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[687] Aus der Geschichtsliteratur über die letzten Hasmonäer hat sich außer den Berichten des Josephus, die zum großen Teil aus externen Quellen geschöpft sind, fast gar nichts erhalten. Es ist daher interessant, daß uns der Talmud ein Bruchstück aus einem größern Geschichtswerke gerettet hat, das dazu dienen kann, Josephus zu berichtigen und zugleich eine Anschauung von dem hebräischen Geschichtsstil aus jener Zeit zu geben. Das Bruchstück lautet: (Kidduschin 66 a):
97תילחוכל ךלהש ךלמה יאני[ב השעמ]
ההמש חמש היה ותרזחבו םיכרכ םישש םש שביכו רבדמבש םילכוא ויה וניתובא םהל רמא .לארשי ימכח לכל ארקו הלודג לכאנ ונא ףא שדקמה תיב ןיינבב םיקוסע ויהש ןמזב םיחולמ בהז לש תונחלוש לע םיחולמ ולעהו .וניתובאל רכז םיחולמ הריעופ ןב רזעלאו לעילבו ער בל ץל דחא שיא םש היה .ולכאי לש םבל ךלמה יאני .ךלמה יאניל הריעופ ןב רזעלא רמאיו .ומש םיקה .ךיניע ןיבש ץיצב םהל םקה ?השעא המו .ךילע םישורפ .ומש הידידג ןב הדוהיו דחא ןקז םש היה .ויניע ןיבש ץיצב םהל רתכ חנה תוכלמ רתכ ךל בר ךלמה יאניל הידידג ןב הדוהי רמאיו .םיעידומב תיבשנ ומא םירמוא ויהש .ןורהא לש וערזל הנוהכ רמאיו .םעזב לארשי ימכח ולדביו .אצמנ אלו רבדה שקוביו ךכ לארשיבש טוידה ךלמה יאני :ךלמה יאניל הריעופ ןב רזעלא ?השעא המו ?ךניד אוה ךכ לודג ןהכו ךלמ אוה התאו וניד אוה ןב רזעלא ידי לע הערה ץצותו ... םסמור יתצעל עמוש התא םא אבש רע םמותשמ םלועה היהו לארשי ימכח לכ וגרהיו הריעופ הנשויל הרותה תא ריזחהו חטש ןב ןועמש
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Diese Relation tradiert zwar ein Amora des 4. Jahrh. Aber sie ist entschieden alt und muß in einem Geschichtswerk enthalten gewesen sein. Der althebräische Geschichtsstil ist noch ganz lebendig eingehalten, ein Stil, der in der talmudischen Lit. sonst nicht mehr wiederkehrt. Mündlich kann sich eine solche Darstellung nicht rein erhalten. Allerdings ist darin Johann-Hyrkan mit Jonathan, Jannaï-Alexander, zum Schlusse konfundiert. Aber diese Verwechselung kann von dem Zitator herrühren. Das Wort םיקה hat hier die eigentümliche Bedeutung: auf die Probe stellen, wenn das Wort nicht korrumpiert ist. Josephus' Bericht über diesen Vorfall (Altert. XIII, 10, 5-6) stimmt mit diesem Bruchstück in den wesentlichsten Punkten überein. Auch nach seiner Relation brach die Spaltung bei einem Mahle aus: καλέσας αὐτοὺς (Φαρισαίους) ἐφ᾽ ἱστίασιν, und die Pharisäer hätten an Hyrkan das Ansinnen gestellt, die Hohepriesterwürde niederzulegen, weil seine Mutter zur Zeit des Antiochos Epiphanes zur Gefangenen gemacht worden sei: τὴν ἀρχιερωσύνƞν ἀπόϑου ... ὅτι ἀκούομεν παρὰ τῶν πρεσβυτέρων, αἰχμάλωτόν σου γεγονέναι τὴν μƞτέρα. Nur in den Eigennamen weicht Josephus ab. Nach [687] ihm war Eleasar ein Pharisäer und der aufreizende Ratgeber war der Sadducäer Jonathan. Die dunkle Stelle in dem Bruchstücke: »Ein Gemeiner in Israel würde dieses Recht genießen, und ein König in Israel sollte nur dasselbe Recht haben,« erhält ihre Erläuterung aus Josephus' Parallele. Hyrkan war erbittert wegen der geringen Strafe von Geißelhieben und Haft, welche die Pharisäer (richtiger das pharisäische Synhedrion) über den Verläumder der Ehre seiner Mutter verhängt hatten; er hatte erwartet, daß sie denselben zum Tode verurteilen würden: Τοῖ δὲ Υρκανοῠ τοὺς Φαριοαίους ἐρομένου, τίνος αὐτὸν ἄξιον ἡγοῠνται τιμωρίας ... »πλƞγῶν«, ἔφαοαν, »καὶ δεομῶν«. Auf welcher Seite in den Divergenzen die geschichtliche Wahrheit ist, läßt sich nicht entscheiden. Aber sicherlich geht aus der Übereinstimmung hervor, daß beide Relationen aus einer und derselben Quelle geflossen sind. Könnte man Josephus glauben, daß er vor der Abfassung der Bücher über den jüdischen Krieg die Geschichte in hebräischer Sprache für die Judäer in Barbarenländern, d.h. in Babylonien und Parthien geschrieben habe (Prooem. zu jüd. Kr. I, 1: ἅ τοῖς ἄνω βαρβάροις τῇ πατρίῳ (γλώσσς) ουντάξας ὰνέπεμ$α πρότερον) so könnte man annehmen, daß dieses Bruchstuck aus seiner hebräisch-judaischen Geschichte sich erhalten hat. Allein Josephus verrät nicht selten völlige Unkunde des Hebräischen. – Der Eleasar, der nach beiden Quellen den ersten Anstoß zu Hyrkans Zerwürfnis mit den Pharisäern gegeben, ist vielleicht identisch mit jenem Eleasar ben Pachura, von dem in einer gewiß glaubwürdigen Notiz erzählt wird, er habe mit seinem Bruder Juda unter Hyrkan den Zehnten mit Gewalt an sich gerissen (Jerus. Sota p. 24 a und Parall): ןב הדוהיו הרוחפ ןב רזעלא אבשמ עורזב ןתוא ןילטונ ויה הרוחפ. Die Lesart in betreff des Vaternamens von Eleasar schwankt zwischen הרוחפ und הרוכפ, und könnte ebenso הריעופ gelautet haben. – Wie sich Hyrkan gegen die Pharisäer nach seinem Abfall benommen, darüber differieren ebenfalls die beiden Quellen, und beide scheinen die ursprüngliche Tatsache mit den spätern Vorgängen verwechselt zu haben. Nach dem Bruchstücke hätte Hyrkan die Pharisäer hinrichten lassen. Diese Wendung steht aber mit dem Passus in Widerspruch: לארשי ימכח ולדביו םעזב. Josephus weiß nichts von Hyrkans blutiger Verfolgung gegen die Pharisäer, aber er hat ein anderes Faktum, daß Hyrkan die pharisäischen Gesetzesbestimmungen zu beobachten verboten und die Übertretung des Verbots bestraft hätte: καὶ τά τε ὑπ᾽ αὐτῶν (Φαρισαίων) κατασταϑέντα νόμιμα τῷ δἠμῳ καταλῠοαι καὶ τοὺς φυλάττοντας αὐτὰ κολάσαι (vergl. Altert. XIII, 10, 6). Das liefe auf dasselbe hinaus. Denn die Pharisäer haben wohl dieses Verbot mißachtet und können wohl deswegen der von Hyrkan verhängten Strafe verfallen sein. Möglich aber, daß dieser Passus לארשי ימכח לכ וגרהיו sich nicht auf Hyrkan, sondern auf Alexander Jannaï bezieht, der allerdings die Pharisäer hatte hinrichten lassen.
Hier ist auch der Ort, auf Hyrkans Verordnungen einzugehen, wozu auch die sogen. תוגוז gehören, und eine irrtümliche Auffassung dabei zu berichtigen. Die Mischna tradiert: Jochanan der Hohepriester (Hyrkan) habe das Bekenntnis für die Darbringung der Zehnten aufgehoben, und zu seiner Zeit brauchte Niemand zweifelhaft zu sein, ob von dem gekauften Getreide der Zehnte abgesondert worden sei (Sota IX, 11): םדא ןיא וימיבו ... רשעמה תוידוה תא ריבעה לודג ןהכ ןנחוי יאמדה לע לואשל ךירצ. Das letztere will offenbar angeben, daß er solche Vorkehrungen getroffen hatte, daß zweifelhaft Verzehntetes gar nicht vorkommen konnte. Damit stimmt auch die Fassung in der Tosefta (das. XIII.) überein: 1.) יאדוה לע רזג (ג"כ ןנחוי אוה ףא יאמדה תא לטבו (יודיו. Die Geschichte, [688] welche daselbst darauf bezüglich tradiert wird, weist auch darauf hin, daß infolge von Hyrkans Verordnung gar kein Zweifel über die vorschriftsmäßige Verzehntung aufkommen konnte. Welche Vorkehrung hatte er getroffen? Jer. z. St. und Maasser Scheni (Ende) ist dabei angegeben: תוגוז דימעהש ,יאמדה לע לואשל ךירצ םדא ןיא וימיב. Unmöglich kann es bedeuten, er habe Synhedrialpaare eingesetzt, wie es bisher meistens aufgefaßt wurde: auch ich habe früher diesen Irrtum geteilt. Denn in wie fern hätten die zwei Vorsitzenden des Synhedrion die Vernachlässigung der Verzehntung verhüten können? Josephus berichtet, daß – mindestens zu seiner Zeit – zwei Leviten, als untergeordnete Beamte, jedem Amte beigegeben waren98. Es waren wahrscheinlich die Vollstrecker der Gesetze und Verfügungen. Es ist nicht zu verkennen, daß unter תוגוז eben solche zwei Beamte zu verstehen sind; תוגוז דימעה, heißt dann einfach: er stellte an oder ernannte ein Paar. Indem Hyrkan in jedem Bezirke solche anstellte, um die Ausführung der Vorschriften für Hebe (המורת) und Zehnten (תורשעמ) zu überwachen, konnte auch der skrupulöseste Pharisäer ohne Bedenken Getreide vom ersten besten kaufen, weil die angestellten Leviten – auch im eigenen Interesse – für die pünktliche Ausführung Sorge getragen haben werden. Man brauchte also zu Hyrkans Zeit sich um etwa unverzehntetes Getreide (יאמד) nicht zu kümmern; es gab zu seiner Zeit kein Demaï. Im babyl. Talmud (Sota 48 a) ist die Tradition aber mißverstanden worden, als wenn Hyrkan eingeführt hätte, daß jeder Käufer zweifelhaft verzehntetes Getreide von Landleuten verzehnten müßte: ץראה ימע לש יאמד לע רזנו. Möglich, daß die zwei genannten Ben-Pachura zu diesen von Hyrkan ernannten Aufsichtspaaren gehört haben und den Zehnten brutal eingetrieben haben.
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