäre ich telephonisch zu erreichen gewesen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt bitte ich Sie, mir bei ein oder zwei anderen Daten, die Sie erwähnt haben, behilflich zu sein. Sie sagen: »Ich habe ein oder zwei Tage später von dieser Flucht gehört.« Verstehen Sie mich richtig, Zeuge, ich befrage Sie im Augenblick über die Flucht und nicht über das Erschießen. Ich möchte das ganz klarstellen.


GÖRING: Das ist mir klar.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollten Sie damit sagen, daß Sie über die Flucht selbst ein oder zwei Tage nach ihrer Ausführung hörten?


GÖRING: Ja.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie davon durch Ihre Adjutantur oder durch Ihren Stabschef gehört?


GÖRING: Ich habe diese Sachen immer durch meinen Adjutanten gehört. Es waren ja mehrere Ausbrüche vorausgegangen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Richtig. Es gab eine Reihe von Ausbrüchen aus diesem Lager.


GÖRING: Ob aus diesem Lager, kann ich nicht genau sagen. Es waren kurz vorher mehrere Großausbrüche gewesen, die ich immer nur auf dem Wege über die Adjutantur gehört habe.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und jetzt wünsche ich, daß Sie dem Gerichtshof ein anderes Datum nennen. Sie sagen, bei Ihrer Rückkehr vom Urlaub habe Ihr Stabschef Ihnen eine Mitteilung gemacht. Wer war Ihr Stabschef?


GÖRING: General Korten war damals Stabschef.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie uns sagen, an welchem Tag er diese Mitteilung gemacht hat?


GÖRING: Nein, das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Über diesen Vorfall habe ich mit dem Chef meines Stabes, glaube ich, später gesprochen, wie ich ihn schon von anderer Seite gehört habe.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wer hat Ihnen zuerst davon berichtet? Hat Ihnen Ihr Stabschef über die Erschießungen berichtet? Sind Sie der Meinung, daß Ihnen ein anderer über die Erschießung berichtet hat?


GÖRING: Das kann ich jetzt nicht genau sagen, ob ich die Erschießung vom Chef des Stabes oder von anderer Seite erfahren [633] habe. Aber jedenfalls habe ich dann mit dem Chef des Stabes darüber gesprochen, über diese Tatsache.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wann haben Sie darüber mit Ihrem Stabschef gesprochen?


GÖRING: Das kann ich Ihnen aus dem Gedächtnis auf den Tag und das Datum nicht sagen, aber es muß um die Osterzeit gewesen sein.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das wäre ungefähr Ende März gewesen, nicht wahr?


GÖRING: Nein, es kann auch Anfang April gewesen sein, die erste Hälfte April.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann hatten Sie eine Unterredung mit Himmler, wie Sie ausgesagt haben?


GÖRING: Mit Himmler habe ich darüber gesprochen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie das genau festlegen?


GÖRING: Auf den Tag kann ich das natürlich nicht festsetzen. Ich habe Himmler gesehen und bei der ersten Gelegenheit, nachdem ich von dem Vorfall erfahren hatte, ihn darauf angesprochen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können also das Datum Ihrer Rückkehr vom Urlaub, oder der Besprechung mit Ihrem Stabschef, nicht genau festlegen, auch nicht irgendein anderes Datum oder Ostern?


GÖRING: Das ist ohne jede Unterlage heute für mich, auf den Tag, wie gesagt, unmöglich. Ich kann Ihnen nur den ungefähren Zeitabschnitt nennen, und das habe ich getan.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben vor ein paar Tagen die Erklärung abgegeben, Sie könnten beweisen, wann Sie auf Urlaub waren. Soll ich jetzt annehmen, daß Sie sich nicht der Mühe unterzogen haben, Ihr Urlaubsdatum nachzuprüfen?


GÖRING: Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß ich im März auf Urlaub war. Ob ich nun am 26. oder 28. oder 29. März zurückgekommen bin, das kann ich Ihnen nicht sagen und dazu müßte man zum Beweise meine Begleitung fragen, die vielleicht dieses Datum genauer fixieren könnte. Ich weiß nur die Tatsache, daß ich im März dort war.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zeuge, wäre es Ihnen gegenüber nicht fair, das letzte der von Ihnen genannten Daten, den 29. März, als Ausgangspunkt zu nehmen?


GÖRING: Wir würden zweckmäßiger davon ausgehen, daß Sie mir sagen würden – ich habe das nicht im Kopf –, wann Ostern in diesem Jahr gewesen ist, dann kann ich leichter ungefähr auf dieses [634] Datum kommen, da ich weiß, daß ich einige Tage vor Ostern nach Berchtesgaden zurück bin, um das Fest mit meiner Familie zu begehen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie fuhren einige Tage vor Ostern nach Berchtesgaden zurück?


GÖRING: Ja.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie kamen also einige Tage vorher vom Urlaub zurück. Sie kamen von Ihrem Märzurlaub zurück, bevor Sie nach Berchtesgaden gingen?


GÖRING: Berchtesgaden war damals gleichzeitig das Hauptquartier vom Führer. Ich kam also vom Urlaub nach Berchtesgaden, und damit endete mein Urlaub, weil ich mich wieder in die Geschäfte einschaltete. Die Rückkehr, also nach Berchtesgaden, müssen Sie gleichsetzen mit der Beendigung meines Urlaubes.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich kann Ihnen nicht so ohne weiteres das Osterdatum nennen. Aber ich erinnere mich zufällig, daß Pfingsten am 28. Mai war. Ostern wäre demnach frühzeitig, ungefähr am 5. April, gewesen. Ihr Urlaub wäre daher ungefähr Ende März, vielleicht am 26. oder 29. März zu Ende gegangen. Das stimmt, nicht wahr? Nun, die Erschießungen dieser Offiziere fanden in der Zeit vom 25. März bis zum 13. April statt. Wissen Sie das?


GÖRING: Das weiß ich nicht so exakt.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können mir das glauben; denn über diese Erschießung liegt ein offizieller Bericht vor, und ich will Ihnen gegenüber durchaus fair sein. Nur 49 dieser Offiziere wurden an diesen Daten erschossen, so weit wir feststellen können, am 6. April, und einer am 13. April oder später. Die kritische Periode aber ist Ende März, und wir dürfen annehmen, daß Sie ungefähr am 29. März von Ihrem Urlaub zurück waren.

Jetzt möchte ich gerne, daß Sie dem Gerichtshof bestätigen, daß dies eine sehr wichtige Angelegenheit war. Es wurde als ein sehr wichtiges Vorkommnis angesehen?


GÖRING: Eine außerordentlich wichtige Angelegenheit.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: General Milch, ich bitte um Verzeihung, Feldmarschall Milch hat die Erklärung abgegeben, daß es eine Angelegenheit war, die das Interesse höchster Stellen beanspruche, und Sie sagten meines Wissens, Sie wüßten, daß diese Offiziere auf Grund einer Entscheidung von Hitler erschossen werden sollten. Stimmt das?


GÖRING: Die Frage ist hier nicht klar durchgekommen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es war Hitlers Entscheidung, daß diese Offiziere erschossen werden sollten?


[635] GÖRING: Das ist richtig; das habe ich als solches später erfahren, daß es sein Befehl war.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt möchte ich, daß Sie sich noch an etwas anderes erinnern. Nachdem dieser Vorfall bekannt geworden war, hat der britische Außenminister Eden sofort erklärt, England werde diese Mörder zur Rechenschaft ziehen. Erinnern Sie sich daran?


GÖRING: An die Unterredung oder an die Unterhausansprache von Mr. Eden kann ich mich nicht erinnern. Ich kenne selbst den Inhalt nicht, bis heute nicht. Ich habe nur gehört, daß er im Parlament über diesen Vorfall gesprochen hat.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt sagen Sie bitte dem Gerichtshof, wer die daran beteiligten Personen in Ihrem Ministerium waren. Ich werde sie Ihnen nennen, es wird die Sache abkürzen, und, wenn Sie nicht einverstanden sind, dann können Sie mich verbessern.

Der Kommandant von Stalag Luft III war Oberst von Lindeiner aus Ihrem Amte. Stimmt das?


GÖRING: Das ist durchaus möglich. Im einzelnen kannte ich die Kommandanten ja nicht. Gegen diesen ist ein Kriegsgericht eingesetzt worden und zwar, weil der Ausbruch möglich war. Er hatte aber nichts mit den Erschießungen zu tun.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, aber er war der Kommandant des Lagers, und Sie hatten wahrscheinlich das Verfahren vor dem Zentralluftwaffengericht, das ihn wegen Pflichtvernachlässigung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt hat, zu prüfen und zu bestätigen. Das wurde Ihnen doch vorgelegt, nicht wahr? Wurde es Ihnen nicht zur Prüfung unterbreitet?


GÖRING: Nein, erst bei höheren Strafen. Ein Jahr Gefängnis wurde mir nicht vorgelegt, aber ich weiß und möchte das bestätigen, daß ein Gerichtsverfahren wegen Vernachlässigung seiner Pflichten bei dem Ausbruch durchgeführt worden ist.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Im Mai 1943 ist die Inspektion 17 zwischen der Luftwaffe und der Abteilung des OKW für Kriegsgefangenenwesen eingeschaltet worden. Erinnern Sie sich daran?


GÖRING: Die Einzelheiten darüber kenne ich nicht über Inspektionen und inwieweit es das Kriegsgefangenenwesen OKW betrifft, und wie es sonst war.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Sie nur an Ihre eigenen Offiziere erinnern. Sie wissen, Zeuge, daß Ihre eigenen Offiziere in diese Angelegenheit verwickelt waren. Ich will Sie nur daran erinnern, wer beteiligt war. Der Leiter der Inspektion 17 war Generalmajor Grosch von der Luftwaffe, stimmt das?


[636] GÖRING: Generalmajor Grosch ist von der Luftwaffe.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben vor dem Gerichtshof vor einigen Tagen ausgesagt, ich zitiere Ihre eigenen Worte, daß Sie den Vorfall auf Grund von Informationen genauestens kannten. Sie sagen jetzt, daß Sie nicht wissen, daß Generalmajor Grosch Leiter der Inspektion 17 der Luftwaffe war?


GÖRING: Das hat ja damit gar nichts zu tun. Ich habe dem Gerichtshof gesagt, daß ich den Vorfall über die Erschießung der Flieger nachher ganz genau erfahren habe, aber das hat ja mit dem General Grosch und seinem Inspektorat nichts zu tun, denn dieser war ja bei der Erschießung nicht beteiligt.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde Ihnen diese Verbindung in einer Minute klar machen, wenn Sie nur meine Fragen beantworten wollen.

War Oberst Walde Grosch direkt unterstellt? Können Sie sich daran erinnern?


GÖRING: Die Einzelheiten der Organisation der Gefangeneninspektion und ihrer Führer, und wie sie besetzt waren, kenne ich nicht. Jedenfalls nicht auswendig. Ich möchte noch einmal betonen, daß hier keine Verwechslung eintritt, als ich sagte, ich kenne die Sache genau, so meine ich damit, daß ich die Tatsache, wie der Befehl zustande gekommen ist, und daß die Leute erschossen worden sind, daß ich das genau erfahren habe, aber die Zusammenhänge meine ich damit nicht, mit den einzelnen Inspektionen, Fluchtmöglichkeiten und so weiter.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hatte General Grosch, als Chef der Inspektion 17, an General Förster, den Leiter der Operationsabteilung im Luftfahrtministerium, Bericht zu erstatten?


GÖRING: Das kann ich Ihnen, ohne daß ich das Diagramm der Unterstellung hier habe, nicht sagen. General Förster war zu dieser Zeit, glaube ich, Chef der Luftwehr, oder eine ähnliche Bezeichnung, im Ministerium. Ich habe mich an sich um diese Dinge weniger gekümmert, weil sie nicht unmittelbar taktischer, strategischer oder rüstungsmäßiger Art waren. Aber es ist durchaus möglich und sicher, daß er ministeriell dieser Abteilung unterstand.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Kurz gesagt, wenn Sie es nicht wissen, dann lasse ich es für den Augenblick.

Wußten Sie, daß Generalmajor von Graevenitz Chef der Abteilung für Kriegsgefangenenwesen des Angeklagten Keitel war?


GÖRING: General Graevenitz, seinen Namen habe ich erst hier erfahren, denn diese Abteilung hatte ja keine direkte Berührung mit mir. Ich kann ja nicht alle militärischen Unterführer in ihren hunderten und tausenden Abteilungen kennen.


[637] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich nehme also an, daß Sie auch Oberst, jetzt General Westhoff in der von Graevenitz geleiteten Abteilung nicht kannten.


GÖRING: Westhoff habe ich überhaupt nicht gesehen. Er gehörte auch nicht der Luftwaffe an.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich behaupte nicht, daß von Graevenitz und Westhoff der Luftwaffe angehört haben; ich wollte nur klarstellen, daß sie meiner Ansicht nach zur Organisation des General Keitel gehörten.


GÖRING: Ich kannte sie beide nicht und kannte auch ihre Dienststellung nicht.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Sie noch immer einen bedeutenden Einfluß im Reich, stimmt das?


GÖRING: Zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Es handelt sich um den Zeitpunkt 1944; durchaus nicht mehr.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aber Sie waren noch immer Chef der Luftwaffe und des Luftfahrtministeriums, nicht wahr?


GÖRING: Das war ich.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und als Chef der Luftwaffe und des Luftfahrtministeriums waren Sie doch für sechs Kriegsgefangenenlager für die gesamte Kriegszeit bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlich? Stimmt das?


GÖRING: Wieviel Kriegsgefangenenlager es waren, weiß ich nicht. Aber für die meinem Ministerium unterstellten trage ich selbstverständlich die Verantwortung.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Für die von der Luftwaffe?


GÖRING: Ja, die der Luftwaffe unterstanden.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten von den allgemeinen Plänen über die Behandlung von Kriegsgefangenen, die als Aktion »Kugel« hier vorgelegt wurde, nicht wahr?


GÖRING: Nein, von dieser Aktion wußte ich nichts, sie ist mir nicht mitgeteilt worden.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wurden niemals über die Aktion »Kugel« unterrichtet?


GÖRING: Von der Aktion »Kugel« habe ich erst hier gehört, das Dokument zum erstenmal gesehen und auch den Ausdruck gehört; es hat mir auch niemals ein einziger Offizier aus der Luftwaffe gemeldet, und ich glaube das auch nicht, daß ein einziger Offizier aus den Luftwaffenlagern abtransportiert worden ist in dieser Richtung. Jedenfalls ist die Meldung niemals an mich gemacht worden.


[638] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen doch, was die Aktion »Kugel« war: Entkommene Offiziere und Unteroffiziere, die nicht Engländer und Amerikaner waren, sollten der Polizei übergeben und nach Mauthausen gebracht werden. Dort wurden sie durch eine Vorrichtung, bestehend aus einem Gestell zur Messung der Körpergröße, in das eine Schußwaffe versteckt eingebaut war, erschossen, während sie noch im Glauben an die Verteilung ihrer Gefangenenkleidung gehalten wurden.

Sie wissen doch, was die Aktion »Kugel« ist, nicht wahr?


GÖRING: Das habe ich hier gehört.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, Sie hätten nicht gewußt, daß entkommene Kriegsgefangene, die von der Polizei wieder gefangen worden waren, bei ihr zurückgehalten und dann nach Mauthausen gebracht wurden?


GÖRING: Nein, das habe ich nicht gewußt. Ich hatte hingegen soundso oft Ausbrüche aus meinen Lagern, die durch die Polizei wieder gefangen wurden, sie sind alle in die Lager zurückgebracht worden, und dieser vorhin war der erste Fall, wo das zum Teil nicht geschah.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: War Ihnen nicht bekannt, daß Oberst Walde als stellvertretender Chef der Inspektion Ihres Ministeriums einen Monat vorher, im Februar 1944, einen schriftlichen Befehl erlassen hatte, nach dem alle von der Luftwaffe wiederaufgegriffenen Kriegsgefangenen in ihre Lager zurückgebracht werden sollten, und nach dem die von der Polizei aufgegriffenen Kriegsgefangenen von dieser festzuhalten seien und nicht mehr dem Schutze der Luftwaffe unterstehen sollten. Wußten Sie das nicht?


GÖRING: Nein, ich bitte dann diesen Oberst vorzuladen, ob er mir jemals darüber eine Meldung gemacht hat, oder an mich einen solchen Schriftwechsel richtete.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich kann natürlich nicht sagen, ob Ihr Ministerium gut geführt wurde oder nicht. Aber er hat diesen Befehl sicher erlassen, denn er gibt dies selbst zu.


GÖRING: Dann muß er ja sagen, von wem er diesen Befehl bekommen hat.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er sagt, er habe diesen Befehl erteilt, und Sie wissen genau so gut wie ich, daß man mit Kriegsgefangenen sorgfältig umgehen muß, weil eine Schutzmacht alle Beschwerden untersuchen kann. Sie haben die Konvention doch niemals gekündigt, und Sie haben während des ganzen Krieges die Vorteile beansprucht, die das Bestehen einer Schutzmacht Ihnen in diesen Angelegenheiten gewährt hat. Stimmt das?

[639] GÖRING: Das ist richtig, aber ich erlaubte mir zu fragen, wer ihm den Befehl gegeben hat, ob er ihn von mir bekommen hat.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er wird den Befehl wohl nicht von Ihnen direkt bekommen haben. Ich glaube nicht, daß Sie ihn jemals kennengelernt haben. Er wird ihn wohl von Generalmajor Grosch bekommen haben, nicht wahr?


GÖRING: Dann möchte Grosch sagen, ob er einen solchen Befehl von mir bekommen hat. Ich habe einen solchen Befehl nicht gegeben.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie behaupten, Sie hätten niemals gehört – und dies dreieinhalb Jahre nach Kriegsbeginn –, daß ausgebrochene Kriegsgefangene der Polizei übergeben werden mußten. Sie wollen, daß der Gerichtshof Ihnen das glaubt?


GÖRING: Soweit ausgebrochene Kriegsgefangene irgendwelche Vergehen oder Verbrechen begangen halben, wurden sie selbstverständlich der Polizei übergeben, glaube ich; aber, daß sie nur wegen ihres Ausbruchsversuches und nur wegen ihres Fluchtversuches der Polizei oder einem Konzentrationslager zugeführt wurden, oder ein solcher Befehl gegeben wurde, das will ich allerdings hier vor dem Gericht bestätigen, daß ich das weder gewußt, noch einen solchen Befehl gegeben habe.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun meine letzte Frage: Ich möchte unbedingt klarstellen, Zeuge, daß ich die ausgebrochenen und von der Polizei wieder aufgegriffenen Kriegsgefangenen im Auge habe. Wußten Sie nicht, daß diese der Polizei übergeben wurden?


GÖRING: Nein, nur wenn sie Verbrechen begangen hatten auf der Flucht, Mord oder sonstiges, das kam ja auch vor.


[Das Gericht vertagt sich bis

21. März 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 9, S. 598-641.
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