16. Antiochos Epiphanes' Kriegszüge gegen Ägypten, die Data seiner Gewaltakte in Jerusalem und der historische Wert des zweiten Makkabäerbuches.

[399] Es ist außerordentlich auffallend, daß die gewiegtesten und kompetentesten Historiker und Chronologen bezüglich des ersten Feldzuges des Antiochos Epiphanes gegen Ägypten um ein Jahr differieren, obgleich Data dafür angedeutet sind. Uscher, eine Autorität in der Chronologie, und andere bis auf die neueste Zeit Mommsen setzen ihn ins Jahr 171 vorchr. Z. d.h. 142 Sel., andere dagegen und darunter nicht minder kompetente Forscher um ein Jahr später. Außerdem herrscht noch eine andere Differenz bezüglich des ägyptischen Krieges dieses Königs. Winer z.B. nimmt vier Expeditionen desselben gegen Ägypten, andere drei an. Diese Punkte müssen daher, da sie in die judäische Geschichte eingreifen, hier kritisch erledigt werden. Hofmann in seiner selten gewordenen vortrefflichen Inaugural-Dissertation: de bellis ab Antiocho Epiphane adversus Ptolemaeum gestis (Erlangen 1835, deren Benutzung ich der zuvorkommenden Gefälligkeit des Herrn Verfassers verdanke), hat aber überzeugend nachgewiesen, daß die erste Expedition erst 170 vorchr. 143. Sel., stattgefunden haben kann. Er geht mit Recht von Polybius' Angabe aus. Dieser subsumiert (27, 17) Antiochos' erste Gesandtschaft nach Rom, um Klage über die Angriffsversuche des Ptolemäischen Hofes gegen seinen Besitz vor dem Senat zu führen, unter die Begebenheiten des Jahres 584 u.c. d.h. 142-43 Sel., unter dem Consulat Hostilius-Attilius. Die Ankunft dieser Gesandtschaft in Rom setzt Polybius folgerichtig in das folgende Jahr unter das Konsulat Quintus Marcius-Servilius. Der betreffende Passus lautet (28, 1): ὅτι πολέμου τοῠ περὶ Κοίλƞς Συρίας ἤδƞ καταρχὴν λαβόντος Ἀντιόχῳ καὶ Πτολεμαίῳ ἧκον πρέσβεις εἰς τὴν Ῥώμƞν παρὰ μὲν Ἀντιόχου κ. τ. λ. Im Verlaufe erzählt Polybius von dem Auftrage des Senats an den regierenden Konsul Κοΐντος Μάρκιος. Die Unterhandlung dieser Gesandtschaft mit dem Senat ist in das Jahr 584-585 u.c. = 143 Sel. = 170-169 vorchr. gesetzt. Das will also entschieden sagen, daß unter dem letztgenannten Konsulat, als der Krieg bereits begonnen hatte, die Gesandten nach Rom gekommen [399] waren. Der Beginn des Krieges ging der Absendung der Gesandten voran, welche ihn vor dem Senate rechtfertigen sollten. Denn es lag Antiochos alles daran, Rom nicht gegen sich zu haben, und durch seine Gesandten den Beweis führen zu lassen, daß er der Angegriffene sei und nur einen Defensivkrieg führe. Daraus folgert Hofmann mit Recht (l.c.p. 14 Note und p. 25): Anno 143 Sel. sub hiemem rex (Antioch.) Aegyptum invasit. Legatis ante bellum inchoatum Hostilio Attilio cons. Romam missis, Marcio Servilio cons. senatus datum est. Scheinbar steht diesem Datum die Angabe in Makkab. I (1, 20) entgegen, aus welcher hervorzugehen scheint, daß Antiochos 143 Sel. bereits von der ägyptischen Expedition zurückgekehrt sei: καὶ ἐπέστρεψεν Ἀντ. μετὰ τὸ πατάξαι Αἴγυπτον ἐν ἑκατοστῷ καὶ τεσσαρακοστῷ καὶ τρίτῳ ἔτει. Davon haben sich einige Chronologen und Historiker verleiten lassen, den Krieg ein Jahr früher anzusetzen. Allein Hofmann hat diesen Schein bereits aufgelöst. Er bezieht mit Recht das Datum auf das Verbum πατάξαι im Nebensatz und nicht auf das Verbum ἐπέστρεψε im Hauptsatze, das vom Datum allzu entfernt steht. Es entspricht vollständig der hebr. Konstruktion, wenn man den Vers zurückübersetzt: סוכויטנא בשיו שלשו םיעבראו האמ תנשב םירצמ תא ותוכה ירחא. Antiochos hat also Ägypten besiegt im J. 143 Sel. = 170. Also weit entfernt, ein Gegenbeweis zu sein, ist dieser V. vielmehr ein Beweis dafür, daß die erste Expedition im Jahre 143 = 170 stattgefunden habe. Nun findet sich aber in Makkab. I (1, 29 f.) eine zweite allerdings weniger bestimmte Datumangabe, daß Antiochos zwei Jahre später einen Fronaufseher nach Juda gesandt und in Jerusalem ein Blutbad und Verwüstungen habe anrichten lassen. Dieses Faktum fand aller dings 141 Sel. = 168 vorchr. statt, und einige Chronologen beziehen das Datum »zwei Jahre« auf Rückkehr von der Expedition: μετὰ δύο ἔτƞ ἡμερῶν ἀπέστειλεν ὁ βασιλεὺς ἄρχοντα φορολογίας κ. τ. λ. Hofmann bestreitet aber das Zwingende dieser Beziehung. Die zwei Jahre können eben so gut von Beginn des Krieges datieren. Man kann noch hinzufügen, daß selbst, wenn sich dies Datum auf Antiochos' Rückkehr von der Expedition bezöge, doch von dieser bis zur zweiten Vergewaltigung zwei Jahre verflossen sein konnten, da das I. Makkab. höchst wahrscheinlich den Jahresanfang vom Frühlingsmonat Nisan rechnet, also ein halbes Jahr nach dem Jahresanfang der seleuzid. Ära in Syrien.

Josephus hat jedenfalls die Data unrichtig angegeben, und er hat an der chronologischen Konfusion Schuld, wie er auch den Pragmatismus der Begebenheiten irrtümlich aufstellt. Um diese Unrichtigkeit nachzuweisen und uns überhaupt zu orientieren, muß vorausgeschickt werden, daß das I. Makkab. von Antiochos' zweimaliger Gewalttätigkeit an Jerusalem erzählt. Das erste Mal war er selbst nach Jerusalem gekommen, drang in das Heiligtum, raubte die heiligen Geräte, plünderte den Tempel und richtetete Verwüstungen an. Damals hat er zwar auch Blut vergießen lassen (V. 24): καὶ ἐποίƞσε φονοκτονίαν, aber sein Hauptzweck war die Tempelplünderung. Beim zweiten Mal kam er nicht selbst, sondern sandte seine Leute nach Jerusalem, und diese richteten ein Blutbad an, zerstörten die Mauern und Häuser der Stadt und befestigten die Akra (V. 29-35). Die zweite Vergewaltigung fand nach seinem Abzug von Ägypten, als ihn Popillius Laenas mit Roms Zorn bedroht hatte, also aus Furcht vor Rom statt. Josephus stellt aber das Sachverhältnis so dar (Altert. XII, 3-4), daß Antiochos nach der ersten Expedition aus Furcht vor Rom aus Ägypten zurückgekehrt sei – διὰ τὸ παρὰ Ῥωμαίων [400] δέος – in Jerusalem Gewalttätigkeit verübt habe und zwar im J. 143 Sel., und 2 Jahre später 145 Sel. – welches Jahr zwar der 153. Olympiade entsprechen soll – sei Antiochos abermals nach Jerusalem gekommen und habe ein Blutbad angerichtet. Nach Josephus müßte also der Krieg 171 und der erste Überfall Jerusalems 170 stattgefunden haben. Allein, wie schon angegeben, ist auf seine Darstellung wenig zu bauen, da er in der Quelle, von der er abhängig ist, sich nicht zurechtfinden konnte und daher konfus war. Wir müssen also bei der kritischen Beurteilung der Begebenheiten und Data von Josephus' Relation ganz absehen.

Um diese Data und Fakta, von welchen die Vorgänge in der judäischen Geschichte abhängig sind, genau zu fixieren, ist die Erörterung der Frage notwendig, wieviel Expeditionen Antiochos gegen Ägypten unternommen hat. Es ist bereits angegeben, daß einige deren vier annehmen, wir werden weiter sehen, welche Quelle sie darauf geführt, und daß diese sie irre geführt hat. An sich scheint es fast unmöglich, daß Antiochos in kurzer Zeit so viele Einfälle in Ägypten gemacht haben soll; denn seine ganze kriegerische Operation gegen dieses Land dauerte lediglich zweiundeinhalbes Jahr. Der Beginn fällt, wie wir gesehen, Winter 170, und das Ende war etwa Ende Juni 168. Denn die Schlacht bei Pydna, in welcher Ämilius Paullus über Perseus gesiegt hat, fand am 22. Juni 145 Sel. = 168 statt, nach der damals eingetroffenen Mondfinsternis genau berechnet pridie Nonas Septembris (Livius 44, 39), und der 4. Sept. fiel damals nach dem verzwickten römischen Kalender auf den 22. Juni. Gleich darauf reisten Popillius Laenas und seine Mitgesandten, welche schon vorher Aufträge vom Senat gegen Antiochos hatten, nach Ägypten und überbrachten ihm den gemessenen Befehl des Senats, von Ägypten abzuziehen (Polybius 28, 19; Livius 45, 10). Die Gesandten gewährten ihm nur eine kurze Frist für die Entfernung seiner Truppen aus Ägypten und überwachten in Cypern, wohin sie sich von Alexandrien begeben, den faktischen Abzug derselben (Polybius 29, 11). Antiochos kann also sein Heer nicht lange in Ägypten haben stehen lassen, sondern hat es ohne Zweifel anfangs Juli 145 Sel. = 168 aus Ägypten marschieren lassen. Hieronymus zu Daniel gibt daher sachgemäß nach griechischen und römischen Historikern an: atque statim movit exercitum. Kann nun Antiochos in diesen 21/2 Jahren vier Züge nach Ägypten gemacht haben, wenn man darunter Ausrüstung, Märsche, Schlachten, Belagerung und dreimalige Rückkehr in sein Land versteht?

Daniel, dessen Verf. ein Zeitgenosse der Begebenheit war, kennt nur zwei Züge Antiochos' gegen Ägypten (11, 25-26): ךלמ לע ובבלו וחכ (ןופצה ךלמ) רעיו תירב לע ובבלו לודג שוכרב וצרא בושיו ... לודג ליחב בגנה .וצראל בשו השעו שדק

Diese apokalyptische Schilderung bezieht sich auf den ersten Zug vor dem Einfall in Ägypten bis zur Rückkehr nach Syrien mit großer Beute. Dann heißt es, (V. 29-30): הנושארכ היהת אלו בגנב אבו בושי דעומל שדק תירב לע םעזו בשו האכנו םיתכ םייצ וב ואבו .הנורחאו. Damit ist ein zweiter Zug geschildert, wie er durch die chittäischen d.h. römischen Gesandten gedemütigt wurde und nicht, wie früher, mit Beute, sondern mit Unmut und Ingrimm Ägypten verlassen hat. Liest man statt םיתכ םייצ gar םיריצ, »Boten, Gesandte«, dann wären die römischen Gesandten mit P. Laenas noch deutlicher in dieser apokalyptischen Partie angedeutet. »Es kamen gegen ihn römische Boten, und er wurde gedemütigt, und er zürnte abermals auf den heiligen Bund.« Hieronymus, der Porphyrius' und an derer Autoren Erzählungen von diesen [401] Vorgängen wiedergibt, kennt auch nur zwei Züge von Syrien nach Ägypten: Postquam reversus est Ant. expulsus ab Aegypto venisse eum in Judaeam ... reversum in terram suam. Et post biennium versum contra Ptol. exercitum congregasse. Von zwei Zügen spricht auch Livius (45, 11). Er erzählt die Vorgänge in Ägypten während des mazedonischen Krieges. Antiochos habe, da er Alexandrien nicht einnehmen konnte, sich des übrigen Ägyptens bemächtigt, habe Ptolemäus Philometor, den scheinbaren Bundesgenossen, in Memphis zurückgelassen und das Heer nach Syrien zurückgeführt; in Syriam exercitum reduxit. Dann aber, als er von der Aussöhnung Philometors mit seinem Bruder vernommen, habe er einen noch heftigeren und gefährlicheren Krieg gerüstet, eine Flotte nach Cypern gesandt, und er selbst sei im Anfang des Frühlings nach Ägypten marschiert und habe in Rhinocorura Philometors Gesandte empfangen: adeo est offensus, ut multo acrius infestiusque pararet bellum. Cyprum extemplo classem misit; ipse primo vere cum exercitu Aegyptum petens circa Rhinocorura Ptolemaei legatis ... respondit.

Diese Livianische Stelle bestimmt auch die Zeit, in welcher Antiochos den zweiten Zug antrat, nämlich im Beginn des Frühlings: primo vere. Die Spannung zwischen ihm und seinem Schützling Philometor muß aber schon früher ausgebrochen sein, nachdem sich die beiden Brüder ausgesöhnt hatten. Denn von beiden wurden Gesandte an die Achäer um Hilfe nach dem Peloponnes gesandt, und zwar während des Winters (Polybius 29, 8): ὅτι κατὰ τὴν Πελοπόννƞσον ἔτι κατὰ χειμῶνα πρεσβείας παραγενομένƞς παρὰ τῶν βασιλέων ἀμφοτέρων Πτολεμαίου καὶ Πτολεμαίου. Dieses geschah während des mazedonischen Krieges unter dem Konsulat Ämilius Paullus' und Licinius', 586 u.c. d.h. 168. Der zweite Krieg dauerte also nur von Febr. –März bis Ende Juni 168. Wie lange der erste Krieg gedauert hat, läßt sich aber nicht ermitteln, da keine Angaben über den ersten Rückzug Antiochos' aus Ägypten vorliegen. Herbst und einen Teil des Winters 169/168 befand er sich jedenfalls in Antiochien. Die Zwischenzeit kann man aber nicht so lange ausdehnen, daß Raum bliebe für einen Zug des Antiochos nach Cilicien. Denn die Aussöhnung der ägyptischen königlichen Brüder, von der Schwester und den Freunden eifrig betrieben, fand wahrscheinlich nicht lange nach seinem ersten Abzug aus Ägypten statt. Jene cilicische Expedition ist daher vor der ägyptischen anzusetzen.

Nach dieser Präzisierung der Zeit lassen sich die im Makkab. I erzählten Tatsachen chronologisch einreihen. Nach der Rückkehr aus dem ersten Kriegszuge, also jedenfalls 169 plünderte er den Tempel und richtete ein Blutbad an (1, 20-24), nach der Rückkehr aus dem zweiten, von der römischen Gesandtschaft gedemütigt, d.h. Juli 168, schickte er einen ἄρχων φορολογίας in die Städte Judäas, ließ die Mauern Jerusalems zerstören, viele in Gefangenschaft führen und die Akra befestigen. Dann schrieb er den Befehl aus, die Judäer mit Zwang zu hellenisieren (1, 29-42). Es ist bereits angegeben, daß aus dieser Darstellung hervorgeht, daß Antiochos nach der ersten Rückkehr selbst in Jerusalem anwesend war und die Plünderung leitete (V. 20 ἀνέβƞ εἰς Ἱερουσαλἠμ), nach der zweiten dagegen nicht selbst dahin zog, sondern einen Herrn der Fronde dahin sandte.

Eine Störung in diese – so von allen Seiten bestätigte und geschlossene Reihenfolge der Begebenheiten bringt die Darstellung des II. Makkab. (5, 1 f.). Sie erzählt: nach dem zweiten Zuge des Antiochos nach Ägypten – περὶ τὸν καιρὸν τοῠτον τὴν δευτέραν ἔφοδον ὁ Ἀντίοχος εἰς Αἴγυπτον ἐστεί [402] λᾳτο – seien wunderbare Erscheinungen gesehen worden, dann habe sich das Gerücht verbreitet, Antiochos sei in Ägypten gestorben, darauf habe Jason Jerusalem überfallen und ein Blutbad darin angerichtet; sein Rival Menelaos habe Zuflucht in der Akra genommen (5-6). Bei seiner Rückkehr (V. 11 ὅϑεν ἀναζεύξας ἐξ Αἰγύπτου) habe Antiochos ein Gemetzel in Jerusalem angestellt, habe den Tempel entweiht, die Tempelschätze geplündert, und Menelaos sei sein Führer gewesen. Er habe Befehlshaber über Jerusalem und Gerisim gelassen, dann noch dazu Apollonios mit einem großen Heere geschickt, die Männer zu erschlagen, Frauen und Kinder zu verkaufen, und nicht lange darauf habe er einen Antiochenser gesandt, den Religionszwang aufzulegen (6, 1): μετ᾽ οὐ πολὺν δὲ χρόνον. Schon aus dieser kurzen Inhaltsangabe erkennt man die Konfusion in der Darstellung, abgesehen von den Wundererzählungen und Übertreibungen, die darin vorkommen. Das zweite Makkab. drängt alle Vorgänge in die Zeit nach der zweiten Rückkehr zusammen, was nach dem ersten Makkab. auf zwei Zeiten verteilt ist. Auch läßt es nach der zweiten Rückkehr Antiochos selbst in Jerusalem einziehen, was gewiß ungenau ist. Um die Ehre des II. Makkab. zu retten und es mit I. auszugleichen, haben Harmonisten diesen zweiten Zug mit dem identifiziert, was Makkab. I zuerst erzählt, und diesem noch einen Zug vorangehen lassen. Daher die Annahme von drei Zügen. Allein diese Ausgleichung rettet nur sehr wenig. Augenscheinlich war der Verf. oder der Epitomator des II. Makkab. in der Chronologie nicht orientiert. Er wußte nur so viel, daß nach Antiochos' zweiter Rückkehr die Zerstörung und Entweihung den höchsten Grad erreicht hatte, darum setzt er alles in diese Zeit. Man darf also keineswegs auf Grund des II. Makkab. drei Züge annehmen.

Überhaupt ist es auffallend, wie wenig das II. Makkab. von den Kriegen und Vorgängen in Ägypten zu erzählen weiß. Es kennt sehr viele Persönlichkeiten und Vorgänge aus der Geschichte des syrischen Reichs. Nicht bloß Heliodor, sondern auch Sostrates, Aufseher der Akra (4, 28); auch den Namen von Antiochos' Konkubine kennt es (4, 30). Es gibt Kunde von Antiochos' Gerichtssitzung in Tyrus wegen Menelaos' und seines Bruders Tempeldiebstahls (4, 43 f.), von Philipp, der über Jerusalem und von Andronikos, der über Gerisim gesetzt war (5, 22). Es weiß, daß ein Apollonios Μυσάρχƞς war, d.h. Mysien zur Statthalterschaft hatte (5, 24), ferner daß Ptolemaios Makron früher unter Philometor Statthalter von Cypern gewesen, dann zu Antiochos übergegangen sei (16, 12), daß ein Nikanor Κυπριάρχƞς gewesen (12, 2), ein anderer ἐλεφαντάρχƞς (14, 12), und unterscheidet von diesen beiden noch einen dritten (8, 9). Es weiß, daß der Brandleger an die Tempelpforten Kallisthenes hieß (8, 33), endlich daß Timotheos einen Bruder Chareas hatte, welcher in Gazara (Jaëser) befehligte (10, 32 f.). Während es in der syrischen Geschichte sich unterrichtet zeigt, kennt es aus den Vorgängen in der judäischen Geschichte nur allgemeine Züge und Personalien, von Onias III., seinen Kämpfen und seinem Tode in Daphne (3, 1 f.; 4, 4 f. 33 f.), von Menelaos' Brüdern Simon und Lysimachos (4, 29; 39 f.), von dem Märtyrer Eleasar und von dem angesehenen »Vater der Judäer« Razis (14, 37). Von Juda Makkabi erzählt es, daß er in der Wüste umhergeirrt (5, 27) und daß ihm Nikanor geraten habe, sich zu verheiraten (14, 33 f.), endlich welches Feldwort im judäischen Lager ausgegeben worden (8, 23; 13, 15). Im Grunde erzählt es den reichhaltigen Geschichtsverlauf nicht pragmatisch und chronologisch, sondern anekdotenhaft. Anekdotenhaft ist z.B. die Erzählung [403] von dem Judäer Dositheos aus Tobiene, einem starken Reiter, welcher den Feldherrn Gorgias am Oberkleide gefaßt und dabei den Arm eingebüßt habe (12, 35). Solche Anekdoten sind schwerlich erfunden und aus der Luft gegriffen, sondern sind als Kristallisationen aus dem Fluß der Sagen anzusehen, wie sie unter den Judäern kursiert haben. Warum aber weiß das II. Makkab. so wenig Anekdoten aus den damaligen Vorgängen in Ägypten während des Krieges des Antiochos gegen Philometor und dieses gegen seinen Bruder und von der Versöhnung beider Brüder zu erzählen? Hier war noch eine reichere Ernte für Anekdoten, wenn der Verf. in Ägypten oder in Kyrene gelebt haben soll. Er weiß aber wenig aus Ägypten, nicht einmal genau, was Antiochos an Judäa nach dem ersten, und was er nach dem zweiten Rückzuge aus Ägypten gefrevelt hat. Der Verf. muß also durchaus in Syrien oder in der Nähe gelebt haben. Daraus ist zu erklären, daß er die syrischen Feldherren ihrem Rang und ihren Antezedentien nach genau kennt, daß er genau weiß, daß die Judäer in hellenischen Städten ebenfalls in den Religionszwang eingeschlossen worden seien, namentlich aber die in Ptolemais wohnenden (6, 8; vergl. o. S. 290, Anm. 4), und daß die Joppenser Judäer von den Heiden ertränkt worden seien (12, 3 f.). Dagegen ist seine Erzählung von den Fehden Judas in Peräa außerordentlich mangel- und lückenhaft. Ja der Verf. oder Epitomator scheint nicht einmal gewußt zu haben, daß die Städte oder Burgen Kaspin, Karnion und andere, welche Juda berannt hat (vergl. Note 19), jenseits des Jordans gelegen haben, und daß Timotheos in dieser Gegend bekämpft wurde. Denn er läßt Juda von Jamnia aus in der Entfernung von nur 9 Stadien auf die Nomadenaraber stoßen und darauf jene Burgen angreifen (12, 10): ἐκεῖϑεν (ἀπὸ Ἰαμνείας) σταδίους ἐννέα. Und weil er alle diese Lokalitäten für diesseitige hielt, läßt er Lysias dort auftreten (12, 27). Ja er scheint in Judäa selbst bezüglich der Distanzen nicht orientiert gewesen zu sein; denn er läßt Skythopolis von Jerusalem 600 Stadien, d.h. 15 geogr. Meilen entfernt sein (12, 29): ὤρμƞσαν ἐπὶ Σκυϑῶν πόλιν, ἀπέχουσαν ἀπὸ Ἱεροσολύμων σταδίους ἑξακοσίους, während die Entfernung kaum 10 geogr. Meilen beträgt. Dieses Moment ist für die Beurteilung der historischen Angaben des II. Makkab. von entscheidender Bedeutung. Während es von den Vorgängen im eigentlichen Syrien und in den Hafenstädten sich sehr gut unterrichtet zeigt, zeigt es in den judäischen Dingen Ignoranz oder wenigstens Unsicherheit, soweit sie nicht Personen betreffen. Daraus folgt, es sei noch einmal wiederholt, daß der Verf. nicht in Palästina und auch nicht in Ägypten heimisch gewesen sein kann, sondern entweder in Antiochien oder in einer der größeren von Judäern bewohnten Städte Syriens, etwa in Ptolemais gelebt haben muß. Hier kann er anekdotenhafte Erzählungen von den Makkabäerkämpfen vernommen haben, wie sie innerhalb des judäischen Kreises als interessanter Gesprächsstoff von Mund zu Mund zirkulierten, und diese hat er ohne pragmatischen Leitfaden, sondern wirr durcheinander und mit Wundermärchen garniert zusammengetragen. Das Märtyrertum Eleasars und der Mutter mit sieben Kindern, dem doch etwas Historisches zugrunde liegen muß, ist ohne Zweifel in Antiochien vorgegangen (vergl. o. S. 291, Anm. 1).

Man darf sich daher durchaus nicht auf das Zeugnis dieses Buches, der Anekdotensammlung, bezüglich der Makkabäerkämpfe berufen, wo es gilt, ein Datum genau zu fixieren. Chronologische Präzision lag ihm ferne. Die Entweihung des Tempels dauert bei ihm nur zwei Jahre (10, 3). Die Zeit [404] zwischen dem Friedensschlusse Eupators-Lysias' mit Juda und der Rückkehr des Demetrios, deren kaum zweijährige Dauer feststeht, nämlich während des Sabbatjahres 149/150 Sel. und Nov. 151 Sel., dehnt Makkab. II auf drei Jahre aus (14, 1) μετὰ δὲ τριετῆ χρόνον. Es ist auch charakteristisch für seine historische Treue, daß es den Landungsplatz des Demetrios, Tripolis, richtig angibt, aber in den Nebenumständen unzuverlässig ist, da es ihn mit einer großen Menge landen läßt, während er nur mit wenigen Personen in den Hafen eingelaufen ist (nach Polybius). Daß es Antiochos Epiphanes 148 Sel. bereits gestorben sein läßt (11, 21 f.), während dieser erst 149 starb, kann zwar nicht dem Verf. zur Last gelegt werden, da er die Urkunden wohl schwerlich gemacht, sondern bereits vorgefunden haben mag. Aber für seine Unzuverlässigkeit in der Chronologie zeugt auch dieses Moment jedenfalls, da es an dem unrichtigen Datum keinen Anstoß genommen hat. Da es in einem einzigen Datum mit Makkab. I stimmt, nämlich bezüglich Alkimos' Einsetzung zum Hohenpriester 151 Sel. (14, 2, verglichen mit I, 7, 1), so darf man seine chronologischen Differenzen nicht mit Wieseler und anderen durch Annahme eines verschiedenen Jahresanfangs oder auf andere Weise ausgleichen, sondern seine Angaben gar nicht berücksichtigen, wie sie auch Grimm (zu Makkab. II, 13) mit Recht vollständig verwirft. Sieht man demnach von der δευτέρα ἔφοδος des Antiochos Epiphanes bei Makkab. II ab, so steht es fest, daß Antiochos nur zwei Kriegszüge gegen Ägypten unternahm, und zwar den ersten Winter 170 und den zweiten Frühjahr 168, und daß er bei der Rückkehr von dem ersten Jerusalem nur geplündert, allenfalls auch Gegner des Menelaos hat umbringen lassen (nach Josephus Altert. XII, 5, 3: πολλοὺς ἀπέκτεινε τῶν ἐναντία φρονούντων), bei der Rückkehr vom zweiten Feldzuge dagegen Zerstörungen und ein Blutbad in Jerusalem angerichtet hat. Gleich darauf hat er den Religionszwang und die Verfolgung dekretiert.

Von einer dritten Expedition Antiochos' gegen Ägypten, und zwar in seinem ersten Regierungsjahre wissen die Historiker jener Zeit gar nichts. Nur Porphyrius soll nach Hieronymus (zu Daniel zu V. 11, 40) die apokalyptische Schilderung von einem Kriege zwischen dem König des Südens und dem des Nordens als geschichtliches Faktum erklärt haben: »et haec Porphyrius ad Antiochum refert, quod undecimo anno regni rursus contra sororis filium, Ptolemaeum Philometorem, dimicaverit.« Es ist aber zweifelhaft, ob Porphyrius wirklich einen solchen Krieg als historisch und faktisch aufgestellt hat. Er mag nur zur notbehilflichen Erklärung der Danielstelle einen dritten Krieg in Antiochos' vorletztem Jahre angenommen haben, historisch verbürgt ist er keineswegs. Hofmann hat sich vergeblich abgemüht, ihn aufrecht zu erhalten (a.a.O. S. 37 f.). Er beruft sich auf Porphyrius-Hieronymus' angeführte Relation: unde (ex Aegypto) regrediens capit Arabes resistentes, et omnem in litore Phoenices vastavit provinciam. Confestimque pergit ad Artaxiam regem Armeniae. Hofmann meint, so wenig diese Angabe fingiert sein kann, kann auch die Relation von einer dritten Expedition gegen Ägypten nicht erfunden sein. Stark (Gaza S. 245) bemerkt mit Recht dagegen: »Schon eine einfache Betrachtung des Verhältnisses von Antiochos gegenüber den durch Gesandte ihn immer beobachtenden Römern erweist« die Undenkbarkeit eines solchen Zuges, nachdem Popillius Laenas ihn aus Ägypten hinausgewiesen hatte. Die Tatsache von der Unterwerfung der phönizischen Küste mag stattgefunden haben und allenfalls historisch sein, aber sie beweist nicht einen dritten Feldzug gegen Ägypten in Antiochos' vorletztem Jahre, als er [405] in den Ländern seiner Erbbesitzung von Verlegenheiten förmlich erdrückt war. Für einen vierten Feldzug fehlt jeder Anhaltspunkt, wenn man nicht seine kriegerischen Bewegungen innerhalb Ägyptens und die wiederholten Belagerungen Alexandriens als besondere Expeditionen ansehen will.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1902], Band 2.2, S. 399-406.
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