9. Kapitel. Antigonos und Herodes. 40-4.

[189] Antigonos' schwacher Charakter und Herodes' Energie. Dreijähriger Krieg um den Thron. Einnahme Jerusalems durch Herodes und Sosius. Herodes wird König, Proskriptionen und Konfiskationen. Gang der herodianischen Politik. Die Erblichkeit des Hohenpriestertums aufgehoben. Tod des prinzlichen Hohenpriesters Aristobul. Palastintriguen. Krieg mit den Nabatäern. Erdbeben; der letzte Hasmonäer wird getötet. Hillel wird Vorsitzender des Synhedrion, sein traditionelles System. Der Essäer Menahem und der strenge Pharisäer Schammaï; die Hillel'sche und Schammaïtische Schule. Herodes' zunehmendes Glück. Hinrichtung Mariamnens. Herodes' Prachtliebe und Baulust. Der Tempelbau. Herodes' häusliches Unglück; er läßt seine Söhne Alexander und Aristobul hinrichten. Antipater und seine Intriguen. Die Pharisäer unter Herodes. Die Zerstörer des römischen Adlers. Das Buch Kohélet. Antipaters Hinrichtung und Herodes' Tod.


Wie Judäa seine Größe und Unabhängigkeit weniger der Kriegsüberlegenheit der ersten Hasmonäer, als vielmehr ihrer Gewandtheit, die günstigen Umstände zu benutzen, verdankte, so erfuhr es Demütigung und Knechtung durch die Kurzsichtigkeit des letzten Has monäerkönigs, der die sich darbietenden Vorteile nicht wahrzunehmen verstanden hat. Die Zeitlage war für Antigonos höchst günstig zur Erwerbung einer gewissen Machtstellung. Die römischen Machthaber waren gegeneinander in Hader und Krieg entbrannt. Das Morgenland, von Oktavian mit gleichgiltigen Augen betrachtet, war für Antonius, dem es zugefallen war, mehr eine liebgewonnene Stätte der Üppigkeit und des eitlen Glanzes, als ein Schauplatz widerhallenden Kriegsruhms. Die weichen Arme der Kleopatra hatten ihm das rauhe Lager der Kriegsgöttin widerwärtig gemacht. Die Parther, nach deren Ländern Roms Gier lüstern war, hatten sie tapfer abgewiesen. Hätte es also Antigonos verstanden, den gegen die idumäische Familie und die Römer entflammten Zorn des Volkes zu unterhalten, hätte er auch nur den Unternehmungsgeist seines Großvaters Alexander entwickelt, so würden die Römer selbst, anstatt in ihm einen Feind zu erblicken, ihn gern [189] zum Freunde oder Bundesgenossen gemacht haben, um mit seiner Hilfe den Parthern Verlegenheiten zu bereiten. Ihre Anhänglichkeit an Herodes, die lediglich auf Eigennutz beruhte, wäre kein Hindernis gewesen; sie hätten ihn wieder in den Staub gedrückt, aus dem sie ihn erhoben hatten, wenn sie von Antigonos dieselben Dienste hätten erwarten können. Antonius' Legat Ventidius, mit dem Kriege gegen die Parther beauftragt, war nur vor Jerusalem gerückt, um zu brandschatzen, und ließ sich nicht auf Belagerungen ein. Leicht hätte er für Antigonos gewonnen werden können, wie sein Unterfeldherr Silo, in Judäa zurückgelassen, in der Tat sich hatte gewinnen lassen. Schon hatten sich die Gebirgsbewohner von Galiläa für Antigonos ausgesprochen und standen für seine Sache mit jener Ausdauer ein, die solchen Stämmen eigen ist. Sepphoris in Galiläa war von Antigonos' Anhängern in einen Waffenplatz verwandelt worden1. Die kriegerische Besatzung von Joppe hielt ebenfalls zu Antigonos. Außerdem hausten in den Höhlen von Arbela unermüdliche Freischärler, welche, wenn auch im offenen Kampfe unbrauchbar, doch dem Feinde im Rücken gefährlich werden konnten. Antigonos aber hatte nichts von einem Staatsmanne und nichts von einem Feldherrn. Er verstand nicht einmal die kriegerischen Hilfsmittel, die ihm so reichlich zu Gebote standen, vorteilhaft und entscheidend zu verwenden; nicht einmal eine Verbindung zwischen den beiden Brennpunkten des Kriegsschauplatzes, dem galiläischen Norden und dem judäischen Süden, zur gegenseitigen Hilfeleistung war hergestellt worden. Seine ganze Tätigkeit zersplitterte sich an kleinlichen Zielen, seine vorherrschende Leidenschaft war Rachegefühl gegen Herodes und dessen Brüder, und sie lähmte seine Tatkraft anstatt sie zu steigern. Er wußte sich nicht zu jener wahrhaft königlichen Höhe zu erheben, von welcher herab er gegen die idumäischen Emporkömmlinge mehr Verachtung als Haß hätte empfinden müssen. Während seiner Regierung, die fast vier Jahre dauerte (40-37), unternahm er nichts Großes, Entscheidendes. Im ersten Jahre seiner Regierung (40-39) hatte er keinen andern Feind als Herodes' jüngeren Bruder Joseph zu bekämpfen, der im ganzen nur achthundert Mann zur Verfügung hatte, die noch dazu in der Festung Masada eingeschlossen waren. Er vermochte nicht einmal diese Festung einzunehmen, um damit seinem Gegner den letzten Stützpunkt zu entreißen.

Auch im Innern verstand es Antigonos nicht, die Männer von Einfluß zu gewinnen, daß sie seine Sache zu der ihrigen machten, um mit ihm zu stehen und zu fallen. Selbst die Führer des Synhedrion, [190] Schemaja und Abtalion, obwohl sie Herodes wegen seiner alles Maß überschreitenden Frechheit nicht liebten, waren gegen Antigonos eingenommen, und durch sie wurde das den Pharisäern anhangende Volk ebenfalls lau gegen ihn. Der Grund der Abneigung gegen den letzten hasmonäischen König ist schwer zu ermitteln. Hat Antigonos vielleicht den sadduzäischen Ansichten gehuldigt, oder herrschte eine persönliche Eifersüchtelei zwischen dem Vertreter der Königsgewalt und den Vertretern des Gesetzes? Man weiß es nicht. Für das letztere spricht ein an sich geringfügiger Vorfall, der auf das unfreundliche Verhältnis zwischen beiden schließen läßt. Das Volk hatte an einem Versöhnungstage den königlichen Hohenpriester nach vollendetem Gottesdienste – wie es Brauch war – vom Tempel bis zu seiner Wohnung in gedrängten Reihen begleitet. Als unterwegs aber die Volksmenge die Synhedristen Schemaja und Abtalion gewahrte, verließ sie den Hohenpriester, um den beliebten Gesetzeslehrern das Ehrengeleite zu geben2. Antigonos, ärgerlich über die erfahrene Zurücksetzung, äußerte seine Empfindlichkeit gegen die beiden Synhedristen in einer ironischen Begrüßung, welche diese dem Könige auf eine ebenso verletzende Weise erwiderten. Diese Spannung mit den einflußreichsten Männern, verbunden mit seiner Unerfahrenheit in der Kriegskunst und in staatsmännischem Verfahren, haben das größte Mißgeschick über ihn, sein Haus und die Nation herbeigeführt.

Von ganz anderem Holze war sein Nebenbuhler Herodes, der alles besaß, was jenem mangelte. Er zwang stets das Glück, so wie es ihn auf einen Augenblick verlassen hatte, ihm wieder zuzulächeln. Herodes' Lage nach der nächtlichen Flucht (S. 188) aus Jerusalem war so verzweifelt, daß er, als er noch dazu auf seiner Flucht von den judäischen Bewohnern angegriffen worden war, im Begriffe stand, sich zu entleiben. Sein Schritt, den Nabatäerkönig Malichos, zu dem er in einem verwandtschaftlichen und bundesgenössischen Verhältnis stand, und bei dem er die Schätze seiner Familie niedergelegt hatte, für sich zu gewinnen, mißlang. Derselbe ließ ihn bedeuten, sein Gebiet nicht zu betreten; denn er wolle die Parther, welche Antigonos zum Könige eingesetzt hatten, nicht reizen. So durchwanderte Herodes die judäischidumäische Wüste allein, ohne Geldmittel, aber doch ungebeugt sich in weitgreifende Pläne wiegend. Er begab sich nach Ägypten. Den Vorschlag, den ihm die Ägypterkönigin Kleopatra gemacht, in ihren Dienst als Feldherr zu treten, wies er zurück; seine Träume hingen der Krone von Judäa nach. Zu Schiffe begab er sich nach Rom. Unterwegs [191] mit Sturm und Unwetter kämpfend, traf er gerade in einem günstigen Zeitpunkte in Rom ein, als Octavian und Antonius sich wieder in dem brundisischen Vertrag geeinigt hatten. Es fiel ihm nicht schwer, Antonius zu überzeugen, von welchem Nutzen ihm seine Dienste gegen die Parther sein könnten, und daß Antigonos, durch die Parther auf den Thron gehoben, ein unversöhnlicher Feind der Römer sein und bleiben werde. Antonius war überhaupt von Herodes' Gewandtheit und Klugheit bestochen. Er legte daher ein günstiges Wort für ihn bei Octavian ein, und dieser durfte ihm nichts abschlagen. Vielleicht hatte er auch einige einflußreiche Judäer Roms dafür gewonnen, daß auch sie ihm bei den Machthabern das Wort redeten. So setzte er es durch, daß er innerhalb sieben Tagen vom Senat förmlich als König von Judäa anerkannt und Antigonos als Feind Roms erklärt wurde (Winter 403). Dies war der zweite Todesstoß, den Rom der judäischen Nation versetzt hat, indem es sie einem Ausländer, einem Halbjudäer (ἡμιουδαῖος), einem Idumäer, der persönliche Beleidigungen zu rächen hatte, auf Gnade und Ungnade preisgab. Sie mußte dafür noch Tribut an Rom zahlen4.

Herodes, der seinen Ehrgeiz mit dem schönsten Erfolge gekrönt sah, entriß sich den Aufmerksamkeiten, mit denen ihn Antonius in Rom behandelte, um den eben erlangten Titel eines Königs von Judäa zu verwirklichen. Er verließ Rom und traf in Akko ein (39); seine Freunde, die er sich zu gewinnen gewußt hatte, unterstützten ihn mit dem zu einem Prätendentenkrieg so unentbehrlichen Gelde, namentlich der reichste Judäer in Antiochien, Saramalla5, welcher für Antipaters Söhne eine besondere Anhänglichkeit an den Tag legte. Mit diesen Hilfsquellen besoldete er Mietstruppen, unterwarf einen großen Teil von Galiläa (Frühjahr 39) und begab sich nach dem Süden, um die Festung Masada, wo sein Bruder Joseph von den Antigonianern hart bedrängt war, zu entsetzen. Von den römischen Truppen, die Ventidius auf seinem Zuge gegen die Parther unter Anführung des Silon ihm zugesandt, hatte er wenig Hilfe, entweder weil dieser Unterfeldherr von Antigonos bestochen war, oder weil er einen Wink bekommen hatte, es mit keinem der judäischen Kronprätendenten zu verderben, sondern sie einander aufreiben zu lassen. Sie unterstützten ihn daher nicht bei der Belagerung Jerusalems; Herodes mußte also vom Süden abziehen und den Krieg nach Galiläa verlegen, wo er Sepphoris einnahm und die Freischärler in den Höhlen von Arbela zerstreute[192] (Winter 39-38). Von welchem Geiste diese beseelt waren, zeigte ein Greis unter ihnen. Nachdem sämtliche in den Höhlen geborgenen Freischärler durch Feuer und die Schwerter der in großen Kasten an eisernen Ketten heruntergelassenen Bewaffneten den Tod gefunden hatten, tötete dieser Greis seine sieben Söhne mit eigener Hand, überhäufte Herodes mit Schmähungen, daß er, der Niedrige, sich die Königswürde über Judäa angemaßt hatte und stürzte sich zuletzt, obwohl Herodes ihm Verzeihung angeboten hatte, vom Eingang der Höhle in die Tiefe6. Er war ein Vorbild für die Selbstaufopferung der Patrioten in Massen, um der Knechtschaft zu entgehen.

Bei der Unentschiedenheit der Römer, sich energisch an dem Kriege zu beteiligen, zog er sich in die Länge; denn auch der zweite Unterfeldherr Machäras, den Ventidius zum Scheine Herodes zu Hilfe nach Judäa gesandt hatte (38), unternahm nichts Ernstliches7. So sah sich denn Herodes genötigt, sich persönlich in Antonius' Lager zu begeben, welcher damals Samosata belagerte. Infolge der Dienste, die er ihm bei dieser Gelegenheit leistete, und seiner Überredungsgabe, beauftragte Antonius einen seiner Feldherren, Sosius, mit zwei Legionen Antigonos ernstlich zu bekämpfen und den König römischer Wahl einzusetzen. Unterstützt von diesen Hilfstruppen, kehrte Herodes nach Galiläa zurück, fand aber die Lage der Dinge ganz verändert. Sein Bruder Joseph, dem er sein Heer mit dem Bedeuten, vor seiner Rückkehr nichts zu unternehmen, sondern nur die Festungen zu behaupten, übergeben, hatte sich in einen Kampf mit Antigonos bei Jericho eingelassen und dabei sein Leben verloren. Das herodianische Heer war zerstreut und die Galiläer im vollen Aufstande, und der römische Feldherr Machäras verhielt sich ziemlich teilnahmlos. Herodes mußte also die Wiedereroberung des Landes von neuem beginnen, und es gelang ihm, obwohl damals ein schneereicher Winter dem Feldzug hinderlich war (38-37), das ganze Land bis Jerusalem von den Antigonianern zu säubern und den Tod seines Bruders an Pappos zu rächen, der ihm das Haupt abgeschlagen hatte. Diesen Krieg führte er racheschnaubend mit unerbittlicher Grausamkeit; fünf Städte um Jericho mit ihren Bewohnern, zweitausend an der Zahl, welche für Antigonos Partei genommen, ließ er verbrennen. Mit dem herannahenden Frühjahr (37) schritt er zur Belagerung Jerusalems, vorher aber feierte er in Samaria, die Hand befleckt von dem Blute seiner Landsleute, sein Beilager mit seiner mehrere Jahr vorher ihm verlobten [193] Braut Mariamne8, gegen deren Vaterbruder er eben einen blutigen Krieg führte. Die Neuvermählte mochte ahnen, daß derselbe, der jetzt nur von Rachegedanken gegen den Rest der Hasmonäer erfüllt war, auch bald ihr und ihrer ganzen Familie Würgengel werden würde. Rücksichtslos wie er war, verließ er seine idumäische Frau Doris, die ihm bereits einen Sohn, Antipater, geboren hatte.

Sobald Sosius mit einem zahlreichen Heere von römischem Fußvolk, Reiterei und syrischen Hilfstruppen in Judäa eingerückt war, wurde die Belagerung Jerusalems ernstlich betrieben, obwohl der Spätwinter noch strenge war, und die Zufuhr von Lebensmitteln den Römern von wilden Banden, wie sie der Bürgerkrieg erzeugt und die Gebirgsgegend begünstigt, öfter abgeschnitten worden war. Das Belagerungsheer betrug nahe an hunderttausend Mann und nahm dieselbe Stellung ein, welche Pompejus siebenundzwanzig Jahre vorher eingenommen hatte, im Norden Jerusalems, dem Tempelberg gegenüber. Es errichtete Wälle, füllte die Gräben aus und legte Mauerbrecher an. Mit dem Eintreten des Frühlings, als die warme Jahreszeit nach kurzer Zeit die Saaten zur Reife brachte, wurde die Belagerung ununterbrochen fortgesetzt. Die Belagerten, obwohl Mangel leidend, verteidigten sich mit Löwenmut und erwarteten ein Wunder vom Himmel, der die heilige Stadt und den Tempel vor den Händen der Heiden und des verhaßten Herodes schützen werde. Sie machten öfter Ausfälle, vertrieben die Arbeiter, zerstörten die begonnenen Belagerungswerke, richteten eine neue Mauer auf und erschwerten die Arbeit der Belagerer so sehr, daß diese nach dem Verlaufe eines Monats noch nicht weit vorgerückt waren9. Die beiden Hauptsynhedristen Schemaja und Abtalion sprachen sich aber gegen den Widerstand aus und rieten, Herodes die Tore zu öffnen. Nach ihrer religiösen Anschauung habe der Himmel Herodes als Geißel über die Nation verhängt, um sie für ihre Sündhaftigkeit zu züchtigen10. Antigonos scheint aber nicht die Macht oder den Mut gehabt zu haben, die Aufwiegler zu bestrafen. Indessen teilten nicht sämtliche angesehene Pharisäer diese Gesinnung; ein ansehnlicher Teil derselben, unter Anführung der Bene-Baba aus einer wegen ihres alten Adels und ihrer Frömmigkeit beim Volke einflußreichen Familie, war Antigonos eifrig zugetan und widersetzte sich dem Ansinnen, dem Feinde die Stadt zu übergeben11. Diese Spaltung im Innern, verbunden mit den Angriffen von außen, mag dazu beigetragen haben, daß die äußere nördliche Stadtmauer nach vierzig Tagen [194] den Stößen der Belagerungsmaschinen nachgab und zusammenstürzte. Die Belagerer drangen in die Unterstadt und die Außenwerke des Tempels ein; die Belagerten mit dem Könige verschanzten sich in der Oberstadt und auf dem Tempelberge. Gegen die zweite Mauer stürmten die Römer wieder einen halben Monat, versorgten aber während der ganzen Zeit den Tempel mit Opfertieren12. Die Jerusalemer kämpften mit Löwenmut. Aber sie unterlagen. An einem Sabbat, als die judäischen Krieger keinen Angriff erwarteten, fiel ein Teil der zweiten Mauer, und die Römer stürzten wie Rasende in die Altstadt und den Tempel, alles niedermetzelnd ohne Schonung und Mitleid für Geschlecht und Alter und die Priester bei den Opfertieren würgend. Jerusalem wurde verhängnisvoll an demselben Tage eingenommen, an welchem Pompejus siebenundzwanzig Jahre vorher den Tempel erobert hatte (Siwan, Juni 3713). Kaum gelang es Herodes, die Wütenden von Plünderung und Tempelschändung zurückzuhalten, und nur durch reiche Geschenke an jeden einzelnen Soldaten wendete er die Zerstörung Jerusalems ab, um nicht über Ruinen zu herrschen. Antigonos geriet in Gefangenschaft. Seine Feinde fügten zum Unglück seiner Entthronung noch die Verleumdung hinzu, er habe, um sein Leben flehend, sich Sosius zu Füßen geworfen, aber dieser habe ihm verächtlich den Frauennamen Antigona gegeben. Auch machten sie ihm zum Vorwurfe, er habe einen Säulengang des Tempelhofes in Brand gesteckt und seinen Schutzherren, den Parthern, versprochen, fünfhundert Mädchen als Entgelt für ihre Dienste zu liefern, Verleumdungen, die offenbar dahin zielten, ihn in den Augen der Nation als einen Unwürdigen erscheinen zu lassen14. Sosius schickte den gefangenen König zu Antonius, der ihn auf Herodes' dringendes Bitten gegen Sitte und Brauch geißeln und mit dem Beile das Haupt abschlagen ließ, ein schimpflicher Tod, der bei den Römern selbst Entrüstung erregte15. Antigonos war der letzte der acht fürstlichen Hohenpriester aus dem hasmonäischen Hause, welches mehr als ein Jahrhundert geherrscht und zuerst Größe und Glanz und dann Erniedrigung und Elend über Judäa gebracht hat.

[195] Herodes, oder wie ihn das Volk nannte, der idumäische Sklave, war also am Ziele seiner hochfliegenden Wünsche; sein Thron ruhte zwar auf Trümmern und Leichen, aber er fühlte in sich die Kraft, ihn auf diesem Untergrunde zu behaupten, auch wenn es sein mußte, ihn mit einem breiten Blutstrom zu umgeben. Der bittere Haß des judäischen Volkes, dem er sich ohne das geringste Verdienst, ohne Rechtstitel als gebietender Herrscher aufgezwungen hatte, war ihm nichts gegen Roms Zuneigung und Antonius' freundliches Lächeln, das Legionen bedeutete, und diese unschätzbaren Güter ersetzten ihm, was ihm seine judäischen Untertanen versagten. Auch däuchte es ihm nicht schwer, sich die Liebe des Volkes zu ertrotzen, wie er sich das Königtum ertrotzt hatte. Den Gang seiner Politik erfaßte er mit klarem Blicke; er war ihm gewissermaßen von den Umständen vorgezeichnet: sich ganz hingebend an die Machthaber Roms anzuschließen, um an ihnen eine kräftige Stütze gegen den Volksunwillen zu haben, diesen Unwillen wiederum durch scheinbare, unschädliche Zugeständnisse allmählich zu bändigen, oder ihn durch unerbittliche Strenge unwirksam zu machen. Diese Politik verfolgte er vom ersten Augenblick seines Sieges an, seine ganze vierunddreißigjährige Regierungszeit hindurch bis zu seinem letzten Atemzuge, kalt und herzlos wie das Schicksal, mit erschreckender Konsequenz. Selbst in der ersten Verwirrung, bei der Eroberung des Tempelberges, verlor er seine Kaltblütigkeit nicht, und befahl seinem Trabanten Kostobar, gleich ihm von idumäischer Herkunft, die Ausgänge aus Jerusalem mit Wachen zu umstellen und alle Flüchtlinge einzufangen. Haufenweise wurden Antigonos' Anhänger hingeschlachtet, darunter fünfundvierzig aus den angesehensten Geschlechtern16. Dabei vergaß Herodes seinen alten Groll nicht; die Synhedristen, welche zwölf Jahre vorher, von Schemajas mannhafter Rede aufgerüttelt, entschlossen waren, ihn des Mordes wegen zu verurteilen (o. S. 180), ließ er sämtlich hinrichten, mit Ausnahme der beiden Häupter Schemaja und Abtalion, weil sie sich als Gegner des Antigonos erwiesen hatten17. Auch die Bene-Baba entgingen für den Augenblick seinem Racheschwerte. Kostobar selbst hatte sie in Schutz genommen, weil er, ehrgeizig wie sein Herr, diesen einst zu entthronen, und sich durch den Einfluß derer, die ihm das Leben zu danken haben würden, einen Anhang im Volke zu gewinnen dachte18. Einen Gesetzeslehrer, Baba ben Buta, der vielleicht demselben Geschlechte angehört hat, ließ [196] Herodes blenden19. Das Vermögen aller Verurteilten und Bestraften ließ er für seinen Schatz einziehen20; er hatte von den Römern, seinen Lehrmeistern, die Vorteile der Proskriptionen und Güterkonfiskationen gründlich erlernt. Mit den täglich sich anhäufenden Schätzen konnte er Antonius' Gunst, der für sein schwelgerisches Leben und die Befriedigung von Kleopatras Habgier nie zuviel Geld hatte, stets lebendig erhalten. Alle diese Gewalttätigkeiten ertrug das Volk; es war der Aufstände und Kriege müde, die mit geringen Unterbrechungen dreiunddreißig Jahre, seit dem Tode der Königin Salome, die Lebensverhältnisse erschüttert und den Wohlstand heruntergebracht hatten. Man sehnte sich nach Ruhe und war froh, wenigstens von einem König beherrscht zu werden, der sich äußerlich doch zum Judentume bekannte und die Sitte der Väter, wie man hoffte, unangetastet lassen würde. Nicht wenige waren auch von Herodes' alle Schwierigkeiten besiegender Gewandtheit und Tatkraft zur Bewunderung hingerissen und ihm aufrichtig zugetan, und er verfehlte nicht, diese für ihre Anhänglichkeit reich zu belohnen. Im ganzen aber hatte er wenig Vertrauen zu den Einheimischen; er fühlte, daß ihre Unzufriedenheit mit der Art, wie er zur Herrschaft gelangt war, und wie er sie behauptete, nicht ganz zu entwurzeln war; er gab daher bei der Besetzung von Ehrenstellen ausländischen Judäern den Vorzug.

Zum Hohenpriester ernannte er, mit Übergehung des hasmonäischen Hauses, einen gewissen Ananel, zwar von ahronidischem Geschlechte, aber weder von hasmonäischer noch von einer andern angesehenen priesterlichen Familie. Um aber die Empfindlichkeit der Nation nicht zu reizen, die im Punkte der Religion, namentlich des Tempels und der hohenpriesterlichen Würde, sehr rege war, gab er ihn für einen Babylonier21 aus, weil man in Palästina den babylonischen Judäern gern den Vorzug eines höheren Geschlechtsadels einräumte, in der Voraussetzung, daß sie sich niemals durch Mischehen befleckt haben. Ob es mit der babylonischen Abkunft dieses Ananel seine Richtigkeit hatte, ist zweifelhaft; eine glaubwürdigere Quelle läßt diesen Hohenpriester aus Ägypten abstammen22. Herodes gab auch sein eigenes Geschlecht für ein altjudäisches aus, das aus Babylonien eingewandert sei, und wollte dadurch den Schandfleck verwischen, daß er von den zum Judentum gewaltsam bekehrten Idumäern abstammte. Wenn es auch die Einheimischen nicht glaubten, die ein gutes Gedächtnis für seine wahre Abkunft hatten, gelang es ihm doch, Auswärtige und Heiden [197] zu täuschen. Sein vertrauter Freund, der Geschichtsschreiber Nikolaos von Damaskus, erzählte die Märe weiter, wie er sie aus Herodes Munde vernommen23. Weil aber seine Abstammung, wenn sie wahr gewesen wäre, sich aus den genealogischen Tafeln, die das Synhedrion beaufsichtigte, hätte erweisen müssen, soll er dieselben aus dem Archive haben verbrennen lassen24. Wie zum Hohenpriestertum, so berief er auch nach dem Tode von Schemaja und Abtalion zu Synhedrial-präsidenten Ausländer, und wie es scheint, Babylonier aus der Familie Bene-Bathyra25, die in Herodes' Gunst stand. Er räumte dieser Familie später einen kleinen Landstrich in Batanäa ein, wo sie unter ihrem Familienhaupte Zamaris eine Stadt unter dem Namen Bathyra26 angelegt hat; die Bene-Bathyra blieben daher seinem Hause bis auf den letzten Sproß desselben treu.

Zwei Personen konnten Herodes' Herrschaft noch gefährden, ein Greis und ein Jüngling: Hyrkan, welcher Krone und Priesterdiadem getragen hatte, und dessen Enkel Aristobul, der Anspruch auf beides hatte. So lange diese noch nicht unschädlich gemacht waren, konnte er sich nicht dem ruhigen Genusse seiner Errungenschaften hingeben. Hyrkan war zwar in parthische Gefangenschaft geraten und noch dazu verstümmelt, d.h. untauglich zur Priesterwürde; aber die Parther waren so großmütig gewesen, ihm die Freiheit zu schenken, und die babylonischen Judäer, froh, den unglücklichen König das Leid vergessen zu machen, hatten ihn in ihrer Mitte mit Zuvorkommenheit und Ehren überhäuft27 und ihm vermutlich in der von judäischer Bevölkerung gefüllten Stadt Nahardea (Naarda) eine Residenz eingeräumt. Dessenungeachtet hatte Hyrkan eine tiefe Sehnsucht nach seinem Heimatslande, und Herodes fürchtete daher, daß er oder die babylonischen Judäer die Parther für sich gewinnen und sie bewegen könnten, ihm den Thron wiederzugeben, von dem sie ihn hinweggerissen. Und wie leicht konnte nicht ein solcher Wechsel eintreten? Antonius' Feldzug gegen den Partherkönig Phraates (36) verlief unglücklich. Konnten die Sieger nicht zum zweiten Male in Syrien einfallen und Hyrkan mit sich führen, wäre es auch nur, um an dem König römischer Wahl Wiedervergeltung zu üben wegen der Hilfe, die er den Römern gegen Parthien geleistet? Herodes fürchtete das und wollte der Gefahr zuvorkommen. [198] Er wollte Hyrkan dem parthischen Einflusse entziehen, ihn lieber in seiner Nähe sehen, um seine Schritte besser überwachen zu können. Mit der ihm eigenen Verstellung ließ Herodes daher durch seinen Freund Saramalla, den angesehensten der syrischen Judäer, vermittels Geschenke den parthischen König gewinnen, Hyrkan zu entlassen, und diesen einladen, nach Jerusalem zurückzukehren, Thron und Macht mit ihm zu teilen und den Dank zu empfangen, den er ihm wegen so vieler Wohltaten schulde. Vergebens mahnten die babylonischen Judäer den leichtgläubigen Hyrkan ab, sich nicht zum zweiten Male in den Strudel der politischen Weltbegebenheiten zu stürzen; er eilte seinem Verhängnis entgegen. In Jerusalem angekommen (36), nahm ihn Herodes aufs freundlichste auf, nannte ihn Vater, gab ihm den Ehrensitz bei der Tafel und in den Ratsversammlungen28, und diese Zuvorkommenheit täuschte den schwachen Mann so sehr, daß er den lauernden Blick nicht merkte, mit welchem ihn der Idumäer beobachtete.

Hyrkan war also entwaffnet und unschädlich, er war in einem goldenen Käfig. Gefährlicher schien Herodes dessen Enkel, der sechzehnjährige Aristobul, der wegen seiner Abkunft, seiner Jugend und seiner Bewunderung erregenden Gestalt alle Herzen für sich einnahm. Herodes hatte ihm zwar allen Einfluß zu entziehen geglaubt, indem er ihm die ihm gebührende Hohepriesterwürde vorenthalten, obwohl er sein Schwager war, und damit einen Fremden belohnt hatte; aber dieses Mittel verfehlte seine Wirkung. Seine Schwiegermutter Alexandra, in Intriguen ebenso gewandt wie Herodes, hatte Antonius für ihren Sohn einzunehmen gewußt. Sie hatte die Bildnisse ihrer beiden Kinder, der Mariamne und des Aristobul, der schönsten ihres Volkes, dem Antonius zustellen lassen, überzeugt, daß man auf diesen verweichlichten Helden durch Sinnenreiz am besten einwirken könne. Dellius, Antonius' treuer Anhänger und Vermittler, machte auch hierbei den Vermittler; er gedachte durch die wundervolle Schönheit dieser beiden Hasmonäer-Enkel seinen Freund aus Kleopatras Liebesbanden zu reißen. Antonius, von den Bildern betroffen, verlangte den Jüngling zu sehen, und Herodes konnte nicht umhin, um ihn aus des Machthabers Nähe fern zu halten, ihn zum Hohenpriester zu ernennen (Anfangs 35). Natürlich wurde Ananel gegen Gesetz und Herkommen seiner Würde enthoben. Diese Erhebung ihres Sohnes genügte aber der ehrgeizigen Alexandra noch nicht. Sie sann heimlich darauf, ihm auch die Krone, welche ihre Väter getragen, zuzuwenden. Sie hatte [199] sich zu diesem Zwecke mit der auf Herodes neidischen Königin Kleopatra verschworen und zwei Särge bestellt, in welche sie und ihr Sohn gelegt werden sollten, um, ohne Verdacht zu erregen, die Stadt verlassen und nach Ägypten entkommen zu können. Aber Herodes, dem diese Intrigue verraten worden war, überraschte Mutter und Sohn in den Särgen und verhinderte ihr Entfliehen. Desto eifriger mußte er daran denken, sich des gefährlichen Jünglinges zu entledigen. Ohnehin hatte Aristobul das Herz des Volkes für sich eingenommen; so oft er im Tempel erschien, weideten sich die Augen aller an seiner schönen, hochragenden Gestalt, und man konnte in ihren Augen den Wunsch lesen, diesen letzten Sproß der Hasmonäer auch mit der Königskrone geziert zu sehen. Mit Gewalt konnte Herodes gegen diesen Nebenbuhler nicht verfahren, da die vielvermögende Kleopatra Aristobuls Gönnerin war. So nahm er denn zur List seine Zuflucht. Er lud ihn nach Jericho, seinem Lieblingsaufenthalte, ein und gab seinen Dienern die Weisung, dem Jünglinge im Bade spielend den Garaus zu machen, die auch pünktlich ausgeführt wurde (Herbst 3529). Mit dem achtzehnjährigen Aristobul III. starb der letzte Stammhalter des Hasmonäerhauses. Ananel wurde zum zweiten Male Hoherpriester. Vergebens heuchelte Herodes die tiefste Trauer um den Tod seines jungen Schwagers, vergebens verschwendete er Wohlgerüche für die Leiche; Verwandte wie Freunde der Hasmonäer klagten ihn des Mordes an, aber die Lippen wagten nicht, den Gedanken laut werden zu lassen.

Diese Untat hatte aber die traurigsten Folgen für ihn und machte ihm das Leben bis an sein Ende zur Höllenpein. Sie erregte nicht etwa Gewissensbisse und Reue in diesem Kieselherzen, sondern einen immer mehr sich steigernden Unfrieden in seinem Hause, der die seinem Herzen Teuersten als Opfer hinraffte und ihn selbst zum Unglücklichsten der Menschen machte. Selten hat sich ein Verbrechen in so sichtbarer Verkettung mit so brennenden Zügen an seinem Urheber gerächt wie an Herodes. Aber was bei einem minder verstockten Herzen Veranlassung zur Umkehr gewesen wäre, das war für ihn ein Sporn, Verbrechen auf Verbrechen zu häufen, seine nächsten Verwandten und Kinder zu morden und so als abschreckendes Beispiel von der überwältigenden Macht eines sündigen Lebens dazustehen.

Alexandra, die ihren Ehrgeiz auf die Erhebung ihres Sohnes gesetzt und sich um ihre Hoffnungen betrogen sah, verfehlte nicht, Herodes bei Kleopatra als Mörder anzuklagen, und diese maßlos leidenschaftliche Königin, welche auf Herodes Länder ein lüsternes [200] Auge geworfen hatte, benutzte diese Gelegenheit, ihn in den Augen ihres Anbeters verhaßt zu machen. Antonius lud hierauf Herodes zu sich nach Laodicea ein, damit er sich über das Geschehene rechtfertige. Für sein Leben zitternd, reiste Roms Vasallenkönig dahin, wußte aber durch reiche Geschenke und Beredsamkeit Antonius so sehr für sich einzunehmen, daß er ihm nicht nur Aristobuls Tod nachsah, sondern ihn auch mit Ehren auszeichnete (Frühjahr 3430). Frohen Mutes kehrte Herodes nach seiner Residenz zurück; er war einer großen Gefahr entgangen. Er büßte zwar eine kostbare Perle seiner Krone ein. Die wegen ihres hochgeschätzten Balsams und ihres Palmenwuchses berühmte Gegend von Jericho hatte denn doch Antonius ihm entzogen und sie Kleopatra, die er auch mit fast dem ganzen Küstenstrich des Mittelmeeres belehnte, geschenkt. Herodes mußte von ihr den Ertrag des Bodens um 200 Talente in Pacht nehmen31. Aber dieses Lösegeld konnte nicht in Betracht kommen gegen den großen Verlust, der ihm gedroht hatte. Er konnte zufrieden sein.

Allein an der Schwelle seines Palastes erwartete ihn der Dämon der Zwietracht und erfüllte sein Inneres mit Verzweiflung. Er hatte vor seiner Abreise seine Gattin Mariamne dem Gemahl seiner Schwester Salome, Namens Joseph, anvertraut und ihm den geheimen Auftrag gegeben, falls er bei Antonius in Ungnade fallen und sein Haupt verwirken sollte, seine Gemahlin und ihre Mutter zu töten. Die Liebe zu seinem schönen Weibe, das er keinem Nachfolger gönnen mochte, und zugleich der Haß gegen die Hasmonäerinnen, die nicht Schadenfreude an ihm erleben sollten, gaben ihm diesen teuflischen Gedanken ein. Joseph hatte aber Mariamne, sei es aus Gutmütigkeit, um sie von der überschwenglichen Liebe ihres Gatten zu überzeugen, sei es aus Bosheit, welche die Glieder dieser Familie gegeneinander hegten, den geheimen Befehl zu ihrem Tode verraten und dadurch einen Stachel mehr in das Herz dieser unglücklichen Königin gesenkt. Als sich daher ein falsches Gerücht von Herodes' Tode in Jerusalem verbreitet hatte, wollte Mariamne sich mit ihrer Mutter unter den Schutz der römischen Fahnen begeben. Diesen Umstand benutzte Herodes' Schwester Salome, von gleichem Hasse sowohl gegen ihren Gatten Joseph als auch gegen ihre Schwägerin beseelt, weil diese mit königlichem Stolze sich mit der Familie ihres Gatten nicht befreunden mochte, um beide bei ihrem Bruder zu verleumden und sie sogar des heimlichen Einverständnisses und eines unzüchtigen Umganges anzuklagen. Herodes, [201] anfangs ungläubig, fand die Verleumdung bestätigt, als Mariamne verriet, daß sie um seinen geheimen Auftrag gewußt hatte. Sein Zorn kannte keine Grenzen; er ließ Joseph enthaupten, Alexandra in Gewahrsam halten und hätte auch Mariamne jetzt schon dem Tode geweiht, wenn seine Liebe zu ihr nicht stärker als sein Zorn gewesen wäre32. Von dieser Zeit an (34) war der Same des Mißtrauens und des Hasses im engsten Kreise seiner Familie ausgestreut, und er wucherte fort, bis ein Familienglied nach dem andern dem gewaltsamen Tode anheimgefallen war.

Äußerlich zwar blieb Herodes das Glück treu und half ihm über die traurigsten Lagen hinweg. Ehe das sechste Jahr seiner Thronbesteigung abgelaufen war, hatten sich drohende Gefahren über seinem Haupte zusammengezogen, die einen minder Starken niedergeworfen hätten. Eine noch überlebende Schwester des letzten Hasmonäerkönigs Antigonos hatte sich zur Rächerin ihres Bruders und ihres Geschlechtes aufgeworfen, Truppen gesammelt und, man weiß nicht auf welche Weise, die Festung Hyrkania in ihre Gewalt bekommen (um 3233). Kaum hatte Herodes diese Frau besiegt, als ihm eine andere weit ernstere Gefahr drohte. Kleopatra, die, überhaupt eine Judenfeindin, zur Zeit einer Hungersnot den judäischen Armen nicht gleich den übrigen Einwohnern Alexandriens Getreide verabreichen wollte34 und gegen Herodes besonders eingenommen war, gab sich alle Mühe, ihn mit ihrer Allmacht bei dem Wollüstling Antonius zu verderben. Wie Lysanias, Sohn jenes mit den Hasmonäern befreundeten syrischen Fürsten Ptolemäus, auf ihre Veranlassung enthauptet worden war35, so sollte es auch Herodes und dem Nabatäerkönig ergehen. Sie ermüdete daher nicht, Herodes durch Intriguen zu schaden; sie verlockte ihn, als sie durch Judäa reiste, durch ihre Schönheit, etwas zu begehen, was Antonius' Zorn aufs höchste hätte reizen müssen; aber seine berechnende Überlegung widerstand der Verlockung. Aus Furcht vor ihr und auch vor dem Volke, deren Haß auf seinen Sturz sann, sah er sich beizeiten nach einem Zufluchtsorte um, der sein Leben wenigstens lange zu schützen imstande sein sollte. Er machte die steile Bergfeste Masada, die nur von zwei Seiten, vom toten Meer und der entgegengesetzten Seite, auf schmalen, steilen und geschlängelten [202] Pfaden, an Schluchten vorüberführend, zugänglich war, noch wehrhafter. Die Spitze des Kegels von sieben Stadien Umfang ließ er mit hohen und festen Mauern, siebenunddreißig Türmen und mit Wohnungen versehen. Auch einen Prachtpalast mit Säulengängen, Bädern, Mosaikestrich ließ er sich auf Masada bauen und durch Türme gegen Angriffe schützen. Große Wasserbehälter ließ er anlegen, um stets Wasservorrat zu haben, und der freie Platz konnte zum Anbau von Getreide dienen36. Wenn ihm alles mißlingen sollte, so sollte diese steile Feste am toten Meere ihm gegen seine Feinde, und wenn ihrer noch so viele wären, Sicherheit des Lebens gewähren. Kleopatra sann aber auf einen andern Plan, um ihn ohne große Anstrengung zu verderben. Sie machte Herodes zum Bürgen für die ihr zugewiesenen Einnahmen aus einem Teile des Gebietes des Nabatäerkönigs Malich, um ihn in Kriege mit diesem zu verwickeln, wobei ihre Absicht war, die ihr gleicherweise verhaßten beiden Nachbarkönige einander aufreiben zu lassen. Das letztere gelang ihr zum Teil. Da Malich die regelmäßige Steuerzahlung eingestellt hatte, überzog ihn Herodes mit Krieg. Sobald er aber zwei Siege über ihn (bei Dium und Kanath in der hauranischen Landschaft) davongetragen hatte, schickte Kleopatra ihren Feldherrn Anthenion dem Nabatäerkönige zu Hilfe, und das judäische Heer erlitt eine so furchtbare Niederlage, daß Herodes über den Jordan zurückgehen mußte und sich auch diesseits nicht mehr sicher hielt. Dazu kam noch ein furchtbares Erdbeben, das besonders die Sarona-Ebene (den östlichen Teil der Ebene Jesreel) hart traf; die Häuser stürzten zusammen und begruben viele tausend Menschen unter ihren Trümmern (im Frühjahr 31). Seit diesem Erdbeben pflegten die Hohenpriester am Versöhnungstage im Allerheiligsten für die Einwohner der Sarona besonders zu beten, daß ihre Häuser nicht ihre Gräber werden sollen37. Die Niederlage gegen die Nabatäer und das Erdbeben machten das judäische Heer so mutlos und die Feinde so zuversichtlich, daß das Äußerste zu befürchten war. Herodes flößte ihnen aber neuen Mut zu neuem Kampfe ein. Die Nabatäer wurden bei Philadelphia besiegt und erkannten ihn als Lehnsherrn an (3138).

Kaum hatte er von dieser Seite Ruhe, als sich ein Sturm erhob, der die römische Welt aufs tiefste erschütterte und auch den Günstling der römischen Machthaber zu verderben drohte. Seitdem Rom und die ihm untertänigen Völker den Dreimännern, Octavianus Cäsar, [203] Markus Antonius und Aemilius Lepidus, zu Füßen lagen, und diese drei einander gründlich haßten und hinwegzuräumen trachteten, war die politische Atmosphäre mit Verderben drohenden Elementen erfüllt, die jeden Augenblick losbrechen konnten. Dazu kam noch das unerhörte Schauspiel, daß einer dieser drei Gewaltigen von dem buhlerischen und teuflischen Weibe Kleopatra beherrscht war, welche ihren Liebeszauber über ihn dazu benutzte, um Herrin von Rom zu werden, selbst wenn Länder und Inseln deswegen in Flammen aufgehen sollten. In dieser tieferregten Zeit verkündete ein judäischer Dichter in Form sibyllinischer Weissagung in schönen griechischen Versen den Untergang der sündhaften römischen und griechischen Welt und den Anbruch des herrlichen Morgens des Messias. Schreckliche Tage verkündete dieser judäisch-griechische Seher, in denen Beliar (Belial), der Gegen-Messias, die Menschen verführt und verderbt:


»Wenn fürwahr Rom dereinst auch herrschet über Ägypten

Und es zusammen regiert, dann wird das größte der Reiche

Des unsterblichen Königs unter den Menschen erscheinen,

Und es kommt ein heiliger Fürst, der die Länder der Erde

Alle beherrscht, alle Zeiten hindurch, wie die Zeiten verrinnen.

Und dann herrscht unerbittlicher Zorn lateinischer Männer:

Drei werden Rom alsdann mit schrecklichem Lose vernichten,

Und in den eignen Häusern gehen alle Menschen zu Grunde.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Weh' Dir, Elenden, weh'! wenn jener Tag Dir erscheinet

Und des unsterblichen Gottes Gericht, des mächtigen Königs!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Aber daher von. .... dereinst wird Beliar kommen.

Und er stellet die Höhe der Berge, macht stehen die Meerflut,

Auch den glänzenden Mond und die große feurige Sonne;

Weckt die Gestorbenen auf und wird viele Zeichen verrichten

Unter den Menschen. Jedoch in ihm ist keine Vollendung,

Sondern Gaukel-Trug, und viele Menschen verführt er,

Treue erwählte Hebräer und auch noch andere Männer

Ohne Gesetze, und welche noch nicht des Gottes vernahmen.

Wenn aber dann die Drohungen nah'n des mächtigen Gottes

Und die feurige Kraft auf die Erde in Fluten herabkommt,

Dann verbrennt er den Beliar und auch sämtliche Menschen,

Die übermütigen Sinnes auf ihn ihr Vertrauen gesetzet.

Und alsdann wird die Welt sich unter der Hand eines Weibes

Finden, beherrscht von ihm und ihm in allem gehorchend

Wenn dann hierauf eine Witwe beherrscht die sämtliche Erde,

Und in die mächtige Flut sie das Gold und Silber geworfen,

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dann wird auch das Gericht des großen Gottes erscheinen

Für die langdauernde Zeit der Welt, wenn dies alles sich zuträgt«39.


[204] Eine Zeit des Unheils brach allerdings herein, auch eine Art Beliar war aufgetreten, der Halbjudäer Herodes; aber sie brachten nicht die messianische Morgenröte. Mit der Kriegserklärung Octavianus' und Antonius' entbrannte ein heftiger Kampf des römischen Westens und Ostens, Europas und Asiens gegeneinander, es war ein Völkerkrieg, wie ihn die Welt seit Alexanders Zeiten nicht gesehen hatte. Er endete aber schnell mit Antonius Sturz in der Schlacht bei Actium (2. September 31). Dieser Sturz traf auch Herodes mit niederschmetternder Gewalt. Er selbst, wie seine Feinde zweifelten nicht daran, daß er in den Fall seines Hauptgönners mit hineingerissen werden würde. War er doch Antonius' treuester Bundesgenosse gewesen. Ihm zu Ehren hatte Herodes die Birah oder Baris oder Akra, nordwestlich vom Tempel, die er mit Mauern und hohen Türmen versehen und mit einer starken Besatzung belegen ließ, damit von ihr aus der Tempel, den sie an Höhe überragte, oder vielmehr jede Bewegung darin überwacht werden könnte, Antonia genannt40. Er hatte ferner Antonius im Kriege gegen Octavian mit Lebensmitteln unterstützt. Jetzt war er auf das Äußerste gefaßt, aber sein boshaftes Herz wollte auch die letzten Sprößlinge der Hasmonäer, den achtzigjährigen Greis Hyrkan, seine Gattin Mariamne und ihre Mutter Alexandra, seinen Sturz nicht überleben lassen. Hyrkan klagte er an, er habe ein strafbares Einverständnis mit dem Nabatäerkönig Malich gepflogen und legte zur Begründung der Anklage einen Briefwechsel desselben mit dem Feinde vor. Schlau, wie er war, hatte er zwar sofort nach Octavians Siege dessen Partei ergriffen und dazu beigetragen, die große Schar von Antonius wilden Gladiatoren, welche sich durch Syrien und Judäa nach Ägypten durchzuschlagen hofften, um ihrem Herrn dort beizustehen, völlig aufzureiben41. Aber er konnte nicht hoffen, daß der Sieger ihm diese Parteinahme für ihn hoch anrechnen und darum seine warme Dienstbeflissenheit für den Besiegten vergessen würde. Auf seinen Befehl verhängte das feige Synhedrion, vielleicht von den ihm ergebenen Söhnen Bathyras beherrscht, die Todesstrafe über Hyrkan42, den weiter keine Schuld traf als eine beispiellose Schwäche gegen den Mörder seines Geschlechts und Bedrücker seines Volkes. Nicht einmal ein Ehrenbegräbnis wurde diesem hasmonäischen König zuteil.

Mariamne und ihre Mutter ließ Herodes, im Begriffe sich vor den Sieger Octavian Cäsar zu stellen, in der Festung Alexandrion unter Aufsicht eines Ituräers Soem mit dem Befehle, sie hinzurichten, [205] sobald die Nachricht von seinem Tode eingelaufen sein würde. Noch ehe er sich zur Reise anschickte, war er von den Umständen gezwungen, einen Personenwechsel im Synhedrion zuzulassen, den er sonst wohl schwerlich zugegeben haben würde. Durch diesen eigentümlichen Wechselfall wurde ein bis dahin unbekannter Babylonier, Hillel, Synhedrialoberhaupt. Er gab dem Judentum eine Richtung, die in tausendfacher Verzweigung und Verkettung bis auf den heutigen Tag nachwirkt. Auf seine haßerfüllte Zeit wirkte Hillel mit seinem sanftmütigen, friedfertigen Wesen wie das Öl auf die sturmbewegten, aufgeregten Meereswogen.

Hillel (geb. um 75 v., st. um 5 n.) führte den Stammbaum seines Geschlechtes mütterlicherseits bis auf David zurück43, das auch nach dem babylonischen Exil in Babylonien verblieben war. Obwohl von hoher Herkunft, soll er in dürftigen Verhältnissen gelebt und von seinem reichen Bruder Schebnah unterstützt worden sein44. Wahrscheinlich mit Hyrkan aus Babylonien nach Jerusalem eingewandert (36), wurde er einer der eifrigsten Zuhörer der Synhedristen Schemaja und Abtalion, deren Überlieferung er mit gewissenhafter Wörtlichkeit mitzuteilen pflegte45. Dabei soll er mit drückender Armut zu kämpfen gehabt und von dem Tropaïcon (victoriatus, halber Denar), das er täglich verdiente, die Hälfte für den Unterhalt seines Hauses verwendet, die andere Hälfte dem Türhüter des Lehrhauses gegeben haben, um sich Eingang zu verschaffen. Eines Tages, als er nur wenig verdient und den Türhüter nicht befriedigen konnte, sei Hillel, so wird erzählt, im Winter auf das platte Dach gestiegen, um auf den Vortrag der Synhedristen zu lauschen. In das Zuhören ganz vertieft, habe er nicht bemerkt, daß der fallende Schnee ihn nach und nach ganz vergraben habe, bis er vor Kälte starr und fast leblos geworden sei. Tags darauf an einem Sabbat habe man ihn in diesem Zustande unter einer dichten Schneedecke gefunden und mit vieler Mühe zum Leben wieder erweckt46. Diese sagenhaften Züge wollen Hillels Lerneifer hervorheben. Seine Ausbildung erhielt er im Lehrhause des Schemaja und Abtalion, von denen er die überlieferten mündlichen Gesetze überkommen hat47. Hillels hervorstechender Charakter war jene herzgewinnende Taubensanftmut, die dem aufwallenden Zorne nicht einen Augenblick die Herrschaft über das Gemüt einräumt, jene tiefsinnige Menschenliebe, die aus der eigenen Demut und der günstigen [206] Beurteilung anderer entspringt, endlich jener aus tiefstem Gottvertrauen hervorgegangene Gleichmut, der im Anblick des hereinbrechenden Unglücks unerschütterlich standhaft bleibt. Die spätere Zeit kannte kein vollkommeneres Ideal der Milde und Bescheidenheit als den Babylonier Hillel48, und die dichterische Sage verarbeitete diese Züge mit besonderem Wohlgefallen und dramatischer Lebendigkeit. Zwei Personen gehen eine Wette miteinander ein, ob Hillel wohl zum Zorne gereizt werden könne, und der eine von ihnen, der sich dessen anheischig gemacht, ermüdet Hillel, obwohl dieser bereits eine hohe Stellung einnahm, wiederholentlich mit kindischen Fragen und unehrerbietigen Äußerungen. Hillel erwidert dem lästigen Fragesteller stets mit unerschütterlicher Milde, beantwortet die Fragen mit Gelassenheit und hat für die derben Ausfälle gegen ihn kein zürnendes Wort. Die Sage läßt ferner Heiden sich an Hillel wenden, die Proselyten werden wollen unter unausführbaren Bedingungen. Der eine will das ganze Judentum in der kürzesten Zeit erlernen, während man auf einem Fuß stehen könne; ein anderer will sich nur zur schriftlichen Lehre bekennen, die mündlichen Zusätze aber nicht annehmen; ein dritter möchte in den judäischen Bund aufgenommen werden, um sich mit der hohenpriesterlichen Würde bekleidet zu sehen. Hillel habe für alle diese Forderungen eine milde Antwort gegeben und die Proselyten so sehr zu gewinnen gewußt, daß sie von ihren Bedingungen abstehen. Demjenigen, welcher das ganze Judentum nur in einen einzigen Satz zusammengefaßt annehmen wolle, habe Hillel den goldenen Spruch gegeben: »Was dir unangenehm ist, das tue auch andern nicht,« das ist das Hauptgebot, alles andere nur Ausführung desselben49. Dieser Grundsatz edler Menschenliebe, der später als eine neue Offenbarung von den Heiden begrüßt worden ist, stammt zweifellos von Hillel; denn er ist ein Ausfluß seines weichen, menschenfreundlichen Gemüts und wird durch andere Sprüche, die sich von ihm erhalten haben, bestätigt.

Seinen friedfertigen Charakter betätigte Hillel, so oft seine Ansicht später auf Widerspruch stieß50; theoretisch folgerichtig, war er praktisch [207] stets nachgiebig und versöhnlich selbst gegen Jüngere. Seine Mildtätigkeit kannte keine Grenzen, und er verfuhr auch dabei mit jener Zartheit, den Empfänger von Wohltaten nicht durch die Gabe zu beschämen, sondern ihn seinem Stande gemäß zu ehren. Es wird von ihm erzählt, er habe einem heruntergekommenen Erben eines edlen Geschlechtes nicht bloß den nötigen Bedarf, sondern so viel zukommen lassen, daß er standesgemäß leben konnte; er habe ihm einen Sklaven zur Bedienung und sogar ein Roß zum Reiten gekauft51. Sein Gottvertrauen hob Hillel über jede Furcht hinweg, und er hat es so sehr den Gliedern seines Hauses einzuflößen gewußt, daß er, als er einst beim Eintreten in die Stadt ein klägliches Jammergeschrei hörte, behaupten durfte: »Ich bin gewiß, daß diese Jammertöne nicht aus meinem Hause dringen«52. In diesem Geiste sind auch die Sinnsprüche gehalten, die Hillel, mehr noch als seine Vorgänger, in kerniger Kürze hinterlassen hat. Einer derselben lautet: »Sorge ich nicht für mich (meine Seele), wer täts? Tu' ichs nur für mich, wieviel vermag ich? Wenn nicht jetzt, wann sonst?« »Sei von den Jüngern Ahrons, liebe den Frieden, suche den Frieden; liebe die Menschen, so führst du sie zur Lehre«53. Durchdrungen von der hohen Bestimmung Israels, die reine Gottesverehrung zu erhalten und zu lehren, pflegte er diese Überzeugung beim Freudenfeste des Wasserschöpfens im Tempel sinnig auszudrücken: »Bin ich (Israel) hier, so ist alles hier; fehle ich, wer findet sich ein?«54. Die Lehre des Judentums stand ihm so hoch, daß er empört darüber war, wenn er sie als Mittel zur Befriedigung des Ehrgeizes und der Ruhmsucht gemißbraucht sah. »Wer seinen Namen zu erhöhen trachtet, erniedrigt ihn, wer sich nicht der Lehre befleißigt, verdient nicht zu leben, wer nicht zulernt, verkümmert, wer die Krone der Lehre benutzt, vergeht«55.

Wie Hillel wegen seiner hohen Tugenden den Späteren als Ideal vorschwebte, so gilt seine Wirksamkeit wegen der Entwickelung, die sie dem gesetzlichen Judentum gegeben, als ein Wendepunkt; er wird daher nächst Esra als der geistige Wiederhersteller der Lehre56 betrachtet, der sie aus dem Zustande des Verfalls herausgerissen hat. Nach zwei Seiten hin wirkte er erfrischend und belebend. Den Stoff der mündlichen Lehre, den er in dem Umgange mit den Synhedristen Schemaja [208] und Abtalion in sich aufgenommen hatte, bereicherte er durch uralte Überlieferungen, die in Babylonien aus frühester Zeit durch die Exulanten heimisch waren. Doch bei weitem bedeutender war die formale Ausbildung, die er den überlieferten Gesetzesbestimmungen gab. Er führte sie auf allgemeine Prinzipien zurück und erhob sie dadurch aus dem engen Kreise des Herkömmlichen und des bloß in der Sitte Wurzelnden zur Höhe der Erkenntnis. Die Überlieferung trägt, nach Hillels Ansicht, den Grund ihrer Rechtfertigung und ihrer bindenden Kraft in sich, sie braucht sich nicht bloß auf die Autorität zu berufen. Er bahnte dadurch gewissermaßen die Versöhnung zwischen Pharisäertum und Sadduzäertum an, indem er gemeingiltige Grundsätze aufstellte, denen beide ihre Zustimmung nicht versagen konnten, und wollte dadurch die verderbliche Quelle des leidenschaftlichen Hasses verstopfen. Es durfte fortan nach seiner Auffassungsweise keine Differenz und kein Schulstreit mehr über die Verbindlichkeit überlieferter Gesetze möglich sein. Hillel gab einerseits das sadduzäische Prinzip zu, daß jedes Gesetz nur dann Gültigkeit habe, wenn es in der Schrift begründet erscheine, behauptete aber andererseits, daß diese Begründung nicht bloß in dem toten Buchstaben liege, sondern in allgemeinen Voraussetzungen, welche der heilige Text selbst andeute. Vermittels sieben Auslegungsregeln (Scheba Middot)57 könne ein mündliches Gesetz aus der Schrift abgeleitet sein und durch sie dieselbe Berechtigung wie ein ausdrücklich vorgeschriebenes beanspruchen. Durch diese sieben Regeln erschien die mündliche Gesetzgebung in einem ganz anderen Lichte; sie hatte nicht mehr den Charakter des scheinbar Willkürlichen, sondern nahm den Stempel des Allgemeinen und Annehmbaren an und konnte als aus der heiligen Schrift geflossen betrachtet werden. Diese Regeln sollten ferner nicht bloß den bereits vorhandenen Inhalt der mündlichen Überlieferung rechtfertigen, sondern gewisse Handhaben bieten, die Gesetze zu erweitern und auf unvorhergesehene Fälle anzuwenden. Es war damit dem Synhedrion ein ausreichender Maßstab für seine gesetzgebende Tätigkeit gereicht und dem Verstande ein weites Gebiet zu scharfsinnigen Kombinationen eröffnet. Die Hillelschen Regeln, die später vielfach ausgebildet und erweitert wurden, legten den Grund zu derjenigen Methode scharfsinniger Erörterungen und Folgerungen, die man Talmud im engeren Sinne nennt.

Diese Auslegungsregeln, die zum Teil von den als große Schriftforscher gepriesenen Schemaja und Abtalion, Hillels Lehrern, ausgegangen sein mögen, die er selber aber zuerst systematisch aufgestellt hat,[209] scheinen anfangs keinen Beifall gefunden zu haben. Ausdrücklich wird berichtet, er habe sie bei der Verhandlung vor dem bathyrenischen Synhedrion in Anwendung gebracht58, dieses aber habe sie mißachtet; es mag entweder kein Verständnis dafür gehabt oder ihre Brauchbarkeit bestritten haben. Es war übrigens weder das erste noch das letzte Mal, daß eine Wahrheit bei ihrem ersten Auftreten bei der Mittelmäßigkeit keinen Anklang gefunden hat. Indessen hatte Hillel Gelegenheit, die Deutungsregeln bei einer Frage öffentlich zu vertreten, auf deren Austrag die ganze Nation gespannt war, und diese Gelegenheit brachte ihm die Würde des Synhedrialvorsitzes ein. Der Vorabend des Festes, an welchem das Passah-Lamm geopfert werden sollte, war – damals ein höchst seltener Fall – auf einen Sabbat gefallen, und das bathyrenische Synhedrion wußte keine Auskunft darüber zu geben, ob das Passah am Sabbat geopfert werden dürfe oder nicht. Hillel, dessen Bedeutung wohl schon die Aufmerksamkeit der Einsichtsvollen erregt haben mochte, hatte sich in die Diskussion gemischt und bewiesen, daß, nach den Regeln der Gleichheit, der Schlußfolgerung und der Analogie, das Passah wie jedes Gesamtopfer den Sabbat verdränge. Die Debatte war, da die zur Begehung der Feier eingetroffene Menge sich dafür interessierte, so hitzig, daß dabei ermutigende und tadelnde Äußerungen über Hillel laut wurden. Die einen riefen: »Von dem Babylonier haben wir die beste Auskunft zu erwarten«; andere sprachen ironisch: »Was haben wir Gutes von dem Babylonier zu erwarten!«59. Da das Synhedrion nicht geneigt war, auf die Beweisführung einzugehen, berief sich Hillel endlich auf eine aus dem Munde von Schemaja und Abtalion vernommene Tradition, die seine Folgerung bestätigte. Hillels Name wurde seit diesem Tage so volkstümlich, daß die bathyrenischen Synhedristen ihre Stellen niederlegten – man weiß nicht, ob freiwillig oder vom Volke gezwungen – und Hillel das Präsidium überließen (um 3060). Hillel, weit entfernt auf diese Rangerhöhung stolz zu sein, äußerte seine Unzufriedenheit damit und schalt die Synhedristen aus: »Was hat zu Wege gebracht, daß ich (unbedeutender Babylonier) Synhedrialvorsitzender werden muß? Eure Trägheit, den Belehrungen von Schemaja und Abtalion Aufmerksamkeit zu schenken«61. Herodes scheint dieser Wahl kein Hindernis entgegengesetzt zu haben, teils weil er, um seine Krone und seinen Kopf vor dem Zusammentreffen mit Octavian besorgt, die Nation nicht gegen [210] sich aufreizen mochte, teils weil Hillel als Babylonier und als Lehrer der Friedfertigkeit ihm nicht unlieb war. Infolge dieser bedeutungslosen Veranlassung kam ein Mann an die Spitze des Synhedrion, der diese Würde mit den glänzendsten Tugenden zierte, der einen tiefen Einfluß auf die Entwickelung des Judentums ausübte, und dessen Nachkommen an vier Jahrhunderte würdige Vertreter desselben wurden.

Unter den von Hillel während seiner Wirksamkeit ausgegangenen Verordnungen sind zwei von allgemeinem Interesse und zeugen, daß er für die Lebensverhältnisse einen richtigen Blick hatte und ihnen Rechnung getragen hat. Im Sabbatjahre sollten sämtliche Schulden verfallen. Aber diese für einen republikanischen, auf Sittlichkeit basierten Staat so weise Maßregel der Ausgleichung verschobener Vermögensverhältnisse hatte in der Zeit, als das Kapital eine Macht geworden war, den Nachteil, daß Vermögende Anstand nahmen, den Mindervermögenden durch Darlehen aus der Verlegenheit zu helfen. Wegen dieser Rücksicht verordnete Hillel, ohne das Schuldenerlaßgesetz ganz aufzuheben, daß der Gläubiger vor dem Eintritt der Verfallzeit dem Gerichte schriftlich die Schuld übertragen sollte62, damit dieses sie einziehen könne, ohne daß der Gläubiger das Gesetz zu verletzen brauche. Diese zeitgemäße Verordnung, für Gläubiger und Schuldner gleich vorteilhaft, führt den griechischen Namen Prosbol (Übergabe)63, weil die Schuld übergeben werden sollte. Wie tief muß das Griechische in Herodes' Zeit das judäische Volk bereits durchdrungen haben, wenn selbst der Babylonier Hillel für eine neue Gesetzesbestimmung ein griechisches Wort gebraucht hat! – Die zweite Verordnung Hillels betraf die Einlösung eines verkauften Hauses in einer ummauerten Stadt. Nach dem biblischen Gesetze steht es den Verkäufern innerhalb einer Jahresfrist frei, den Kauf rückgängig zu machen; erst wenn diese Zeit verstrichen ist, verbleibt das Haus dem Käufer. Mit dieser Bestimmung haben manche Käufer Mißbrauch getrieben, indem sie sich am letzten Tage des Jahres unsichtbar machten, um das erkaufte Grundstück zu behalten. Deswegen verordnete Hillel, der Verkäufer habe in einem solchen Falle das Kaufgeld dem Tempelschatzmeister zu übergeben und könne sich dann mit Gewalt in den Besitz seines Hauses setzen64.

[211] Den zweiten Rang als Stellvertreter nahm neben Hillel der Essäer Menahem65 ein, gewiß auf Herodes' ausdrücklichen Wunsch; denn dieser war ihm in einem hohen Grade gewogen. Den Grund seiner Zuneigung zu diesem Essäer erzählte man sich später folgendermaßen. Menahem habe Herodes im Kindesalter vermöge des den Essäern zugeschriebenen Blickes in die Zukunft nachdrücklich prophezeit, er werde einst König von Jerusalem werden und eine glanzvolle Regierung führen, aber gegen Frömmigkeit und Gerechtigkeit fehlen. Was dem Knaben fabelhaft erschienen, dessen hätte sich der Mann erinnert, als er die Krone trug. Er habe sofort den Seher zu sich gerufen, ihn gnädig angeredet und ihn nach der Dauer seiner Regierung gefragt. Da aber Menahem ein hartnäckiges Schweigen beobachtete, habe Herodes die Zahl der Jahre fragweise genannt, ob er zehn, zwanzig, dreißig Jahre regieren werde, und da jener durch keinen Zug dieselbe verneinte, habe es Herodes als eine gute Vorbedeutung hingenommen, daß er mindestens dreißig Jahre regieren werde66. Indessen scheint sich Menahem in seinem Amte nicht behaglich gefühlt zu haben; er schied aus, nach einigen, um in den Hofdienst zu treten, und ihm seien viele Gesetzeslehrer nachgefolgt, die sich Herodes angeschlossen hätten und dafür belohnt worden seien. Nach andern, wohl richtiger, habe er sich in die Einsamkeit (der Essäer) zurückgezogen67. Sein Nachfolger wurde Schammaï68, der das Gegenstück und doch die notwendige Ergänzung zu Hillel bildete. – Von Schammaïs Lebensgeschichte ist fast nichts bekannt; er war sicherlich ein Palästinenser und daher an allen politischen und religiösen Verwickelungen seines Geburtslandes aufs innigste beteiligt. Seine religiösen Anschauungen waren streng bis zur Peinlichkeit. So wollte er seinen noch im Kindesalter stehenden Sohn dem Fastengesetze am Versöhnungstage unterwerfen, und seine Freunde mußten ihn zwingen, die Gesundheit des Kindes zu schonen69. Als seine Schwiegertochter einst am Hüttenfeste mit einem Knaben niedergekommen war, brach der Peinlichfromme die Decke über dem Zimmer der Wöchnerin durch, um daraus eine Festhütte zu machen, damit auch sein neugeborener Enkel der religiösen Vorschrift genügen könne70. Doch war Schammaï keineswegs von so finsterer, menschenfeindlicher Gemütsart, wie ihn die Späteren lediglich aus einem Rückschlusse von seiner zelotischen düsteren [212] Schule geschildert haben, die sich ihn nicht anders als mit dem Stocke in der Hand denken konnten71. Er empfahl vielmehr freundliches Entgegenkommen gegen jedermann, wie der Sinnspruch bezeugt, der sich von ihm erhalten hat: »Mache deine Beschäftigung mit der Lehre zur Hauptsache, sprich wenig, aber leiste viel und empfange jeden Menschen mit freundlichem Blicke«72. Diese beiden Synhedristen, Hillel und Schammaï, bildeten eigene Schulen (Bet-Hillel, Bet-Schammai), welche in vielen religiösen, sittlichen und rechtlichen Fragen auseinander gingen und später in der Kriegszeit auf den Gang der geschichtlichen Ereignisse nach entgegengesetzten Richtungen gewaltig eingewirkt haben. Herodes ahnte nicht, welche unversöhnlichen Elemente für sein Haus sich in der Abgeschiedenheit des Lehrhauses unbemerkt heranbildeten.

Mit angsterfülltem Herzen hatte er sich zu Octavian Cäsar, der nach dem Siege über Antonius bei Actium alleiniger Herr des römischen Länderkreises geworden war, nach Rhodus begeben. Der in seiner Heimat Hochfahrende erschien vor dem Gewaltigen demütig, des Schmuckes beraubt, doch nicht ohne männliche Entschlossenheit. In der Unterredung mit Octavian verschwieg Herodes keineswegs sein enges Verhältnis zu Antonius; aber er konnte sich auch darauf berufen, daß er sich nach der Nachricht von der Schlacht bei Actium von ihm abgewendet hatte, und ließ durchblicken, welchen Nutzen der Sieger von seiner Dienstbeflissenheit und Ergebenheit ziehen könnte, die er von Antonius auf dessen Besieger zu übertragen gedächte. Octavian war weder edel genug, feile Kreaturen zu verachten, noch hielt er sich für allzu sicher, um sie entbehren zu können. Er nahm daher den Reuigen gnädig auf, befahl ihm, das Diadem wieder anzulegen und ließ ihn, mit Ehren überhäuft, in sein Land zurückkehren (3073). Herodes, der sich in die Umstände zu schicken wußte, wurde ein eben so treuer Anhänger Octavians, wie er es Antonius zwölf Jahre lang hindurch gewesen war. Auf Octavians Zuge nach Ägypten gegen seine Feinde ging er ihm mit reichen Geschenken nach Akko entgegen, versorgte sein Landheer während des Marsches durch die wasserlose Gegend mit Wasser und Wein, und Antonius konnte, noch ehe er sich entleibt hatte, erfahren, daß Herodes' Treue nicht gerade felsenfest war. Herodes genoß auch die Schadenfreude, daß es seiner hartnäckigen Feindin, Kleopatra, nicht gelingen konnte, den Sieger mit ihren verführerischen Reizen zu umstricken, und daß ihr nichts anderes übrig blieb, als sich selbst den Tod zu geben. Die alexandrinischen Judäer teilten diese [213] Freude; denn auch sie hatten von ihrem Hasse zu leiden. Noch kurze Zeit vor ihrem Tode wünschte dieses entmenschte Weib nichts sehnlicher, als daß sie sämtliche Judäer der ägyptischen Hauptstadt, weil sie zu Octavian hielten, mit ihrer Hand hätte niedermetzeln können74. Dafür erhielten die ägyptischen Judäer wegen ihrer Anhänglichkeit an Octavian die Bestätigung ihrer Gleichstellung mit den übrigen hellenischen Einwohnern und andere Gerechtsame; er hatte zu ihrer Treue so viel Vertrauen, daß er den judäischen Arabarchen die Aufsicht über die Hafenzölle auf dem Nil und dem Meere ließ, die sie von den ägyptischen Königen, von Ptolemäus Philometor und den beiden älteren Kleopatra, erhalten hatten75. Es war dies ein um so größerer Beweis von Vertrauen, als dem ersten Kaiser an dem Besitze Ägyptens, der römischen Kornkammer, und besonders Alexandriens als Hafenplatzes, so viel gelegen war, daß kein Senator ohne kaiserliche Erlaubnis dahin reisen durfte. Als der damalige Arabarch starb, gestattete Octavian, daß ihm ein Nachfolger von den alexandrinischen Judäern ernannt werden dürfe und ließ diesem, Namens Nikanor76, alle Vorrechte seiner Vorgänger. Ja, er erteilte den Judäern noch größere Vorrechte. Denn während er die griechischen Alexandriner wegen ihrer Verdorbenheit, ihres Wankelmutes und ihres zum Aufruhr geneigten Geistes außerordentlich beschränkte und ihnen keinerlei behördliche Gewalt ließ, sondern sie unter den von ihm eingesetzten Richter stellte, ernannte er selbst einen judäischen Rat (γερουσία), welcher dem Arabarchen oder Ethnarchen zur Seite stand77. Dieser regierte die judäische Gemeinde selbständig, entschied die Rechtsstreitigkeiten und sorgte für die Ausführung der kaiserlichen Verordnungen und Verträge78.

Auch den in Rom zahlreich angesiedelten Judäern, den Libertini (o. S. 164), gewährte der erste Kaiser, wenn auch nicht besondere Vergünstigung, so doch Duldung ihrer religiösen Übungen, und sein Beispiel war für die Folgezeit maßgebend. Sie durften ihre eigenen Gotteshäuser haben und gottesdienstliche Versammlungen abhalten, obwohl Zusammenkünfte in Rom ungern gesehen wurden; sie dursten ferner ihre Spenden für den Tempel alljährlich nach Jerusalem senden, obwohl sonst Versenden von großen Summen von Rom ins Ausland verboten war. Die römischen Judäer erhielten auch ihren Anteil von der Getreide-Verteilung an das Volk. Fiel die Verteilung auf einen[214] Sabbat, so wurde ihnen ihr Anteil am darauffolgenden Tage verabreicht. So hatte es der erste Kaiser angeordnet79.

Dem judäischen König schenkte Octavian die Leibwache der Kleopatra, vierhundert Gallier (oder Kelten), und gab ihm sämtliche von Judäa losgerissenen Seestädte (S. 163) und das Gebiet von Jericho zurück. Auch Samaria, Gadara und Hippos wurden Judäa einverleibt80. So hatte es wieder denselben Umfang, den es vor dem Bruderkriege und der Einmischung der Römer eingenommen hatte. Aber unter welchen veränderten Umständen! Daß der erste Kaiser Octavian Augustus für den Tempel Geldmittel zu täglichen Opfern angewiesen hat81, ist gewiß eine Übertreibung seiner Gunstbezeugung. Wohl aber wurde, vermutlich auf Veranlassung von Herodes' maßloser Schmeichelei, seit der Zeit im Heiligtum für das Wohl der römischen Cäsaren geopfert82. Augustus wie seine Gemahlin weihten goldene Weinkrüge für den Tempel83.

Herodes stand jetzt auf dem Gipfel seiner Macht; das Mißgeschick war nicht nur von ihm abgewendet, sondern hatte auch beigetragen, ihn noch mehr zu erhöhen. Aber er sollte das Glück nicht genießen. Die Strafe seiner Verbrechen heftete sich an seine Ferse und verwandelte ihm den Freudenkelch in Wermut. Es ereignete sich in dem engen Kreise seines Hauses ein Trauerstück, wie es die Phantasie des Dichters nicht tragischer ersinnen kann, und erfüllte sein Herz mit stechenden Schmerzen. Mariamne, die während seiner Abwesenheit mit ihrer Mutter wie eine Gefangene behandelt wurde, hatte von ihrem Kerkermeister Soem den geheimen Befehl erfahren, den Herodes schon zum zweiten Male gegeben hatte, sie nicht seinen Tod überleben zu lassen. Bei seiner Rückkehr machte sie keinen Hehl aus ihrem Hasse gegen ihn, und wenn er ihr von zärtlicher Liebe sprach, hielt sie ihm den Tod ihres Bruders und ihres Großvaters, den Tod ihrer Verwandten, entgegen. Herodes' Herz war gefoltert von der Liebe zu diesem schönen Weibe, dessen Besitz zugleich seine Sinne und seinen Ehrgeiz befriedigte, und von Haß gegen diese Feindin seiner Person und seiner Macht. In diesem, sein ganzes Wesen erfüllenden Mißmut war er nur allzu sehr geneigt, einer Intrigue seiner schadenfrohen Schwester Salome, daß Mariamne seinen Mundschenk bestochen habe, [215] ihm Gift zu geben, ein offenes Ohr zu leihen. Bei dem Verhöre, das darauf erfolgte, kam dann an den Tag, daß Mariamne um seinen geheimen Auftrag an Soem wußte, und dieser Verrat eines seiner vertrautesten Diener erregte seine Eifersucht noch mehr und entfesselte ein ganzes Heer wilder Leidenschaften in seiner Brust. Soem wurde sofort enthauptet. Erschüttert von diesen schmerzlichen Empfindungen, klagte er vor einem von ihm zusammenberufenen Rate seine Frau des Ehebruchs und des Vergiftungsversuches gegen ihn an; die Richter glaubten ihm gefällig zu sein, wenn sie das Todesurteil so rasch wie möglich fällten. Den Aufschub der Hinrichtung, welchen Herodes beabsichtigte, verhinderte Salome, die ihren Bruder zu überreden gewußt, daß das Volk zur Befreiung Mariamnes einen Aufstand machen würde, wenn er sie der Sicherheit des Kerkers anvertrauen sollte. So wurde denn das schönste Weib Judäas, die Hasmonäerfürstin, der Stolz des Volkes, in der Jugendblüte zum Richtplatze geführt. Sie betrat ihn in standhafter Fassung, ohne Schwäche und weibliche Furcht, ihrer Ahnen würdig (2984). Mariamne war das wohl getroffene Bild Judäas, das durch arglistige Ränke und Leidenschaften dem Henkerbeil überliefert wurde.

Mariamnes Tod hatte aber die Rachegeister in Herodes Brust nicht gebändigt, sondern nur zu noch größerer Wut aufgestachelt. Er konnte ihren Verlust nicht ertragen und verfiel deswegen in Raserei und Krankheit. Er soll ihre Leiche in Honig haben einbalsamieren lassen85, um sich bei deren Anblick einer Täuschung hinzugeben, rief stets ihren Namen unter Schluchzen und Seufzen, befahl seinen Dienern, von ihr, als wenn sie noch lebte, zu sprechen, und ließ, da bei ihm die innere Aufregung nur durch Blutvergießen gestillt werden konnte, ihre Richter, die zu seinen vertrautesten Freunden gehörten, hinrichten. Die Gemütsbewegung warf ihn endlich aufs Krankenlager, und er lag in Samaria so schwer darnieder, daß die Ärzte für sein Leben fürchteten. Diese gute Gelegenheit wollte Alexandra benutzen, um sich in den Besitz Jerusalems zu setzen und ihren Todfeind zu entthronen. Sie versuchte den Hauptmann der Stadt und den Aufseher des Tempels zu überreden, sie zu unterstützen. Die von Todesfurcht und Rachedurst Verblendete hatte vergessen, daß der eine, Achiab, Herodes' naher Verwandter war, der denn auch ihren wahnsinnigen Versuch sofort dem Könige angezeigt hat. Die Nähe der Gefahr weckte [216] Herodes' Lebensgeister wieder auf. Hatte er ja Gelegenheit gefunden, sich der letzten Hasmonäerin zu entledigen. Obwohl sie sich immer eine unschuldige Miene zu geben gewußt und ihre Heuchelei so weit getrieben hatte, ihrer Tochter Mariamne vor ihrem Tode die bittersten Vorwürfe über ihren Undank gegen Herodes zu machen, um sich von dem Verdachte einer Mitschuld an dem ihrer Tochter zur Last gelegten Verbrechen zu reinigen, traute er ihr doch nicht. Alexandras Tod wurde ebenso schnell vollzogen, wie verhängt (um 29 oder 2886). Mit ihr erlosch das letzte Reis des hasmonäischen Stammes, nachdem sie ihren Schwiegervater Aristobul II., ihren Gatten Alexander, ihren Schwager Antigonos, ihren Sohn Aristobul III., ihren Vater Hyrkan II. und ihre Tochter Mariamne nacheinander eines schmählichen Todes hatte sterben sehen. Sie entging dem Verhängnis ihres Hauses nicht, von dessen Gliedern kaum zwei, von Juda dem Makkabäer an, lebenssatt auf ihrem Bette entschlafen sind. Nicht lange nachher wurden auch die noch übrigen Seitenverwandten des hasmonäischen Hauses, die Bene-Baba, enthauptet, so daß man mit Recht später sagen durfte, daß, wer sich auf die Abstammung von den Hasmonäern berufe, eben dadurch seine unedle Abkunft von dem idumäischen Sklaven Herodes verrate87. Die Söhne Babas hatte Herodes' vertrautester Freund, der Idumäer Kostobar, viele Jahre verborgen gehalten, um mit ihrer Hilfe eine Verschwörung auszuführen, die dahin zielte, die Idumäer zu ihrem heidnischen Kultus zurückzuführen, deren Priester für den Götzen Kozé seine Vorfahren gewesen waren. Salome aber, deren Gatte Kostobar nach der Hinrichtung ihres ersten Gatten Joseph geworden war, liebte in der Ehe die Abwechselung und sah in ihrer Stellung am Hofe nur die günstige Gelegenheit für Palastintriguen. Sie schied sich von ihrem zweiten Gatten, indem sie ihm gegen die Sitte den Scheidebrief zustellte, und verriet ihrem Bruder, um Kostobar zu verderben, dessen Schonung gegen die Söhne Babas. Hierauf ließ Herodes Kostobar, dessen Mitwisser, Helfershelfer und Freunde Lysimachos, Gadia-Antipater, Dositheos und die Schützlinge hinrichten um 2688.

Die noch übrigen zwei Dritteile der herodianischen Regierung bewegen sich ohne Fortschritte und bilden eine lange Kette von kriechender Schmeichelei gegen Augustus und Rom, von Bau- und Schaulust, von tief eingerissener Sittenverderbnis, von unglücklichen Verschwörungen und Hofintriguen und von dadurch herbeigeführten neuen Verbrechen [217] und Hinrichtungen. Um sich die Gunst des allmächtigen Augustus zu erhalten, führte er in Jerusalem die Feier der vierjährigen Aktiaden ein (2. Sept. 28) zur Erinnerung an Augustus' Sieg über seinen Nebenbuhler, baute ein Theater und eine Rennbahn, veranstaltete Kampfspiele mit Athleten und wilden Tieren und erregte dadurch den Unwillen der Nationalen, die in alledem mit Recht die Symptome erblickten, das Judentum allmählich in den heidnisch-römischen Kultus umzuwandeln, und die besonders in den römischen Trophäen und Adlern, welche im Theater aufgestellt wurden, die Einführung des römischen Götterwesens sahen. Zehn todesverachtende Männer verschworen sich, Herodes inmitten seiner Schaulust zu ermorden. Ihnen schloß sich ein Blinder an, der sein Leben nicht besser verwerten zu können glaubte, als wenn er es dem Morde des Tyrannen und des Sittenverderbers weihte. Die Verschwörung wurde verraten und die Verschworenen, welche sich ihrer Unternehmung rühmten, unter Qualen hingerichtet; das Volk aber zerriß den Angeber in Stücke, die es den Hunden vorwarf89. Noch ein anderes Ärgernis gab Herodes dem Volke, indem er die Stadt Samaria, die von alters her in Judäa tief verhaßt war, nicht nur in dem Umfange einer halben Meile neu gründete und mit den schönsten Bauten zierte (25), sondern auch den Gedanken ahnen ließ, sie zur Hauptstadt des Landes zu machen, wozu ihre Lage besonders geeignet war. Dies hieß der Stadt Jerusalem eine Nebenbuhlerin erwecken und sie ihres Ansehens und ihrer Heiligkeit nach und nach berauben. Auch einen Tempel ließ er darin erbauen. Das neuerbaute Samaria nannte Herodes zu Ehren Augustus': Sebaste90, so wie er früher zu Ehren Antonius' die Burg Baris, die Waffenburg der Hasmonäer an der Nordwestseite des Tempels, Antonia genannt hatte91. Judäa wurde durch ihn mit Städten und Denkmälern überfüllt, welche die Namen seiner römischen Gönner oder die seiner Familie erhielten. Stratonsthurm am Meere ließ er mit verschwenderischen Kosten zu [218] einer der schönsten Städte und Hafenplätze umbauen und gab ihr den Namen Cäsarea (Kisrin). Einen Turm an der Mauer derselben nannte er nach Augustus' Stiefsohn Drusus. Herodes scheute sich nicht, sogar einen römischen Tempel auf dem Boden des heiligen Landes zu errichten. Cäsarea wurde mit zwei Kolossen geschmückt, von denen der eine das Bild Augustus' in den riesigen Verhältnissen des olympischen Jupiter und der andere das der Stadt Rom nach dem Vorbilde der argivischen Juno trug. Bei der prunkhaften Einweihung von Cäsarea, dessen Erbauung nahe an zwölf Jahre dauerte (21-12), glaubte man sich in eine heidnische Stadt versetzt, und mit Recht nannten die Nationalen diese Stadt wegen ihres Namens, ihres Ursprunges und ihrer Bedeutung Kleinrom. Sie wurde später als der Sitz der römischen Statthalterschaft die Nebenbuhlerin Jerusalems und endlich ihre Siegerin. So oft Cäsarea jubelte, trauerte Jerusalem. Den Hafenplatz bei Cäsarea, der allmählich sich zu einer eigenen Stadt erweiterte, nannte er Sebastos92. – Die beiden Flügel seines Palastes, den er sich aufs prachtvollste mit reichem Schmucke in der Oberstadt auf dem ehemaligen Zion erbaute, führten die Namen Cäsars und Agrippas. Dem letzteren zu Ehren, der die rechte Hand des Augustus war, nannte er auch die neuerbaute Seestadt Anthedon Agrippias. Seines Vaters Namen zu verewigen, gab Herodes dem Flecken Kapharsaba den Namen Antipatris. Den Namen seiner Mutter Kypros gab er der neuerbauten Stadt bei Jericho. Zum Andenken seines Bruders nannte er die Bauten im Nordosten Jerichos Phasaelis und einen Turm der inneren Festung von Jerusalem ebenfalls Phasael; sich selbst setzte er ein Monument etwa zwei Meilen südwestlich von Jerusalem in der Festung Herodium, wo er über den ihn verfolgenden Volkshaufen nach seiner Flucht obgesiegt hatte93. Auf einer Anhöhe baute er einen Prachtpalast mit hohen Türmen, in welchem für Bequemlichkeit und Luxus gesorgt war. Zweihundert Stufen von weißem Marmor führten vom Fuße hinauf, und eine Wasserleitung wurde mit vielen Kosten angelegt, um Herodium mit Wasser zu versehen. Herodes hatte allerdings Judäa verschönert. [219] aber doch nur wie man ein Opfer bekränzt, das man dem Tode geweiht hat.

Seiner Prachtliebe war mit all diesen Bauten Genüge geschehen, aber nicht seiner Ruhmsucht. Auf die Zuneigung der eigenen Nation verzichtend, wollte Herodes die Bewunderung fremder Nationen auf sich ziehen und seinen Namen unter ihnen volkstümlich machen. Er erschöpfte die Steuerkraft des judäischen Volkes, häufte Erpressungen, suchte nach Schätzen in den alten Königsgräbern, verkaufte die des Diebstahls Angeklagten als Sklaven ins Ausland und verschwendete alle diese Einnahmen, um syrische, kleinasiatische und griechische Städte zu schmücken. Man hat keine Vorstellung von den überschwenglichen Summen, die Herodes auf diese Weise dem Lande entzogen hat. Er ließ Gymnasien bauen in Tripolis und Damaskus, Wälle um Byblos, Theater, öffentliche Plätze und Tempel in Sidon, Wasserleitungen in Laodicea, Bäder und Säulengänge in Askalon. Er ließ die Straßen Antiochiens mit Marmor pflastern und mit Galerien umgeben, ließ den Apollotempel und die Flotte der Rhodier und die verfallenen Säulengänge der Chier wiederherstellen, unterstützte die Lydier, Samier, Jonier, ja selbst die Spartaner und Athener; er bestritt die städtischen Kosten der zum Andenken des Sieges über Antonius bei Aktium neuerbauten Stadt Nikopolis. Er setzte Preise für die in Verfall geratenen olympischen Spiele aus94, um deren erloschenen Glanz wieder aufzufrischen. Dafür haben ihn auch die leichtsinnigen Syrer und Griechen bis in den Himmel erhoben. Augustus war zufrieden mit ihm und äußerte sich: »Herodes sei würdig, die Krone von Syrien und Ägypten zu tragen!«95. Einen handgreiflichen Nutzen erlangte er durch diese gesinnungslose Ergebenheit, indem Augustus ihm die Landschaft Batanäa (Basan), das Hochland Auranitis (Hauran) und das vulkanisch zerrissene, wilde Trachonitis, nördlich von Hauran, wahrscheinlich auch dazu Ituräa im Osten des Hermon-Libanon schenkte (24-23), weil sie von Räuberbanden wimmelten und kein anderer als Herodes imstande war, dieselben zu bändigen. Es war kein angenehmes Geschenk; denn er mußte viele Kämpfe mit den Bewohnern, welche wie wilde Tiere hausten, bestehen und zuletzt 3000 Idumäer nach Trachonitis senden, um sie im Zaume zu halten96. Auch später, nicht lange vor seinem Tode, mußte Herodes noch Vorkehrungen treffen, um die räuberischen Einfälle der Trachoniter zu verhindern. Einen babylonisch-judäischen Häuptling, Zamaris, welcher [220] mit 100 Familiengliedern und 500 Mann berittener und bewaffneter Gefolgschaft über den Euphrat eingewandert war und von Augustus' Statthalter über Syrien die Erlaubnis erhalten hatte, sich nördlich vom See Merom bei Ulatha anzusiedeln, bewog Herodes in Batanäa mit den Seinigen Wohnsitz zu nehmen, um die Trachoniter im Zaume zu halten. Zamaris' kühne Streiter waren diesen gewachsen und legten in dieser Gegend Burgen und eine Stadt Bathyra an. Sie dienten auch zur Bedeckung der Tempelspenden, welche von Babylonien nach Jerusalem alljährlich abgeführt wurden97. Wie Herodes' Dichten und Trachten nur dahin gerichtet war, den Fremden zu gefallen, die Gunst der Römer zu gewinnen und sich bei den Griechen beliebt zu machen, so umgab er sich im Innersten seiner Hofhaltung nur mit Fremden, besonders Griechen. Nikolaus von Damaskus, ein zu seiner Zeit berühmter philosophisch gebildeter Redner und Geschichtsschreiber, war sein zweites Ich, der ihn öfter vertrat und ihn nötigenfalls bei Octavian Caesar verteidigte. Dessen Bruder Ptolemäus war sein Ratgeber und Verwalter des Reiches. Ein Grieche Andromachos und ein Römer Gemellus waren die Erzieher seiner Söhne von Mariamne, zu denen diese mehr Vertrauen hatten, als zu ihrem Vater98.

Mochte Herodes sich auch der Bewunderung und Zuneigung der Griechen, Römer und der auswärtigen Judäer, denen sein Ansehen bei dem Machthaber von Nutzen war, erfreuen, das Volk von Judäa empfand nichts als Abscheu gegen den anmaßenden Emporkömmling, der sie der Sitte der Väter zu entfremden trachtete. Hatte er sich auch während einer gewaltigen Hungersnot (24), die seuchenartige Krankheiten erzeugt hatte, als freigebigen Wohltäter gezeigt, so machte er durch sein ganzes Benehmen diese Wohltaten bald wieder vergessen, und die Nation sah in ihm nur den Thronräuber, den Mörder der Hasmonäer, den Würger aller Besseren, den Unterdrücker der Freiheit. Die drei Würden, Königtum, Priestertum und Synhedrion hatte er eine nach der andern geschändet. Die erste hatte er sich selbst angemaßt, die zweite, bis zu seiner Zeit mit geringen Ausnahmen erblich, verlieh er nach Gutdünken und Vorteil; die Macht des Synhedrion beschränkte er so sehr, daß er demselben nur wenig Spielraum ließ. [221] Nach Ananel hatte er Josua aus dem Geschlechte Phiabi zum Hohenpriester eingesetzt. Weil ihn aber ein schönes Mädchen bezaubert hatte, eine andere Mariamne, Tochter eines unbekannten Priesters Simon, so erhob er dessen Vater zum Hohenpriester, um eine einigermaßen ebenbürtige Ehe eingehen zu können (24). Dieser Hohepriester Simon, durch welchen Josua verdrängt wurde, war aus Alexandrien. Er war der Sohn des Boëthos und hat den Grund zu der Größe des Hauses Boëthos gelegt, welches noch einige Hohepriester aufstellte99. Dieser Alexandriner scheint der Stifter der Boëthusäer gewesen zu sein, die den sadduzäischen Lehrsätzen huldigten und sie gewandter als die Sadduzäer mit alexandrinischer Schlagfertigkeit und Sophisterei zu rechtfertigen verstanden100.

Alle diese rücksichtslosen Eingriffe, die Herodes sich erlaubte, waren nicht geeignet, ihn bei der Nation beliebt zu machen. Er kannte diese Mißstimmung und wollte sie, da er sie nicht unterdrücken konnte, wenigstens unschädlich machen. Er ließ sich daher vom Volke den Eid der Treue schwören (20) und bestrafte diejenigen hart, die ihn zu verweigern wagten. Nur den Essäern, welche die Eidesleistung überhaupt als Mißbrauch des heiligen Gottesnamens scheuten, erließ er sie101; er hatte von ihrer friedfertigen, beschaulichen Lebensweise nichts zu fürchten; solche Untertanen wünschte er sich, die jede Unbill duldend hinnahmen. Von den Pharisäern haben ihn die Anhänger des friedfertigen Hille und noch mehr die des strengen Schammaï verweigert. Aber mit Rücksicht auf den allgemein beliebten Hillel entband er sie davon. Sonst wurden die Eidesverweigerer selbst mit dem Tode bestraft102.

Aber trotz aller dieser Vorsichtsmaßregeln traute er dem Volke nicht und besoldete daher ein Heer von Spionen, die sich unter die Volksgruppen mischen und auf ihre Reden lauschen sollten. Er selbst pflegte verkleidet sich in Volksversammlungen einzuschleichen, und wehe dem, der sich eine Äußerung der Unzufriedenheit entschlüpfen ließ; er wurde sofort festgenommen, in die Festung Hyrkanion gebracht und heimlich aus dem Wege geräumt103. Volksgunst ist aber so süß, daß sie auch der Tyrann nicht entbehren mag, und Herodes lag um so mehr daran, als er gern in den Augen der Römer als ein volksbeliebter Fürst erscheinen mochte, zumal in Augustus' Augen, mit welchem er in Syrien zusammen kam (20), und der ihm damals Gebiete jenseits des Jordans schenkte104. Um sich beim Volke beliebt zu [222] machen, erließ er den dritten Teil der Steuern, angeblich weil das Land vorher durch anhaltende Dürre gelitten hatte105. Diese Rücksicht, verbunden mit seiner Baulust, gab ihm den Gedanken ein, den Tempel, der bereits fünfhundert Jahre alt, klein und in altertümlichem Stile erbaut war, neu und glänzend umzuschaffen. Die Vertreter der Nation, denen er seinen Willen, den Tempel zu erneuern, kund gab, nahmen die Botschaft mit Schrecken auf; sie fürchteten, daß es Herodes nur darum zu tun sei, den alten Tempel abzubrechen, oder daß sich der Neubau in die Länge ziehen werde, und sie so oder so des Heiligtums beraubt sein würden. Indessen beruhigte er sie durch die Versicherung, daß er den alten Tempel so lange werde unberührt lassen, bis die Baumaterialien herbeigeschafft und Arbeiter in Masse angeworben sein würden. Bald sah man Tausende von Wagen, welche Quadersteine und Marmor auf den Bauplatz herbeiführten. Zehntausend Arbeiter, im Baufache unterrichtet, waren zur Hand, ans Werk zu gehen. Im achtzehnten Jahre seiner Regierung (Januar 19) wurde der Bau in Angriff genommen, und das Innere des Tempels war in anderthalb Jahren vollendet. Der äußere Bau, Mauern, Hallen, Säulengänge erforderten einen Zeitraum von acht Jahren, und noch lange nachher, bis kurz vor dessen Zerstörung, wurde an dem äußeren Tempelraume gearbeitet. Es hat sich eine in zwei verschiedenen Quellen übereinstimmende Nachricht erhalten, daß während der Bauzeit des inneren Tempels der Regen nie am Tage, sondern immer nur zur Nachtzeit gefallen sei106, wodurch die Arbeiten keine Störung erlitten. – Der Herodianische Tempel war ein Prachtwerk, dessen erhabene Schönheit diejenigen, welche ihn noch gesehen, nicht genug bewundern konnten. Er unterschied sich von dem abgebrochenen Serubabelschen Tempel durch ein gesteigertes Größenverhältnis und erhöhten Glanz107. Der ganze Umfang des Tempelberges (Har ha-Bajit), welcher mit einer hohen und festen Mauer umgeben war, betrug mit der damit verbundenen Burg Antonia sechs Stadien (3/20 Meile, 1 1/8 Kilom.) und stieg terrassenförmig auf. Vermöge dieser Lage konnte das Heiligtum aus weiter Ferne gesehen werden, und es machte auf das Auge einen imposanten Eindruck. Längs der ganzen äußersten Mauer waren innerhalb geräumige. [223] mit Cedern gedeckte und mit bunten Steinen gepflasterte Hallen und Säulengänge, an drei Seiten doppelte, an der Südseite, an welcher der Zwischenraum größer war, dreifache; diese letzteren hießen die königlichen Hallen. Der erste, freie Vorhof, durch die Säulengänge eingefaßt, der in hebraisiertem Griechisch Istawaanit108 (στοά) hieß, diente dem Volke zum Sammelplatz, wo die wichtigsten Fragen verhandelt wurden. Heiden, wie Verunreinigte, durften sich nur hier aufhalten; daher ließ Herodes auf Säulen griechische und römische Inschriften anbringen, welche die Heiden warnten, weiter vorzudringen. Sie wurden aus dem Grunde vom weiteren Betreten des Heiligtums ausgeschlossen, weil sie, den levitischen Reinheitsgesetzen nicht unterworfen, als Verunreinigte galten. Die Inschrift auf den Säulen lautete in sieben Zeilen, mit großen in die Augen fallenden Buchstaben: »Kein Volksfremder darf innerhalb des Gitterwerkes um das Heiligtum und der Umwallung gehen; wer betroffen würde, der hätte es selbst verschuldet, daß der Tod ihm nachfolge«109. Der zweite Vorhof (Chel), früher von einer gitterartigen [224] Holzmauer (Soreg, δρύφακτος) eingeschlossen, erhielt unter Herodes eine feste Mauer, die nicht hoch war.

Die Räume des Tempels wurden wenig geändert und bestanden, wie in dem älteren von Serubabel erbauten, aus drei unbedeckten Höfen (Azarâh) und aus dem überdachten Heiligtume. Dieses behielt im Innern dasselbe Maßverhältnis wie das ältere, der heilige Raum für Leuchter, Schaubrottisch und goldenen Altar vierzig Ellen Länge und zwanzig Breite und das Allerheiligste im äußersten Westen zwanzig Ellen im Gevierte. Äußerlich aber erhielt das Heiligtum einen viel größeren Umfang, Hundert Ellen Höhe und eben so viel Länge von Ost nach West – eine Vorhalle im Osten mitgerechnet, aber nur siebzig Ellen Breite von Nord nach Süd. An dieser Vorhalle war aber zu beiden Seiten ein geschlossener Anbau von je fünfzehn Ellen angebracht, wodurch die Breitseite im Osten dem Auge ebenfalls eine Ausdehnung von hundert Ellen darbot. Die Mauern des Heiligtums bestanden aus leuchtendem weißen Marmor, und da sie auf der höchsten Höhe des Tempelberges errichtet waren und den Vorbau überragten, so boten sie dem Auge von Ferne von allen Seiten einen prachtvollen Anblick. Die scheinbar dreißig Ellen betragende Dicke derselben war durch breite Zwischengänge und Zellen durchbrochen. Der weite Raum vor dem Heiligtume zerfiel in Abteilungen für Frauen, Laien, Priester und Opferdienst. Innerhalb und außerhalb des inneren Vorhofes oder des Vortempels waren offene und geschlossene Hallen zu verschiedenen Zwecken und auch für die Schatzkammern. Längs der südlichen und nördlichen Wand im Innern waren bedeckte Säulengänge mit Steinsitzen (ἐξέδραι), wohin die diensttuenden Priester bei Nässe und drückender Hitze sich zurückziehen konnten. Der Raum für das weibliche Geschlecht, das sich mehr als früher am Tempelbesuche beteiligte, war ganz besonders abgeschlossen, und von außen waren im Weibervorhofe nach drei Richtungen Balkone zum Zuschauen bei Festlichkeiten angebracht.

Eine große Pracht wurde auf die Flügeltüren, Pfosten und Oberschwellen der Pforten im Tempel verwandt. Zum Frauenraum führte von Ost nach West eine Pforte, deren Türen aus glänzendem korinthischem Erz gegossen waren, die ein reicher und frommer Alexandriner, wohl der damalige fürstliche Arabarch Nikanor, geweiht hatte110. Es führte daher den Namen Nikanor-Tor. Von diesem führten fünfzehn Stufen zum Raume für die Laien durch eine Pforte, welche wegen ihrer hohen Lage das hohe Tor genannt wurde. Die Vorhalle (Ulam) war nicht durch Flügeltüren geschlossen. Von ihr [225] aber führte eine Pforte zum Heiligtume, welche, höher und breiter als die übrigen, mit Doppelflügeltüren von außen und innen zu öffnen versehen war, die mit einer starken Goldlage belegt waren. Sie führte den Namen das große Tor oder das Tempeltor schlechthin (Schaar ha-Gadol, Pitcho schel Hechal). Wegen der Höhe und Wuchtigkeit der Flügeltüren dieser Pforte war sie schwer zu öffnen und zu schließen; mehrere Leviten mußten sich dabei anstrengen, und die starken, in ausgehöhltem Stein sich bewegenden Zapfen machten beim Öffnen ein solches Geräusch, daß es in allen Tempelräumen und noch darüber hinaus vernommen wurde. Das Heiligtum war vom Allerheiligsten nicht durch eine Tür, sondern durch einen Doppelvorhang geschieden, welcher aus Byssus-, himmelblauen, roten und hochroten babylonischen Purpurfäden gewebt, einen prächtigen Anblick darbot. Die Türen, welche von Nord und Süd vom freien Raum in den Tempel führten (drei oder vier zu jeder Seite), hatten Verzierungen aus feiner Schnitzarbeit. Das hohe Dach des Tempels war mit vergoldeten Spitzen versehen, welche den Zweck hatten, Raben und andere Vögel abzuhalten, sich darauf Nester zu bauen. Diese Spitzen verliehen dem Gebäude einen besonderen Glanz, wenn sie von der Sonne beschienen wurden, und dienten nebenher, ohne daß die Erbauer daran gedacht haben mögen, als Blitzableiter, welche die Entladung elektrischer Wolken auf den Tempel verhinderten111.

Der Pomp der Einweihung des auf Herodes' Befehl erbauten Heiligtums übertraf bei weitem den, welchen Salomon nach Vollendung des von ihm errichteten veranstaltet hatte. Hekatomben auf Hekatomben wurden geopfert, und das Volk wurde gespeist. Der Tempel wurde gerade an dem Tage eingeweiht, an welchem Herodes sich etwa zwanzig Jahre vorher mit blutigen Händen Jerusalems bemächtigt hatte (Juni 18112) – eine unheilvolle Erinnerung. Die Hand, welche den Tempel erbaute, hatte auch schon die Fackel zu dessen Zerstörung angezündet. Herodes stellte ihn unter Roms Schutz. Ein goldner Adler, Symbol der römischen Macht, war oberhalb des Haupteinganges zum Ärger der Frommen angebracht113. Es hing von der Laune der römischen Machthaber ab, wie lange das judäische Heiligtum bestehen sollte. Von der Antonia, welche dazu bestimmt war, den Tempel zu überwachen, ließ Herodes noch einen unterirdischen Gang ausbauen, welcher bis zum Osttore [226] führte, um auch von hier aus die Vorgänge im Heiligtum überwachen und jede feindselige Bewegung gegen ihn plötzlich niederschlagen zu können114. Mißtrauen gegen das von ihm geknechtete Volk erfüllte seine Seele.

Der Tempelbau war Herodes' einziges Werk, für welches das Volk ihm Dank wußte, ohne jedoch ihm Liebe zuzuwenden. Sonst kam seine Regierung nur den auswärtigen Judäern zustatten. Die kleinasiatischen Griechen115 hörten nämlich nicht auf, die Judäer in ihren Gemarken mit ihrer boshaften Unduldsamkeit zu plagen, trotz der ihnen von den römischen Machthabern zugegangenen Weisung, deren Religionsübungen nicht zu stören116. Ja, sie gingen sogar darauf aus, die Gleichstellung der Judäer aufzuheben. Ganz besonders zeigte die Hauptstadt Ephesus immer wieder einen feindseligen Geist gegen die Judäer, zwang sie, am Sabbat und Feiertage vor Gericht zu erscheinen, Kriegsdienste zu leisten, lästige und kostspielige Ämter zu übernehmen, verbot ihnen, die für den Tempel in Jerusalem gesammelten Spenden dahin abführen zu lassen, und wollte diese für städtische Bedürfnisse, vielleicht für Festspiele, verwendet wissen117. Sonderbar ist es, daß sich die kleinasiatischen Judäer mit ihren Klagen über Religionszwang nicht an Herodes um Abhilfe wandten; sie scheinen kein Vertrauen zu ihm gehabt zu haben, da er durchweg die Griechen begünstigte. Indessen stand er ihnen dennoch bei. Er stand zu Marcus Agrippa, dem Schwiegersohn Augustus' und gewissermaßen Teilhaber seiner Macht, in ebenso gutem Verhältnis wie zum Kaiser. Man sagte: Herodes sei dem Augustus nächst Agrippa der liebste und ebenso dem Agrippa nächst Augustus118. Auf Agrippas Rundreise lud Herodes ihn ein, auch Jerusalem zu besuchen, bezeigte ihm die ausgesuchteste Aufmerksamkeit (Herbst 15) und begleitete ihn auf der Rückreise nach Kleinasien. Diese Gelegenheit benutzten die dortigen Judäer, um ihre Beschwerden gegen die boshaften Griechen vor ihm in Herodes' Beisein vorzubringen. Der Letztere konnte nicht umhin, als ihr Beschützer aufzutreten und bewog seinen Freund, den Redner Nikolaos von Damaskus, eine Rede zu ihren Gunsten zu halten. Die Jonier in Kleinasien bestritten [227] keineswegs, den Judäern Unbilden angetan zu haben, aber sie erkannten ihnen überhaupt das Recht nicht zu, in diesem Lande zu wohnen, sie seien völlig rechtlose Fremde, obwohl sie seit Jahrhunderten dort angesiedelt seien119. Darauf erklärte Agrippa in öffentlicher Versammlung, daß er aus Freundschaft für Herodes mindestens das tun wolle: die Religionsfreiheit der Judäer bestätigen und den Griechen verbieten, sie zu kränken120. Agrippa verbot auch in einem strengen Schreiben an die Behörden von Ephesus121, sich ja nicht an den von den Judäern gesammelten Tempelspenden zu vergreifen, und bemerkte, daß ein solches Verfahren als Tempelschändung verurteilt werden solle. Auch erteilte er dem Prätor die Weisung, die Judäer am Sonnabend nicht vor Gericht zu laden122.

Die Kleinasiaten scheinen sich aber wenig daran gekehrt und ihren bösen Willen gegen die Judäer fort gesetzt zu haben. Daher schickten die letzteren eine Gesandtschaft an Augustus selbst, um ihre Beschwerden vorzubringen. Darauf erließ der Kaiser ein Edikt, daß den Judäern, welche sich immer als treue Parteigänger des Cäsarischen Hauses bewährt hätten, und denen infolgedessen vom Senat und Volk Religionsfreiheit eingeräumt worden sei, diese ihre Gerechtsame unangetastet bleiben sollten. Sie sollen am Sabbat und selbst am Rüsttag desselben von Nachmittag an nicht vor Gericht geladen werden und Spenden für das Heiligtum sammeln und nach Jerusalem senden dürfen. Wer sich an diesen Spenden vergreift oder ihre heiligen Bücher aus dem Schrein entwendet, soll als Heiligtumsschänder behandelt werden. Augustus bestimmte, daß sein Edikt an einem sichtbaren Platz zur Nachachtung veröffentlicht werde. Er gab auch dem Prokonsul von Asien Norbanus Flaccus die Weisung, daß er darauf halten möge, die Gerechtsame der Judäer nicht antasten zu lassen; und dieser erließ ein Machtwort in diesem Sinne an die Bürgerschaft von Ephesus und [228] Sardes. Aber so hartnäckig waren besonders die Epheser gegen ihre judäischen Mitbewohner, daß sie sich selbst daran nicht kehrten, und die Judäer einige Jahre später genötigt waren, sich persönlich darüber bei dem Prokonsul Julius Antonius (dem Sohne des Triumvirs Antonius) zu beklagen. Auch dieser erließ nun einen Befehl an die Epheser mit strengem Ernste123; ob er einen wirksameren Erfolg hatte?

Auch in der Provinz Kyrenaika in Afrika, wo die Judäer seit der Zeit der ersten Ptolemäer angesiedelt waren, hatten sie sich in dieser Zeit über Unbilden von Seiten der Griechen zu beklagen. Sie bildeten in dieser Landschaft einen ansehnlichen Teil der Bevölkerung und hatten ihre eigene bürgerliche Verfassung. Zu Sullas Zeit hatten sie einen Aufstand gemacht124, ohne daß man weiß, unter welchen Umständen und zu welchem Zwecke. Der römische Feldherr Lucullus wurde dorthin gesandt, um die Ruhe wiederherzustellen. In der Hauptstadt Berenike standen sie unter einem stammesgenössischen Oberhaupte, Archonten genannt. Als die Römer Besitz von diesem Gebiete genommen hatten, ließen sie den Judäern selbstverständlich ihre politische Gleichstellung und ihre Gerechtsame. Auch hier wurden ihnen diese plötzlich von den Griechen streitig gemacht, und wiederum waren es die gesammelten Tempelspenden für Jerusalem, welche die Bürgerschaft nicht absenden lassen wollte. Trotzdem Augustus' Rundschreiben, daß die Judäer ungestört nach ihren Religionsgesetzen leben durften, auch dahin gesandt worden war, vergriffen sich die Einwohner dennoch an den für das Heiligtum bestimmten Geldern. Als aber judäische Gesandte sich zu Agrippa begaben und Beschwerde darüber führten, verbot er diese Übergriffe und befahl, die den Judäern entzogenen Gelder zurückzuerstatten125. War es eine Folge dieser von Augustus und Agrippa anerkannten Religionsfreiheit der Judäer, daß der Statthalter von Kyrenaika Marcus Tittius sich so außerordentlich wohlwollend gegen sie zeigte? Die judäischen Archonten von Berenike haben nämlich wegen seines gütigen Verhaltens gegen die Gemeinde und gegen jeden einzelnen beschlossen, ihm eine Olivenkrone zu weihen und seinen Namen bei allen Zusammenkünften am Sabbat und Neumond preisend zu nennen. Eine mit der kurzen Inschrift dieses Beschlusses versehene Säule von parischem Marmor haben sie auf einem ausgezeichneten Platz im Amphitheater aufgestellt126.

[229] Als Herodes von seiner Zusammenkunft mit Agrippa nach Jerusalem zurückgekehrt war, berief er eine Volksversammlung und verfehlte nicht hervorzuheben, welche Begünstigung er für die kleinasiatischen Juden von Agrippa erwirkt hatte. Auch erließ er den vierten Teil der Steuern denjenigen, welche im abgelaufenen Jahr sie noch nicht geleistet hatten127. Bei dieser Gelegenheit wurde das Volk mit ihm ausgesöhnt und jauchzte ihm zu. Aber als er die Volksbeliebtheit genießen zu können glaubte, verbitterten ihm die Rachegeister diese kurze Freude.

Das letzte Dritteil der Herodianischen Regierung beschwor ein grausiges Unglück auf das Haupt des bereits sechzigjährigen Sünders herab, und dieses versetzte ihn in jenen Zustand dumpfer Verzweiflung, in welchem der Mensch aufhört und das wilde Tier beginnt. Die Leichen der unschuldig Gemordeten richteten sich gespenstisch gegen ihn auf, verfolgten ihn wachend und träumend und machten ihm sein Leben zu einer beständigen Höllenqual. Vergebens sah er sich nach einer treuen Seele um, die ihn leiten und trösten sollte. Sein eigenes Fleisch und Blut, seine Geschwister, Salome und Pheroras, die er so hoch gestellt, seine eigenen Kinder sogar waren seine Feinde und verschworen sich gegen seine Ruhe und sein Leben. Dieses qualvolle Dasein machte ihn noch schonungsloser und blutgieriger gegen alle, die in seine gefährliche Nähe kamen. Die Hauptveranlassung zu seinem Unglück war Mariamnes Tod. Sie hatte ihm zwei Söhne (und zwei Töchter) hinterlassen, Alexander und Aristobul128, welche, sobald sie zu Verstand gekommen waren, sich den Tod ihrer unschuldigen Mutter tief zu Herzen nahmen und kein Gefühl für ihren Vater hatten. Herodes hatte sie, weil sie mütterlicherseits von hasmonäischer Abkunft waren, zu seinen Nachfolgern bestimmt und sie nach Rom zur Erziehung geschickt, damit sie sich frühzeitig in Augustus' Gunst sonnen und in das römische Wesen einleben sollten. Er verheiratete sie hierauf, den älteren Alexander mit Glaphyra, einer Tochter des kappadocischen Königs Archelaus, die sich der Abkunft von persischem Königshause rühmte, aber die Tochter einer Buhlerin war, und den jüngeren mit Salomes Tochter Berenice. Er beabsichtigte dadurch Einigkeit unter die Glieder seiner Familie zu bringen. Aber der Haß [230] der rachsüchtigen Salome und ihres Bruders Pheroras gegen die hasmonäische Mariamne, der auch nach deren Tode nicht erloschen war, ließ diese Eintracht nicht aufkommen; sie übertrugen ihn auf deren beide Söhne, obwohl einer derselben Salomes Schwiegersohn war. Sie wußten Herodes dahin zu bringen, daß er seinen Sohn aus erster Ehe mit Doris, den er samt seiner Mutter bei seiner Verheiratung mit der hasmonäischen Mariamne verstoßen hatte, wieder zu sich nahm und ihn als Prinzen behandelt wissen wollte. Der Sohn der Doris, mit Namen Antipater, hatte in seinem Blute die ganze Tücke, Herzlosigkeit und Verstellungskunst der idumäischen Familie und kehrte seine Bosheit gegen Vater und Brüder. Diese drei, Salome, Pheroras und Antipater, obwohl Todfeinde untereinander, vereinigten sich im Hasse gegen Mariamnes Söhne. Je mehr der Vater jene vorzog, und je mehr die Augen des Volkes auf den Hasmonäern von mütterlicher Seite mit Wohlgefallen weilten, desto mehr waren sie diesen ein Gegenstand der Furcht und des Abscheues. Antipater er fand Anschuldigungen gegen Alexander und Aristobul, daß sie den Tod ihrer Mutter an dessen Urheber rächen wollten. Unbedachtsame Äußerungen, in einem Augenblick des Unmutes entfahren, gaben Veranlassung zu der Verdächtigung. Herodes' argwöhnische Seele sog diese Verleumdung gierig ein; er fing an, seine Söhne zu hassen, und um sie zu bestrafen, erteilte er Antipater gleiches Recht auf die Nachfolge, wodurch er die Söhne der Hasmonäerin nur noch mehr erbitterte und zu rücksichtslosen Ergüssen gegen ihren Vater hinriß. Diese Ergüsse wurden Herodes hinterbracht, vergrößert und zu einer förmlichen Verschwörung gegen sein Leben geformt. Antipater sorgte dafür, daß Beweise von der Verschwörung der beiden Brüder gegen ihren Vater vorgelegt werden konnten. Vergebens verwendeten sich der König von Kappadocien und Augustus selbst für die Freisprechung der angeklagten Brüder. Antipater wußte, immer mit der Miene der herzlichsten Liebe für seine Brüder, neue Ränke gegen sie zu schmieden. Die Diener und Freunde derselben, welche Herodes auf die Folter spannen ließ, sagten aus, was man von ihnen verlangte. Auf die Aussage der Gefolterten hin wurden Alexander und Aristobul in Berytus von einem Rate, der aus hundertundfünfzig von Herodes' Freunden zusammengesetzt war, verurteilt. Herodes beeilte ihre Hinrichtung, ließ sie nach Samarien schleppen, daselbst, wo ihr Rabenvater dreißig Jahre vorher die Hochzeit mit ihrer Mutter gefeiert hatte, enthaupten (um 7) und ihre Leichen in Alexandrion beisetzen129.

[231] Ihr Tod hatte das Intriguenspiel gegen den König nicht erschöpft, sondern ihm nur neue Nahrung gegeben. Herodes hatte nämlich Antipater zu seinem Nachfolger bestimmt; aber diesem schien die Thronfolge nicht gesichert, solange der Vater noch lebte, und er lebte ihm zu lange. Er verband sich daher mit Pheroras zu einer Verschwörung gegen das Leben seines Vaters und Wohltäters. Pheroras war nämlich mit seinem Bruder zerfallen, weil dieser seine Mißehe mit einer Sklavin gemißbilligt hatte. Salome aber hatte sich von ihnen getrennt und warnte Herodes vor ihren Ränken und Schlichen, die sie gut kannte. Herodes' Auge war jedoch bereits so sehr getrübt, daß er sich gerade gegen Antipater ungläubig verhielt. Ja, er sah nicht einmal das ganze Gewebe von Verschwörung gegen ihn, welches in seiner nächsten Nähe gesponnen wurde. Vier Weiber, die mit Antipater und Pheroras in stetem Verkehr waren, faßten einen Plan gegen sein Leben: Antipaters Mutter, Doris, die wieder im Palaste weilte, Pheroras' Frau und deren Mutter und Schwester. Alle diese hielten geheime Zusammenkünfte, gewannen Herodes' Eunuchen Bagoas für ihre Verschwörung und auch einen schönen Jüngling Carus, mit dem der König einen widernatürlichen Verkehr hatte. Aber auch mit den allerstrengsten Pharisäern, die ihn wegen seiner Entfremdung vom Judentum und wegen seiner fortgesetzten Schändung desselben bitter haßten, verbanden sich die vier Weiber. Man weiß nicht recht, ob sie Herodes' pharisäische Gegner aufgesucht haben oder von ihnen aufgesucht worden sind. Genug, als an sie und ihre Anhänger der Befehl ergangen war, dem König den Eid der Treue zu schwören, verweigerten sie ihn, und als sie eine hohe Geldstrafe wegen der Weigerung erlegen sollten, gab Pheroras Weib die Summe her. Es waren mehr als sechstausend, wahrscheinlich Anhänger des Hauses Schammaï, welche einen ingrimmigen Haß gegen den idumäischen König hatten. Um ihn zu stürzen, verkündeten einige Fanatiker, darunter heimlich Pheroras' Frau, daß der Untergang des herodianischen Hauses von Gott beschlossen sei, und daß die Herrschaft auf ihre Nachkommen übergehen werde. Dem Eunuchen verkündeten sie, daß er berufen sei, Vater und Wohltäter des judäischen Volkes zu werden, er werde nicht bloß als König die Herrschaft haben, sondern auch auf wunderbare Weise Kinder erzeugen können. Ihre Verheißungen, gleichviel ob es Eingebungen eines verschrobenen Geistes oder Vorspiegelungen waren, fanden Glauben und ermutigten die Hoffenden, Herodes' Tod zu beschleunigen.

Er aber hatte keine Kunde von den Wühlereien in seiner nächsten Nähe. Seine Schwester mußte ihm das Intriguengewebe enthüllen. [232] Selbstverständlich ging er nicht gerade schonend mit den entdeckten Verschworenen um. Die Pharisäer, die sich am tiefsten eingelassen hatten, sowie der Eunuch, sein Schandbube Carus und alle Verwandten, welche zu der Verkündigung der Pharisäer sich zustimmend verhalten hatten, mußten es mit ihrem Leben büßen130. Gegen Pheroras' Frau hätte er gern ebenfalls den Todesstreich geführt; aber er war von einer unbegreiflichen Schwäche gegen seinen Bruder und konnte ihn nicht einmal zwingen, sich von ihr zu trennen. Nur in bezug auf den Hauptschuldigen, seinen Sohn Antipater, verharrte er in Verblendung, verbot ihm jedenfalls den Umgang mit Pheroras und den »Weibern« und verbannte ihn in das Gebiet, das er ihm unter dem Namen eines Vierfürstentums Peräa (Tetrarchie) von Augustus verschafft hatte. – Um sicher zu sein und dem Hasse des Volkes zu entgehen, veranlaßte Antipater, daß ihn der Vater nach Rom sandte, um Augustus' Bestätigung für seine Nachfolge zu erwirken. Von Rom aus zettelte er neue Ränke gegen seine noch übrigen Brüder an. Endlich aber kam sein teuflisches Spiel an den Tag. Pheroras, Herodes' letzter Bruder, war unerwartet gestorben (5), und da man seiner, gegen Herodes' Willen geheirateten Frau seinen Tod zur Last legte, wurde eine Untersuchung gegen diese eingeleitet. Die Untersuchung brachte ein anderes Geheimnis aus Licht, als man erwartet hatte. Die Frau gestand, daß Pheroras und Antipater beschlossen hätten, den König zu vergiften. Das Gift sei schon bereit gewesen, aber, gerührt von den Besuchen, die Herodes seinem Bruder während seiner Krankheit gemacht, habe Pheroras befohlen, es zu verschütten; den Rest zeigte die Frau zur Bestätigung ihrer Aussage vor. Vernommene Zeugen und noch andere Umstände machten Antipaters Plan, seinen Vater zu vergiften, sonnenklar. Diese Offenbarung war ein harter Schlag für Herodes. Also gerade derjenige Sohn, den er aus der Niedrigkeit erhoben und zum König bestimmt hatte, um dessenwillen er die Söhne der noch immer nicht vergessenen Mariamne hatte hinrichten lassen, war sein Todfeind! Die Aufregung seines Gemütes war grenzenlos, und doch mußte er sich verstellen und Liebe für Antipater heucheln, um ihn zu bewegen, nach Jerusalem zurückzukehren. Sobald Antipater in Jerusalem eingetroffen war, überhäufte er ihn mit Vorwürfen, stellte ihn vor ein Tribunal, dessen Vorsitz der römische Statthalter Quintilius Varus führte, und klagte ihn des veranlaßten Brudermordes und versuchten Vatermordes an. Da das Ungeheuer seine Unschuld beteuerte, trat Herodes' Freund Nikolaos von Damaskus als unerbittlicher [233] Ankläger gegen ihn auf. Antipaters Todesurteil wurde hierauf gefällt, und Herodes bat Augustus, es zu bestätigen131. In diese Anklage war auch eine von Herodes' Frauen, die zweite Mariamne, verwickelt, deren Sohn Herodes zum Nachfolger bestimmt war, falls Antipater vor seinem Vater sterben sollte. Hierauf wurde diese zweite Mariamne verwiesen, ihr Sohn aus dem Testament gestrichen und ihr Vater, der Hohepriester Simon ben Boëthos, seiner Würde entkleidet; zum Nachfolger wurde Matthia, Sohn Theophils132, ernannt (4). Unter diesem Hohenpriester kam der Fall vor, daß ein anderer, Joseph ben Ellem aus Sepphoris, sein Verwandter, an dessen Stelle an einem Versöhnungstage fungieren mußte133, weil jener durch einen nächtlichen Zufall verunreinigt worden. Seit jener Zeit ist der Brauch eingeführt worden, daß jedem Hohenpriester ein Stellvertreter für den Versöhnungstag bestimmt wurde, der sich eine Woche vorher denselben Vorbereitungen unterwerfen mußte. Auch wurden Mittel angewendet, den Hohenpriester in der Nacht dieses Tages wach zu erhalten134.

So viele und so anhaltende Gemütserschütterungen warfen Herodes, der indes dem siebzigsten Lebensjahre nahe war, aufs Krankenlager. Alle seine Hoffnungen waren zertrümmert, das Werk so vieler Mühsale, so vieler Verbrechen, so vielen Blutvergießens war ihm selbst widerwärtig geworden, da er es seinen Söhnen mißgönnte, die er durchweg für seine Feinde hielt. Zu welchem von ihnen sollte er jetzt Vertrauen haben? Zum dritten Mal änderte er die Nachfolge und bestimmte den Thron für seinen jüngsten Sohn Antipas135, weil er die älteren sämtlich für seine Feinde hielt. Allein ein Gemütszustand, der bei jedem anderen Milde und Erbarmen erzeugt hätte, stimmte ihn nur noch wilder und grausamer. Ein geringes Vergehen feuriger Jünglinge ahndete er in dem Zustande des Lebensüberdrusses, an der Pforte des Grabes mit derselben Gefühllosigkeit und Härte, wie zur Zeit, als noch die kühnsten Träume des Ehrgeizes seine Brust schwellten. Die Pharisäer waren seine Freunde nicht, namentlich diejenigen nicht, welche Anhänger der strengen Schule Schammaïs waren, besonders nachdem er viele derselben hatte hinrichten lassen (o. S. 233). Die am Leben Gebliebenen unterließen nicht, in ihren Hörsälen die Jugend gegen den Idumäer und Römling aufzureizen. Sie konnten dies ohne Gefahr in verblümter Redeweise tun, wenn sie die Strafandrohung der Propheten gegen das Volk der Idumäer auf Herodes und sein Haus anwendeten. Da [234] Idumäer und Römer ihnen gleich verhaßt waren, so bildete sich ein übereingekommenes Verständnis, alles Gehässige von Idumäern in der heiligen Schrift ohne weiteres auf Rom und Römlinge zu übertragen. So hatten die judäischen Volkslehrer eine Menge Stichwörter, die Nationalfeinde zu brandmarken, ohne daß diese es merken konnten, und ihre Äußerungen wirkten um so ein dringlicher auf die Zuhörer, als die Übertragung biblischer Redeweise auf Zustände und Personen der Gegenwart mit Witz verbunden war und einen eigenen Reiz hatte. Die Notwendigkeit, feindselige Äußerungen über Rom und Herodes zu verhüllen, erzeugte eine eigentümliche, gewandte, beziehungsreiche Vortragsweise, voll feiner Anspielungen und rätselhafter Andeutungen, welche man Agada nennt. Unter der Form der Auslegung der heiligen Schrift konnten die Volkslehrer ihre freien, wahren Gesinnungen an den Tag legen. Die Agada, die, wenn nicht ihren Ursprung, doch ihre Ausbildung in dieser Zeit erhalten hat, war eine scharfe Waffe in den Händen der Pharisäer, die dazu diente, die Massen gegen die Feinde der Nation aufzustacheln.

Unter den Herodes und den Römern feindseligen Pharisäern zeichneten sich zwei durch Eifer und Rücksichtslosigkeit aus: Juda b. Sariphaï, und Matthia b. Margalot, und waren deshalb sehr beliebt. Sobald sie von Herodes' schwerer Krankheit hörten, stachelten sie ihre Zuhörer auf, der Tempelschändung ein Ende zu machen und den römischen Adler über dem Tempelportale herunterzuschleudern. Ein Gerücht, das sich in Jerusalem verbreitete, Herodes sei verschieden, begünstigte das gewagte Unternehmen. Sofort drangen viele Jünglinge mit Äxten zum Tempelportale, ließen sich an Seilen hinaufziehen und schlugen den Adler herunter. Bei der Nachricht von dem Volksauflaufe ließ ein Hauptmann die Herodianischen Truppen aufmarschieren, auf die Adlerzerstörer fahnden und vierzig derselben samt den beiden Führern gefangen nehmen. Herodes' erschöpfte Lebensgeister blitzten wieder auf beim Anblick der Opfer, die seinem Rachegefühle verfallen waren. Beim Verhöre mußte er Worte hören, die ihm bewiesen, daß er doch zu schwach war, den zähen Volkswillen zu brechen. Die Gefangenen gestanden ohne Furcht ihre Tat ein, rühmten sich derselben, und auf die Frage, wer sie dazu gereizt, antworteten sie: »das Gesetz«. Er ließ sie sämtlich als »Tempelschänder« lebendig verbrennen136 und machte sogar Miene, die Verfolgung weiter auszudehnen, ein Vorsatz, von dem ihn jedoch wohl eher die Furcht, als die Milde zurückgehalten haben mag. Der Hohepriester Matthia, welcher bei dieser Adlerzerstörung [235] irgendwie beteiligt war, wurde abgesetzt und dafür ein römisch gesinnter Hoherpriester, Joasar, Sohn des Simon aus dem Geschlechte der Boëthos, mit der Würde bekleidet137. Er war der sechste Hohepriester während der Herodianischen Regierung.

Wie sehr Herodes aber auch den Mund verstummen machte, welcher ihm seine Ruchlosigkeit vorwarf, und die darüber entrüsteten Verkünder den Flammen überlieferte, er konnte es doch nicht verhindern, daß einer seiner Zeitgenossen ein Bild von seinen Untaten und seiner verzweifelten Gemütsstimmung in seinen letzten Regierungsjahren der Nachwelt hinterlassen hat. Dieses Bild, wie vorsichtig verhüllt auch gezeichnet, ist doch so lebenswahr gehalten, daß Herodes, wenn es ihm zu Gesichte gekommen wäre, und er es verstanden hätte, vor Entsetzen über seine eigene Verworfenheit hätte vergehen müssen. Es war ein bedeutender Künstler, der dieses Schattenbild gezeichnet und in den Rahmen der Zeit eingefügt hat mit allem Elend und Jammer, welchen dieser König von der Römer Gnaden über alle Klassen der Bevölkerung Judäas gebracht hatte. Auch die Verzerrungen, welche die Herodianische Trug- und Blutregierung im Volksleben erzeugt hat, verstand dieser Künstler in dem Zeitbilde kenntlich hervortreten zu lassen. Hätte er seine oft überraschenden Gedanken in zusammenhängender Reihenfolge entwickelt und in einen abgerundeten Guß gebracht, so hätte sich sein Werk den vollendeten Kunstwerken anreihen können. Er stellte aber seine Betrachtungen und Nutzanwendungen über die Verkehrtheit seiner Zeit sprunghaft dar, ohne vermittelnde Übergänge, öfter in rätselhafter Sprache, bald in spöttischem Tone und in ironischen Wendungen, und bald wieder untermischt mit Schmerzensausrufen. Kohélet138 wird dieser Künstler und [236] sein eigenartiges Buch genannt, welches alles dieses und viel Gedankenanregendes enthält. Kohélet ist aber der Name des Königs, dem der unbekannte Verfasser die Betrachtungen über die Verkehrtheiten der Zeit in den Mund legte. Er läßt den König, der so hoch und weit hinausstrebte und so kläglich mit Verzweiflung im Herzen seinem Ende entgegensah, sich selbst geißeln, sich selbst zum Warnungsbilde aufstellen. Er läßt ihn, nachdem er sich lebenslänglich abgemüht, das Bekenntnis ablegen, »Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel«.

Kohélet ist aber nicht bloß eine Satire auf den König, seine Mißregierung, den Mißerfolg seiner Bestrebungen und die Verkehrtheiten der Zeit, sondern auch eine philosophische Ermahnung, sich nicht von den trostlosen Erscheinungen der Zeit niederdrücken zu lassen und den Gleichmut nicht zu verlieren. Das Buch geht dabei von einer eigenartigen religiösen Anschauung aus, die nicht nur von der seiner Zeit sondern auch von der aller Zeiten abweicht. Die darin dargestellte Frömmigkeit trägt nicht die angekränkelte Farbe des düsteren Brütens und der Traurigkeit über die Schlechtigkeit der Welt, sondern die gesunde des sicheren Vertrauens auf den Lenker derselben, der von Anfang an alles zum besten gefügt und geordnet habe. Bei allem Elende, welches Herodes über die judäische Nation gebracht, bei aller Zersetzung, die er verursacht hatte, war doch noch so viel Geisteskraft im Volke geblieben, ein so durchdacht angelegtes literarisches Erzeugnis zu schaffen – wohl das letzte aus der nachexilischen Zeit.

Nach einer kurzen und spannenden Einleitung über den ewigen Bestand der Welt in dem ewigen Fluß aller Dinge führt das Buch den König Kohélet ein, wie er zum Bewußtsein der Eitelkeit seiner Bestrebungen gekommen ist. »Ich, Kohélet, bin König über Jerusalem geworden und gab mein Herz hin, mit Weisheit zu erforschen und zu erspähen alles, was unter dem Himmel geschieht – ein böses Geschäft, das Gott den Menschen gegeben, sich damit zu quälen. Ich habe nämlich alles Tun gesehen, das unter dem Himmel geschieht, und sieh' da, alles ist Hauch und Jagd nach Wind«. Das Selbstgeständnis des Königs von der an sich selbst erfahrenen Enttäuschung geht noch weiter. »Ich sprach mit meinem Herzen: ›Sieh' da, ich bin groß geworden und habe mehr Weisheit erlangt als alle vor mir in Jerusalem. [237] Wohlan, ich will mein Herz in Freuden und Genüssen des Angenehmen erproben. ... Ich hatte in meinem Sinne ausgedacht, meinen Körper in Wein zu baden, ich machte meine Werke großartig, baute mir Häuser, pflanzte mir Weinberge, schuf mir Gärten und Lustplätze (Paradiese) und pflanzte darin Bäume jeglicher Frucht. Ich kaufte Sklaven und Sklavinnen, Hausleute hatte ich, auch Herden von Rindern und Schafen mehr als alle vor mir in Jerusalem. Ich sammelte mir auch Schätze von Gold und Silber, Königsschätze, ich verschaffte mir Sänger und Sängerinnen und Lustbefriedigungen der Menschen. Alles, was meine Augen begehrten, entzog ich ihnen nicht. Denn mein Herz sollte sich an meiner Mühe freuen. Da sah ich aber nach allen meinen Werken, die meine Hände geschaffen, und sieh' da – alles Hauch und Jagd nach Wind und kein Gewinn unter der Sonne ... Und ich hasse das Leben, denn mir mißfällt das Tun, welches unter der Sonne geschieht; ich hasse all mein Mühen, daß ich es einem überlassen soll, der nach mir sein wird, und wer weiß, ob er weise oder töricht sein wird, und er soll über alles herrschen, um was ich mich gemüht? Das ist eben Eitelkeit«139.

Noch öfter läßt der Verfasser den König solche düstere Betrachtungen über die Zukunft anstellen. »Da gibt es einen Einzigen, der keinen Zweiten über sich hat, auch nicht Sohn und Bruder, und kein Ende ist allem seinen Mühen. Aber für wen mühe ich mich denn ab und lasse meine Seele darben? Das ist aber Eitelkeit und eine schlimme Sache«140. Sollte Herodes an diesen Zügen noch nicht zu erkennen sein so sollten noch derbere Anspielungen auf seine verkehrte Regierung, wie er die Angesehensten heruntergebracht und gemeines Gesindel hoch erhoben hatte, die erwünschte Deutlichkeit geben: »Der Niedrige ist auf erhabene Höhe gehoben und die Reichen sitzen in Niedrigkeit; ich sah Sklaven auf Rossen und Fürsten auf der Erde gehen wie Sklaven«141. Und noch deutlicher: »Weh dir, o Land, dessen König ein Sklave ist, und dessen Fürsten schon des Morgens schmausen! Glücklich, o Land, dessen König ein Freier ist, dessen Fürsten zur Zeit speisen in Tapferkeit und nicht in Trunk«142. – »Besser ein armseliges und kluges Kind als ein alter und törichter König, der gar nicht mehr gewarnt werden kann«143. Welche Ironie liegt eben darin, daß ein König selbst einen solchen König oder sich selbst an den Pranger stellt! Weil der Verfasser aber fürchtete, Opfer seiner Satire zu werden, so bricht er plötzlich ab, so oft er auf den König eine grelle Beleuchtung geworfen hat, und spricht von einem anderen Gegenstand in harmloser Weise.

[238] Freier durfte er sich bewegen, wenn er von den Untaten und Verkehrtheiten der Zeit sprechen wollte. »Und auch das habe ich unter der Sonne erfahren: an der Stätte des Rechtes da ist die Ungerechtigkeit, und an der Stätte der Frömmigkeit da ist die Sünde144. – Wiederum habe ich alle Bedrückungen unter der Sonne gesehen, da sind die Tränen der Bedrückten, die keinen Tröster haben, und in der Hand ihrer Bedrücker ist Macht, und sie haben keinen Annehmer. Da pries ich die Toten, die längst gestorben, glücklicher als die noch Lebenden und glücklicher als beide diejenigen, die noch gar nicht geboren und die böse Taten nicht gesehen haben, die unter der Sonne geschehen«145. Ironisch läßt der Verfasser den König sprechen – immer den König Kohélet selbst – »wenn du Druck des Armen und Raub an der Stätte des Rechtes und der Gerechtigkeit siehst, so wundere dich über das Ding nicht, denn ein Hoher wacht über einen anderen und über diesen sind noch Höhere«146. Auch die Spioniersucht und die Angeberei der Herodianischen Regierungsweise, wodurch so viele dem dunkeln Kerker oder dem heimlichen Tode verfielen, läßt das Buch nicht ungegeißelt: »Selbst unter deinen Bekannten sollst du den König nicht verwünschen, und in deinem Schlafgemach den Vornehmen nicht schmähen; denn ein Vogel des Himmels kann die Stimme entführen und der Mann der Flügel das Werk verraten«147.

Indessen da die Aufgabe des Verfassers nicht allein war, eine Satire auf den König zu schreiben, sondern ganz besonders die Übel zu heilen, welche dessen Mißregierung erzeugt hatte, so mußte er auch nach dieser Seite hin scharf zufahren und die Dinge beim rechten Namen nennen. Es ist nicht erstaunlich, daß beim Anblick der eingerissenen Zerrüttung aller Lebensverhältnisse im judäischen Gemeinwesen sich eine düstere, lebenssatte Stimmung in die Gemüter eingenistet hatte. Was soll aus Juda und dem Judäer tum werden, wenn ein Fremdling, ein Römerknecht alle Gewalt in Händen hat und diese mißbraucht, um nicht bloß das Volk zu knechten, sondern es sich selbst zu entfremden, das Gesetz zu verletzen, das Hohepriestertum zu schänden und die Patrioten noch dazu zu zwingen, ihm den Eid der Treue zu leisten und ihm die Hand zu seiner Verruchtheit zu bieten148! Weh, wer das erlebt hat! Das war die Stimmung der Gemüter derer, welche Sinn und Herz für die Nation und die Lehre hatten. Jede [239] Freude war aus Judäa gewichen. Stumm ging einer neben dem andern einher, um nicht dem Unmut unwillkürlich einen Laut zu leihen und sich und den Freund ins Unglück zu stürzen149. Die Anhänger der schammaïtischen Schule, welche von ihrer strengen Lebens- und Religionsanschauung noch finsterer auf die Vorgänge blickten, faßten daher ihre Verdüsterung in den Worten zusammen: »Es wäre besser für den Menschen, er wäre gar nicht geboren«150. Der Tod schien vielen und besonders der in den Schulen gebildeten Jugend erwünscht. Gegen diese Lebensverachtung, welche jede Tatkraft lähmt und die Zukunft erst recht bedrohlich macht, führte der Verfasser des Buches Kohélet einen heftigen Kampf, und ihr ist ein großer Teil des Buches gewidmet. An einer Stelle führt er die Redeweise der Vertreter dieser düstern Lebensanschauung an, um sie lächerlich zu machen:


»Besser ein guter Name als gutes Öl,

Und der Todestag als der Geburtstag.

Besser ins Trauerhaus als ins Hochzeitshaus gehen;

Denn das ist das Ende aller Menschen,

Und der Lebende kann sichs zu Herzen nehmen.

Besser Harm als Scherz;

Denn bei trübem Blick kann das Herz glücklich sein.

Das Herz des Weisen im Trauerhause,

Das Herz des Toren im Freudenhause.

Besser des Weisen Anfahren als des Toren Lied zu hören;

Denn wie das Geräusch der Dornen unter dem Topfe,

So das Lachen der Toren.«151


Darauf der Verfasser oder die von ihm eingeführte Figur: »Auch das ist eitel« und Spruch gegen Spruch aufführend:


»Besser das Ende einer Sache als der Anfang,

Besser ein Langmütiger als ein Trübsinniger.«


»Sei nicht übereilt in deinem Gemüt, dich zu härmen, denn der Harm ruht im Herzen der Toren. Sprich nicht, wie ist's doch, daß die früheren Tage besser als diese waren? Denn nicht mit Weisheit fragst du so ... Sieh, das ist Gottes Werk; denn wer könnte besser machen, was er schlecht gemacht hätte? Am Tage des Glückes genieße das Glück und am Tage des Unglückes beachte, daß Gott eins dem andern entsprechend gemacht hat«152. Das war die Philosophie des Verfassers, dem wahrscheinlich, als einem Sadduzäer, die pharisäische und die essäische Überfrömmigkeit und düstere Lebensanschauung in [240] gleicher Weise zuwider waren. Beim Anblick der Frevel und der Übel nur nicht zu verzweifeln und den Tod herbeizurufen, ermahnt er. Da alles von Gott stammt, so hat auch das Übel seine Notwendigkeit. Alles hat Gott zu seiner Zeit gut gemacht153, denn es gibt für alles eine Zeit:


»Eine Zeit zum Zeugen und eine Zeit zum Sterben,

Eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit auszureißen,

Eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,

Eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen,

Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen ...,

Eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen,

Eine Zeit für Krieg und eine Zeit für Frieden.«154


Da Gott alles zu seiner Zeit gut und passend gemacht hat, so soll der Mensch über das Wie und Warum nicht grübeln. Denn das Verkehrte kann er doch nicht besser machen und das Mangelhafte nicht ergänzen155. Nur nicht grübeln! »Denn, je mehr Weisheit, desto mehr Harm, je mehr Wissen, desto mehr Schmerz«156. Der Mensch kann einmal den Grund der Dinge nicht erforschen. Gott habe den Menschen geflissentlich die Unwissenheit ins Herz gegeben, daß sie nicht finden, was Gott von Anfang bis zu Ende gemacht hat. Wie sehr sich der Mensch auch abmüht, es zu suchen, er kann es nicht finden, und wenn der Weise spricht, daß er es wisse, so kann auch er es nicht finden. »Wie du nicht weißt, was der Weg des Geistes in die Gebeine im Leibe einer Schwangeren ist, so kannst du die Werke Gottes nicht wissen, wie er es vollbringt«157.

Wie es kommt, daß die früheren Zeiten besser waren? »Was da war, wird wieder sein, und was geschehen ist, wird wieder geschehen, es gibt nichts ganz Neues unter der Sonne. Es gibt einmal eine Sache, von der man spricht: ›Sieh, das ist neu!‹ Es war längst in früheren Zeiten, die vor uns waren; aber es ist keine Erinnerung an das Frühere geblieben, und auch an das Spätere, das sein wird, wird keine Erinnerung bleiben bei denen, die noch später sein werden«158. Da die Welt sich nun gleich bleibt, da »ein Geschlecht vergeht und das andere kommt, und die Erde für immer stehen bleibt, da die Sonne auf und nieder geht, da der Wind sich in Kreisen dreht und zu seinem Ausgang wieder zurückkehrt, und alle Flüsse ins Meer gehen, und dieses nicht voll wird, weil die Flüsse immer wieder zurücklaufen«159, so ist in einer unglücklichen Zeit kein Grund zu verzweifeln, ins Trauerhaus [241] zu gehen und sich den Tod zu wünschen. Auch sich zu härmen und zu kasteien ist kein Grund. Das Leben, da es von Gott stammt, hat seinen Wert. »Für alle Lebenden gibt es eine Hoffnung; einem lebendigen Hunde geht es besser als einem toten Löwen. Die Lebenden wissen, daß sie sterben werden. Die Gestorbenen wissen aber gar nichts«160. Schroff stellt sich der Verfasser in Gegensatz zu denen, welche den Todestag für erwünschter hielten als den Geburtstag. »Süß ist das Licht und angenehm für die Augen, die Sonne zu schauen. Wenn der Mensch viele Jahre lebt, sollte er sich aller freuen; denn die Tage der Finsternis werden noch mehr sein. Darum, freue dich, Jüngling, deiner Jugend«, – so redet der Verfasser die Träger der Zukunft an, daß sie sich nicht von den Schwarzsehern verdüstern lassen mögen. – »Laß dich dein Herz froh machen in den Tagen deines Mannesalters, entferne Trübsinn aus deinem Herzen und laß Harm fahren von deinem Leibe; denn Jugend und Manneskraft sind vergänglich«161.

Gegenüber den Lebensverächtern und den sich Ka steienden hielt es der Verfasser für nötig, nach der nüchternen sadduzäischen Anschauung, sich recht derb auszusprechen: »Nichts ist besser im Leben, als zu essen und zu trinken und sich seines Lebens zu freuen. Denn es ist eine Gabe Gottes« und darum nicht zu verachten162. – »Geh, iß in Freuden dein Brot und trinke mit freudigem Herzen deinen Wein; denn Gott hat dein Tun längst gebilligt. Genieße das Leben mit dem Weibe, das du liebst alle Tage deines vergänglichen Lebens«163. – Wie sehr muß die Weltflucht und die Enthaltsamkeit von der Ehe um sich gegriffen haben, daß ein Sittenlehrer es für seine Pflicht hielt, eine Ermahnung, die Freuden des Lebens zu genießen, an seine Zeitgenossen zu richten!

Rätselhaft ist es, warum dieser Sittenlehrer auch gegen den Unsterblichkeitsglauben ankämpft. Hat dieser Glaube die Lebensverachtung gefördert, daß der seltsame Prediger einschärfen zu müssen glaubte: »Alles, was deine Hand erreichen kann, mit deiner Kraft zu tun, das tue; denn es gibt kein Tun, keine Berechnung, kein Wissen, keine Klugheit im Grabe, wohin du gehst«164. Keck leugnet er das Fortleben der Seele nach dem Tode, gegenwärtig Ausgangs- und Zielpunkt der herrschenden Religionsanschauung. »Das Geschick der Menschen und der Tiere ist gleich; wie diese sterben jene, Vorzug des Menschen vor dem Tiere gibt es nicht, alles vergänglich, alles geht zu einem Orte, alles aus Staub gewordene kehrt zum Staub zurück. [242] Wer weiß, ob der Geist der Menschensöhne nach oben steigt, und der Geist der Tiere nach unten unterhalb der Erde fährt?« »Ich habe eingesehen, daß nichts besser ist, als daß der Mensch sich seines Lebens freue, denn wer will ihn dahin bringen, zu sehen, was nach ihm sein wird!«165. Es sind offenbar gespitzte Pfeile gegen eine oder mehrere Religionsparteien gerichtet, gleichviel ob gegen Pharisäer oder Essäer. Den Überfrommen sagt er überhaupt unangenehme Dinge: »Ein und dasselbe Geschick ist für den Gerechten wie für den Frevler, für den Guten wie für den Bösen, für den Opferbringenden wie für den Nichtopferer, für den Schwörenden wie für den, der den Eid scheut«166. Das Letzte ist an die Essäer gerichtet. »Sei nicht zu fromm und klügle nicht zu viel; warum willst du dich aufreiben? Denn es gibt keinen Frommen auf Erden, der nur gut handelte und nicht sündigte«167. Kohélet geißelt alle häßlichen Auswüchse, welche die Zeitlage und die herodianische Frevelregierung dem judäischen Volkskörper angesetzt hatte.

Aber die ewige Gerechtigkeit züchtigte Herodes noch empfindlicher als es ein von Entrüstung und Strenge geleitetes irdisches Gericht vermocht hatte. Selbst die Freude, die sie ihm, ehe er seiner überhandnehmenden Ekel erregenden Krankheit erlag, noch gewährte, war eine herbe Züchtigung. Von Augustus war die Erlaubnis eingelaufen, den verruchten Antipater nach Gutdünken zu bestrafen. Die Freude, an seinem Sohne Rache nehmen zu können, linderte für einen Augenblick Herodes' Schmerzen, aber im nächsten Augenblicke übermannten sie ihn derart, daß er nahe daran war, seinem Leben mit einem Messer ein Ende zu machen. Sein Verwandter Achiab entriß ihm die Waffe, aber das Wehklagen, das sich infolge dieses Vorfalles im Palaste zu Jericho erhoben hatte, drang auch zu den Ohren des im selben Palaste gefangenen Antipater. Dieser faßte wieder Hoffnung für sein Leben und beschwor seinen Kerkermeister, ihn in Freiheit zu setzen, da ihm nach dem erfolgten Ableben des Vaters die Herrschaft zufalle. Der Kerkermeister, der nicht leichtgläubig sein eigenes Leben verwirken mochte, eilte in die Gemächer des Königs, um sich von dessen Leben oder Tod zu überzeugen. Sobald Herodes aus seinem Munde erfuhr, daß Antipater der Hoffnung Raum gegeben, ihn zu überleben, befahl er seinen Trabanten, ihn ohne Aufschub zu töten, was auch geschah168. Obwohl Antipater den zehnfachen Tod verdient hatte, so war doch jedes Gemüt empört, daß ein Vater schon über den dritten Sohn das Todesurteil verhängte und es vollstrecken ließ. Augustus, obwohl selbst stiefväterlich gegen seine Tochter Julia gesinnt, äußerte bei der Nachricht von Antipaters[243] Hinrichtung: »Er möchte lieber Herodes' Schwein sein als dessen Sohn«169. Eine spätere Sage spann Herodes' Wut gegen seine Kinder noch mehr aus und ließ ihn sämtliche Kinder unter zwei Jahren von Bethlehem und der ganzen Umgegend abschlachten, weil er vernommen habe, der Messias sei in diesem Flecken aus davidischem Sproß geboren worden170. Nun, von diesem Kindermorde wenigstens ist der große Verbrecher freizusprechen. Herodes' letzte Gedanken beschäftigten sich indessen doch noch mit einem Mordbefehle. Er ließ die angesehensten Männer Judäas zu sich nach Jericho entbieten, sie in der Rennbahn bewachen und gab seiner Schwester Salome und ihrem dritten Gatten, Alexas, den Auftrag, sie nach seinem Tode von seiner Leibwache niederhauen zu lassen, damit die ganze Nation und jede Familie den Tod ihrer Lieblinge zu beweinen habe und sich nicht der Freude über seinen Hingang überlasse. Mordgedanken beherrschten ihn vom ersten Augenblicke seines öffentlichen Auftretens bis zu seinem letzten Hauche. Vier Tage nach Antipaters Hinrichtung starb Herodes (im Frühjahr 4) im neunundsechzigsten Jahre seines Lebens und im siebenunddreißigsten seiner Regierung, vierunddreißig Jahre nach der Entthronung des letzten hasmonäischen Herrschers171. Seine Schmeichler nannten ihn »Herodes den Großen«, die Nation aber nannte ihn nicht anders als den »hasmo näischen Sklaven«. Während seine Leiche mit allem Pomp in die Ruhestätte nach Herodium unter Begleitung der thracischen, germanischen und gallischen Leibwache und der augusteisch genannten Truppe geführt wurde, beging das Volk seinen Todestag festlich als einen Halbfeiertag172.


Fußnoten

1 Josephus Altert. XIV, 15, 4. Jüd. Kr. I, 16, 2.


2 Das. Altert. 15, 1. Jüd. Kr. 15, 3.


3 Josephus Altert. XIV, 14, 1-5.


4 Appian bell. civil. 5, 75.


5 Jos. Altert. XIV, 13, 5; XV, 2, 3; j. Kr. I, 13, 5.


6 Jos. Altert. XIV, 15, 1-5; j. Kr. I, 16, 4.


7 Das. 14, 6; 15, 1-7.


8 Jos. Altert. XIV, 15, 8-14.


9 Das. 16, 1; jüd. Krieg 1, 18, 1-2.


10 Das. 9, 4. XV, 1, 1.


11 Das. XV, 7, 10.


12 Jos. Altert. XIV, 16, 2.


13 Das. 16, 2-4; jüd. Krieg I, 18, 2-3; Dio Cassius 49, 22. Vergl. o. S. 161 u. Note 8 [und meine Bemerkungen dazu], daß die Eroberung im Sommer 37 unter dem Konsulate Agrippa-Gallus und nicht, wie Dio Cassius angibt, ein Jahr vorher unter dem Konsulat Claudius-Norbanus, stattgefunden hat.

14 Jos. Altert. das. 16, 2. XIV, 13, 3. Jos. fügt bezüglich der versprochenen Mädchen hinzu: οὐ μὴν ἔδωκεν.


15 Strabo bei Josephus Altert. XV, 1, 2. Plutarch, Leben des Antonius 36. Dio Cassius das.


16 Josephus Altert. XV, 1, 2; vgl. 7, 10.


17 Das. XIV, 9, 4; XV, 1, 1.


18 Das. XV, 7, 10.


19 Baba-Batra 4 a [vgl. M. Kerithot VI, 3].


20 Josephus Altert. XV, 1, 2.


21 Das. 2, 4.


22 Para 3, 5: ירצמה לאמנח.


23 Nikolaos von Damaskus bei Josephus Altert. XIV, 1, 3.


24 Africanus bei Eusebius, Kirchengeschichte, I, 7, 11. Vergl. M. Sachs, Beiträge, Heft 2, S. 157 [und Schürer I3, S. 292].


25 Vergl. Frankel, Monatsschrift, Jahrg. I, S. 115 ff.


26 Josephus Altert. XVII, 2, 2 [vgl. Schürer II3, S. 13.]


27 Das. XV, 2, 2.

28 Josephus Altert. XV, 2, 1-4.


29 Josephus Altert. XV, 2, 5-7; 3, 1-3.


30 Josephus Altert. XV, 3, 4-8.


31 Das. 4, 1-2; j. Kr. I, 18, 5. [vgl. Schürer I3, S 362, Anm. 5].


32 Josephus Altert. XV, 3, 9.


33 Josephus, j. Krieg I, 19, 1. Die Zeit ist angedeutet durch τοῠ Ἀκτιακοῠ πολέμου συνεῤῥωγότος ... καὶ κεκρατƞκὼς Ὑρκανὶας κ. τ. λ.


34 Josephus gegen Apion II, 5.


35 Josephus Altert. XV, 4, 1. Dio Cassius 49, 32 [vgl. Schürer I3, 362, Anm. 5 und 713 f.]


36 Josephus, jüd. Krieg VII, 8, 3-4 [vgl. Schürer I3, 638, Anm. 137].


37 Jerus. Trakt. Joma p. 42 c.


38 Josephus Altert. XIV, 5, 4; jüd Krieg I, 19, 3-6.


39 Vergl. Note 3, Nr. 10.


40 Jüd. Krieg V, 5, 8. Vergl. Note 2, II [und über die Lage der Antonia Schürer I3, 198, Anm. 37].


41 Josephus Altert. XV, 6, 7.


42 Josephus Altert. XV, 6, 1-4.


43 Jerus. Taanit IV, p. 68 a u.a.O.


44 Sota 21 a.


45 Edijot 1, 3.


46 Joma 35 b.


47 Pesachim 66 a, jer. Pes. 33 a. Vergl. Note 16 und 17.


48 Sabbat 30 b, ff.


49 Das. הלכ הרותה לכ איה וז דיבעת אל ךרבחל ינס ךלעד. Daß dieser Kernspruch alt ist, folgt aus Philo, welcher ihn unter den ungeschriebenen Gesetzen des Judentums aufführt: Κἂν τοϊς νομίμοις αἰτοῖς ἅ τις παϑεῖν ἐχϑαίρει, μ$ ποιεῖν αὐτόν (bei Eusebius praeparatio evang. VIII, 7, p. 358, Philo, Fragm. bei Mangey II, p. 629). Das Verbum ἐχϑαίρει entspricht vollkommen dem ינס ךלעד. Es ist jedenfalls dem Chaldäischen nachgebildet und stammt ohne Zweifel von dem aus Babylonien eingewanderten und Chaldäisch redenden Hillel. Jedenfalls ist es älter als Jesus. Vergl. weiter unten Kap. 11.


50 Tosephta Chagiga c. 2. Babli Beza 20 a.


51 Tos. Pea Ende.


52 Berachot 60 a. Jerus. Berachot, p. 14 b.


53 Abot I, 12. 14.


54 Succa 53 a. Vergl. Tosafot z. St. u. Jerus.


55 Abot I, 13.


56 Succa 10 a.


57 S. Note 17.


58 Tosefta Sanhedrin c. 7.


59 Jerus. Pesachim c. VI, p. 33 a; babli 66 a.


60 Das. vergl. Note 16.


61 Pesachim das.


62 Schebiit X, 3-4.


63 M. Sachs, Beiträge, Heft 2, S. 70, erklärte es als πρὸς βουλῇ πρεσβευτῶν und in der Tat kommt auch der Ausdruck vor (Gittin 36 b): יטזבו ילובסורפ. Nichtsdestoweniger scheint Schürers etymologische Erklärung (Lb. S. 458 [jetzt II3, 363]) die richtige zu sein = προσβολἠ »Übergabe« von προσβάλλειν = רסמ.


64 M. Erachin IX, 4; Babli 31 b.


65 Chagiga II, 2.


66 Josephus Altert. XV, 10, 5.

67 Jerus. Chagiga II, 77 d; Babli 16 b.


68 Chagiga das. Vergl. Note 16.


69 Tosefta Joma IV, 2; vergl. Babli Joma 82 a.


70 Succa II, 8.


71 Baba Batra 133 b. Sabbat 31 a.


72 Abot I, 15.


73 Josephus Altert. XV, 6, 6-7.


74 Josephus gegen Apion II, 5.


75 Das. vergl. o. S. 34 und Note 4.


76 Josephus Alterth. XIX, 5, 2. Dieselbe Note.


77 Philo gegen Flaccus 10 M. II, 527 fg.


78 Strabo bei Josephus das. XIV, 7, 2.


79 Philo Gesandsch. an Cajus 23 M. II, 568 f.


80 Josephus das. XV, 7, 3.


81 Philo Gesandtschaft an Cajus 23. 40. M. II, 569, 592. [Jos. j. Kr. II, 10, 4. 17, 2 ff., gegen Apion II, 6.]


82 Philo das. Josephus jüd. Kr. II, 17, 3-4.


83 Philo das.; Josephus j. Kr. V, 13, 6.

84 Jos. Altert. XV, 7, 1-7, j. Kr. I, 22, 3-5.


85 Baba Batra 3 b. Dieses wird Sanhedrin 66 b השעמ םודרוה genannt, so die richtige im Aruch zuerst angeführte L.-A.


86 Josephus Altert. das. 7, 8.


87 Baba Batra, 3 b.


88 Josephus Altert. das. 7, 8-10.


89 Das. 8, 1-4.


90 Jos. das. 8, 5. Die meisten Chronologen setzten die Umwandlung Samarias in Sebaste in das Jahr 25, nach Josephus Altert. XV, 8, 5; 9, 1 im 13. Jahre Herodes'. Schürer (Lb. 191, N. [jetzt I3, 366, Note 8]) macht dagegen samarit. Münzen geltend, welche bis auf das Jahr 27 und 29 hinaufführen. Er muß aber selbst zugeben, daß die Benennung Sebaste erst erfolgen konnte, als Octavian den Titel Sebastos (Augustus) angenommen hatte, und dieses geschah erst im Jan. 27 (vergl. Clinton, Fasti hell., III, 27). Folglich beweisen die Münzen nur, daß Samaria vom Jahre 29, als Augustus sie Herodes überlassen hatte, ihre Selbständigkeit datierte. Ihre Neubegründung durch Herodes aber kann recht gut in das Jahr 25 gesetzt werden.


91 Vergl. o. S. 205.


92 Josephus Altert. XV, 9, 6; XVI, 5, 1; XVII, 5, 1. [Vgl. Schürer I3, 389; II3, 27; 104 ff.]


93 Das. XV, 9, 4; XVI, 5, 2; j. Kr. I, 21, 4-10. Über Herodion, das in der Mischna ודרוה תיב genannt wird (korrumpiert ורודח תיב) vergl. Monatsschr. Jahrg. 1870, S. 227 fg. Der von den Christen Frankenberg, von den Mohammedanern El Fureidis (das Paradies) genannte Berg wird mit der Höhe, worauf Herodium erbaut war, identifiziert. – Irrtümlich nimmt Schürer (L. V. 207 fg. [jetzt I3, 390, Note 66]) zwei Festungen Herodium an. [Mir scheint doch Schürer Recht zu haben, vgl. Buhl, a.a.O., S. 157.]


94 Joseph. Altert. das. XVI 5, 3; jüd. Krieg I, 21, 11.


95 Joseph. Altert. XVI, 5, 1.


96 Das. XV, 10, 1-2. XVI, 9, 2.


97 Das. XVII, 2, 1-2. Die Zeit ist bestimmt unter Saturninus' Statthalterschaft 5-6 ante.


98 Über Nikolaos von Damaskus, Müller, Fragmenta historicorum Graecorum III, 343 fg. Feder, Excerpta a Polybio ... atque Nicolao Damasceno, p. 61-180. Nikolaus war keineswegs Jude. [Vgl. Schürer I3, 50 ff.] – Über seinen Bruder Ptolemäus, Jos. Altert. XVI, 7, 2; XVII, 9, 4. – Über die Letztgenannten das. XVI, 8, 3.

99 Josephus Altert. XV, 9, 3, s. Note 19.


100 S Note 12.


101 Jos. Altert. XV, 10, 4.


102 Vergl. Note 24.


103 Jos. XV, 10, 4.


104 Das. XV, 10, 1-3.


105 Das. 10, 4.


106 Josephus Altert. XV, 11, 5-7. Taanit 33 b.


107 Die ausführliche Beschreibung des Herodianischen Tempels Mischna Middot; Josephus Altert. XV, 11, 3-5; jüd. Kr. V, 5, 1-6. Die Vergleichung beider Quellen ergibt manche Widersprüche und Dunkelheiten über Maßverhältnisse. Vergl. Monatsschr. 1876, S. 386 fg., 435 fg. [Weitere Literatur bei Schürer I3, 392, Note 73.]


108 Pesachim 13 b und Parallelstellen.


109 Eine Säule mit einer Inschrift, welche unzweifelhaft aus dem Herodianischen Tempel stammt, hat Clermont-Ganneau 1871 entdeckt. Er fand sie in Jerusalem in einem halbverfallenen Gebäude, etwa 50 Meter nördlich von der Omar-Moschee. Der Block aus verhärtetem Kalk ist, nach Angabe des Finders 90 Centimeter lang, 60 hoch und 39-40 dick. Die Inschrift lautet: Μƞϑένα ἀλλογενῆ εἰσπορεύεσϑαι ἔντος τοῠ περὶ τὸ ἱερὸν τρύφακτου καὶ περιβόλου, ὃς δ᾽ἄν λἠφϑῃ ἑαυτῷ αἴτιος ἔσται διὰ τὸ ἐξακολουϑεῖν ϑάνατον. Die Buchstaben in Initialen sind fast 1 Centim. groß. Vergl. darüber Revue archéologique, Jahrg. 1872, p. 214 ff., 290 ff. Clermont-Ganneau behauptet, daß in der Inschrift der Sinn liege, daß der Heide, welcher beim Überschreiten der Schranke betroffen würde, der Todesstrafe unterläge. Er zog daraus einen gehässigen Schluß bezüglich der Intoleranz der Judäer. Aber Derenburg hat ihn bereits gründlich widerlegt (Journal Asiatique, Jahrg. 1872, S. 178 ff.) und nahm mit Recht an, daß der Sinn nur sein kann, daß der Übertreter sich selbst den Tod auf übernatürliche Weise zuziehen würde. Er machte dafür geltend, daß in der judäischen Tradition kein Gesetz Todesstrafe über einen Verunreinigten oder Heiden verhängt, der in das Heiligtum eingedrungen wäre. Auch das andere Argument Derenburgs ist richtig, daß Herodes, auf dessen Befehl der Tempelbau ausgeführt wurde und der ein serviler Römling war, unmöglich die Zustimmung zu einer Inschrift gegeben haben würde, die einen Römer wegen Übertretung mit dem richterlichen Tode bedrohte. Der Ausdruck ὃς ἂν λἠφϑῃ kann auch bedeuten von der Gottheit erfaßt werden. Darin hat aber Clermont- Ganneau Recht, daß Philo und Josephus den Sinn der Inschrift so aufgefaßt haben, daß der Betroffene den Tod erleiden sollte. [Gegen diese einzig richtige Deutung, die Derenburg und Graetz der Inschrift gegeben haben, würde auch Schürer (II3, 273) nichts eingewendet haben, wenn er gründlicher in die halachische Literatur eingelesen wäre.]


110 Vergl. Note 4.


111 Josephus j. Kr. das. 5, 6. Middot 4, 6; vergl. Arago, Notice sur le tonnerre im Annuaire du bureau des longuitudes.


112 Josephus Altert. XV, 11, 6. Die Eroberung fand im Juni statt, o. S. 162, 196 [und die Bemerkungen dazu.]


113 Das. XVII, 6, 2.


114 Das. XV, 11, 7.


115 Jos. Altert. XVI, 2, 3 fg.


116 Das. XII, 3, 2.


117 Es ist beachtenswert, daß schon damals dasselbe Argument für die Ausschließung geltend gemacht wurde, wie heutigen Tages. Jos. Altert. XVI, 2, 5. πρόφασις δὲ (τῶν Ἑλλἠνων ἦν) »ὡ$ τὴν χώραν αὐτῶν νεμόμενοι (οἱ Ιουδαῖοι) πάντα νῠν ἀδικοῖεν` Οἱ δὲ ἐγγενεῖς τε αὐτοὺς ἐδείκνυσαν κ. τ. λ. Deutlicher das. XII, 3, 2: ἀξιούντων δὲ (τῶν Ἰώνων), εἰ συγγενεῖς εἰσιν αὐτοῖς Ιουδαῖοι σέβεοϑαι τοὺς αὐτῶν ϑεούς.


118 Jos. jüd. Krieg I, 20, 4.


119 Das.


120 Das. XVI, 6, 3.


121 Das. 6, 1-2. Das augusteische Edikt muß später als Agrippas Weisung zu Gunsten der Judäer erlassen worden sein, sonst hätte sich der letztere auf jenes berufen müssen. Der Satz in diesem Edikt: ἐὰν δέ τις φωραϑῇ.. τὰς ἱερὰς βίβλους αὐτῶν, ἢ τὰ ἱερὰ χρἠματα ... ἔκ τε ἀνδρῶνος ... ist wohl versetzt. Er muß lauten τὰς βίβλους ἐκ ἀνδρῶνος ἢ τὰ χρἠματα ἐκ τοῠ σαββατείου. Denn ἀνδρῶνος ist gewiß verschrieben statt ἀρῶνος, nämlich das hebr. ןורא, der Schrein, in welchem die heiligen Schriften aufbewahrt zu werden pflegten; vgl. Sabbat 32 a, daß das Volk die הבית genannt habe אנרא oder ןורא. – Das dabei vorkommende Wort σαββατεῖος gibt Epiphanius durch Synagoge wieder. Die kleinasiatischen Judäer nannten also ihr Bethaus, weil sie es nur am Sabbat zu besuchen pflegten, σαββατεῖος. Vergl. Haverkamps Note zu dieser Stelle. Die Emendation ἀρῶνος stammt von Reland.

122 Das. 6, 3.


123 Das. 6, 3 § 6 an Sardes adressiert, Philo legatio ad Cajum 40 Mangey II 592 an Ephesus gleichlautend.


124 Das. XIV, 7, 2.


125 Das. XIV, 6 5.


126 Corpus Inscriptionum Graecarum III, No. 5361. Nach Böckhs Berechnung soll die Inschrift aus dem Jahre 13 vor Chr. Zeit stammen. Allein dagegen spricht, daß nach Josephus Agrippa zuerst auf die Unbilden der auswärtigen Judäer im J. 14 aufmerksam gemacht wurde und noch später Augustus (o. S. 227). Agrippas Erlaß an die Cyrener, welcher sich bereits auf Augustus' günstiges Edikt an den Prätor Flavius beruft, ist doch wohl noch später anzusetzen. Wenn nun Tittius im J. 13 so wohlwollend gegen die Judäer gewesen sein soll, so hätten diese doch keinen Grund zur Klage gehabt. [Vgl. jedoch Schürer III3, S. 43, N. 16].


127 Jos. XVI, 2, 5.


128 Das. XVI, c. 7-8; c. 10, 1-7; c. 11, 1-7.


129 Josephus Altert. 10, 1-9; 11, 1-7.


130 Josephus Altert. XVII, 2, 2.

131 Josephus Altert. XVII, 4, 1-3. 5, 1-8.


132 Das. 4, 2.


133 Das. 6, 4. Tosefta Joma, c. I, 4. Jerusal. Joma p. 38 d und parall. Babli das. 12 b.


134 Mischna Joma I, 1. 4.


135 Josephus Altert. XVII, 6, 1.


136 Josephus Altert. 6, 2-4.


137 Josephus Altert. 6, 2-4.


138 In meinem 1871 erschienenen Kommentar zum Prediger (Kohélet) habe ich den Nachweis geführt, daß das rätselhafte Buch nur dadurch Verständnis erhält, wenn man davon ausgeht, daß es eine Satire auf Herodes, seine bluttriefende Regierung, welche im judäischen Staate das Unterste zu oberst gekehrt hat, und auf die verkehrten Anschauungen gewisser Klassen bildet. Seitdem ist dieses Buch vielfach erklärt worden, besonders in England und Frankreich: Thomas Tyler, some new evidence as to the date of the Ecclesiastes (1872); Dale, a commentary on Ecclesiastes (1873); E. II. Plumptre, Ecclesiastes, or the preacher (1881); E. Renan, l'Ecclesiaste traduit de l'Hebreux avec une étude sur l'âge et le caractère du livre (1882); Ch. Hen. Hamilton Wright, the book of Kohélet (1883). Alle diese Forschungen haben meinen Kommentar berücksichtigt, teilweise auch manches daraus adoptiert, dagegen die Abfassungszeit unter Herodes negiert, ohne auch nur durch irgend ein Argument meine Annahme zu erschüttern. Ich finde mich daher keineswegs in die Enge getrieben, davon abzugehen, im Gegenteile hat das unsichere Herumtasten der genannten Autoren und ihre Verlegenheit bei der Erklärung der Stellen, welche Indizien für die Abfassungszeit gewissermaßen aufdrängen, meine Überzeugung nur noch mehr befestigt. L. Seinecke hat meine Auffassung und Zeitbestimmung von Kohélet vollständig adoptiert. (Geschichte des Volkes Israel II, 35 f., Göttingen 1884.) [Die Unmöglichkeit dieser Ansetzung des Buches hat Kuenen, Hist. krit. Einl. in die Bücher des A. T., III, 1, S. 176 f., 188, 196 m.E. gründlich nachgewiesen.]


139 Kohélet 1, 12 fg.


140 Das. 4, 8.


141 Das. 10, 6. 7.


142 Das. 10, 16-17. Vergl. Graetz' Kommentar z. St.


143 Das. 4, 13.


144 Kohélet 3, 16, s. Kommentar.


145 Das. 4, 1-3.


146 Das. 5, 7.


147 Das. 10, 20. Der Mann der Flügel םיפנכה לעב kann eine Anspielung auf die Essäer sein, mit denen Herodes gut stand. Vergl. o. S. 92 und Note 12.


148 Josephus Altert. XV, 10, 4.


149 Josephus Altert. XVI, 5, 4.


150 Erubin, p. 13 a. Vergl. Graetz, Kohélet, S. 25 fg.


151 Kohelet 7, 1-6. Vergl. Kommentar.


152 Das. 7, 8-14.


153 Kohelet 3, 10.


154 Das. 3, 1-8.


155 Das. 1, 15; 7, 13.


156 Das. 1, 17.


157 Das. 3, 10; vergl. den Kommentar zu 11, 5; 8, 17.


158 Das. 1, 9-11.


159 Das. 1, 4-8.


160 Kohelet 9, 4-5.


161 Das. 11, 7 ff.


162 Das. 2, 24; 3, 12-13; 8, 15.


163 Das. 9, 7-9.


164 Das. 9, 10.


165 Kohelet 3, 19-22.


166 Das. 9, 2.


167 Das. 7, 16-20.


168 Josephus Altert. XVII, 7, 1.


169 Macrobius Saturninus II, 4.


170 Matthäus-Evangelium 2, 6.


171 Josephus Altert. XVII, 8, 1. Jüd. Krieg I, 33, 8.


172 S. Note 1.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1905, Band 3.1, S. 245.
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