Vormittagssitzung.

[446] [Der Zeuge von Ribbentrop betritt den Zeugenstand.]


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft werden bemerkt haben, daß ich mich mit der Frage der Juden nicht beschäftigt habe. Damit wird sich jetzt mein gelehrter Freund, Herr Faure von der Französischen Anklagevertretung, befassen.

DR. KAUFFMANN: Herr Präsident! Gestatten Sie mir einige Worte zu einer wichtigen Frage: Es wurde hier gestern eine Karte besprochen, die Karte, die hier im Gerichtssaal zu sehen ist. Aus dieser Karte folgert die Anklagevertretung, daß über Deutschland sehr viele Konzentrationslager verteilt gewesen sind. Von den Angeklagten wird das auf das energischste bestritten. Bei der Behandlung meines Falles, des Angeklagten Kaltenbrunner, hoffe ich den Beweis zu führen, daß nur ganz wenige dieser roten Punkte auf dieser Karte zutreffen. Ich möchte es jetzt schon sagen, damit nicht in der darauffolgenden Verteidigung wieder der Eindruck mitgeschleppt wird, die Karte sei richtig.


VORSITZENDER: Dr. Kauffmann! Das ist aber nur eine Reproduktion dessen, was bereits als Beweismaterial vorgelegt ist.


DR. KAUFFMANN: Ja, es wird mir aber wohl freistehen, den Beweis zu führen.


VORSITZENDER: Natürlich steht Ihnen das frei, aber es ist nicht notwendig, daß Sie sich jetzt darüber äußern. Die Tatsache, daß das Beweismaterial zu einem früheren Zeitpunkt von der Anklagevertretung vorgelegt wurde, gewährt Ihnen natürlich die Möglichkeit, darauf zu antworten, aber nicht gerade in diesem Augenblick.


M. FAURE: Angeklagter! Als Außenminister waren Sie doch der Chef des diplomatischen Personals. Ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Jawohl.


M. FAURE: Dieses Personal ist Ihren Anordnungen gefolgt, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Jawohl.


M. FAURE: Sie haben gestern erklärt, daß Sie für die Handlungen Ihrer Untergebenen verantwortlich waren.

VON RIBBENTROP: Jawohl.


[446] M. FAURE: Wollen Sie mir sagen, ob Dr. Best, Generalbevollmächtigter für Dänemark, von Ihrem Ministerium abhängig war?


VON RIBBENTROP: Jawohl.


M. FAURE: Dr. Best berichtete Ihnen, daß Hitler den Auftrag gegeben hätte, Dänen im Falle von Sabotageakten zu ermorden?


VON RIBBENTROP: Bitte nochmals die Frage zu stellen.


M. FAURE: Nach den Dokumenten, die hier dem Gerichtshof vorgelegt wurden, hat Dr. Best Sie am 30. Dezember 1943 aufgesucht und Ihnen berichtet, daß Hitler einen Befehl gegeben hatte, Dänen im Falle von Sabotageakten in Dänemark zu ermorden. Ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Jawohl, das sollte gegen Saboteure gemacht werden, Hitler hatte das befohlen.


M. FAURE: Der Befehl lautete, wie sich Dr. Best in diesem Dokument ausdrückt, »Personen, ob sie nun Terroristen sind oder nicht, ohne gerichtliches Verfahren hinzurichten«. Muß das nicht als Mord bezeichnet werden?


VON RIBBENTROP: Ich habe von Anfang an und ebenfalls Dr. Best sehr scharf gegen diese Maßnahmen Stellung genommen. Es ging soweit...


M. FAURE: Angeklagter! Ich habe nicht zu sagen versucht, daß Sie über diese Tatsache erfreut waren. Ich frage Sie nur, ob Sie darüber unterrichtet waren. Stimmt das?


VON RIBBENTROP: Jawohl, der Führer wollte das. Einzelheiten weiß ich nicht.


M. FAURE: Aber ich frage Sie nicht um Einzelheiten.


VON RIBBENTROP: Und was nachher angeordnet worden ist, weiß ich nicht, weil das nicht über uns, sondern über eine andere Stelle, soviel ich weiß, gelaufen ist.


M. FAURE: Ich stelle fest, daß Sie über den an diesem Tage erteilten Befehl des Führers, Morde zu begehen, tatsächlich unterrichtet waren. Sie betrachteten es also als normal, einer Regierung anzugehören, deren Chef ein Mörder war.


VON RIBBENTROP: Nein, das gerade Gegenteil ist hier der Fall, gerade das Gegenteil...


M. FAURE: Gut, gut, ich bitte Sie kurz und einfach zu antworten.


VON RIBBENTROP:... sondern ich habe ihm gesagt, ich habe Stellung genommen und war gegenteiliger Ansicht. Der Führer war sehr unzufrieden mit Dr. Best und hat die Angelegenheit durch andere Stellen behandeln lassen, weil Dr. Best dagegen war und ich ebenfalls...


[447] M. FAURE: Ich ersuche Sie, nur meine Fragen kurz zu beantworten. Sie können Einzelheiten später durch Ihren Verteidiger vorbringen.

Um auf Dänemark zurückzukommen: In diesem Lande wurden Aktionen gegen die Juden mit dem Ziel der Deportation unternommen. Hatten Sie damit etwas zu tun?


VON RIBBENTROP: Über die Judensache in Dänemark kann ich nichts sagen, da weiß ich nichts.


M. FAURE: Haben Sie nie etwas darüber gehört?


VON RIBBENTROP: Ich entsinne mich, daß ich mit Best darüber sprach, daß diese Frage in Dänemark keine Bedeutung hatte, daher wollte er in der Judenfrage nichts Besonderes unternehmen, und ich hatte mich damit einverstanden erklärt.


M. FAURE: Ich bitte jetzt darum, daß Ihnen das Dokument 2375-PS vorgelegt wird.

Dieses Dokument ist dem Gerichtshof noch nicht vorgelegt worden. Ich möchte dies unter RF-1503 tun. Ich möchte nun mit Ihnen den zweiten Absatz dieses Dokuments lesen. Es ist eine eidesstattliche Erklärung von Mildner, eines Polizeiobersten in Dänemark.

»Als Befehlshaber war ich dem Reichsbevollmächtigten Dr. Best unterstellt. Da ich die Verfolgung der Juden ablehnte, innerlich und aus praktischen Erwägungen, fragte ich Dr. Best nach dem Grund der befohlenen Maßnahmen.

Dr. Best erklärte mir: Reichsaußenminister Ribbentrop kannte natürlich die Absicht Hitlers, die Juden in Europa zu vernichten. Er hatte Hitler über das Judenproblem in Dänemark Vortrag gehalten und den Antrag gestellt, die Juden aus Dänemark zu entfernen.

Dr. Best sagte mir ferner, daß Ribbentrop Angst hatte, zur Verantwortung gezogen zu werden, falls die Juden in Dänemark verblieben.

Er, Dr. Best, wäre nun gezwungen, die von Ribbentrop beim Führer beantragten Maßnahmen durchzuführen.

Aus dem Gespräch mit Dr. Best konnte ich entnehmen, daß er mit Ribbentrop entweder mündlich oder fernmündlich gesprochen haben mußte.«

Sie haben das mitgelesen. Nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Das ist vollkommen Phantasie, was hier steht, das trifft nicht zu.

M. FAURE: Gut. Ich bitte dann, daß man Ihnen das Dokument 3688-PS vorlegt, das ich als RF-1502 unterbreite. Es ist eine Weisung [448] vom 24. September 1942, die von Luther unterzeichnet und an seine Mitarbeiter gerichtet ist. Ich möchte mit Ihnen die ersten zwei Paragraphen dieses Dokuments lesen:

»Der Herr RAM hat mir heute telephonisch die Weisung erteilt, die Evakuierung der Juden aus den verschiedenen Ländern Europas möglichst zu beschleunigen, da feststeht, daß die Juden überall gegen uns hetzen und für Sabotageakte und Attentate verantwortlich gemacht werden müssen. Nach einem kurzen Vortrag über die im Gange befindliche Judenevakuierung aus der Slowakei, Kroatien, Rumänien und den besetzten Gebieten hat der RAM angeordnet, daß wir nunmehr an die bulgarische, die ungarische und die dänische Regierung mit dem Ziel, die Judenevakuierung aus diesen Ländern in Gang zu setzen, herantreten sollen.«

Ich stelle fest, daß dieses zweite Dokument das erste bestätigt insoweit, als es Ihre Teilnahme an der Deportation der Juden aus Dänemark angeht. Sind Sie einverstanden?

VON RIBBENTROP: Der Führer hat damals den Plan gehabt, die Juden aus Europa entweder nach Nordafrika – es war auch von Madagaskar die Rede – zu evakuieren. Er hatte mir Befehl gegeben, an verschiedene Regierungen heranzutreten und nach Möglichkeit die Auswanderung der Juden herbeizuführen, und die Juden aus maßgebenden Regierungsstellen zu entfernen. Eine solche Weisung ist von mir damals an das Auswärtige Amt ergangen und es ist in meiner Erinnerung ein paarmal an verschiedene Regierungen herangetreten worden, es handelte sich um die Auswanderung der Juden nach einem Teil von Nordafrika, der vorgesehen war. Das ist richtig. Darf ich noch einmal auf dieses Affidavit zurückkommen? Diese eidesstattliche Erklärung, das ist pure Phantasie und war absolut nicht zutreffend von dem Oberst Mildner.

M. FAURE: Aber Sie geben jedenfalls zu...


VON RIBBENTROP: Dr. Best hat einmal mit mir über die Juden gesprochen, und er sagte, daß die Frage in Dänemark von keiner besonderen Bedeutung sei, weil es nicht mehr viel Juden gäbe, und ich habe ihm erklärt, daß er die Dinge dort auf sich beruhen lassen soll. Das ist die Wahrheit.


M. FAURE: Sie geben dennoch zu, daß dieses Dokument von Luther echt ist, und daß Sie den Befehl gegeben haben, die Juden aus Dänemark zu evakuieren. So steht es im Brief.


VON RIBBENTROP: Nein, in Dänemark nicht, ich kenne auch dieses Dokument von Luther nicht, ich sehe das zum ersten Male hier.


M. FAURE: Bitte, beantworten Sie nur meine Fragen, sonst verlieren wir zuviel Zeit. Sie sind der Meinung, daß beide Dokumente unrichtig sind. So haben Sie gesagt. Gut, gehen wir weiter.

[449] Die Deutsche Botschaft in Paris...


VON RIBBENTROP: Nein, das habe ich nicht gesagt. Es stimmt nicht. Ich habe gesagt, ich kenne das Dokument Luthers nicht, aber es ist wahr, daß der Führer mir Weisungen gab, dem Auswärtigen Amt zu sagen, sie mögen an verschiedene Regierungen herantreten, die Judenfrage in dem Sinne zu lösen, daß die Juden aus den Regierungsstellen herauskommen und daß nach Möglichkeit eine Auswanderung der Juden begünstigt werden soll.


M. FAURE: Die Deutsche Botschaft in Paris stand unter Ihrer Leitung. Ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Die Deutsche Botschaft in Paris, das heißt der Botschafter bei der Vichy-Regierung hat von mir selbstverständlich seine Weisungen bekommen.


M. FAURE: Man hat im Gerichtshof das französische Dokument RF-1061, mit dem Sie die Aufgaben des Botschafters Abetz umrissen haben, bereits verlesen. Es ist Dokument 3614-PS. Ich erinnere Sie daran, daß Sie in diesem Dokument, welches Sie hier schon zweimal gehört haben, dem Botschafter Abetz den Auftrag erteilten, alle privaten und öffentlichen Schätze in Sicherheit zu bringen, insbesondere diejenigen, die den Juden gehörten. Abetz hat diesen Auftrag ausgeführt, indem er Kunstsammlungen in Frankreich geplündert hat.


VON RIBBENTROP: Es ist nicht wahr.


M. FAURE: Ich möchte, daß Ihnen das Dokument 3766-PS gezeigt wird, das noch nicht vorgelegt wurde, und das ich nunmehr als RF-1505 vorlege. Ich möchte mit Ihnen nur einige Zeilen des Dokuments durchgehen. Es ist ein Bericht der Militärverwaltung, der in 700 Exemplaren verteilt wurde. Er ist betitelt: »Bericht über die Wegnahme französischer Kunstschätze durch die Deutsche Botschaft und den Einsatzstab Rosenberg in Frankreich.« Wenn Sie sich die Seite 3 ansehen, werden Sie bemerken, daß der Titel sehr bedeutungsvoll ist. »Deutsche Botschaft. Versuch einer Entnahme von Louvregemälden.« Seite 4, ich werde den ersten Satz von oben verlesen...


VON RIBBENTROP: Wann darf ich zu den einzelnen Punkten Stellung nehmen. Überhaupt nicht oder jetzt?


M. FAURE: Wenn ich Ihnen eine Frage stellen werde, dann werden Sie antworten. Ich lese Ihnen jetzt eine Stelle vor:

»So hat es Botschafter Abetz unter Mißachtung des von der Militärverwaltung erlassenen Verbotes unternommen, eine Reihe geflüchteter Kunstwerke des Louvre nach Deutschland zu bringen.«

Waren Sie über diese Angelegenheit unterrichtet?

[450] VON RIBBENTROP: Ich sage, daß das absolut nicht wahr sei. Nicht ein einziges Kunstwerk ist vom Botschafter Abetz dem Louvre entnommen worden. Das wäre gegen den ausdrücklichen Befehl des Führers gewesen, der das streng verboten hatte.

Darf ich erwähnen, daß mir die Französische Regierung einmal ein Kunstwerk schenken wollte, das war ein Gemälde von Boucher. Ich habe dieses Gemälde dem Louvre zurückgeschickt. Ich besitze nichts, und das Auswärtige Amt hat nie ein Stück der Kunstwerke des Louvre gesehen.


M. FAURE: Sie behaupten, daß dieser Bericht unrichtig ist?


VORSITZENDER: Was ist das für ein Bericht, den Sie ihm vorlegen?


M. FAURE: Es ist das Dokument 3766-PS.


VORSITZENDER: Ja, ich weiß, aber was ist das für ein Dokument?


M. FAURE: Das ist ein Bericht der Deutschen Militärverwaltung, der in der amerikanischen Dokumentensammlung in der PS-Serie enthalten ist. Der Gerichtshof hat ein allgemein gehaltenes Affidavit erhalten, das sich darauf bezieht.


VORSITZENDER: Beschlagnahmte Dokumente?


M. FAURE: Ja, beschlagnahmte Dokumente. Ich möchte dem Gerichtshof mitteilen, daß dieser Bericht viele andere Stellen enthält, die sich auf die Handlungen des Botschafters Abetz beziehen. Da aber der Angeklagte erklärt, daß der Bericht an der ihm verlesenen Stelle unrichtig sei, werde ich wegen Zeitersparnis nicht weiterzitieren. Außerdem...


VON RIBBENTROP: Das ist doch kein erbeutetes Dokument, kein Bericht.


M. FAURE: Ich bitte Sie, auf meine Fragen zu antworten. Wir wollen hier nicht weiter streiten. Ihr Anwalt kann Sie nachher fragen.


DR. HORN: Ich bitte die Frage stellen zu dürfen, worum es sich handelt bei den Dokumenten, die dem Angeklagten vorgelegt werden. Wenn behauptet wird, daß es ein erbeuteter Bericht ist, und dann, daß es kein erbeuteter Bericht ist, dann muß das richtiggestellt werden, und zwar hier sofort.


M. FAURE: Ich habe bereits gesagt, daß dieses Dokument der PS-Serie der erbeuteten Dokumente angehört. Der Gerichtshof hat viele solcher Dokumente, und ich glaube nicht, daß deren Glaubwürdigkeit bestritten werden kann.


[451] [Zum Zeugen gewandt:]


Ich möchte Ihnen nun folgende Frage stellen...

VORSITZENDER: Wollen Sie weitere Fragen über dieses Dokument stellen?

M. FAURE: Nein, Herr Präsident!


[Zum Zeugen gewandt:]


Außer den Kunstwerken beschäftigte sich Abetz auch mit der Behandlung der Juden im allgemeinen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Abetz hatte keinen Auftrag. Er hatte auch, soviel ich weiß, mit der Judenfrage nichts zu tun, sondern diese Frage wurde von anderen Stellen behandelt.

M. FAURE: Ist es nicht wahr, daß Abetz im Oktober 1940 sich mit Ihnen in Verbindung setzte, um die Lage der Juden deutscher oder österreichischer Herkunft, die in Frankreich lebten, zu regeln?


VON RIBBENTROP: Das weiß ich nicht, das interessierte mich nicht.


M. FAURE: Ich möchte Ihnen das Dokument EC-265 vorlegen, das ich als RF-1504 überreichen möchte. Es ist ein Telegramm von Abetz vom 1. Oktober 1940. Ich lese Ihnen nur den ersten und den letzten Satz vor:

»Lösung Judenfrage im besetzten Gebiet Frankreichs erfordert neben sonstigen Maßnahmen baldmögliche Regelung des Staatsangehörigkeitsverhältnisses reichsdeutscher, zu Kriegsbeginn hier wohnhafter Juden...«

Und der letzte Satz:

»Vorstehend angeregte Maßnahmen nur als erster Schritt zur Lösung Gesamtproblems anzusehen. Darf mir weitere Vorschläge vorbehalten.«

VON RIBBENTROP: Ja, ich bitte erst das Telegramm in Ruhe lesen zu dürfen.

VORSITZENDER: Sie lesen etwas zu schnell.


M. FAURE: Ja.


VON RIBBENTROP: Bei diesem Telegramm handelt es sich anscheinend darum, daß österreichische und reichsdeutsche Juden aus Frankreich nach Deutschland und Österreich geschafft werden sollen. Ich weiß das nicht. Ich sehe das Telegramm heute zum ersten Male und kann darüber keine Auskunft geben. Es ist wohl eine der Maßnahmen, die im laufenden Geschäftsgang im Auswärtigen Amt mitbehandelt wurden, die aber mir nicht vorgelegt worden sind, und im übrigen wurden diese Dinge ja im einzelnen behandelt von anderen Stellen und nicht von uns.


[452] M. FAURE: Wenn Sie sich die linke Seite des Telegramms ansehen, sehen Sie die Liste der Empfänger. Es waren 19, auch Sie waren darunter, unter Nummer 2, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ich möchte dem französischen Anklagevertreter hierbei sagen, daß jeden Tag 400, 500, 600 oder 800 solche Zuschriften und Telegramme in mein Büro kamen, von denen mir nur ein bis zwei Prozent vorgelegt worden sind.


M. FAURE: Außer den Juden...


VON RIBBENTROP: Ich kenne dieses Telegramm jedenfalls nicht.


M. FAURE: Außer den Juden deutscher oder österreichischer Herkunft haben sich Ihre Mitarbeiter und Untergebenen von der Botschaft auch mit der Frage der französischen Juden befaßt.

Bevor ich an Sie eine Frage stelle, möchte ich Ihnen zwei Sätze aus einem Dokument, das dem Gerichtshof als RF-1207 vorgelegt wurde, verlesen. Es ist ein Bericht von Dannecker, der mit der Lösung der Judenfrage in Frankreich beauftragt war. Dannecker schließt seinen Bericht wie folgt:

»In diesem Zusammenhang kann ich nicht sprechen, ohne der wirklich umfassenden, kameradschaftlichen Unterstützung unserer Arbeit seitens des Herrn Deutschen Botschafters Abetz, seines Vertreters, Herrn Gesandten Schleier, und des SS-Sturmbannführers Legationsrat Dr. Zeitschel zu gedenken. Dazu bemerke ich, daß die Deutsche Botschaft Paris aus freien Stücken dem Judenreferat für die Finanzierung des Antijudeninstituts größere Geldbeträge zur Verfügung gestellt hat und dies auch künftig beibehalten will.«

Aus diesem Dokument geht klar hervor, daß Abetz, Schleier und Zeitschel Hand in Hand arbeiteten.

VORSITZENDER: Herr Faure, wir wissen nicht, aus welchem Dokument Sie verlesen.

M. FAURE: Herr Präsident, dieses Dokument ist Ihnen in diesem Dokumentenbuch nicht vorgelegt worden, weil es schon vorher dem Gerichtshof überreicht wurde. Ich wollte nur zwei Sätze daraus verlesen.


VORSITZENDER: Gut.


M. FAURE: Aus diesem Dokument geht klar hervor, daß drei Herren der Deutschen Botschaft, Abetz, Schleier und Zeitschel, mit Dannecker in der Judenfrage zusammengearbeitet haben. Das geht aus dem Dokument klar hervor, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Soll ich darauf antworten, ist das eine Frage?


M. FAURE: Das ist eine Frage.


[453] VON RIBBENTROP: Auf diese Frage muß ich »natürlich« antworten. Sicherlich haben sie irgendwie in der Judenfrage in Frankreich mitgearbeitet, das ist ganz klar. Aber ich kann dazu weiter sagen, daß die Französische Anklagevertretung sicher darüber informiert ist, daß der Botschafter Abetz sowohl von mir instruiert war als auch von sich aus in dieser Frage immer in ausgleichendem Sinne gewirkt hat. Selbstverständlich war die Botschaft auf diesem Gebiet irgendwie beteiligt. Hierfür habe ich selbstverständlich die Verantwortung zu übernehmen, was meine Herren gemacht haben, und ich möchte nochmals wiederholen, daß meine Weisungen und die. Tätigkeit des Botschafters Abetz immer im entgegengesetzten Sinne liefen. Es ist ganz klar, daß bei der grundsätzlichen antisemitischen Einstellung und Politik der Deutschen Regierung diese sich auf alle Abteilungen ausstrahlte, und daß natürlich auf irgendeinem Gebiete, ich möchte sagen, jede Dienststelle irgendwie mit diesen Dingen in Berührung kam. Unsere Aufgabe im Auswärtigen Amt war, und das könnte tausendfach bewiesen werden, wenn die Akten vorgelegt werden würden, immer ausgleichend auf diesem Gebiet zu wirken.

Wir mußten oft Dinge, ich möchte sagen, in der Richtung einer antisemitischen Politik machen, aber wir haben immer versucht, diese Dinge wieder einzufangen und auszugleichen. Tatsächlich verantwortlich für irgendwelche Judenmaßnahmen in Frankreich war jedenfalls die Deutsche Botschaft nicht.


M. FAURE: Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Schriftstück, RF-1210, lenken. Es ist ein zweiter Bericht Danneckers vom 22. Februar 1942. Ich lese von Seite 3 dieses Dokuments, Seite 2 des deutschen Textes.


VON RIBBENTROP: Ich möchte gleich sagen, daß ich nicht einmal weiß, wer Dannecker ist, vielleicht können Sie mir etwas darüber sagen in dieser Angelegenheit.


M. FAURE: Ich habe Ihnen gesagt, daß Dannecker Bearbeiter für Judenfragen in Frankreich war. Im übrigen sind diese Dokumente bereits vor langer Zeit dem Gerichtshof und der Verteidigung unterbreitet worden.

Auf Seite 3 des Dokuments, im deutschen Dokument Seite 2, ist ein Absatz, betitelt »Aktionen«, aus dem ich nur einen Satz verlese:

»Bisher wurden 3 Großaktionen gegen die Pariser Judenschaft gestartet.«

Und jetzt, wenn Sie sich die letzte Seite des Dokuments ansehen wollen, im vorletzten Absatz, so lesen Sie folgendes:

»Seit Mitte 1941 findet wöchentlich einmal die sogenannte ›Dienstagbesprechung‹ statt, an der Vertreter folgender Dienststellen teilnehmen:

[454] I. Militärbefehlshaber Verwaltungsstab Abt. Verwaltung

II. Militärbefehlshaber Verwaltungsstab Gruppe Polizei

III. Militärbefehlshaber Verwaltungsstab Abt. Wirtschaft

IV. Deutsche Botschaft Paris

V. Einsatzstab Westen des Reichsleiters Rosenberg.

Die Besprechung hat bewirkt, daß (selbstverständlich mit ganz geringen Ausnahmen, die durch Außenseiter hervorgerufen wurden) eine absolute Ausrichtung der Judenpolitik im besetzten Gebiet erfolgt.«

Aus diesem Dokument geht wohl hervor, daß Ihre Mitarbeiter mit der Judenpolitik in den besetzten Gebieten einverstanden waren, und daß diese Politik die Verhaftung der Juden vorsah. Ist das richtig?

VON RIBBENTROP: Darf ich dazu Stellung nehmen? Nach meiner Kenntnis dürften diese Außenstellen in diesem Falle, wie so oft in solchen Fällen, der Deutsche Botschafter gewesen sein. Sie werden sich eingeschaltet haben, um diese Dinge in ruhige Bahnen zu lenken.

M. FAURE: Ich möchte, daß Ihnen jetzt das Dokument RF-1220 vorgelegt wird. Es ist ein Brief der Deutschen Botschaft vom 27. Juni 1942, der an den Chef der Sicherheitspolizei und den SD in Frankreich gerichtet ist. Bevor ich eine Frage stelle, möchte ich mit Ihnen die beiden ersten Absätze dieses Briefes lesen:

»Auf Grund der Besprechung mit Hauptsturmführer Dannecker vom 27. 6, in der mir derselbe erklärte, daß er möglichst bald 50000 Juden aus dem umbesetzten Gebiet zwecks Abtransport nach dem Osten brauche und außerdem erklärte, daß auf Grund der Aufzeichnungen des Generalkommissars für Judenfragen, Darquier de Pellepoix, unbedingt für diesen etwas getan werden müsse, habe ich die Angelegenheit unmittelbar nach der Besprechung Botschafter Abetz und Gesandten Rahn vorgetragen. Herr Gesandter Rahn trifft heute noch im Laufe des Nachmittags mit Präsidenten Laval zusammen und hat mir zugesagt, daß er mit demselben sofort die Angelegenheit der Überstellung von 50000 Juden besprechen wird, und außerdem darauf dringen werde, daß Darquier de Pellepoix im Rahmen der bereits erlassenen Gesetze vollkommene Handlungsfreiheit erhält und die ihm zugesagten Kredite auch sofort ausgehändigt bekommt.«

Jetzt möchte ich Ihnen eine Frage stellen, und ich wünsche darauf eine kurze Antwort:

War Ihnen dieser Schritt, der die Auslieferung von 50000 Juden verlangte, bekannt?

[455] VON RIBBENTROP: Nein, das war er nicht. Ich habe das hier zum ersten Male gehört, als dieses Dokument, glaube ich, schon einmal verlesen worden ist.

M. FAURE: Wenn Ihre Mitarbeiter Abetz, Rahn und Zeitschel solche Schritte unternahmen, ohne Sie davon in Kenntnis zu setzen, ist das nicht ein Zeichen dafür, daß sie dachten, im Sinne ihrer allgemeinen Vorschriften zu handeln?


VON RIBBENTROP: Nein, das glaube ich nicht; sie haben in Paris sehr selbständig gearbeitet, aber ich möchte nochmals wiederholen, für alles, was die Herren gemacht haben, übernehme ich die Verantwortung. Das möchte ich an die Spitze stellen.

Aber ich habe von dieser Maßnahme über die 50000 Juden nichts gewußt. Und ich weiß ja auch gar nicht, ob das nachher wirklich dazu gekommen ist, und in welcher Form die Herren sich da eingeschaltet haben. Das geht aus dem Brief gar nicht hervor, und ich weiß nur eines, daß meine generelle Weisung war, in diesen Dingen langsam zu treten und nach Möglichkeit die Dinge entsprechend meiner Grundauffassung zu überbrücken und nichts zu tun, um die Dinge etwa zu forcieren, sondern im Gegenteil zu applanieren. Mehr kann ich dazu nicht sagen.


M. FAURE: Während der Vernehmung Ihres Zeugen Steengracht hat die Britische Anklagevertretung das Dokument 3319-PS vorgelegt, das Beweisstück GB-287 geworden ist. Ich möchte mich gern wegen einer Frage noch einmal auf dieses Dokument beziehen.

In diesem Dokument ist der Bericht über eine Versammlung oder einen Kongreß enthalten, dem alle Berichterstatter über die Judenfrage in den verschiedenen diplomatischen Missionen in Europa beiwohnten. Dieser Kongreß wurde am 3. und 4. April 1944 in Krummhübel abgehalten. Er wurde von Schleier veranstaltet. Es wurde hier neulich verlesen. Ich nehme an, daß Sie über diesen Kongreß Bescheid wußten?


VON RIBBENTROP: Nein, ich höre hier zum ersten Male. Was ist das für ein Kongreß? Ich habe nie gehört, daß ein Kongreß stattgefunden hat. Was soll das für ein Kongreß sein?


M. FAURE: Dieses Dokument ist bereits vorgelegt worden; es handelt sich um einen Kongreß, der stattgefunden...


VON RIBBENTROP: Ich weiß nur von einem Kongreß, den ich den Führer gebeten habe, nicht abzuhalten. Das weiß ich. Aber von einem Kongreß, der stattgefunden hat, weiß ich gar nichts. Ich bitte, mir nähere Informationen zu geben.


M. FAURE: Dieses Dokument wurde dem Gerichtshof vorgelegt. Ich will nur eine Frage stellen. Sie haben ausgesagt, daß Sie nichts von diesem Kongreß wissen, an welchem 31 Personen teilgenommen[456] haben, die fast alle dem diplomatischen Dienst angehörten. Ich will Sie darauf aufmerksam machen, daß während dieser Zusammenkunft der Botschaftsrat von Thadden eine Erklärung abgegeben hat, die folgendermaßen wiedergegeben wurde:

»Der Redner gab einen Überblick, aus welchem Grunde die zionistische Palästinalösung oder ähnliche Ersatzlösungen abgelehnt und die Aussiedlung der Juden in die Ostgebiete durchgeführt werden müsse.«

Ich nehme an, daß durch diese Erklärung, die durch einen Botschaftsrat vor 31 Personen Ihrer Dienststelle gemacht wurde, auch Ihre eigene Anschauung in dieser Sache zum Ausdruck gebracht wird.

VON RIBBENTROP: Ja, also ich weiß überhaupt nicht, was Sie meinen. Ich bitte, mir zunächst mal die Unterlage zur Verfügung zu stellen, um was es sich hier überhaupt handelt. Ich bin darüber überhaupt nicht im Bilde. Ich habe schon einmal gesagt, von einem Kongreß weiß ich nichts, sondern ich weiß nur von einem, den ich abbestellt habe; das war ein internationaler Kongreß, der abgehalten werden sollte. Von einem Kongreß von Diplomaten weiß ich nichts. Ich bitte, mir darüber die Unterlage zur Verfügung zu stellen, damit ich dazu Stellung nehmen kann.

M. FAURE: Ich habe nicht die Absicht, Ihnen dieses Dokument zu zeigen. Ich habe Ihnen einen Satz, der darin vorkommt, vorgelesen. Und ich frage Sie nur, ob dieser Satz Ihre Ansicht wiedergibt. Antworten Sie mit Ja oder Nein.


VON RIBBENTROP: Dann bitte ich, den Satz zu wiederholen. Ich bitte aber nochmals, festzustellen, es hat kein Kongreß stattgefunden, das ist nicht wahr.


DR. HORN: Herr Präsident! Ich erhebe Einspruch gegen diese Frage, wenn dem Angeklagten nicht die Grundlage gegeben werden kann, um eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Frage zulässig war.


M. FAURE: Ich bitte Sie, mir zu antworten, ob dieser Satz, den ich soeben verlesen habe, Ihrer Ansicht entsprach.


VON RIBBENTROP: Ich bitte noch einmal den Satz; ich habe es nicht genau verstanden.

M. FAURE:

»Der Redner gab einen Überblick, aus welchem Grund die zionistische Palästinalösung oder ähnliche Ersatzlösungen abgelehnt und die Aussiedlung der Juden in die Ostgebiete durchgeführt werden müsse.«

War das Ihre Anschauung?

[457] VON RIBBENTROP: Nein, das war es nicht.

M. FAURE: Wurde Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß die italienischen Behörden in Frankreich die Juden gegen die Verfolgungen der Deutschen schützten?


VON RIBBENTROP: Ja, ich entsinne mich, daß da etwas Derartiges war, aber genau weiß ich es nicht mehr.


M. FAURE: Haben Sie in dieser Beziehung bei der Italienischen Regierung interveniert?


VON RIBBENTROP: Ich entsinne mich, daß ich einmal entweder mit Mussolini oder Graf Ciano gesprochen habe, daß in Frankreich bestimmte – da waren, glaube ich – Sabotageakte oder solche Sachen, Spionage, vorgekommen, und daß man dort aufpassen müßte, und in diesem Zusammenhang ist, glaube ich, auch über die Judenfrage gesprochen worden.


M. FAURE: Ich möchte, daß Ihnen das Dokument D-734 gezeigt wird, das ich als Beweisstück RF-1501 vorlegen möchte. Diese Note ist überschrieben: »Aufzeichnung über die Unterredung zwischen dem RAM und dem Duce im Palazzo Venezia am 25. Februar 1943 in Anwesenheit der Botschafter von Mackensen und Alfieri und des Staatssekretärs Bastianini.« Ich möchte Ihnen den zweiten Absatz vorlesen:

»Weiterhin behandelte der RAM die Judenfrage. Dem Duce sei bekannt, daß Deutschland hinsichtlich der Behandlung der Juden radikal eingestellt sei. Durch die Entwicklung des Krieges in Rußland habe es hier noch größere Klarheit gewonnen. Es habe aus Deutschland und den von Deutschland besetzten Gebieten alle Juden in Reservate im Osten abtransportiert. Er (der RAM) wisse, daß diese Maßnahme besonders auf der Feindseite als grausam bezeichnet würde. Sie sei aber notwendig, um den Krieg erfolgreich durchführen zu können.«

Ich werde den folgenden Absatz nicht verlesen, sondern den vierten.

»Auch Frankreich habe gegen die Juden Maßnahmen ergriffen, die äußerst nützlich seien. Sie seien nur vorübergehend, da die endgültige Lösung auch hier im Abtransport der Juden nach dem Osten bestehen würde. Er (der RAM) wisse, daß man in militärischen Kreisen Italiens, wie übrigens auch gelegentlich unter den deutschen Militärs, der Judenfrage oft nicht das notwendige Verständnis ent gegenbringe. Nur so könne er sich einen Befehl des Comando Supremo erklären, der Maßnahmen, die die französischen Behörden auf deutsche Einwirkung hin gegen die Juden ergriffen hätten, in dem italienischen Besatzungsgebiet Frankreichs wieder rückgängig gemacht habe. Der Duce bestritt die Richtigkeit dieser Mitteilung und führte[458] sie auf die Taktik der Franzosen zurück, zwischen Deutschland und Italien Uneinigkeit hervorzurufen.«

Jetzt möchte ich Sie etwas fragen: Vorher sagten Sie uns, daß Sie alle Juden nach Madagaskar auswandern lassen wollten. Liegt Madagaskar in diesem Ost-Reservat, von dem in diesem Dokument die Rede ist?

VON RIBBENTROP: Von was, ich habe nicht verstanden?

M. FAURE: Nach diesem Dokument haben Sie davon gesprochen, daß Sie alle Juden in die Ost-Reservate bringen wollen, und vorhin sagten Sie uns, daß die Juden nach Madagaskar auswandern sollten. Handelt es sich auch hier um Madagaskar?


VON RIBBENTROP: Nein, das war der Plan des Führers. Bei diesem Dokument handelt es sich darum, daß damals eine sehr weite Spionageorganisation, glaube ich, entdeckt worden war in Frankreich. Der Führer schickte mich, gelegentlich einer Italienreise und sagte mir, ich sollte mit Mussolini sprechen, um dafür zu sorgen, daß bei diesen Spionage- und Sabotagearbeiten gefaßte Juden, die Italienische Regierung nicht eingriffe oder das italienische Militär, um diese Maßnahme zu hindern, und mit diesem möchte ich dazu gleich grundsätzlich sagen, ich wußte, und das war auch der Plan des Führers, daß die Juden Europas in großem Stile entweder in Madagaskar oder in Afrika oder in Reservaten im Osten angesiedelt werden sollten. Das war ja allgemein in Deutschland bekannt. Und hierum handelt es sich hier nur, und ich weiß, daß damals einige sehr unangenehme Sachen passiert waren, und der Führer war der Überzeugung, daß dies zurückzuführen sei auf jüdische Organisationen, die sich, glaube ich, in Südfrankreich befanden. Ich habe damals, das entsinne ich mich jetzt sehr genau, mit Mussolini darüber gesprochen und ihn gebeten, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, weil diese Juden dem englischen und amerikanischen Nachrichtendienst die ganzen Nachrichten brachten. Dies waren jedenfalls die Nachrichten, die dem Führer laufend zugingen.


M. FAURE: Sie sagten doch, daß alle Juden nach dem östlichen Reservat deportiert werden sollten. Das ist doch richtig? Bitte, antworten Sie mit Ja oder Nein.


VON RIBBENTROP: Ob ich dafür war?

M. FAURE: Deutschland hat aus deutschen und aus allen von ihm besetzten Gebieten die Juden in die Reservate im Osten abtransportiert. Das ist doch richtig?


VON RIBBENTROP: Ich weiß im einzelnen nicht, was das für eine Urkunde ist. Was ich da im einzelnen gesagt habe, weiß ich nicht. Jedenfalls wußte ich, daß der Führer befohlen hatte, daß die Juden in Europa in den besetzten Gebieten nach den Reservaten im Osten [459] transportiert werden sollten und dort angesiedelt werden sollten. Das wußte ich. Die Durchführung dieser Maßnahmen war allerdings nicht meine Aufgabe als Außenminister des Auswärtigen Amtes, aber ich wußte, daß der Führer dies wünschte. Bei dieser Gelegenheit habe ich, wie ich mich entsinne, den Auftrag von ihm erhalten, mit der Italienischen Regierung in diesem Sinne zu sprechen, damit auch sie entsprechende Maßnahmen in der jüdischen Frage ergreifen möge. Auch für andere Länder ist dies der Fall gewesen, wo wir verschiedentlich Telegramme schicken mußten, damit die Länder die jüdische Frage lösen sollen.


VORSITZENDER: Herr Faure! Haben Sie dem Zeugen den zweiten Absatz vorgelesen, der mit den Worten beginnt: »Weiterhin behandelte der Reichsaußenminister die Judenfrage?«


M. FAURE: Jawohl, Herr Vorsitzender. Das ist der Absatz, den ich eben verlesen habe.


VORSITZENDER: Ja, Sie haben den dritten verlesen, aber ich weiß nicht, ob Sie den zweiten auch verlesen haben. Sie haben also den zweiten auch verlesen? Gut.


M. FAURE: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich habe ihn ebenfalls verlesen.


VORSITZENDER: Es handelt sich um ein neues Dokument, nicht wahr?


M. FAURE: Ja, Herr Vorsitzender, es ist ein Dokument, das ich als RF-1501 vorlegen möchte. Es ist ein Dokument der britischen Dokumentensammlung der Serie D. Es ist D-734.


VORSITZENDER: Hat der Angeklagte in seiner Aussage zugegeben, daß es im wesentlichen eine genaue Wiedergabe der Unterhaltung darstellt?


VON RIBBENTROP: Das kann ich nicht mehr genau sagen, Herr Präsident, was ich damals genau gesagt habe, ich weiß und sehe nur aus diesem Dokument, aus den Worten, daß die Juden die Verbreiter englisch-amerikanischer Nachrichten seien. Mir ist erinnerlich, daß damals eine große Spionage- und Sabotageorganisation im Gange war, die sehr zu schaffen machte in Frankreich, und daß in diesem Rahmen der Führer mich beauftragt hat, mit Mussolini zu sprechen, weil die Italiener gewissen Maßnahmen in Frankreich entgegenarbeiteten. Ich habe damals mit Mussolini in dem Sinne gesprochen, daß der Führer der Auffassung sei, daß man in diesen Fragen sehr klare Verhältnisse schaffen müßte.


VORSITZENDER: Angeklagter! Ich glaube, das haben Sie uns alles schon gesagt. Die Frage, die ich an Sie richtete, war, ob Sie zugeben, daß dies im wesentlichen eine genaue Wiedergabe der Unterhaltung war.


[460] VON RIBBENTROP: Ich halte den Bericht in einigen Punkten nicht für richtig, aber grundsätzlich liegt es so, wie ich es eben ausgeführt habe.


M. FAURE: Nun, Sie haben über diese Angelegenheit auch mit Horthy gesprochen, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ja, ich mußte mehrere Male mit der Ungarischen Regierung sprechen, um sie dazu zu bekommen, etwas in der Judenfrage zu unternehmen. Der Führer drang sehr stark darauf. Ich habe daher verschiedentlich mit dem Ungarischen Gesandten über diese Frage gesprochen, und es handelte sich vor allem damals darum, in einem Stadtteil von Budapest, ich glaube es war etwas außerhalb von Budapest, oder in – ich kenne Budapest nicht genau, jeden falls in Budapest selbst, irgendwie die Juden zu konzentrieren. Das war ein Punkt. Und der zweite Punkt war der, daß sie aus maßgebenden Stellen der Regierung ausgeschaltet werden möchten, weil schon in den ganzen Jahren sich gezeigt hatte, daß jüdischer Einfluß hier maßgebend war, um Ungarn zu einem Sonderfrieden zu bringen.


M. FAURE: Das Dokument, das sich auf diese oder eine andere Besprechung, die Sie mit Horthy hatten, bezieht, ist bereits vorgelegt worden. Es ist die Besprechung vom 17. April 1943. Das Dokument trägt die Bezeichnung D-736 und wurde als GB-283 vorgelegt. Während der Aussage Ihres Zeugen Schmidt hat der Vertreter der britischen Anklage diesen Zeugen gefragt, ob er zugibt, dieses Protokoll angefertigt zu haben. Das wurde von Schmidt bestätigt. Dieses Protokoll hat unten im ersten Absatz folgende Hinweise:

»... erklärte der RAM, daß die Juden entweder vernichtet oder in Konzentrationslager gebracht werden müßten. Eine andere Möglichkeit gäbe es nicht.«

Das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: So habe ich das bestimmt nicht gesagt. Aber ich möchte dazu folgende Stellung nehmen:

Es ist eine Aufzeichnung, die der Gesandte Schmidt anscheinend, wie er das immer machte, einige Tage später aufnotiert hatte, von einer langen Aussprache des Führers mit Herrn Horthy. Ich habe schon gesagt, daß der Führer mich verschiedentlich beauftragt hatte, mit Herrn Horthy, mit der Ungarischen Regierung, mit dem Gesandten, zu sprechen, um zu einer Lösung der Judenfrage zu kommen.

Damals als Horthy den Führer besuchte, hat der Führer diese Frage angeschnitten, und zwar in einem sehr krassen Sinne, und ich entsinne mich genau, daß ich mit dem Gesandten Schmidt anschließend an diese Unterredung noch gesprochen habe, daß ich den Führer eigentlich nicht ganz verstanden hätte.

Diese Bemerkung hier ist so bestimmt nicht gefallen. Herr Horthy hatte hier anscheinend gesagt, er könne die Juden ja nicht [461] totschlagen; es wäre möglich, daß ich anknüpfend hieran, da das ja sowieso nicht in Frage käme, versucht habe, auch Horthy wieder in die Richtung zu bringen, daß er nunmehr die Juden... irgend etwas überhaupt in der Judenfrage in Budapest tun sollte, nämlich, daß er nun diese Konzentrierung, die schon seit Jahr und Tag vom Führer gewünscht wurde, vornehmen möchte. Darauf konnte sich mein Einwand oder meine Zwischenbemerkung beziehen.

Ich muß auch dazu weiter sagen, daß damals die Dinge so lagen, daß von seiten Himmlers verschiedentlich bei uns immer wieder vorgesprochen wurde, damit Himmler selbst die Judenfrage in Ungarn in die Hand nehmen konnte. Ich wollte das nicht, weil in irgendeiner Form da außenpolitische Schwierigkeiten durchkommen könnten.

Ich habe daher auf Wunsch des Führers, der sehr hart in dieser Frage war, bekanntlich verschiedentlich versucht, hier ausgleichend zu wirken, gleichzeitig aber die Ungarn dazu zu bestimmen, auf alle Fälle einmal etwas zu tun in der Sache. Wenn also hier irgendeine Bemerkung, die aus einem langen Gespräch herausgerissen und kurz zusammengefaßt worden ist, ungefähr eine solche Feststellung enthält, so ist bestimmt das niemals damit gemeint gewesen, daß ich wünschte, daß die Juden totgeschlagen werden. Das entsprach hundertprozentig nicht meiner inneren Einstellung.


M. FAURE: Ich habe nicht verstanden, ob Sie meine Frage beantwortet haben oder nicht. Ich muß Sie also noch einmal fragen: Ist der Bericht richtig, oder ist er nicht richtig?


VON RIBBENTROP: Nein, so kann er nicht richtig sein. Das ist eine Niederschrift. Ich habe diese Niederschrift persönlich niemals gesehen, möchte ich gleich hier sagen, sonst hätte ich sofort gleich darauf hingewiesen, daß das ja Unsinn ist, daß das mißverstanden werden könnte. Ich habe die Niederschrift also nicht gesehen, sondern ich habe sie hier in Nürnberg zum erstenmal gesehen.

Ich kann nur eines sagen, daß es möglicherweise sich zugetragen hat, daß ich irgendwie gesagt habe... ja also, »daß man die Juden ja nicht vernichten oder totschlagen kann, bitte tun Sie doch was in der Richtung, damit der Führer endlich befriedigt ist, und konzentrieren Sie die Juden.«

Das war damals jedenfalls unser Bestreben, um – und zwar nicht etwa die Dinge dort zu verschärfen, sondern um in Ungarn etwas zu tun, damit die Dinge nicht von anderen Stellen in die Hand genommen, und damit das Auswärtige Amt außenpolitische Schwierigkeiten bekommen würde.


M. FAURE: Sie wußten doch zu dieser Zeit, daß viele Juden deportiert worden waren; das geht doch aus Ihren Ausführungen hervor.


[462] VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, verlassen Sie jetzt dieses Dokument?


M. FAURE: Ich spreche noch von diesem Dokument, aber nur in mehr allgemeinen Zügen.


VORSITZENDER: Sie verlassen es jetzt, sagten Sie?


M. FAURE: Jawohl.


VORSITZENDER: Also, Angeklagter! Der Gerichtshof möchte wissen, ob Sie dem Regenten Horthy gesagt haben, daß die Juden in Konzentrationslager gebracht werden sollten?


VON RIBBENTROP: Ich halte das ja für wahrscheinlich, daß das so war; denn wir hatten damals den Auftrag, es sollte ein Konzentrationslager bei Budapest oder eine Konzentrierung der Juden dort stattfinden, und der Führer hatte mich schon seit langem beauftragt, in der Richtung einer Lösung der Judenfrage mit den Ungarn zu sprechen. Sie sollte aus zwei Dingen bestehen: erstens, die Entfernung der Juden aus den maßgebenden Regierungsstellen, und zweitens, da es so viele Juden in Budapest gab, in einer Konzentrierung der Juden in bestimmten Stadtteilen in Budapest.


VORSITZENDER: Ich verstehe Ihre Darstellung dahin, daß dieses Dokument ungenau ist.


VON RIBBENTROP: Das ist nicht genau, ja. Ich möchte so sagen, Herr Präsident, es sieht so aus, wenn man dieses Dokument liest, als ob in diesem Dokument ich eine Vernichtung oder ein Totschlagen der Juden überhaupt für möglich oder etwa für erstrebenswert gehalten hätte. Das ist vollkommen abwegig. Sondern, was vielmehr hier gesagt worden ist und später aufgezeichnet worden ist, konnte nur so verstanden werden, daß ich wünschte, daß man in Ungarn irgend etwas tun solle in der Judenfrage, damit nicht hier andere Stellen sich in die Dinge einmischen würden; denn der Führer hat mit mir öfters darüber gesprochen, und zwar sehr ernst, daß nunmehr die Judenfrage in Ungarn gelöst werden müßte...


VORSITZENDER: Das haben Sie uns wohl schon gesagt. Was ich Sie fragen wollte, war folgendes: Behaupten Sie, daß Schmidt, der diese Denkschrift verfaßt hat, die letzten Sätze erfunden hat, die Sätze, die mit den Worten beginnen:

»Wenn die Juden dort nicht arbeiten wollen, würden sie erschossen. Wenn sie nicht arbeiten könnten, müßten sie verkommen. Sie wären wie Tuberkelbazillen zu behandeln, an denen sich ein gesunder Körper anstecken könne. Das wäre nicht grausam, wenn man bedenke, daß sogar unschuldige Naturgeschöpfe, wie Hasen und Rehe, getötet werden müßten, [463] damit kein Schaden entstehe. Weshalb sollte man die Bestien, die uns den Bolschewismus bringen wollten, mehr schonen? Völker, die sich der Juden nicht erwehrten, verkämen. Eines der berühmtesten Beispiele dafür sei das Absinken des einst so stolzen Volkes der Perser, die jetzt als Armenier ein klägliches Dasein führen.«

Behaupten Sie, daß Schmidt diese ganzen Sätze erfunden hat oder sie sich eingebildet hat?

VON RIBBENTROP: Herr Präsident! Ich möchte dazu sagen, daß ich selbst über diese Worte des Führers damals sehr traurig war und habe es nicht ganz verstanden, aber es ist vielleicht diese Einstellung nur zu verstehen, daß der Führer ja glaubte, daß die Juden diesen Krieg herbeigeführt hätten, und daß sich allmählich bei ihm da ein sehr fanatischer Haß entwickelte.

Ich entsinne mich auch, daß ich später nach dieser Unterredung mit dem Dolmetscher Schmidt und mit beiden Herren gesprochen habe, daß der Führer hier zum ersten Male Ausdrücke gebraucht hätte in der Judenfrage, die ich nicht mehr verstehen könnte. Diese Worte waren zweifellos von Schmidt nicht erfunden, und daß der Führer damals in ähnlichem Sinne gesprochen hat, das ist richtig.


VORSITZENDER: Bitte, Herr Faure.


M. FAURE: Aus dem Dokument geht hervor, daß Sie dachten, daß es Konzentrationslager in Ungarn gab; gestern sagten Sie aber, daß Sie nicht wußten, daß es welche in Deutschland gegeben hat. Ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Ich wußte nicht, daß es Konzentrationslager in Ungarn gab, sondern ich sagte, daß der Führer mich angewiesen hätte, mit Horthy – der Ungarischen Regierung – zu sprechen, daß er die Juden in Budapest in bestimmten Stadtteilen konzentrieren möchte. Über Konzentrationslager in Deutsch land, über meine Kenntnis davon, habe ich gestern bereits ausgesagt.


M. FAURE: Sie haben zugegeben, daß Sie Hitlers Politik, alle Juden zu deportieren, kannten, und Sie haben auch zugegeben, daß Sie als Außenminister im Bereich Ihrer Zuständigkeit diese Politik unterstützt haben. Das ist doch richtig?


VON RIBBENTROP: Ich habe die Befehle des Führers auch auf diesem Sektor als treuer Gefolgsmann befolgt, ich habe aber alles immer versucht zu tun, um möglichst diese Dinge abzuschwächen. Das kann auch durch viele Zeugen bewiesen und erörtert werden. Ich habe noch im Jahre 1943 dem Führer eine umfassende Denkschrift gemacht, in der ich dringend bat, eine absolute Änderung der Judenpolitik vorzunehmen. Auch viele andere Beispiele könnte ich darüber zitieren.


[464] M. FAURE: Wenn ich Ihre Aussage richtig verstehe, so waren Sie moralisch absolut gegen die Judenverfolgungen, aber Sie haben geholfen, dieselben durchzuführen, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ich habe schon wiederholt gesagt, gleich anfangs meiner Vernehmung, daß ich niemals in dem Sinne ein Antisemit gewesen bin. Aber ich war ein treuer Gefolgsmann Adolf Hitlers.

M. FAURE: Außer der Judenfrage befaßten Sie sich mit der Verhaftung von Franzosen, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Mit der Verhaftung von Franzosen...


M. FAURE: Ja. Haben Sie Befehle zur Verhaftung von Franzosen erteilt? Ja oder nein?


VON RIBBENTROP: Das ist durchaus möglich, daß das gewesen ist. Durchaus möglich.


M. FAURE: Können Sie uns etwas Genaueres darüber sagen?


VON RIBBENTROP: Nein, mir fallen im Augenblick keine Einzelheiten ein. Jedenfalls weiß ich, daß Franzosen verhaftet worden sind. Inwieweit das damals von uns ausging, das weiß ich nicht. Es war im Jahre, glaube ich, 1944, kurz vor der Invasion, als eine Weisung des Führers gegeben wurde, eine große Anzahl von maßgebenden Franzosen der Widerstandsbewegung schlagartig zu verhaften, und ich glaube, daß auch wir darüber Bescheid wußten; es ist auch möglich, daß von uns aus da irgendwie mitgewirkt worden ist. Im einzelnen weiß ich das nicht mehr.

Es handelte sich um die Verhaftungen von denjenigen Elementen, die im Falle einer Invasion die Widerstandsbewegung entfachen und der deutschen Armee in den Rücken fallen könnten. Einzelheiten kann ich nicht mehr sagen.


M. FAURE: Ich möchte, daß man Ihnen jetzt ein Dokument zeigt, welches als RF-1506 vorgelegt wird. Es ist ein Affidavit von Dr. H. Knochen. Ich lese Ihnen einige Auszüge aus diesem Dokument vor:

»Ende 1943, es wird im Dezember gewesen sein, fand im Auswärtigen Amt eine Besprechung über durchzuführende Festnahmen in Frankreich statt. Da ich mich in Berlin befand, wurde ich ebenfalls aufgefordert teilzunehmen. An der Besprechung nahmen teil:

Reichsaußenminister von Ribbentrop, Staatssekretär von Steengracht, Botschafter Abetz, ein weiterer Angehöriger des Auswärtigen Amtes, dessen Namen ich nicht kenne, der Chef der SIPO und SD, Dr. Kaltenbrunner, der Höh. SS- und [465] Polführer Frankreich, Oberg, und als Vertreter des Militärbefehlshabers, wenn ich mich recht erinnere, dessen Chef des Stabes, Oberst Koßmann.

Der Minister führte aus, der Führer erwarte, daß in Frankreich in nächster Zeit mehr als bisher Obacht gegeben werden müßte. Die gegnerischen Kräfte dürften nicht stärker werden. Alle deutschen Dienststellen hätten daher verstärkt ihre Pflicht zu tun.«

Ich überspringe den nächsten Absatz und fahre fort:

»Er sehe eine Gefahr im Falle einer Invasion in den führenden Kreisen der Franzosen, die nicht mit Deutschland zusammenarbeiten wollten, sondern insgeheim gegen Deutschland arbeiteten. Diese könnten der Truppe in dieser Zeit gefährlich werden. In der Wirtschaft, Akademien, gewissen militärischen und politischen Kreisen und in all den Schichten, die mit diesen zusammenhingen, wären diese gefährlichen Elemente zu suchen. Er stelle sich vor, daß einmal schlagartig zugegriffen werden müsse. Um eine Zahl zu nennen, es könnten ruhig 2000 oder mehr sein. Man dürfte in einer Zeit, wo es um die Abwehr des Feindes von Europa gehe, auch in Frankreich vor einer solchen Präventivmaßnahme nicht zurückschrecken. Auf die Frage, wie dies gehandhabt werden sollte, erklärte der Minister, Botschafter Abetz werde diese Angelegenheit sofort selbst in die Hand nehmen und mit den deutschen Dienststellen eine Liste zusammenstellen, um alle sachlichen Belange zu berücksichtigen.«

Ich beende das Zitat an dieser Stelle. Ist das Dokument wahrheitsgetreu?

VON RIBBENTROP: Jawohl, ich entsinne mich genau dieser Besprechung, es war ein Befehl des Führers, daß sofort – das habe ich eben schon geäußert – eingegriffen werden sollte, und im Hinblick auf die eventuell bevorstehende Invasion sofort Maßnahmen ergriffen werden sollten, um alle irgendwie gefährlichen Elemente, die den Widerstand in dem Rücken der deutschen Armee entfachen könnten, festzunehmen, und ich habe das damals für eine absolut selbstverständliche Maßnahme gehalten, wie sie jede Regierung treffen wird, der das Wohl ihrer Truppe am Herzen liegt.

Ich habe dann diese Besprechung abgehalten. Der Führer wollte eine sehr viel größere Verhaftungswelle haben. Wir haben aber dann nur... es ist dann eine verhältnismäßig kleine Anzahl... sind, glaube ich, nur verhaftet worden.

Mit der Verhaftung selber nachher haben wir verhältnismäßig weniger zu tun gehabt, sondern das ist nachher von der Polizei durchgeführt worden.

[466] Aber es ist ganz klar, daß damals diese Besprechung stattgefunden hat und daß wir das, was gemacht werden mußte, in dem Augenblick, da das vorgesehen wurde, nämlich die Verhaftung der Elemente, die im Falle einer Invasion gefährlich werden konnten, das ist ganz richtig.


M. FAURE: Ich habe keine weitere Frage mehr.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich jetzt.


[Pause von 10 Minuten.]


VORSITZENDER: Ich habe zweierlei bekanntzugeben:

Das eine betrifft die Anklagevertretung und das andere die Verteidigung.

Es wird gewünscht, daß die Anklagevertretung den Dolmetschern Abschriften der Dokumente zur Verfügung stellt, die sie im Verlauf des Verhörs oder Kreuzverhörs zu benutzen beabsichtigt. Diese Abschriften brauchen nicht unbedingt in der Sprache verfaßt zu sein, in der der Dolmetscher sprechen wird. Es muß jedoch ein Dokument in irgendeiner Sprache den Dolmetschern zur Unterstützung vorliegen.

Der zweite Punkt ist, daß mir berichtet wurde, daß die Verteidiger die zweiwöchige Frist, die vom Gerichtshof für die Einreichung der Dokumente für die Übersetzungsabteilung festgesetzt wurde, bei weitem nicht einhalten. Der Gerichtshof hat zwar erklärt, daß die Dokumente, wenn möglich, dem Gerichtshof oder der Übersetzungsabteilung zwei Wochen vorher übergeben werden sollen. Aber diese Worte: »wenn möglich«, werden etwas zu leicht genommen. Die Dokumente sind, wie ich höre, manchmal 48 Stunden, bevor die Sache eines bestimmten Angeklagten verhandelt wurde, überreicht worden. Das ist nicht genügend und führt nur zu Verzögerungen.

Das war alles, was ich zu verkünden hatte.


MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Während des Kreuzverhörs dieses Angeklagten durch den französischen Anklagevertreter wurde Dokument 3766-PS er wähnt. Wenn ich recht verstanden habe, hat Dr. Horn erklärt, daß dieses Dokument kein erbeutetes Dokument sei; so habe ich seine Erklärung verstanden. Ich bin ganz sicher, daß er das wirklich gesagt hat, als er ans Mikrophon trat. Um es für das Protokoll klarzustellen, teile ich hiermit dem Gerichtshof mit, daß es sich hier um ein erbeutetes Dokument handelt, und ich weiß nicht, worauf Dr. Horn diese Erklärung stützt.


VORSITZENDER: Dr. Horn.


DR. HORN: Herr Präsident, ich hatte vorhin kein... es wurde behauptet, es handle sich um ein erbeutetes Dokument und ich [467] hatte keine Gelegenheit, das vorher nachzuprüfen. Diese Angelegenheit... es stand hier oben drüber über dem Dokument, daß es sieh um ein US-Beweisstück handelt, und zwar 3766-PS, und ich hatte keine Gelegenheit, das sofort nachzuprüfen, wo es herkam. Daher hatte ich beantragt, daß das vom französischen Anklagevertreter festgestellt werden möge, bitte. Das war meine ganze Einwendung. Ich habe nicht bestritten, daß es ein erbeutetes Dokument ist; ich konnte es nur nicht feststellen.


VORSITZENDER: Will irgendein anderer Anklagevertreter Fragen an den Angeklagten richten? Oberst Amen, der Gerichtshof hofft, daß Sie sich nicht mit Dingen befassen, die schon behandelt worden sind.

OBERST AMEN: Auf keinen Fall, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ribbentrop! Sie sprechen ziemlich gut englisch?

VON RIBBENTROP: Ich habe früher gut gesprochen, ich spreche jetzt wohl auch noch leidlich, ja.

OBERST AMEN: Beinahe so gut, wie Sie deutsch sprechen?


VON RIBBENTROP: Das wohl nicht, nein. Aber ich habe es früher so ähnlich wie deutsch gesprochen, aber natürlich habe ich viel vergessen im Laufe der Jahre und jetzt ist es mir schwerer geworden.


OBERST AMEN: Wissen Sie, was man unter einem »Yes-man« in der englischen Sprache versteht?


VON RIBBENTROP: Ja-Sager, an sich schon. Ein Mann, der zu Dingen ja sagt, die er selbst – es ist etwas schwer zu definieren. Jedenfalls, ich weiß nicht, was man im Englischen darunter versteht. Im Deutschen würde ich sagen, es ist ein Mann, der Befehlen gehorcht und gehorsam ist und treu ist.


OBERST AMEN: Tatsächlich waren Sie ein »Yes-man« Hitlers, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ich war Hitler immer treu, habe seine Befehle durchgeführt, war oft mit ihm anderer Auffassung, habe sehr ernste Differenzen mit ihm gehabt, verschiedentlich meinen Abschied eingereicht, aber, wenn Hitler befohlen hatte, habe ich seine Befehle immer, entsprechend unserem Führerstaat, durchgeführt.


OBERST AMEN: Sie sind öfters von mir vernommen worden, bevor dieser Prozeß anfing, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ich glaube, ein- oder zweimal.


[468] OBERST AMEN: Ich werde Ihnen gewisse Fragen und Antworten vorlesen, die während dieser Vernehmungen gestellt wurden, und will Sie nur bitten, dem Gerichtshof zu sagen, ob Sie die Antworten gegeben haben, die ich Ihnen vorlesen werde. Die Frage kann mit Ja oder Nein beantwortet werden. Haben Sie verstanden?


VON RIBBENTROP: Ja.


OBERST AMEN:

»Ich bin dem Führer ein treuer Paladin gewesen bis zu seinen letzten Tagen, ich habe ihn nie verlassen, ich bin ihm bis zu seinen letzten Tagen, bis zu seiner letzten Stunde treu geblieben. Ich war nicht immer mit allem einverstanden, im Gegenteil, manchmal hatte ich Differenzen mit ihm, aber ich habe im Jahre 1941 ihm versprochen, daß ich ihm treu bleiben würde. Ich habe ihm mein Ehrenwort gegeben, daß ich ihm keine Schwierigkeiten machen würde.«

Ist das richtig?

VON RIBBENTROP: Das stimmt nach meiner Erinnerung. Ich habe zwar das Dokument nicht gesehen, ich habe auch nichts unterschrieben, aber nach meiner Erinnerung ist das richtig, das habe ich gesagt.

OBERST AMEN: Was haben Sie damit gemeint, als Sie sagten: Sie würden ihm keine Schwierigkeiten machen?


VON RIBBENTROP: Ich sah in Adolf Hitler das Symbol Deutschlands und den einzigen Mann, der diesen Krieg für Deutschland gewinnen konnte, und daher wollte ich ihm keine Schwierigkeiten machen und bin daher treu bis zuletzt auch bei ihm geblieben.


OBERST AMEN: Was Sie wohl zum Ausdruck bringen wollten, war, daß Sie nie etwas gegen ihn unternehmen würden, und das haben Sie ihm 1941 versprochen, stimmt das?


VON RIBBENTROP: Ich würde ihm keine Schwierigkeiten machen, ja, das habe ich gesagt. Er fand mich manchmal einen etwas schwierigen Untergebenen, und da habe ich damals ihm gesagt, daß ich ihm keine Schwierigkeiten machen würde.


OBERST AMEN: 1941 haben Sie ihm gesagt, daß Sie, wenn auch in Zukunft Ihre Meinung von der seinigen abweichen sollte, niemals auf Ihrem Standpunkt beharren würden; stimmt das?


[Keine Antwort.]


OBERST AMEN: Ja oder nein?

VON RIBBENTROP: Nein, so nicht genau, sondern...


OBERST AMEN: Nun, ungefähr so, ist das richtig?


[469] VON RIBBENTROP: Nein, so kann man es nicht sagen. Ich habe nur damit gemeint – wenn ich es so erklären darf –, daß ich ihm nicht Schwierigkeiten machen würde, wenn wirklich eine ernste Divergenz auftauchte, sondern daß ich meine Meinung zurückstellen würde; das war der Gedanke dabei.


OBERST AMEN: Sie haben ihm darauf Ihr Ehrenwort gegeben; ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Jawohl, das ist richtig, ja.


OBERST AMEN: Und zu dieser Zeit haben Sie darüber gesprochen, daß Sie zurücktreten würden. Ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Ja, das ist auch richtig, ja.

OBERST AMEN: Und das machte den Führer wütend und er wurde krank, stimmt das?


VON RIBBENTROP: Ja. »Krank« ist nicht der richtige Ausdruck, aber er hat sich damals sehr erregt. Ich möchte nicht gerne darüber sprechen im einzelnen.


OBERST AMEN: Er sagte, daß es seine Gesundheit beeinträchtige, ist das nicht wahr? Und er sagte Ihnen, Sie sollten aufhören, mit ihm über diese Punkte herumzustreiten und sollten einfach tun, was er Ihnen sagte, ist das richtig?


VON RIBBENTROP: Ich möchte über die internen Gründe da nichts Näheres sagen, sondern ich glaube auch nicht, daß das Dinge sind, die irgendwie hier interessieren. Das waren persönliche Verhältnisse zwischen dem Führer und mir.


OBERST AMEN: Dafür interessiere ich mich nicht. Mich interessiert nur festzustellen, ob es nicht Tatsache ist, daß Sie unter Eid erklärt haben, bei dieser Gelegenheit Hitler geschworen zu haben, daß Sie niemals etwas äußern oder auf irgendwelchen Ansichten bestehen würden, die seinen Wünschen zuwiderliefen. Ist das nicht richtig?


VON RIBBENTROP: Nein, nein, das ist absolut nicht richtig. Das ist eine falsche Interpretation, sondern ich habe dem Führer gesagt, daß ich ihm keine Schwierigkeiten machen würde. Ich habe nach 1941 noch manche Divergenz mit ihm gehabt und habe meine Meinung auch dann immer oft zum Ausdruck gebracht.


OBERST AMEN: Nun, Ribbentrop, welche abweichenden Ansichten Sie auch gehabt haben mögen, Sie sind nach 1941 nie imstande gewesen, auch nur eine davon durchzusetzen, nicht wahr? Ja oder nein?


VON RIBBENTROP: Die Frage habe ich nicht verstanden, ich bitte nochmals die Frage.


[470] OBERST AMEN: Ich sage: Gleichgültig, wie abweichend Ihre Ansichten auch immer gewesen sein mögen, oder welche Ansichten auch immer Sie nach 1941 über diese Fragen dem Führer gegenüber geäußert haben, so sind Ihre Vorschläge, soweit sie denen des Führers widersprachen, doch niemals in die Tat umgesetzt worden. Stimmt das nicht? Sie haben schließlich immer das getan, was der Führer Ihnen befahl und was der Führer wollte, ohne jede Rücksicht auf Ihre eigenen Ansichten.


VON RIBBENTROP: Das sind zwei Fragen, die Sie stellen. Zur ersten Frage muß ich sagen, daß es nicht richtig ist, daß Hitler niemals irgendwelche Vorschläge von mir akzeptiert hätte, das stimmt nicht. Im übrigen aber stimmt die Frage zwei. Diese kann ich so beantworten, daß, wenn Adolf Hitler eine Auffassung mir gegenüber kundgetan und einen Befehl erteilt hatte, ich diesen Befehl durchgeführt habe, wie das bei uns selbstverständlich war.


OBERST AMEN: Mit anderen Worten, zum Schluß haben Sie immer ja gesagt, stimmt das nicht?


VON RIBBENTROP: Ich habe seine Befehle durchgeführt, ja.


OBERST AMEN: Jetzt will ich Ihnen noch etwas aus Ihrer Aussage vorlesen, wo es heißt:

»Er« – das bezieht sich auf den Führer – »betrachtete mich als seinen engsten Mitarbeiter, wir unterhielten uns damals sehr ernst, und dann, als ich weggehen wollte, versprach ich ihm das, und ich habe es immer gehalten bis zum letzten Moment. Es war manchmal sehr schwer, das versichere ich Ihnen, dieses Versprechen zu halten und heute tut es mir leid, daß ich es damals gegeben habe. Es wäre wirklich vielleicht besser gewesen, wenn ich es nicht gegeben hätte. Es hat mich seit damals in eine Lage versetzt, daß ich in sehr ernsten und wichtigen Augenblicken dieses Krieges nicht mit Hitler in dem Sinne sprechen konnte, wie ich es gewünscht hatte, mit ihm zu sprechen, und in einem Sinne, wie ich vielleicht hätte zu ihm sprechen können nach dieser Besprechung im Jahre 1941.

Ich muß Ihnen all das erklären. Wenn Sie nicht den Hintergrund zu diesen Dingen kennen, könnten Sie vielleicht denken, daß ich als Außenminister während dieser Jahre mehr darüber sagen möchte. Vielleicht könnte ich sagen, daß man etwas mehr Auskunft über diese Dinge geben konnte, aber ich wünsche zu diesem Mann, selbst jetzt nach seinem Tode, treu zu sein und zu bleiben, soweit es mir möglich ist. Aber ich will mir das Recht vorbehalten, der Geschichte zu zeigen, daß ich mein Versprechen hielt und auch zu zeigen die Rolle, die ich in diesem ganzen Drama gespielt habe.«

[471] Haben Sie diese Erklärung mit unter Eid abgegeben, ja oder nein?

VON RIBBENTROP: Das sind...

OBERST AMEN: Ja oder nein?


VON RIBBENTROP:... wiederum zwei Fragen, auf die erste Frage – demgegenüber weiß ich nichts. Die zweite Frage, unter Eid, wohl zweifellos nein. Ich bin nur zweimal überhaupt vereidigt worden, aber das tut ja hier nichts zur Sache. Die Erklärung trifft im einzelnen Wortlaut nicht genau zu, sie muß da etwas falsch übersetzt worden sein. Stimmen tut, daß ich gesagt habe, daß ich dem Führer treu war, und daß ich weiter gesagt habe, daß ich mit ihm manche Divergenz hatte, daß wir nicht immer einer Auffassung waren, und das ist die Quintessenz. Das ist richtig.

OBERST AMEN: Ich habe nur eine Frage gestellt, und ich bitte Sie nochmals, mit Ja oder Nein zu antworten. Haben Sie die Erklärung in genau demselben Wortlaut gegeben, den ich Ihnen gerade verlesen habe oder nicht?


VORSITZENDER: Oberst Amen! Ich glaube, er hat das tatsächlich schon beantwortet, denn er sagte, daß es nicht wörtlich sei.


OBERST AMEN: Es ist aber doch wörtlich.


VORSITZENDER: Das ist Ansichtssache. Er sagt, es sei nicht wörtlich.


OBERST AMEN: Jawohl, Euer Lordschaft.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wie dem auch sei: Sie sehen, daß Sie dem Sinne nach das gesagt haben, was ich verlesen habe, richtig?

VON RIBBENTROP: Wie ich es eben gesagt habe, ja.

OBERST AMEN: Jedenfalls haben Sie, Ribbentrop, Ihre Aussagen, und zwar in diesem besonderen Fall, in englischer Sprache gemacht, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ich habe oft englisch gesprochen hier bei den Aussagen, das ist richtig, aber ob nun genau diese Aussage in englisch gemacht worden ist, weiß ich nicht. Jedenfalls, ich sage ja, diese Aussage ist so in den beiden Punkten; so war sie zu verstehen.


OBERST AMEN: Und als Sie Ihre Aussage in englischer Sprache machten, taten Sie das auf eigenen Wunsch, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Nein, das ist nicht richtig.


OBERST AMEN: Wer hat Sie denn darum gebeten?


VON RIBBENTROP: Das weiß ich nicht, das hat sich, glaube ich, so von selbst ergeben, das weiß ich nicht mehr. Ich habe [472] meistens, glaube ich, englisch gesprochen, einige Male wohl auch deutsch, meistens wohl englisch.


OBERST AMEN: Ich will Ihnen jetzt noch etwas aus Ihren Aussagen verlesen und Ihnen wieder die gleiche Frage stellen, die Sie hoffentlich mit Ja oder Nein beantworten werden. Haben Sie während des Verhörs folgendes gesagt:

»Frage: Finden Sie, daß Sie dem deutschen Volk zu seiner künftigen Erziehung verpflichtet sind, nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Dinge geschichtlich darzutun?

Antwort: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten.

Frage: Beeinträchtigt das Ihr Treuegefühl zum Führer?

Antwort: Ich will nicht vor dem deutschen Volk dastehen als ein Mann, der dem Führer untreu war.«

Haben Sie diese Erklärungen abgegeben?

VON RIBBENTROP: Das ist durchaus möglich. Ich entsinne mich jetzt nicht mehr genau. Aber das ist durchaus möglich. Es ist soviel gesprochen worden im Laufe der letzten Monate, und ich war auch gesundheitlich – wie Sie wissen – nicht sehr auf dem Posten, so daß ich mich an jedes einzelne Wort natürlich nicht mehr erinnern kann.

OBERST AMEN: Gut. Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, ob Sie folgendes gesagt haben:

»Ich habe dem Führer immer offen meinen Standpunkt klargemacht, wenn er ihn anhören wollte, aber von allen Entscheidungen habe ich mich immer zurückgehalten; jedoch wenn der Führer einmal einen Entschluß gefaßt hatte, dann habe ich, gemäß meiner Einstellung dem Führer gegenüber, seine Befehle blindlings ausgeführt und so getan, wie er wollte. In einigen wenigen entscheidenden außenpolitischen Fragen habe ich versucht, meine Ansicht mit mehr Nachdruck zu vertreten. Das war in der polnischen Krise, wie auch in der russischen Frage, da ich die absolut für sehr wichtig und notwendig hielt. Aber seit 1941 habe ich nicht mehr viel zu sagen gehabt, und es war schwer, bei dem Führer meine Ansichten durchzusetzen.«

Können Sie sich erinnern, das ausgesagt zu haben, ja oder nein, bitte.

VON RIBBENTROP: Das ist ungefähr richtig, ja, ich entsinne mich ungefähr.

VORSITZENDER: Oberst Amen! Der Gerichtshof hat schon ein sehr langes Kreuzverhör des Angeklagten gehört und findet, daß dies dem, was er schon gehört hat, nicht viel hinzufügt. Der Angeklagte hat beinahe dasselbe bereits ausgesagt.


[473] OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender. Ich gehe zu einem anderen Thema über:


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie haben ausgesagt, daß eine starke Trennungslinie bestand zwischen der politischen und der militärischen Situation; richtig?

VON RIBBENTROP: Zwischen – das habe ich nicht verstanden.

OBERST AMEN: Sie haben ausgesagt, daß immer eine scharfe Trennungslinie bestand zwischen den politischen und den militärischen Dingen.

VON RIBBENTROP: Ja, der Führer hielt das immer ziemlich stark getrennt, das ist richtig.


OBERST AMEN: Und daß Informationen, die militärischer Natur waren, nur den Militärs zu Ohren kamen, nicht aber zum Beispiel Ihrem Amt zur Verfügung standen; stimmt das?


VON RIBBENTROP: Ich habe von militärischen Dingen und Plänen wenig gehört, ja, das ist richtig.


OBERST AMEN: Und andrerseits stimmte es auch, daß Informationen, die Sie bekamen, den Militärs nicht zur Verfügung gestellt wurden; stimmt das?


VON RIBBENTROP: Das kann ich nicht beurteilen, möchte es aber annehmen, weil ich ja nicht weiß, welche Informationen die Militärs vom Führer bekommen haben.


OBERST AMEN: Sie haben uns doch gesagt, daß der ganze Plan des Führers darin bestand, die politischen und militärischen Dienstwege vollkommen voneinander getrennt zu halten, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Er hat sie im allgemeinen stark getrennt gehalten, ja, das habe ich schon ein paarmal ausgesagt. Aus diesem Grunde habe ich auch von manchen Dokumenten militärischer Art erst hier Kenntnis erhalten. Das hing auch mit den Geheimhal tungserlassen des Führers zusammen, daß eine Stelle nur das wissen müsse, was unbedingt notwendig sei.


OBERST AMEN: Tatsächlich war das aber gar nicht der Fall, nicht wahr, Ribbentrop?


VON RIBBENTROP: Ich habe Ihnen meine Antwort ja bereits gegeben.


OBERST AMEN: Tatsächlich hatten Sie doch aber Geheimagenten, die im Auslande in gleicher Weise für Sie, für die Wehrmacht und für die Flotte arbeiteten.


VON RIBBENTROP: Nein, das stimmt nicht.


OBERST AMEN: Sind Sie sich dessen ganz sicher?


[474] VON RIBBENTROP: Ja, da bin ich sicher, ja.


OBERST AMEN: Und Sie erklären das unter Eid?


VON RIBBENTROP: Sie meinen Agenten, die was machten, die für...


OBERST AMEN: Ich meine Agenten, die Informationen sammelten für Sie, für die Wehrmacht und für die Flotte, gemeinsam und zu gleicher Zeit.


VON RIBBENTROP: Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Möglich wäre es, daß irgendwo mal ein Mann für verschiedene Stellen gearbeitet hat, aber organisatorisch bestimmt nicht. Die Organisation, wir hatten einen ganz kleinen Informationsdienst draußen, der sehr klein war, und die Informationsdienste der anderen Stellen des Reiches, die arbeiteten im allgemeinen, jedenfalls soweit ich darüber informiert war, völlig getrennt von unseren. Möglich wäre, daß da und dort mal dieser und jener für andere, für verschiedene Stellen gearbeitet hat. Das wäre denkbar, es waren zum Beispiel manchmal in unseren Gesandtschaften dieser und jener Mann, wie das bei Engländern, Amerikanern und Russen und so weiter auch üblich ist, als Gehilfen von Konsuln oder so eingebaut, die Nachrichtendienste für irgendwelche Organisation betrieben.


OBERST AMEN: So wollen Sie also die Antwort, die Sie vorher gaben, abwandeln, stimmt das?


VON RIBBENTROP: Nein, ändern gar nicht. Organisatorisch, grundsätzlich war es so, daß von mir aus niemals irgendwelche Geheimagenten, die für verschiedene Stellen draußen arbeiteten, eingesetzt worden sind. Denkbar ist aber, daß von der Stelle im Auswärtigen Amt, die diese Dinge behandelte, irgend jemand eingesetzt wurde. Aber das war eine ziemlich unbedeutende Angelegenheit. Ich sage heute »leider«. Daß von dieser Stelle auch vielleicht mal andere Agenten, die für andere Stellen, die Abwehr oder SD und so weiter arbeiteten, mit verwandt worden sind, das ist durchaus möglich. Wir haben sogar später... Ich möchte noch folgendes sagen: Ich habe mit Himmler darüber, über den Nachrichtendienst draußen, starke Divergenzen gehabt, und es ist dann durch die gute Tätigkeit des Angeklagten Kaltenbrunner damals möglich gewesen, zu einem Abkommen zu kommen, wonach gewisse Nachrichten uns auch zur Verfügung gestellt werden sollten. Dieses Abkommen ist aber nachher dann nicht mehr in Tätigkeit getreten. Ich glaube, es hat praktisch keine Wirkung mehr gehabt, weil es schon zu spät war. Das war 1944, glaube ich.


OBERST AMEN: Wollen Sie sich Dokument 3817-PS ansehen, bitte? Wollen Sie dem Gerichtshof zunächst sagen, wer Albrecht Haushofer war?


[475] VON RIBBENTROP: Albrecht Haushofer war ein Mitarbeiter früher von mir und war ein Mann, der mit der – ja – der sich mit Volkstumsfragen befaßte. Ich darf vielleicht den Brief erst mal lesen. Ist das ein Brief von Haushofer? Er ist nicht unterschrieben.


OBERST AMEN: Doch. Haben Sie zu Ende gelesen?


VON RIBBENTROP: Nein, noch nicht, nein, noch nicht. – Soll ich auch die anderen lesen oder nur den ersten Brief?

OBERST AMEN: Zu den anderen kommen wir später, ich bemühe mich, die Sache so schnell wie möglich zu erledigen. Frischt dieser Brief Ihr Gedächtnis darüber auf, daß Haushofer im Orient war, um verschiedenes zu untersuchen, und daß er Ihnen schon im Jahre 1937 Berichte übermittelte?


VON RIBBENTROP: Es ist mir im Augenblick entfallen, daß Haushofer in Tokio war, aber das ist denkbar, das wäre möglich, ja.


OBERST AMEN: Aber der Brief ist an Sie gerichtet, und ihm ist ein Bericht beigeschlossen, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ist das nicht ein Brief von dem Grafen Dürkheim? Ist das nicht ein Mißverständnis? Aber, wenn Sie sagen, daß es Herr Haushofer ist, ist es denkbar, daß er in Tokio war, das ist möglich. Ich weiß es im einzelnen nicht. Ich habe damals einen Grafen Dürkheim nach Tokio geschickt, aber möglich ist es, daß auch Haushofer dort war. Ich habe es offengestanden im Augenblick vergessen.


DR. HORN: Herr Präsident! Ich sehe eben, daß der Brief kein Datum, kein volles Datum und keine Unterschrift trägt, höre aber von Herrn Oberst Amen, daß er von 1937 sein soll. Im Jahre 1937 war von Ribbentrop noch nicht Außenminister, er wurde erst am 4. Februar 1938 Außenminister.

OBERST AMEN: Er hat das Datum vom 3. Oktober und ist zusammen mit Haushofers Dokumenten erbeutet worden.


VON RIBBENTROP: Aber ich halte es für durchaus wahrscheinlich, daß es ein Brief von Haushofer ist, durchaus möglich, entsinne mich aber offengestanden nicht mehr genau, daß er damals in Tokio gewesen war im Jahr 1937.


OBERST AMEN: Also...


VON RIBBENTROP: Er war ein Mitarbeiter, der in früheren Jahren mit uns zusammenarbeitete, dann aber sich mehr mit Volkstumsfragen befaßte, so daß ich ihn in den letzten Jahren aus den Augen verloren habe.


OBERST AMEN: Ich will mit Ihnen dieses Dokument durchgehen. Das nächste Dokument ist vom 15. April 1937, hierin wird um Rückzahlung der Gelder für diese Reisen gebeten.


[476] VON RIBBENTROP: Ja.


OBERST AMEN: Und dann das nächste Dokument, ein Brief an den Stellvertreter des Führers, Heß, in dem steht:

»Ich benütze die Kurierpost dazu, um Ihnen einen kurzen Bericht, der gleichzeitig auch an Ribbentrop geht, zu senden. Er enthält so knapp wie mög lich die Zusammenfassung dessen, was ich vier Wochen hier beobachten und hören konnte.«

Sehen Sie das?

VON RIBBENTROP: Ja, ich sehe den Brief, ja, ja.

OBERST AMEN: Dann kommen wir zum nächsten Brief vom 1. September 1937, der an Sie selbst gerichtet ist.


VON RIBBENTROP: Ja.


OBERST AMEN: Dem ein Bericht über die ersten vier Wochen eingeschlossen ist.


VON RIBBENTROP: Ja, ich habe es vor mir.


OBERST AMEN: Wir werden diesen Bericht im Moment überspringen, und dann kommt ein Brief vom 17. Dezember 1937.


VORSITZENDER: Oberst Amen, der Gerichtshof findet, daß dieses Thema sehr weit von dem entfernt ist, mit dem sich der Gerichtshof beschäftigen muß.


OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender. Mir scheint dies sehr deutlich zu zeigen, daß Abschriften desselben Berichtes, der hier beigeschlossen ist, in gleicher Weise an die Armee, an die Marine, an Raeder und an Ribbentrop geschickt wurden.


VORSITZENDER: Es stimmt, daß die erste Antwort des Zeugen war, daß sie keine gemeinsamen Agenten hatten, aber später hat er das etwas abgeändert und gesagt, daß sie wohl manchmal gemeinsam Agenten gehabt haben mögen.


OBERST AMEN: Das stimmt, Herr Vorsitzender. Wenn Sie der Ansicht sind, daß er diesen Punkt zugegeben hat... Ich möchte dies als Beweisstück US-790 vorlegen.


VON RIBBENTROP: Ja, aber ich bitte, sagen zu dürfen, es handelt sich ja hier nicht um einen Agenten. Herr Haushof er ist ein freier Mitarbeiter bei uns gewesen, der politisch interessiert war in Volkstumsfragen, in Politik überhaupt. Wenn er damals in Tokio war, und es ist zweifellos so gewesen, es ist mir im Augenblick entfallen, dann habe ich ihm gesagt, er solle mal mit verschiedenen Leuten dort sprechen und mir Berichte machen. Anscheinend hat er, was mir aber jetzt hier erst durch diese Briefe zur Kenntnis kommt, dann auch aus Geschäftigkeit, oder ich weiß nicht aus welchen Gründen, oder weil er die anderen Herren kannte, von sich aus diese [477] Berichte auch anderen Herren zugänglich gemacht. Das war aber in keiner Weise etwa ein Agent, der nun von verschiedenen Stellen angesetzt war, ich glaube, der einzige, der ihn noch näher kannte, war Rudolf Heß, ich glaube, sonst kannte ihn eigentlich, glaube ich, kaum jemand. Ich glaube, das wäre nicht ganz das richtige Bild, das ich hier geben würde. Es war ein privater Reisender, der seine Eindrücke brachte.


OBERST AMEN: Sie haben wohl dem Gerichtshof gegenüber erklärt, daß Sie Himmler nicht sehr nahe standen, nicht wahr?


VON RIBBENTROP: Ich stand mit Himmler, das habe ich immer gesagt, in den ersten Jahren gut, und in den letzten Jahren stand ich mit ihm leider nicht gut. Ich habe selbstverständlich – nach außen hat sich das weniger bemerkbar gemacht – aber ich möchte darüber nicht im einzelnen sprechen. Darüber ist ja hier schon verschiedenes gesagt worden, und es hat sich da eine sehr harte und ernste Divergenz ergeben, die aus vielen Dingen...


OBERST AMEN: Ich interessiere mich nicht für den Grund der Differenzen. In welchen Jahren kamen Sie mit Himmler gut aus?


VON RIBBENTROP: Ich habe die Frage nicht verstanden.


OBERST AMEN: In welchen Jahren kamen Sie sehr gut mit Himmler aus?


VON RIBBENTROP: Die erste Divergenz zwischen Himmler und mir kam, ich glaube, es war im Jahre 1941 über Rumänien, über Schwierigkeiten in Rumänien, das wurde dann immer wieder überbrückt und selbstverständlich mußten wir nach außen hin zusammenarbeiten, und wir haben uns auch manchmal, zu Geburtstagen und sonst, Briefe geschrieben und so weiter; aber das Verhältnis war nachher später nicht mehr so gut. 1941 war der Bruch. Vorher stand ich mit ihm gut, und ich habe auch vorher dem Gedanken, den Himmler hatte, nämlich der Beschaffung einer Führerschicht, die er anstrebte, habe ich auch positiv gegenübergestanden.


OBERST AMEN: Und Sie hatten mindestens 50 gesellschaftliche Zusammenkünfte mit Himmler in den Jahren 1940 und 1941?


VON RIBBENTROP: Wieviele?


OBERST AMEN: Fünfzig.


VON RIBBENTROP: Fünfzig? Das ist wohl sicher nicht der Fall gewesen, vielleicht fünf oder so, ich weiß es nicht. Aber seit 1941 jedenfalls wurden die Dinge schwieriger zwischen uns, und später wurden sie nicht sehr gut. Ich glaube, darüber haben andere schon ausgesagt.


OBERST AMEN: Nun, ich will nicht mehr Zeit verschwenden, aber...


[478] VORSITZENDER: Behandeln Sie die gesellschaftlichen Zusammenkünfte von Ribbentrop oder etwas anderes?


OBERST AMEN: Ja.


VORSITZENDER: Ist das ein Punkt, mit dem sich der Gerichtshof befassen muß?


OBERST AMEN: Ich muß annehmen, Herr Vorsitzender, daß jemand, der so viele Verabredungen trifft, wie diese Bücher zeigen, doch wohl sicher mit Himmler die Frage der Konzentrationslager besprochen haben wird, sowie auch die anderen Angelegenheiten, mit denen sich Himmler ausschließlich befaßte. Er hat dem Gerichtshof erklärt, daß er von Himmler niemals etwas über Konzentrationslager gehört habe.


VON RIBBENTROP: Ich wiederhole diese Erklärung hier nochmals, daß niemals Himmler mit mir über dieses Thema gesprochen hat. Und die fünfzig Zusammenkünfte – ich weiß es nicht, es wäre ja durchaus möglich gewesen, daß wir uns irgendwie oft gesehen hätten; trotz allem, aber an fünfzig Zusammenkünfte kann ich mich überhaupt nicht entsinnen. Vielleicht 5 oder 10, ich weiß es nicht; das spielt ja auch, glaube ich, keine Rolle, das ist ja nicht das Entscheidende. Selbstverständlich hatten wir auf sehr vielen Gebieten zusammenzuarbeiten, und meistens war es eine schwierige Zusammenarbeit.


OBERST AMEN: Sie hatten aber doch auch viele dienstliche Zusammenkünfte mit ihm, nicht wahr? Wollen Sie sich bitte diese Verabredungsliste aus Himmlers Notizbuch ansehen und mir sagen, ob...


VORSITZENDER: Oberst Amen! Der Gerichtshof wünscht nicht, daß Sie sich weiter mit diesem Punkt befassen.


OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender. Aber hier handelt es sich um dienstliche Zusammenkünfte, nicht um gesellschaftliche. Ich habe keine weiteren Fragen.


GENERAL RUDENKO: Angeklagter Ribbentrop! Im Laufe der letzten Sitzungen des Gerichtshofs haben Sie ausführlich über die Grundsätze der auswärtigen Politik Deutschlands gesprochen. Ich werde Ihnen einige Fragen in diesem Zusammenhang stellen und bitte Sie, mir darauf kurz mit Ja oder Nein zu antworten.

Sind Sie der Ansicht, daß der Anschluß eine deutsche Angriffshandlung war? Bitte, antworten Sie.


VON RIBBENTROP: Österreichs?


GENERAL RUDENKO: Jawohl, Österreichs.


VON RIBBENTROP: Nein, war keine Aggression, sondern der Vollzug eines Willens.


[479] GENERAL RUDENKO: Ich muß Sie bitten...


VON RIBBENTROP: Ich darf doch nach dem »Ja« wenigstens noch ein paar Sätze zufügen, nehme ich an, oder muß ich überhaupt nur noch ja und nein sagen?


GENERAL RUDENKO: Ich möchte Sie bitten, auf meine Fragen zu antworten, Sie haben sich bereits zu sehr in Einzelheiten verloren. Ich möchte kurz zusammenfassende Antworten haben, und zwar ja oder nein?


VON RIBBENTROP: Das hängt mit meinem Gesundheitszustand zusammen; ich bitte zu entschuldigen.


GENERAL RUDENKO: Ich verstehe.


VON RIBBENTROP: Den Anschluß betrachte ich als keine Aggression, also nein. Sondern ich betrachte ihn als den Vollzug des Willens der beiden Völker, die immer zusammenkommen wollten und was schon die Regierung vor Adolf Hitler angestrebt hatte.


GENERAL RUDENKO: Ich bitte Sie noch einmal, mir mit Ja oder Nein zu antworten. Betrachten Sie den Anschluß Österreichs als eine Aggression oder nicht? Sind Sie der Ansicht...

VORSITZENDER: General Rudenko, er hat eine kategorische Antwort gegeben, daß es keine Aggression gewesen sei.


GENERAL RUDENKO: Jawohl, ich verstehe, Herr Präsident.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat bereits verfügt, daß die Antworten der Zeugen sich nicht auf ja oder nein zu beschränken brauchen; sie müssen zuerst mit Ja oder Nein antworten und können dann kurze Erläuterungen abgeben, falls sie es wollen. Aber wie dem auch sein mag, im Hinblick auf diese Frage hat der Zeuge eine kategorische Antwort gegeben.


GENERAL RUDENKO: Eine zweite Frage: Sind Sie der Ansicht, daß die Annexion der Tschechoslowakei eine deutsche Aggression war?


VON RIBBENTROP: Nein, eine Aggression in dem Sinne war es nicht, sondern der Anschluß entsprach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, das 1919 von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Wilson, proklamiert wurde, und wurde auch der Anschluß des Sudetenlandes dann in München durch ein Abkommen von vier Großmächten sanktioniert.


GENERAL RUDENKO: Sie haben anscheinend meine Frage nicht verstanden. Ich fragte, ob Sie die Annexion der Tschechoslowakei, der ganzen Tschechoslowakei, als eine deutsche Aggression betrachtet haben?


VON RIBBENTROP: Nein, als deutsche Aggression in dem Sinne kann ich das nicht betrachten, sondern ich betrachte das, wie der [480] Führer mir das gesagt hat, und ich halte das wohl für richtig, als eine Notwendigkeit, die sich aus der geographischen Lage Deutschlands ergab. Diese Lage bedeutete, daß die Rest-Tschechoslowakei, die damals existierte, eine Art Flugzeugmutterschiff für Angriffe gegen Deutschland darstellte. Der Führer glaubte daher, dieses Gebiet von Böhmen und Mähren besetzen zu müssen, um das deutsche Reich vor Angriffen, vor allem auch aus der Luft – die Verbindung Prag-Berlin war eine halbe Stunde – schützen zu können. Der Führer hat mir damals gesagt, daß im Hinblick auf die Tatsache, daß zum Beispiel die USA die westliche Hemisphäre als ein gewaltiges Gebiet als ihre Interessensphäre erklärt hatten, daß Rußland ein gewaltiges Reich sei und riesige Gebiete habe und England den ganzen Erdball umfasse, sei es wohl berechtigt von Deutschland, einen so kleinen Baum als eigene Interessensphäre zu betrachten.


GENERAL RUDENKO: Sind Sie der Ansicht, daß der Angriff auf Polen eine deutsche Aggression war?


VON RIBBENTROP: Nein, ich muß da wiederum nein antworten; sondern der Angriff auf Polen war durch die Haltung der anderen Mächte unausweichbar geworden. Es wäre möglich gewesen, eine friedliche Lösung der deutschen Wünsche herbeizuführen, und ich glaube, daß der Führer diesen Weg auch gegangen wäre, wenn die anderen Mächte diesen Weg beschritten hätten. Wie die Dinge lagen, war die Situation allmählich so gespannt geworden, daß Deutschland das nicht mehr hinnehmen und auch als Großmacht nicht mehr die polnischen Provokationen hinnehmen konnte. Dadurch ist dieser Krieg dann entstanden. Primär ist nach meiner Überzeugung beim Führer nicht der Wille gewesen, Polen zu erobern.


GENERAL RUDENKO: Sind Sie der Ansicht, daß der Überfall auf Dänemark eine deutsche Aggression war?


VON RIBBENTROP: Nein, der Überfall auf Dänemark, wie er bezeichnet wird, das heißt das Eingreifen, wie wir sagen, in Dänemark war nach dem, was der Führer mir gesagt und mir dargestellt hat, eine Präventivmaßnahme gegenüber der kurz bevorstehenden Landung englischer Streitkräfte. Daß diese Nachrichten auf Wahrheit beruhten, geht ja daraus hervor, daß wenige Tage später tatsächlich zwischen englischen und deutschen Truppen Kämpfe in Norwegen stattfanden; das heißt also, es war erwiesen, daß diese englischen Truppen ja seit langer Zeit vorbereitet worden waren, um in Norwegen zu kämpfen, und aus den Akten, die später gefunden worden sind, und die dann veröffentlicht wurden, geht aus den Befehlen einwandfrei hervor, daß die englische Landung in Skandinavien bis in alle Einzelheiten vorbereitet worden war. Der Führer glaubte daher, mit einem Eingreifen Skandinavien davor zu bewahren, Kriegsschauplatz zu werden. Ich glaube nicht, daß man das daher mit Aggression bezeichnen kann.


[481] GENERAL RUDENKO: Und den Einfall in Norwegen halten Sie auch nicht für eine Aggression von deutscher Seite?


VON RIBBENTROP: Es handelte sich eben um Norwegen, über das ich sprach; es war eben Norwegen und Dänemark, eine kombinierte Aktion.


GENERAL RUDENKO: Gemeinsam mit Dänemark. Sie haben beide zusammen behandelt. Gut; richtig, ich verstehe das. Halten Sie den Überfall auf Belgien, Holland und Luxemburg für eine deutsche Aggression?


VON RIBBENTROP: Das ist die gleiche Frage. Ich muß da sagen: Nein. Ich muß dazu aber eine Erklärung abgeben.


GENERAL RUDENKO: Einen Augenblick; ich möchte Sie bitten, kürzere Erklärungen zu geben, da Sie die Grundfragen allzu ausführlich auseinandersetzen. Sie verneinen also, daß es eine Aggression seitens Deutschlands war?


VON RIBBENTROP: Der russische Anklagevertreter wird verstehen, daß es sich hier um sehr wichtige Dinge handelt, die nicht so leicht mit einem Satz abzutun sind, besonders da wir ja nicht die Möglichkeit hatten, das in allen Einzelheiten auszuführen. Ich werde mich ganz kurz fassen.


GENERAL RUDENKO: Ich verstehe, daß Sie sich schon drei Tage lang mit diesen Fragen befassen. Ich berücksichtige es.


VON RIBBENTROP: Ich werde mich jetzt ganz kurz fassen. Nach dem Polenfeldzug war die militärische Erwägung die entscheidende. Der Führer wollte die Kriegsausweitung nicht. Was Belgien und Holland anbetraf und Frankreich, so hatte Frankreich uns, nicht wir Frankreich den Krieg erklärt. Wir mußten daher gewärtig sein, daß von dieser Seite noch ein Angriff käme. Der Führer teilte mir nur damals mit, daß ein solcher Angriff auf das Ruhrgebiet zu erwarten sei. Die Akten, die später gefunden worden sind, zeigen einwandfrei vor aller Welt, daß dies auch wirklich zutreffend war. Der Führer hat sich daher entschlossen, auch hier das Prävenire zu spielen und nicht erst den Angriff auf das Herz Deutschlands abzuwarten, sondern von sich aus anzugreifen. Es war also die Zeittafel des Generalstabs, die hier in Tätigkeit trat.


GENERAL RUDENKO: Sind Sie der Ansicht, daß der Überfall auf Griechenland eine deutsche Aggression war?


VON RIBBENTROP: Der Angriff Deutschlands auf Griechenland und Jugoslawien – hierüber ist schon gesprochen worden. Ich glaube nicht, daß es im einzelnen zu erörtern wäre. Es ist hier...


GENERAL RUDENKO: Ich bin auch der Ansicht, daß es nicht nötig ist, darüber viel zu sprechen. Ich frage Sie lediglich, ob der [482] Angriff auf Griechenland eine deutsche Aggression war. Antworten Sie ja oder nein.


VON RIBBENTROP: Nein, sondern ich halte die Maßnahmen, die in Jugoslawien ergriffen wurden, und die Maßnahmen, die Griechenland durch Zurverfügungstellung von Stützpunkten und so weiter den deutschen Feinden gebracht hatte, daß diese Maßnahmen die Berechtigung eines Eingreifens Adolf Hitlers erwiesen haben, so daß man auch hier nicht mit einer Aggression in dem Sinne sprechen kann, sondern es war ganz klar, daß in Griechenland die englischen Truppen kurz vor der Landung standen, wie sie dann ja auch in Kreta stattgefunden hat und im Peloponnes, und daß der Aufstand, wie ich gestern bereits gesagt habe, in Jugoslawien gemacht worden ist von den Feinden Deutschlands, im Einvernehmen mit den Feinden Deutschlands, um von dort aus anzugreifen. Die Akten des französischen Generalstabs, die Akten, die wir gefunden haben, die später in Frankreich gefunden worden sind, haben ganz klar gezeigt, daß eine Saloniki-Landung geplant war.


GENERAL RUDENKO: Zeuge Ribbentrop! Sie haben darüber bereits in allen Einzelheiten gesprochen. Sie haben dies bereits gestern ausführlich besprochen. Wollen Sie jetzt zu meiner letzten Frage ja oder nein antworten. Sind Sie der Ansicht, daß der Angriff auf die Sowjetunion eine Aggressionshandlung ist?


VON RIBBENTROP: Im landläufigen Sinne war es keine Aggression, sondern...


GENERAL RUDENKO: Sie sagen, daß es im landläufigen Sinne des Wortes keine Aggression war. In welchem Sinne war es denn eine Aggression?


VORSITZENDER: Sie müssen ihn ausreden lassen.


VON RIBBENTROP: Darf ich dazu eine Erklärung abgeben? Ich muß ja etwas sagen können.

GENERAL RUDENKO: Sie...


VON RIBBENTROP: Der Begriff der Aggression, Herr Anklagevertreter, ist ein sehr schwieriger Begriff, über den die Völker sich heute noch nicht und in keiner Weise klar sind. Das möchte ich hier nur vorweg zum Ausdruck bringen. Es handelt sich zweifellos um ein präventives Eingreifen, um einen Präventivkrieg. Das ist ja ganz sicher, denn wir haben ja angegriffen. Das ist nicht zu bestreiten. Ich hatte gehofft, daß diese Dinge mit der Sowjetunion anders geregelt werden könnten, auf diplomatischem Weg, und habe alles in dieser Richtung getan. Die Nachrichten und die ganzen politischen Aktionen der Sowjetunion im Laufe des Jahres 1940 und 1941 bis zum Kriegsausbruch haben den Führer aber, wie er mir wiederholt sagte, zu der Überzeugung gebracht, daß früher oder später die [483] sogenannte Ost-West-Zange gegen Deutschland einsetzen würde, das heißt, daß im Osten Rußland mit seiner ungeheuren Machtentfaltung und im Westen die Vereinigten Staaten mit England zu einer gigantischen Landung sich immer weiter nach Europa vorschoben. Es war die große Sorge des Führers, daß dies eintreten würde. Hinzu kam, daß der Führer mir sagte, er habe Nachrichten, daß enge Zusammenarbeit stattfand zwischen den Generalstäben von London und Moskau. Ich weiß es nicht, ich habe solche Nachrichten persönlich nicht bekommen. Aber Berichte, Mitteilungen, die der Führer mir darüber machte, waren sehr konkreter Natur. Jedenfalls fürchtete er, mit dieser ganzen politischen Lage eines Tages in eine Situation zu kommen, die sich für ganz Deutschland katastrophal hätte auswirken können, nämlich, er wollte damit verhindern die Niederlage Deutschlands und die Zerstörung des Gleichgewichts der Kräfte in Europa.


GENERAL RUDENKO: In Ihrem Verhör haben Sie häufig ausgesagt, daß, indem Sie friedliche Ziele verfolgten, Sie es für notwendig hielten, eine Reihe von entscheidenden Fragen auf diplomatischem Wege zu lösen. Offenbar sind diese Aussagen nichts als Heuchelei, denn jetzt geben Sie selbst zu, daß Sie alle diese Angriffshandlungen seitens Deutschlands als gerechtfertigt betrachten.


VON RIBBENTROP: Nein, das habe ich nicht damit gesagt, sondern ich habe nur gesagt, daß es sich um keine Aggression handelt, Herr Anklagevertreter, und zwar habe ich erklärt, wie dieser Krieg zustandegekommen ist und wie er sich weiter entwickelt hat, daß ich versucht habe, sowohl bei Ausbruch des Krieges in der Polenkrise alles zu tun, um den Krieg zu verhindern, das wird auch außerhalb dieses Gerichtssaales eines Tages die Geschichte feststellen können; daß ich auch weiter versucht habe, die Kriegsausweitung zu verhindern. Das, glaube ich, wird man auch feststellen können. Deshalb möchte ich zusammenfassend nochmals sagen, daß der Kriegsausbruch hervorgerufen war durch Umstände, die zum Schluß selbst gar nicht mehr in der Hand Hitlers lagen, sondern er konnte gar nicht mehr anders als schließlich so handeln, und bei der Kriegsausweitung waren es auch Umstände, die ihm dann von hauptsächlich militärischen Erwägungen vorgeschrieben wurden im höchsten Interesse seines Volkes.


GENERAL RUDENKO: Es ist klar, jetzt bitte ich Sie mir folgende Frage zu beantworten:

Sie haben dem Gerichtshof unter der Nummer 311 ein Dokument vorgelegt. Es ist eine von Ihnen verfaßte Charakteristik Hitlers, betitelt: »Die Persönlichkeit des Führers«. Sie haben dieses Schriftstück erst vor kurzem verfaßt, ich werde es Ihnen nicht vorlegen. Sie werden sich daran erinnern, da Sie es kürzlich selbst geschrieben haben.


[484] VON RIBBENTROP: Nein, darf ich es vielleicht einmal einsehen? Ich weiß nicht, um was es sich hier handelt.


GENERAL RUDENKO: Es ist das Dokument, das Sie Ihrem Verteidiger vorgelegt haben, und zwar Dokument Nummer 311, Ribbentrop 311. Es wurde von Ihrem Verteidiger dem Gerichtshof vorgelegt. Auf Seite 5 des Dokuments...


VON RIBBENTROP: Darf ich nicht eine Kopie des Dokuments haben?


GENERAL RUDENKO: Es ist das Dokument Nummer drei, eins, eins.


VORSITZENDER: Es kann dem Gerichtshof nicht unter 111 ohne weitere Bezeichnung vorgelegt worden sein. Ist es 111-PS oder 111?


GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Es ist ein Dokument der Verteidigung, das unter der Nummer Ribbentrop-311 vorgelegt wurde. Wir besitzen lediglich eine russische Übersetzung, die wir zusammen mit dem deutschen Dokumentenbuch erhalten haben. Ich habe angenommen, daß dem Gerichtshof dasselbe Dokument ebenfalls vorgelegt wurde.


VORSITZENDER: Es ist R-111 oder Ribbentrop-111. Das meinen Sie. Es ist nicht 111, sondern Ribbentrop-111.


GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Es ist das Dokument 311.


VORSITZENDER: Jawohl, ich habe das Dokument jetzt gefunden. Es ist im Dokumentenbuch Nummer 9 enthalten.


GENERAL RUDENKO: Darf ich jetzt fortfahren, Herr Vorsitzender?


VORSITZENDER: Jawohl.


GENERAL RUDENKO: Auf Seite 5 dieses Dokuments sagen Sie zur Charakterisierung Hitlers folgendes:

»Nach dem Sieg über Polen und im Westen gingen durch Einflüsse, die ich hauptsächlich auf Himmler zurückführe, seine Pläne weiter, das heißt in die Richtung der Herstellung einer hegemonialen Stellung Deutschlands in Europa.«

Angeklagter Ribbentrop! Erinnern Sie sich dieses Auszuges aus dem Dokument, das von Ihnen selbst verfaßt wurde?

VON RIBBENTROP: Darf ich es mal sehen, dieses Dokument, ich kenne es nicht.

GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Ich würde Herrn Dr. Horn, den Verteidiger des Angeklagten Ribbentrop, bitten, das Dokument seinem Klienten vorzulegen.


[485] DR. HORN: Herr Präsident! Es handelt sich bei diesem...


VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte.

Dr. Horn! Der Gerichtshof glaubt, daß dieses Dokument ganz unerheblich ist. Es handelt sich anscheinend um ein vom Angeklagten Ribbentrop über die Persönlichkeit Hitlers verfaßtes Schriftstück. Ich weiß nicht, wo es vorbereitet wurde, aber es scheint uns unerheblich zu sein.


DR. HORN: Ja, Herr Präsident. Ich bin auch der Meinung, daß es unerheblich ist. Ich hatte nämlich das Dokument nur deshalb in das Dokumentenbuch gebracht, falls dem Angeklagten keine Gelegenheit gegeben würde, hier über sein Verhältnis zu Hitler ausführlich zu sprechen. Nachdem ihm die Gelegenheit gegeben worden ist, ziehe ich das Dokument zurück.


VORSITZENDER: General Rudenko, der Gerichtshof betrachtet dieses Dokument als vollkommen unerheblich.


GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Dieses Dokument wurde im Dokumentenbuch der Verteidigung dem Gerichtshof vorgelegt. Es ist ein Schriftstück, das vom Angeklagten Ribbentrop im Laufe des Gerichtsverfahrens verfaßt wurde. Alle Anklagevertreter waren der Meinung, daß das Dokument zulässig wäre, da dieses Dokument und seine Anerkennung durch den Angeklagten Ribbentrop uns berechtigen würde, zahlreiche Fragen zu stellen. Wenn der Gerichtshof jedoch das Dokument als unerheblich erachtet, so will ich keine diesbezüglichen Fragen stellen.


VORSITZENDER: Wir hatten bisher keine Gelegenheit, über die Zulässigkeit dieser Dokumente zu entscheiden. Wir haben sie heute morgen zum ersten Male gesehen. Wir alle erachten dieses Dokument als unerheblich.


GENERAL RUDENKO: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich verstehe.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ich möchte einige Fragen über den deutschen Angriff auf Jugoslawien stellen. Ich bitte Sie, sich das Dokument 1195-PS anzusehen, das die Überschrift trägt: »Vorläufige Richtlinien für die Aufteilung Jugoslawiens«. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf den vierten Absatz des ersten Teils dieses Dokuments. Es heißt da wie folgt: »Der Führer hat für die Aufteilung Jugoslawiens...« Haben Sie die Stelle gefunden?

VON RIBBENTROP: Auf welcher Seite ist das bitte?

GENERAL RUDENKO: Auf der ersten Seite, Absatz 4. »Der Führer hat für die Aufteilung Jugoslawiens folgende Richtlinien erteilt...«


[486] VON RIBBENTROP: Ich muß das falsche Dokument haben.

GENERAL RUDENKO: Es ist das Dokument 1195-PS.


VON RIBBENTROP: Jawohl, der Anfang, ja.


GENERAL RUDENKO: Also:

»Der Führer hat für die Aufteilung Jugoslawiens folgende Richtlinien gegeben:

Die Übergabe des von den Italienern besetzten Gebietes wird durch ein Schreiben des Führers an den Duce vorbereitet und nach näherer Anordnung des Auswärtigen Amtes durchgeführt werden.«

Haben Sie die Stelle gefunden?

VON RIBBENTROP: Nein, ich sehe das nicht.

GENERAL RUDENKO: Seite 1, Absatz 4, der mit den Worten beginnt: »Der Führer...«


VON RIBBENTROP: Jawohl.


GENERAL RUDENKO: Ich habe diesen Absatz bereits verlesen.


VON RIBBENTROP: Es fängt an: »Der Führer hat für die Aufteilung Jugoslawiens folgende Richtlinien gegeben.« So fängt das Dokument an. Darf ich bitten... Wo ist nun die Stelle, die Sie zitieren?


GENERAL RUDENKO: Sie endet mit folgenden Worten: »... nach näherer Anordnung des Auswärtigen Amtes durchgeführt werden.« Weiter ist auf ein Fernschreiben des OKH Generalquartiermeister verwiesen.


VON RIBBENTROP: Das muß ein Irrtum sein. Hier steht das nicht.


GENERAL RUDENKO: Wahrscheinlich haben Sie es im Dokument nicht gefunden.


VORSITZENDER: General Rudenko! Es ist jetzt 12.45 Uhr. Vielleicht wäre es besser die Sitzung zu vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 10, S. 446-488.
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