[384] So viel auch in neuester Zeit für die Chronik getan wurde, um die von der rationalistischen Schule ihr angeheftete Schmach zu tilgen und ihr eine gewisse quellenmäßige Bedeutung zu vindizieren – was namentlich von Bertheau geschehen ist – so bleibt doch viel Rätselhaftes in ihr. Die zwei Hauptteile, woraus sie besteht, die genealogischen Reihen und die Geschichte der Könige aus dem Hause Davids, scheinen völlig überflüssig zu sein. Mögen die Genealogien echt und richtig sein, so sieht man nicht ein, zu welchem Zwecke der Verf. sie dem Leser hat vorführen wollen. Mögen die geringen Zusätze zur Königsgeschichte quellenmäßig historisch sein, bedeutend sind sie keineswegs. Der Hauptinhalt der Geschichte ist aus den Büchern Samuel und Könige bekannt. Wozu hat der Verf. das Bekannte noch einmal vorgeführt? Er wollte doch etwa nicht die genannten Bücher verdrängen oder ihnen Konkurrenz machen? Man sagt, der Zweck sei gewesen, eine den Bedürfnissen seiner Zeit entsprechende Darstellung der Geschichte des Volkes Israel, besonders des südlichen Teils, mit dem theokratischen oder priesterlich-levitischen Maßstab gemessen, zu geben. Allein weder ist das Bedürfnis nach einer anderen Auffassung der Geschichte nach gewiesen, noch ist dieses durch die Darstellung befriedigt, da das geschichtlich Neue darin sich auf ein Minimum beläuft, die Genealogien aber scheinbar wertlos sind.
Man muß danach einen anderen Maßstab aufsuchen, an dem der Wert der Chronik gemessen werden kann, oder vielmehr der Lehrzweck ihres Inhaltes muß ermittelt werden. Denn daß der Verfasser seinen Zeitgenossen irgendeine Belehrung hat bieten wollen, welche sie aus den bereits genannten Geschichtsbüchern nicht hätten schöpfen können, liegt auf der Hand. Auch mit den Genealogien muß er diesen Zweck verfolgt haben. Geht man von diesem Gesichtspunkte aus, dann dürfte sich die Tendenz beider Hauptteile der Chronik, der genealogischen, wie der historischen Partien, ermitteln lassen. Es gilt gegenwärtig unter den meisten Auslegern als eine unstreitige Tatsache, daß die Chronik nebst Esra-Nehemia nur ein einziges Buch bildet, und daß alle drei von einem und demselben Verfasser komponiert worden sind, eine Tatsache, die sich zwar von selbst aufdrängt, aber doch erst um 1834 zu gleicher Zeit von Movers (kritische Untersuchungen über die Chronik) und von Zunz (in den gottesdienstlichen Vorträgen) ins Licht gesetzt worden ist. Ebenso wird die Abfassungszeit der Chronik zu Ende des Perserreiches gegenwärtig fast allgemein [384] angenommen. Der Verfasser hat also in der nachnehemianischen Zeit seinen Zeitgenossen ein Buch in die Hand geben wollen, woraus sie eine für sich ersprießliche Lehre oder einen Fingerzeig entnehmen sollten. Was hat er ihnen bieten wollen?
Gehen wir zuerst von den Genealogien aus, welche einen Hauptbestandteil des Dreibuches Chronik–Esra–Nehemia bilden. Es ist nicht zu verkennen, daß das genealogische Verzeichnis Chronik I, 9, 1-17 sich vollständig mit Nehemia 11, 3-19 deckt und zu einer und derselben Zeit, und zwar während Nehemias erster Landpflegerschaft aufgestellt wurde. Die scheinbare Divergenz beruht lediglich auf Varianten und Lückenhaftigkeit in dem einen oder anderen Buch. Bertheau hat die Identität beider Verzeichnisse sachgemäß und mit unwiderleglichen Gründen verteidigt gegen Keil, welcher sie in zwei verschiedene Zeiten setzt, das eine in die vorexilische und das andere in die nachexilische Zeit, gegen Zunz, welcher das chronistische Verzeichnis nur als eine Kopie des Nehemianischen ansieht, und gegen Herzfeld, der die ungefähre Gleichzeitigkeit beider zwar zugibt, aber die chronistische um etwas später ansetzt. Da es hier darauf ankommt, die Einerleiheit und Gleichzeitigkeit beider Verzeichnisse recht augenscheinlich zu machen, so seien sie hier parallel nebeneinander gestellt, woraus auch die Lücken in dem einen oder in dem anderen Verzeichnis erkennbar werden können:
[386] Deutlich genug ergänzen beide Verzeichnisse einander. Es werden Familien und Vaterhäuser aufgezählt, und zwar von Judäern, Benjaminiten und auch vom Stamme Ephraim und Manasse, ferner Ahroniden, eigentliche Leviten (o. S. 356 f.), Sänger und Torwärter. Die Judäer sind in drei Gruppen geteilt, Pharesiten, Siloniten und Serachiten (fehlt in Nehemia). Von Benjaminiten sind, wenn man beide Verzeichnisse zusammenfaßt, ebenfalls drei Gruppen, Salu, Gabaï-Salaï und Jibnija ben Jerocham (von der Familie Jerocham). Von den Ahroniden drei Gruppen Jedaja, Jojarib und Jachin, d.h. wohl alle ohne Ausnahme, ferner von der Abteilung Paschchur und Immer nur je eine Familie. Endlich die Familien von den drei levitischen Abteilungen. Indes selbst wenn man beide Verzeichnisse kombiniert, sind auch noch Lücken bemerkbar. Bei einigen ist die Zahl der Glieder oder Individuen angegeben, die sich in Jerusalem niedergelassen. So bei den ילס יבג, ץרפ ינב, חרז ינב und anderen. Wahrscheinlich war die Zahl bei allen angegeben und nur von den Kopisten vernachlässigt worden. Manche Verse scheinen versetzt. So gehört in Nehemia V. 6, die Angabe der Zahl der Pharesiten, zu V. 4 und ebenso V. 18 zu VV. 15-16, nämlich die Angabe der Zahl der liturgischen Leviten. Bei manchen ist angegeben, wer an ihrer Spitze stand, oder wer von ihnen einen Posten einnahm. Diese Bemerkung war wahrscheinlich ursprünglich ebenfalls bei allen hinzugefügt. In Neh. V. 22 ist noch angegeben, wer Aufseher über die Leviten oder eigentlich die Sänger war.
Wozu ist aber so ausführlich berichtet, daß die und die Gruppen der verschiedenen Klassen sich in Jerusalem angesiedelt haben? In Nehemia ist die Antwort auf diese Frage erteilt. Als Nehemia die Mauern Jerusalems vollendet hatte, fand er, daß nur wenige Bewohner darin weilten (7, 14). Darauf wird erzählt (11, 1), daß die Fürsten sich in Jerusalem niederließen. Aber diese allein konnten doch die Stadt nicht ausfüllen. Da loste das Volk, daß je der zehnte Teil sich in Jerusalem niederlassen und neun Teile auf dem Lande bleiben sollten. Einige Familien haben sich aber freiwillig erboten, auch wenn das Los sie nicht getroffen hatte, sich in der heiligen Stadt niederzulassen, und das Volk pries sie (11, 3): םישנאה לכל םעה וכרביו םילשוריב תבשל םיבדנתמה. Diese freiwilligen Ansiedler sind nun in den beiden Verzeichnissen aufgezählt, nämlich von judäischen, benjaminitischen, ahronidischen und levitischen Familien aller drei Abteilungen. Ja selbst vom Stamme Ephraim und Manasse, die aus dem Exile mit in Judäa eingewandert waren, haben sich ebenfalls in Jerusalem ansässig gemacht (vergl. o. S. 12, Anm. 1): השנמו םירפא ינב ןמ. Da ihrer wohl nicht allzuviel waren, so werden diese Familien nicht ausführlich aufgezählt.
Die Verzeichnisse weisen also notwendig auf die Nehemianische Zeit hin. Denn nur in dieser mußte für die Bevölkerung Jerusalems gesorgt werden, weil die Hauptstadt vor seiner Ankunft durch die halbe Zerstörung so ziemlich menschenleer geworden war. Für eine andere Zeit hat diese Aufzählung gar keinen Sinn. Zur Ergänzung des Verzeichnisses ist noch Nehemia V. 20 angegeben, daß die übrigen, die hier nicht aufgezählt sind, auf dem Lande blieben: ראשו ותלחנל שיא הדוהי ירע לכב םיולה(ו) םינהכה לארשי. Das Verzeichnis der Landstädte, worin diese gewohnt haben, ist sachgemäß das. VV. 25-36 aufgeführt. Auch die Bemerkung, daß die Nethinim in der Ophla wohnten, d.h. sich daselbst wieder niedergelassen hatten (V. 21), ist nicht überflüssig in dieser Aufzählung. Das ganze Kapitel 11 Nehemia handelt also von der [387] freiwilligen Ansiedlung der Geschlechter in Jerusalem, und auch das 9. Kapitel Chronik handelt von derselben Tatsache. Beide Verzeichnisse haben daher die gleiche Aufschrift
םינהכה לארשי - םהירעב םתזחאב רשא - םינושארה םיבשויהו ... םיניתנהו םיולה
ובשי הדוהי ירעבו - םלשוריב ובשי רשא הנידמה ישאר הלאו ינבו םיניתנהו םיולהו םינהכה לארשי - םהירעב ותזחאב שיא .המלש ידבע
Diese beiden Verse, deren Konstruktion unbeholfen scheint, ergänzen und erklären einander. Sie geben beide die Häupter des Landes an, die sich zu allererst – freiwillig – in Jerusalem niedergelassen hatten, nämlich Israeliten, Ahroniden, Leviten, Nethinim und Sklaven. – Die beiden letzten Klassen gehörten selbstverständlich nach Jerusalem. – Bemerkt ist dabei, daß eben diese Gruppen früher auf dem Lande gewohnt hatten, eine jede in einer der ihnen zugehörigen Städte. Sie hatten aber diese ihre Wohnsitze verlassen, um nach Jerusalem überzusiedeln. In der Chronik muß man die in der Parallele erhaltenen Worte םלשוריב und ובשי ergänzen, dann lautet der V. verständlich: [ובשי] רשא םלשוריב םינושארה םיבשויהו 'וגו םינהכה לארשי-םהירעב םתזחאב. In Nehemia muß man den Satz הדוהי ירעבו als Relativum ansehen, wie in der Parallele, dann erhält dieser Vers denselben abgerundeten Sinn: רשא הנידמה ישאר הלאו, םלשוריב ובשי und als Zwischensatz םהירעב ותזחאב שיא ובשי הדוהי ירעבו. Das zweite Verbum ובשי hat Plusquamperfektbedeutung. »Sie hatten gewohnt in den Städten Judas, und siedelten sich (infolge freien Entschlusses) in Jerusalem an.«
Da nun das Verzeichnis in der Chronik nur die Geschlechter aufzählt, welche sich in Nehemias Zeit in Jerusalem niedergelassen hatten, so gehören die darauffolgenden VV. 18-32 ebenfalls der Ordnung nach in diese Zeit. Sie geben folgendes an. Die vier genannten Torwärterfamilien hielten Wache an vier Seiten der Tore. An ihrer Spitze stand Schallum oder Meschelemjahu (vergl. das. 26, 1). Diese Einrichtung stamme aus uralter Zeit (V. 20, 22b). Die übrigen zu der Torwärterklasse gehörenden Leviten wohnten nicht in Jerusalem, sondern auf dem Lande, pflegten aber je eine Woche zum Dienste nach Jerusalem zu kommen (V. 25). תעמ םימיה תעבשל אבל םהירצחב םהיחאו הלא םע תע לא. Dann ist angegeben, daß diese Torwärterabteilung außerdem noch Funktionen im Tempel hatte, das Getreide vom gesammelten Zehnten zu bewahren, die Tore jeden Morgen zu öffnen, die Gerätschaften aufzubewahren, Wein, Öl, Weihrauch und Spezereien zu überwachen, die Brotfladen und die Schaubrote zu backen (26b–32). V. 30 ist eine Nebenbemerkung, daß das Räucherwerk nicht von den Leviten, sondern den Ahroniden bereitet zu werden pflegte. V. 33 ist bekanntlich sehr rätselhaft, es ist da von den Sängern die Rede, während die vorhergehenden 15 Verse lediglich von den Torwärtern handelten. Man ist also genötigt םיררשמה in םירעשה zu emendieren. Dann gibt der V. etwas Neues. Diejenigen Torwärter, welche die oben aufgezählten Funktionen hatten, waren frei vom Wachedienste; denn sie mußten Tag und Nacht ihrem eigenen Geschäfte weihen. הלאו הלילו םמוי יכ םירוטפ תוכשלב םיולל תובא ישאר םירעשה הכאלמב םהילע. Auch der Schluß dieses Kapitels gibt deutlich an, daß es von den Gruppen und Familien handelt, welche sich (in Nehemias Zeit) in Jerusalem niedergelassen hatten – zuerst abschließend (V. 34a): םתודלתל םיולל תובא ישאר הלא[388] , dann zum Thema zurückkehrend: םילשוריב ובשי הלא םישאר (so muß man mit LXX abteilen). Dieses םישאר bezieht sich nicht auf die Leviten, sondern auf sämtliche Häupter und Vaterhäuser, die sich in Jerusalem niedergelassen hatten. Bertheau hat diesen V., sowie den gleichklingenden 8, 28 mißverstanden.
Aber wozu führte der Chronist das Verzeichnis der Vaterhäuser, welche sich in Jerusalem angesiedelt hatten, zweimal auf? Auch diese Wiederholung findet ihre Erklärung. In Neh. (7, 5) ist angegeben: als Nehemia über die Bevölkerung der verödeten Stadt nachsann, habe ihm Gott eingegeben, vorher sich das Abstammungsregister der Familien vorlegen zu lassen, welche aus Babel zurückgekehrt waren. Da er dieses als eine göttliche Eingebung betrachtete, so liegt darin, daß er damit die Reinheit der Familien prüfen wollte (vergl. o. S. 137, Anm. 5). Bei dieser Prüfung hat er 642 Israeliten der ינב היבוט ינב הילד ינב אדוקנ ausgeschieden, weil sie ihre reine Abstammung nicht nachzuweisen vermochten (7, 61, 62) ולכי אלו םה לארשימ םא םערזי םתבא תיב דיגהל. Ebenso hat er zwei ahronidische Familien vom Priestertum entfernt (V. 63 bis 64): אצמנ אלו םישחותמה םבתכ ושקב הלא. Unzweifelhaft hat Nehemia auch die jüngeren ausgeschieden, welche zu seiner Zeit aus Mischehen geboren waren. Diese waren zurzeit bekannt und brauchten nicht aufgezählt zu werden, oder sind in Esra 10, 18-43 aufgeführt. Er hat also zur Ansiedlung in Jerusalem nur solche Familien zugelassen, die ihre reine Abstammung nachweisen konnten, oder welche ihre Abstammungsliste םישחיתמה םבתכ vorzeigen konnten. Bei der Ansiedlung in Jerusalem war also das Genealogisieren unerläßlich. Daher geht dem Verzeichnis der Ansiedler in der Chronik die Bemerkung voraus (9, 1): ושחיתה לארשי לכו, d.h. sie haben ihre reine Abstammung beurkundet. Das Geschäft des שחיתה war also in dieser Zeit von großer Wichtigkeit und wird daher nur in den drei Teilen des Buches, Chro nik–Esra–Nehemia, gebraucht. Es bedeutet als Verbum zunächst: die reine Abstammung angeben. In diesem Sinne wird es im Neuhebräischen gebraucht סוהי und ןישחוי, urkundlich reine Abstammung. Dann bedeutet es überhaupt die Abstammung auf ein Vaterhaus oder die Familie zurückführen. םתודלתל שחיתה (Chr. I, 5, 7; 7, 9. Esra 8, 1-3), ferner überhaupt eine Volkszählung vornehmen, wobei die Abstammung mit erwähnt wurde (Chr. I, 5, 17; 7, 7). Einer, der seine Abstammung anzugeben imstande ist, hat einen Vorzug vor einem Obskuren, der kein Stammregister hat. In diesem Sinne ist שחיתה ebenfalls (das. 5, 1) gebraucht הרוכבל שחיתהל אלו, »nicht etwa um einen Vorzug für das Erstgeburtsrecht zu genießen«. Die Stammregister wurden, wie es scheint, in eine Chronik eingetragen (9, 1): לע םיבותכ םנהו ושחיתה לארשי לכו הדוהיו לארשי יכלמ רפס8. Was in der Chronik durchweg הדוהיו לארשי יכלמ רפס genannt wird, das wird in Könige angeführt als יכלמל םימיה ירבד רפס. Vergl. Neh. 12, 23 םימיה ירבד רפס לע םיבותכ תובאה ישאר יול ינב (o. S. 359). Damit ist das rätselhafte שחיתהל (Chr. II, 2, 15) שחיתהל הזחה ודעו... ירבדב zu erklären, es muß dazu םימיה ירבד ergänzt werden.
Aus dem bisher Ermittelten steht die Tatsache fest, daß der Nachweis eines Stammregisters erst unter Nehemia eingeführt wurde, um die [389] fleckenlose Abstammung zu dokumentieren. Denn diese Beweisführung für die Reinheit war durch die Vermischung mit den Nachbarvölkern notwendig geworden. Wer unter Nehemia die Erlaubnis erhalten sollte, in Jerusalem zu wohnen, mußte diesen Nachweis führen, und es wurde vorausgesetzt, daß er ihn geführt hat.
Versetzen wir uns nur ein Jahrhundert nach Nehemia, in die Zeit, in welcher der Verfasser die Chronik geschrieben hat. Damals war das Judentum noch viel rigoroser geworden. Auf Familienreinheit wurde außerordentlich viel gegeben. Ob schon damals das Gesetz eingeführt war, ein Ahronide, der heiraten will, müsse vorher sorgfältige Erkundigungen über die Familienreinheit seiner Braut einziehen (Kiddusch IV, 4): היול... תוהמא עברא הירחא קודבל ךירצ תנהכ השא אשנה תרחא דוע ןהילע ןיפיסומ תילארשיו, ob dieses Gesetz damals bereits bestanden, läßt sich zwar nicht konstatieren, ist aber wahrscheinlich. Vergl. Josephus, contra Apionem I, 7: ὅπως τὸ γένος τῶν ἱερέων ἄμικτον καὶ καϑαρὸν διαμένς, προενόƞσαν. Es gab aber damals im ersten Jahrhundert nach Nehemia ein Mittel, jede weitere Nachforschung über Familienreinheit überflüssig zu machen. Denn alle die Familien, die unter Nehemia die Erlaubnis erhalten hatten, sich in Jerusalem niederzulassen, galten von selbst als unbefleckt. Die Urkunde, welche die Genealogie dieser Familien enthielt, war demgemäß von großer Wichtigkeit. Sie war das goldene Buch des Adels. Jetzt wissen wir, warum der Chronist so viel Wert auf die Genealogien gelegt hat. Er hat damit die Reinheit der von ihm aufgeführten Familien dokumentieren wollen. Ganz besonders hebt er hervor, welche Familien vom Stamme Benjamin in Jerusalem wohnten, d.h. sich zu Nehemias Zeit in Jerusalem niedergelassen hatten. Nachdem er die Vaterhäupter der Benjaminiten aufgezählt hat (8, 1-27), fügt er hinzu (V. 28): תובא ישאר הלא םלשוריב ובשי הלא םישאר, םתודלותל. Weiter zählt er die Bewohner von Gibeon aus Sauls Verwandten auf. Dieses Verzeichnis kommt zweimal vor (8, 29-37 und 9, 35-44)9. Bei der Familie תולקמ bemerkt er (8, 32 und 9, 38): םהיחא םע םלשוריב ובשי םהיחא דגנ המה ףאו, d.h. auch diese benjaminitische Familie, außer den früher genannten העירב ינב, קשש ינב לעפלא ינב und ינב םחורי, wohnten in Jerusalem. Alle diese gehörten zwar nicht zu denen, welche freiwillig die Niederlassung in Jerusalem gewählt hatten, aber sie gehörten auch zu denen, welche das Los getroffen hatte. Weiter führt der Chronist die Familie Azel auf, welche von Sauls lahmem Sohn Merib-Baal (Mephiboschet) durch Achas abstammte. Von dieser sagt er nicht, daß sie in Jerusalem gewohnt hätte. Sie scheint also in Gibeon geblieben zu sein. Eine Zweigfamilie der לצא ינב waren die םלוא ינב, die noch zur Zeit des Chronisten existiert haben können (vergl. Bertheau z. St.). Er will damit sagen, obwohl diese von Saul stammende [390] Familie nicht in Jerusalem gewohnt, so sei sie doch als rein anzusehen, da auch sie ihre Abstammung dokumentiert hat םתודלתל שחיתהל. Dieses Moment wird bei den Genealogien meistens angeführt, auch ohne die Bemerkung von dem Wohnsitz in Jerusalem. Der Chronist wollte demnach zweierlei Ahnenproben geben, die genealogisch beurkundete Abstammung und die dauernde Niederlassung in Jerusalem unter Nehemia.
Ich glaube, dadurch ist der dunkle Hintergrund der für uns ermüdenden Genealogien in der Chronik gelichtet. Für die Zeitgenossen des Chronisten müssen diese von hohem Interesse als Urkunden für die Geschlechter gewesen sein. Was das Verzeichnis der aus dem Exile Zurückgekehrten für Nehemia war – eine Ahnenprobe – das sollten die Geschlechtsverzeichnisse der Chronik für die Zeitgenossen und die Zukunft sein. Daher wird besonders in dem genealogischen Verzeichnisse des zuerst aufgeführten, weil damals ersten und dominierenden Stammes Juda, in dem übrigens vielfache Korruptelen und Lücken kenntlich sind, genau angegeben, ob eine Familie von fremdvölkischen Stammeltern abstammt. (2, 34): היה אלו ןשש ןתיו עחרי ומשו ירצמ דבע ןששלו תונב םא יכ םינב ןששל יתע תא ול דלתו השאל ודבע עחרי ותב תא. Von dieser Ehe einer judäischen Frau mit einem ägyptischen Sklaven Jarcha werden dreizehn Namen nach den Abstufungen von Vater, Sohn und Enkel aufgeführt. Wozu diese Ausführlichkeit? Offenbar um anzudeuten, daß der zuletzt genannte Nachkomme dieser Familie עחרי von einem ägyptischen Sklaven abstammt. Ebenso ist (das. 4, 17-19) angegeben, daß ein Mered aus dem Stamm Juda zwei Frauen hatte, eine Tochter Pharaos (Bithja) und eine Judäerin, beider Nachkommen sollen aufgeführt werden. (Vergl. Bertheau zur St.)
Die der Ägypterin mit der Einleitung: היתב ינב הלאו דרמ חקל רשא הערפ תב scheinen ausgefallen zu sein. Auch das. (4, 22); יבשיו באומל ולעב רשא ףרשו..םיקיויו םחל scheint ein Wink zu sein, daß diese Geschlechter aus einer Vermischung mit Moabitern hervorgegangen sind. Denn ולעב kann nur bedeuten: »sie haben moabitische Frauen geheiratet«. Das Rätselhafte יבשיו םחל übersetzen LXX ἀπέστρεψεν αὐτοὺς, d.h. ungefähr םהל ובושיו oder םהילא, was eine enge Verbindung mit Moabitern anzudeuten scheint: »sie sind zu ihnen zurückgekehrt«. Auch der Zusatz םיקיתע םירבדהו scheint ein Wink zu sein, »diese Angabe ist alt« und bewährt, es sei nicht daran zu zweifeln. Es ist also nicht zu verkennen, daß die Genealogien für die Zeitgenossen von Wichtigkeit waren. Die Familien, welche der Chronist aufführt םירפוס תוחפשמ (2, 54), םדה ןב לארחא תוחפשמ (4, 8), תיבל ץובה תדבע תיב תוחפשמ עבשא (4, 21) mögen noch zu seiner Zeit existiert haben. Die Wichtigkeit der Genealogien für die damalige Gegenwart ergibt sich auch aus dem Umstande, daß sie in Ausführlichkeit lediglich von den damals noch existierenden Stämmen aufgeführt werden, von Juda, Benjamin nnd Levi. Die der übrigen Stämme dagegen sind kurz gehalten. Der Chronist scheint diese nur der Gleichheit halber und nur das, was ihm bekannt war, aufgeführt zu haben. Bei manchen der untergegangenen Stämme fügt er außer der Genealogie auch Nachrichten hinzu, die ihm aus einer uns unbekannten Quelle zugekommen waren. So bei den Simeoniten vor der zwiefachen Auswanderung einiger Geschlechter, bei den jenseitigen Stämmen vor ihren Fehden, bei den Ephraimiten vor ihrer Fehde mit den Gethiten. Geschickt führt er den Stamm Benjamin zuletzt auf, um von der Aufzählung der Nachkommen Sauls den Übergang zum zweiten Teile seiner Komposition zu machen.
[391] Was diesen zweiten Hauptteil der Chronik betrifft, so darf man nicht übersehen, daß er eigentlich mehr die Geschichte des Hauses David, als die des judäischen Reiches gibt. Davids Nachkommen, deren Regierungsweise und Schicksale bilden den Vordergrund. Die Nachkommen Davids führt der Chronist von Serubabel abwärts noch sieben Geschlechter (I, 2, 19-24) auf. Die letzten drei, die Nachkommen des Nearja, eines Bruders des Chattusch, gehörten der Zeit nach Esra-Nehemia an. Denn Chattusch ist mit Esra nach Judäa ausgewandert (Esra 8, 2). Die letzten Nachkommen Serubabels, d.h. des davidischen Hauses, müssen also noch Zeitgenossen des Chronisten gewesen sein, und wenn diese nur bis ungefähr 400 vorchr. Zeit hinabreichen (Berth. Einl. S. XLIV. u. Erklär. S. 32), so hat der Chronist in dieser Zeit und für diese Zeit geschrieben. Denn die sieben Söhne des Eljoenaï, welche die letzten Glieder von Serubabel oder David bilden, können doch nicht sämtlich vor der Abfassungszeit der Chronik mit dem Tode abgegangen sein, vielmehr müssen sie noch zur Zeit des Chronisten gelebt haben. Darum führte er sie mit Namen auf. Er gibt also gewissermaßen an, von den Enkeln Serubabels seien Chattusch und seine Brüder mit Esra nach Judäa gekommen. Von Chattusch waren keine Nachkommen aufzuzählen, wohl aber von seinem jüngeren Bruder Nearja: dieser hatte drei Söhne, und der älteste derselben Eljoenaï sieben. Bemerkenswert ist dabei folgender Umstand. Während der Chronist von den lebenden Gliedern des Hauses David eine ausführliche Genealogie gibt, fertigt er die Glieder des hohenpriesterlichen Hauses kurz in zwei Versen ab (Nehem. 12, 10-11) und dieses auch nur gelegentlich. War denn dieses Haus nicht verzweigt? Man bedenke, was das zu jener Zeit bedeuten kann. Die Hohenpriester vom Hause Jesua und Zadok waren die offiziellen Vertreter des judäischen Gemeinwesens, sie waren προστάται τοῠ λαοῠ, dagegen die Nachkommen Serubabels waren lediglich Privatpersonen, und doch wendet der Chronist diesen seine Aufmerksamkeit zu, während er jene nur so obenhin und nebenher behandelt. Darin muß etwas liegen. Zieht man in Betracht, daß auch der Chronist in der Anrede Gottes an David im Traume die Worte hervorhebt, daß Davids Nachkommen und sein Thron für immer dauern sollen (Chronik I, 17, 14, Parall. Samuel II, 7, 16): ואסכו םלועה דע יתוכלמבו יתיבב והיתדמעהו םלוע דע ןוכנ היהי, so muß man diese Pointierung auffallend finden. Zur Zeit als die Bücher Samuels und der Könige zusammengestellt wurden, war noch Aussicht vorhanden, daß ein Nachkomme Davids dessen Thron einnehmen werde. Aber zur Zeit des Chronisten war doch, so sollte man denken, jede Hoffnung auf eine solche Restauration abgeschnitten. Die Erwähnung der göttlichen Verheißung für den ewigen Bestand der Davidischen Dynastie klänge wie eine Lästerung (vergl. Ps. 89 und oben S. 104), wenn der Verf. nicht die Hoffnung hegte, daß dieses Wort sich doch noch erfüllen werde. Der Chronist läßt ferner Salomo bei der Einweihung des Tempels Gott anflehen, er möge das Antlitz seines Gesalbten nicht abweisen und eingedenk sein der David gegebenen Gnadenverheißung. (Chronik II, 6, 42) דיוד ידסחל הרכז ךחישמ ינפ בשת לא ךדבע. Geht man davon aus, daß der Chronist die messianische Erwartung hegte, daß einer von den noch lebenden Nachkommen Serubabels, d.h. Davids, den Thron besteigen würde, dann ist der Grundgedanke des historischen Teiles der Chronik enthüllt. Er will eine Apologie für das Haus Davids sein.
Es ist einleuchtend, daß die Regierung Davids und Salomos von der [392] günstigsten Seite dargestellt wird. Aber auch bei den übrigen Königen, ihren Nachkommen, ist die apologetische Darstellung nicht zu verkennen, nicht bloß bei den frommen, sondern auch bei den schlimmen. In der Verheißung an David hatte das göttliche Wort verkündet, daß, wenn seine Nachkommen sündigen würden, Gott sie zwar züchtigen, aber nicht abtun, seine Gnade ihnen nicht entziehen würde. Daß diese Verheißung sich erfüllt habe, das nachzuweisen ist offenbar der Zweck der Erzählung der Geschichte der judäischen Könige in der Chronik. In diesem Lichte werden ihre Taten und Leiden gezeigt. Die Chronik hebt daher hervor, daß die schlimmen Könige wegen ihrer Sünden hart bestraft worden seien, oder daß sie diese ihre Sünden bereut hätten. Als Sünden werden ihnen nicht bloß Götzendienst, Hochmut und sittliche Verbrechen angerechnet, sondern auch Verbindung mit heidnischen Völkern und Götzendienern. Rehabeam habe die Lehre Gottes verlassen, dafür sei er durch Schischak gezüchtigt worden, habe sich infolgedessen gedemütigt, und dadurch sei der völlige Untergang abgewendet worden (Chron. II, 12, 1-2, 6-7. 12. 14). – Der König Aßa habe sich auf die Ammoniter gestützt und habe den ihn deswegen tadelnden Propheten bestraft, sei dafür durch eine Krankheit gezüchtigt worden (das. 16, 7 f.). Auch Joram und Achasja seien wegen ihrer Sünden gezüchtigt worden (das. 21, 15 f. 22, 7 f.). Ebenso sei es Joasch ergangen das. 24, 23 f.). Amazia sei wegen seines Abwendens von Gott durch Verschwörung gefallen (das. 26, 27). Usia sei wegen seiner Auflehnung gegen die Priesterordnung mit Aussatz bestraft worden (das. 26, 20 f.). Wegen Achas' schwerer Sünden sei Juda sehr heruntergekommen (das. 28, 16 f.). Manasse habe schwer gefrevelt, sei aber in Gefangenschaft geraten und habe seine Sünden bereut (das. 33, 10 f.). Wie Amazia so sei Amon seiner Sünden wegen umgekommen (das. 33, 22 f.). Selbst der fromme König Josia habe nicht ohne Schuld Niederlage und Tod erlitten, er habe nicht auf das Wort Gottes gehört (das. 35, 22). Die Strafe der letzten drei Könige Jojakim, Jojachin und Zedekia war augenfällig genug. Infolge der Sündhaftigkeit, woran der Fürst, die Priester und das Volk beteiligt gewesen (das. 36, 14), sei das judäische Reich untergegangen. Die Zerstörung und Verödung, welche, nach Jeremias Ausspruch, 70 Jahre dauern sollten, sollten die Sündenschuld suhnen. Und sie sei auch gesühnt worden. Denn Cyrus habe das verbannte Volk aus der Gefangenschaft entlassen, die Heimat bevölkern und den Tempel bauen lassen, und dieses sei durch Gottes Erweckung geschehen, gerade nach Ablauf der 70 Jahre (das. 36, 22 f., Esra 1, 1). Damit macht die Chronik den Übergang zur Geschichte der exilischen Zeit. In dieser habe sich Gottes fortdauernde Gnade für sein Volk wieder gezeigt (Esra 3, 10), indem nicht bloß der Tempel auf fremder Könige Befehl wieder erbaut, sondern auch von ihnen hochverehrt worden sei. Zur Beurkundung dessen werden die aramäischen Erlasse zugunsten des Tempels von Darius (Esra 6, 7 f.), und von Artaxerxes (7, 12 f.), ausführlich mitgeteilt. Bei der Erzählung von der Rückkehr und der Restauration des Staates, Tempels und der alten Ordnung nennt die Chronik stets Serubabels Namen zuerst (mit Ausnahme von Esra 3, 2, wo von der Erbauung des Altars die Rede ist). Aus dieser Darstellung sollte die Lehre herausleuchten, daß, so wie Gott kein Wort bezüglich der Erlösung und der Restauration aufgab, so werde er auch seine Verheißung an David von der ewigen Dauer seines Thrones und seiner Dynastie erfüllen. Diese könne sich selbstverständlich lediglich an den noch lebenden Nachkommen Serubabels bewähren.
[393] Dieser Gesichtspunkt von der gewissermaßen davidisch-messianischen Erwartung gibt den Schlüssel zur Erklärung des Hintergrundes der Darstellung der Chronik. Sie stellt überall David und seinen Stamm voran und deutet deren Vorzug an. Sie beginnt bei den Genealogien mit dem Stamme Juda und zählt vor allem die Vorfahren Davids auf (Chronik I, 2, 10-15). Ein ganzes Kapitel widmet sie David und seinen Nachkommen bis auf die allerletzten (Kap. 2). Bei der Aufzählung der Genealogie der Rëubeniten bringt die Chronik die fernliegende Bemerkung an, daß Rëuben zwar der Erstgeborene in Israel gewesen, er habe aber die Erstgeburt verwirkt, und die Herrschaft, welche den Nachkommen des Erstgeborenen gebührte, sei daher auf den Stamm Juda übergegangen, nicht auf den Stamm Joseph (3, 1, 2): הנתנ ויבא יעוצי וללחבו ויחאב רבג הדוהי יכ הרוכבל שחיתהל אלו... ףסוי ינבל ותרוכב ונממ דיגנלו. Dieser Zug ist offenbar apologetisch. Der Teil der Geschichtserzählung beschäftigt sich ausführlich mit David, mit kurzer Erwähnung Sauls, dessen Untergang seiner Schuld beigemessen wird (I, 10, 13-14). Dieser Teil enthält im Eingange ganz besonders Davids Biographie. Die Chronik gibt dabei nicht bloß das, was aus den Büchern Samuels bekannt war, sondern fügt auch Neues zu Davids Verherrlichung hinzu. Ihm haben sich nicht bloß die Gibborim angeschlossen, sondern auch die Besten und Tapfersten aus allen Stämmen seien zu ihm geströmt, als er noch von Saul verfolgt wurde, (das. 11, 10 f. 12, 1-23). Alle, alle Stämme hätten zahlreiche Scharen nach Hebron gesandt, um David als König zu huldigen (das. 12, 24, 41). Davids Hauptsorge sei dem Tempel und seiner Ordnung zugewandt gewesen. Diese habe er bereits bei Errichtung des Zelttempels auf Zion eingeführt (das. 15, 4 f., 16, 4 f.). Mit dem Gedanken an den Bau eines festen Tempels stets beschäftigt, habe er viele Schätze dazu angehäuft und besonders die künftige Ordnung festgestellt. Die Einteilung der Ahroniden in 24 Klassen rühre von David her (das. 24, 1 f.). Dementsprechend habe er auch 24 Sängerabteilungen geschaffen (das. 25, 1 f.). Die Ordnung der Torwärter am zukünftigen Tempel und der liturgischen Leviten als Beamte für die Vorbereitung zum Bau habe David im voraus festgestellt (26, 1 f.). Vor seinem Tode habe er seinen Sohn und Nachfolger und das Volk eindringlich ermahnt, das Heiligtum zu erbauen. Die musikalischen Instrumente für den Chor der Sänger im Tempel habe David eingeführt (Neh. 12, 36): דוד ריש ילכב, (Chron. II, 7, 6): רשא 'ה ריש ילכב ךלמה דוד השע, (das. 29, 27): דוד ילכ ידי לעו..'ה ריש לחה. So auch das. V. 26 דוד ילכב zu lesen: דוד ריש ילכב. Auch das. 23, 18. Bei jeder Gelegenheit hebt die Chronik hervor, daß die Tempelordnung durch David eingerichtet worden sei (das. II, 29, 25 f. 35, 4 f. 15).
In der Erzählung von Salomos Regierung, die wiederum weiter nichts als eine Biographie ist, nehmen der Tempelbau und die Einweihung den größten Raum ein. Nun war Judäa zur Zeit des Chronisten ein Tempelstaat, oder, wenn man so sagen darf, ein Kirchenstaat. Wem gebührte die Herrschaft über denselben? Doch wohl den Nachkommen derer, welche Tempel, Einrichtung und Ordnung mit so viel Sorgfalt geschaffen haben. Und Gott hat ja den Bestand des davidischen Thrones für ewige Zeiten verheißen. Das ist der leitende Gedanke des geschichtlichen Teils der Chronik. Die Nachkommen des ersten Hohenpriesters seien nicht ganz würdig gewesen, mehrere von ihnen haben sich durch Vermischung mit heidnischen Frauen befleckt, daher gebühre nicht ihnen die Herrschaft über die civitas Dei, sondern den Nachkommen Serubabels oder Davids.
[394] Hat der Chronist mit der Glorifizierung des Hauses David lediglich das messianische Ideal für die Zukunft zeigen oder praktisch eine Revolution veranlassen wollen, daß die Nachkommen Davids wiederum Könige von Juda oder mindestens προστάται τοῠ λαοῠ werden sollten? Das läßt sich aus den Andeutungen nicht mehr erkennen. Aber gewiß ist es, daß er die Nachkommen Davids oder Serubabels mit Hintansetzung der hohenpriesterlichen Linie, welche faktisch im Besitze der προστασία war, in den Vordergrund stellen und die Aufmerksamkeit seiner Leser auf sie lenken wollte. Der genealogische Teil der Chronik hatte jedenfalls einen praktischen Zweck, die Familien zu bezeichnen, welche sich in der nachexilischen Zeit rein von Mischehen gehalten, und auf andere hinzuweisen, die sich durch Vermischung befleckt haben. Die Chronik war also kein überflüssiges Schriftwerk für ihre Zeit, und sie durfte verfaßt werden, um neben den Büchern Samuel und Könige zu bestehen. Denn sie verfolgte einen ganz anderen Zweck als diese. Diese reflektierten, wenn man so sagen darf, das prophetische Pathos; sie wollen den Auf- und Niedergang des Volkes und dessen Verhalten zu seinem Gotte nachweisen. Die Chronik dagegen reflektiert gewissermaßen das religiös-sopherische Pathos, sie will die Gesetzlichkeit der Norm der Thora zur Anerkennung gebracht wissen. Die Chronik ist ein originelles Geschichtswerk und hat nur äußerliche Ähnlichkeit mit Samuel–Könige.
Wie viel indes von dem historischen Stoff, welchen die Chronik enthält, eine faktische Unterlage hat, und wieviel davon auf Rechnung ihrer Tendenz zu setzen ist, wird sich schwerlich ermitteln lassen. Die Exegeten sind in neuerer Zeit gerechter gegen die Chronik geworden und verwerfen nicht alles, was sie erzählt, und weil sie es allein erzählt, in Bausch und Bogen. Bertheaus Annahme, daß der Chronist noch die ursprünglichen »Annalen der Könige« לארשי יכלמ רפס הדוהיו vor sich gehabt und mehr Auszüge daraus, als der Redakteur von Könige gemacht habe, ist einleuchtend, weil sie manches sonst Auffallende erklärt. Auch andere Quellen scheinen ihm zu Gebote gestanden zu haben. Die zweimalige Auswanderung der Simeoniten (4, 38 f.) hat er ohne Zweifel aus einer alten Quelle geschöpft (vergl. B. II. 1. Hälfte, S. 447 f.). Nur die Reden, welche die Chronik unbekannten Propheten oder frommen Königen in den Mund legt, und die Verherrlichung des Tempelkultus und der Tempeleinrichtung sind ohne Zweifel tendenziös angebracht. Damit hat sie besonders Davids Regierung ausgeschmückt.
Bezüglich der Ordnung im Tempel scheint die Chronik ganz besonders nach einem gewissen System verfahren zu sein. Ganz bestimmt wissen wir, daß die Ahroniden während der nacherilischen Epoche in 24 Abteilungen (תוגלפ תורמשמ תוקלחמ) eingeteilt waren. In der talmudischen Literatur ist die Tradition verzeichnet, daß die vier ahronidischen Familien, welche unter Serubabel aus dem Exile zurückgekehrt sind, zu 24 Gruppen herangewachsen sind, (vergl. o. S. 146, Anm. 2). Auch Josephus gibt diese Zahl an contra Apionem I, 8, (nur in Rufinus' Übersetzung enthalten): Licet enim sint tribus quattuor sacerdotum et harum tribuum singulae habebant hominum plus quam quinque milia, fit tamen observatio particulariter per dies certos etc. Hier ist offenbar die Zahl korrumpiert, statt viginti quattuor. Denn 2 000 Ahroniden wären eine zu geringe Zahl, zumal diese beinahe den dritten Teil der Gesamtbevölkerung ausgemacht haben. Wenn aber 24 ahronidische Abteilungen waren, so gab ihre Gesamtzahl 120 000, was gewiß nicht allzuhoch gegriffen ist. Wann ist nun diese Einteilung oder diese Vermehrung der vier [395] Abteilungen in vierundzwanzig eingeführt worden? Dreimal wird ein Verzeichnis der ahronidischen Familien in Nehemia mitgeteilt, woraus die Richtigstellung sich ergeben dürfte. In 12, 1b 7 werden 22 Namen aufgezählt. das. V. V. 12-21 werden 20 derselben Namen aufgeführt und mit der Angabe, daß zu einer gewissen Zeit gewisse Personen an der Spitze gestanden haben, welche diese 20 vertraten. Daraus ergibt sich, daß die 22 als Namen von Abteilungen und nicht von Individuen gelten sollen. In 10, 3 ist ein Teil dieser Namen aufgeführt bei der Aufzählung derer, welche das feierliche Versprechen, Gesetz und Heiligtum hochzuhalten, mitunterzeichnet haben. Vergleichen wir diese Nomenklatur:
הירש 1
הימרי 2
ארזע 3
הירמא 4
ךולמ 5
שוטח 6
הינכש 7
םחר 8
תומרמ 9
אודע 10
יותנג 11
היבא 12
ןימימ 13
הידעמ 14
הגלב 15
היעמש 16
ביריויו 17
היעדי 18
ולס 19
קומע 20
היקלח 21
היעדי 22
הירמ הירשל 1
היננח הימריל 2
םלשמ ארזעל 3
ןנחוהי הירמאל 4
ןתנוי יכולמל 5
ףסוי הינבשל 7
אנדע םרחל 8
יקלח תוירמל 9
הירכז אידעל 10
םלשמ ןותנגל 11
ירכז היבאל 12
– ןימינמל 13
יטלפ הידעומל 14
עומש הגלבל 15
ןתנוהי היעמשל 16
ינתמ ביריוילו 17
יזע היעדיל 18
ילק ילסל 19
רבע קמעל 20
היבשח היקלחל 21
לאנתנ היעדיל 22
הירש 1
הימרי 2
הירזע 3
רוחשפ
הירמא 4
היכלמ 5
שוטח 6
הינבש 7
ךולמ
םרח 8
תומרמ 9
הידבע 10
לאינד
ןותנג 11
ךורב
םלשמ
היבא 12
ןמימ 13
היזעמ 14
הגלב 15
.היעמש 16
.םינהכה הלא
Ungenauigkeiten in der Wiedergabe der Namen in diesen Verzeichnissen sind unverkennbar. So fehlt in II שוטח Nr. 6, welcher in den beiden anderen vorkommt. Statt הינבש Nr. 7 in II, III hat I הינכש und statt םרח Nr. 8 םחר, statt תומרמ Nr. 9 I, III תוירמ II; statt הידעמ oder הידעומ Nr. 14, I, II היזעמ III. הידבע in III steht statt אודע in I, II (Nr. 10). ךולמ das. ist eine Dittographie oder Marginalglosse zu ךולמ יכולמ) היכלמ (5 .rN. Auffallend ist, daß zwei Abteilungen gleiche Namen היעדי gehabt haben sollen Nr. 18, 22, und daß רוחשפ in I, II fehlt. Paschchur war eine der vier ahronidischen Familien, welche unter Serubabel zurückgekehrt sind, neben der hohenpriesterlichen Familie היעדי nämlich רוחשפ רמא und םרח (Esra 2, 36 f.u. Parallele). Nur Charim kommt in allen drei Verzeichnissen vor (Nr. 8) und ebenso רמא, nur hier verlängert in הירמא (Nr. 4); einer der beiden היעדי gehört unstreitig der hohenpriesterlichen Familie an. Wir sind also genötigt anzunehmen, daß in den Verzeichnissen I, II רוחשפ fehlt. Dann hätten wir 23 Namen, oder doch nur 22, da die Wiederholung des Namens הועדי nicht korrekt sein [396] kann. Zudem fehlt noch in diesen beiden Verzeichnissen die Abteilung ןיכי, welche anderweitig mit der hohenpriesterlichen Familie היעדי und mit ביריוי aufgeführt wird (vergl. o. S. 385). Nehmen wir ןיכי hinzu und – angedeutet scheint der Name durch das ו im Namen ביריוילו ביריויו zu sein – so haben wir 23 Namen. Dann scheint offenbar noch ein Name in I, II zu fehlen, welcher in III vorkommt, nämlich לאינד. Die ahronidische Familie Daniel ist zugleich mit der Familie Ginthon unter Esra in Judäa eingewandert (vergl. o. S. 117). Warum sollte diese Familie nicht auch in die Abteilungen der Ahroniden eingereiht sein? Nehmen wir die Familie Daniel hinzu, so haben wir die volle Zahl von 24 Abteilungen, indem wir aus den Verzeichnissen I, II. Nr. 22 den doppelten Namen היעדי streichen und dafür רוחשפ ,ןיכי und לאינד setzen. Endlich ist auch ein Name zu berichtigen. In allen drei Verzeichnissen steht hinter הגלב Nr. 16 היעמש. Eine alte und unzweifelhaft echte Tradition, erhalten in der Tosifta (Sukka IV Ende jerus. und babli Sukka Ende zitiert), setzt nämlich hinter Bilgah10 als Nachbar בבשי. Die Stelle lautet zum Satz der Mischna הגלב םורדב תקלוח םלועל, folgendermaßen: היתחת בבשי סנכנ םלועל סנכנ הארנ בבשיו םלועל אצוי תיארנ הגלב ךכיפל (oder סנכנב בבשיו אצויב םלועל הגלב). Auch in Chronik (I, 24, 13-14) werden באבשי und הגלב als Nachbarn aufgeführt. בבשי ist offenbar eine Verkürzung von באבשי ... Wir kennen demnach die Namen sämtlicher 24 Ahronidenabteilungen, nämlich Nr. 1-21 und dazu noch רוחשפ, ןיכי und לאינד. Das zweite היעדי ist zu streichen und statt היעמש הגלב muß emendiert werden הגלב באבשי.
[397] Es folgen daraus wichtige Ergebnisse. 1. Die Einführung der 24 Abteilungen statt der früheren vier fand erst nach Esras Rückkehr statt, da auch die mit Esra eingewanderten Ginthon und Daniel als besondere Abteilungen aufgeführt werden. 2. Auffallend ist, daß die Familie Jedajah, aus welcher die Hohenpriester stammten, nicht an der Spitze der Verzeichnisse I, II stehen, sondern erst in der 18. Stelle. Sonst steht sie an der Spitze: ןיכיו ביריוהיו היעדי (o. S. 385). Offenbar soll damit eine Zurücksetzung der hohenpriesterlichen Familie angedeutet sein. Welche Familie wird aber an die Spitze gestellt? In allen drei Verzeichnissen הירש. Warum diese? Es war die eigentliche hohenpriesterliche Familie, aus welcher der fungierende Hp. Jesua und seine Nachfolger, wie auch Esra hervorgegangen sind. Die Familie עישי תיבל היעדי ינב bildet eigentlich nur eine Abzweigung der alten Familie הירש. Wer mag diese Familie in der Zeit, aus welcher die Verzeichnisse stammen, repräsentiert haben? Ohne Zweifel Esra, der stets aufgeführt wird als ארזע הירש ןב (Esra 7, 1 vergl. o. S. 385). Daraus folgt, daß Esra bei dem feierlichen Vertrag zur Übernahme der Verpflichtungen nicht gefehlt hat; er wird nur deswegen nicht aufgeführt, weil er bereits in der Familie Serajah mit erwähnt ist. Nicht als einzelner hat er den Vertrag mitunterzeichnet, sondern im Namen der Familie הירש. Das liegt klar zutage. Wie sollte er auch bei dieser ecclesia magna gefehlt haben, da er zur Zeit in Jerusalem anwesend gewesen sein muß, er, welcher der geistige Urheber derselben war, seine Prinzipien dadurch realisiert wurden und er in dem restaurierten Gemeinwesen zum Vorsteher des Tempels תיב דיגנ םיהלא eingesetzt wurde (o. S. 145, Anm. 3)! Damit ist das Gerede über Esras Anwesenheit oder Abwesenheit bei diesem wichtigen Akte erledigt. – Bei diesem wichtigen Akte sind 21 Ahronidennamen aufgeführt, von diesen 21 ist jedenfalls ךולמ zu streichen (o. S. 396) םלשמ ךורב kommen sonst nicht vor, und sie sind verdächtig. Warum fehlt aber der Name der hohenpriesterlichen Familie היעדי in diesem Verzeichnis? Sollte sie sich von diesem Akte, an welchem Weiber, Kinder und selbst die Nethinim und Proselyten sich beteiligt haben, ausgeschlossen haben? Es ist ganz undenkbar. Denn dann hätte sie schwere Strafe oder mindestens der Bann getroffen, wenn sie durch ihre Abwesenheit gegen die Übernahme der Pflichten zur Beobachtung des Gesetzes und zur Heilighaltung des Tempels protestiert hätte. Erwägt man, daß in diesem Verzeichnisse auch die zwei oft und stets in Verbindung mit der Familie Jedajah genannten ביריוי und ןיכי fehlen, so kann man nicht umhin anzunehmen, daß in III diese drei Namen, sowie andere drei ולס היקלח קומע, – d.h. die letzten Namen 17-21 – überhaupt ausgefallen sein müssen. Bei dem wichtigen Akte der ecclesia magna waren also ohne Zweifel sämtliche 24 Ahronidenabteilungen vertreten. Daraus folgt, daß diese Einteilung von Esra-Nehemia eingeführt worden sein muß. In der Aufschrift zu Verzeichnis I. heißt es zwar םע ולע רשא..םינהכה הלאו עושיו..לבבורז. Allein in dieser Gestalt kann sie ja nicht richtig sein, da Ginthon erst unter Esra zurückgekehrt ist. Man muß also lesen: ארזעו..לבבורז םע ולע רשא ןהכה. Die ursprünglichen vier Abteilungen wurden um 20 vermehrt, teils durch solche Familien, welche mit Esra und vielleicht auch mit Nehemia eingewandert waren, und teils durch solche, welche durch Abzweigung von den zahlreichen vier Familien neu geschaffen wurden. Die 24 Abteilungen sollten je eine Woche den Opferdienst im Tempel versehen und untereinander die Opfergaben der jeweiligen Woche teilen. Die Abteilungen durften daher nicht aus zahlreichen [398] Gliedern bestehen, sonst würden viele derselben keine Gelegenheit zu den Funktionen gehabt und nur ein Minimum von den Opfern erlangt haben. Es ist also wahrscheinlich dafür gesorgt worden, daß die Abteilungen ungefähr die gleiche Anzahl Individuen haben sollten. Dieser Umstand und der Zuwachs durch neue Familien haben gewiß dabei obgewaltet, daß 24 Priesterabteilungen kreiert wurden, und zwar zur Zeit Esra-Nehemias.
Diese Einrichtung führt nun die Chronik auf David zurück, aber von den 24 nur 11 aus dem Verzeichnisse, nämlich Nr. 17, 18, 8, 5, 13, 7, 12, 16, 15 4 (רמא = הירמא), 14, (והיזעמ = הידעמ), aber auch der dort fehlende Name ןיכי im ganzen 12; das ist nun ihre Art, bekannte Namen mit unbekannten zu mischen (vergl. I, 27, 2-15). Die übrigen 12 sind fremd. Dieser Einrichtung gemäß führt sie auch 24 Sängerklassen auf, und selbst die Torwärter scheint sie in 24 Abteilungen unterzubringen (I, 26, 17-18). Dieses Verfahren ist jedenfalls tendenziös.
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