12. Kapitel. (170-219.)

[192] Letztes Tannaitengeschlecht. Patriarchat R. Juda I. und seines Sohnes in Sepphoris. Neue Einrichtungen. Abschluß der Mischna. Stellung der Juden unter den Kaisern Marc Aurel, Commodus, Septimius Severus und Antoninus Caracalla. Severs Gesetze in betreff der Juden. Unvollkommene Gleichstellung der Juden im römischen Staate. Die letzten Ausläufer der Tannaiten.


Das letzte Tannaitengeschlecht kehrte zu demjenigen Punkte wieder zurück, von dem das erste ausgegangen war, und vollendete den ganzen Kreislauf. Wie das erste sich in einer einzigen Persönlichkeit, R. Jochanan ben Sakkaï, vollständig ausprägte, ebenso endete das letzte mit einem einzigen Träger, welcher der Mittelpunkt seiner Zeit war. Von jenem waren mehrere Jünger ausgegangen, welche eigene Schulen, Richtungen und Systeme hatten; der Traditionsstoff war in eine Vielheit auseinander gelegt. Der Patriarch R. Juda, Sohn Simons II., vereinigte sie wieder und brachte hiermit die tannaitische Tätigkeit zum Abschluß. Er war die Hauptautorität des letzten Geschlechtes, neben der die übrigen Gesetzeslehrer keine Bedeutung hatten, er schloß die alte Richtung und öffnete die Pforten einer neuen. Ungeachtet der hohen Bedeutung, die er in der jüdischen Geschichte einnimmt, ist R. Judas Leben doch nur spärlich bekannt. In einer drangsalvollen Zeit, während der Nachwehen des Bar-Kochbaschen Krieges geboren (um 136, st. um 210)1, entwickelten sich seine Geistesfähigkeit und bedeutenden Anlagen frühzeitig, er zeichnete sich durch reife Fragen und treffende Antworten so sehr aus, daß sein Vater und das Kollegium ihn noch in der Jugend in die ersten Reihen der Jünger versetzten.2 Als fühlte er seinen Beruf, das Verschiedenartigste zusammenzufassen und abzuschließen, beschränkte sich R. Juda nicht auf eine einzige Schule, sondern suchte den Umgang mit mehreren Gesetzeslehrern. Dies bewahrte ihn vor Einseitigkeit und jener Befangenheit, welche die Worte eines [192] Lehrers mit mehr Treue als Wahrheitsliebe allen andern vorzuziehen pflegt. Die erste Kenntnis der bereits angewachsenen Überlieferungen brachte ihm Jacobben Kurschaï3 bei, einer der ersten jener Klasse von Gedächtnismenschen, welche den Gesetzesstoff treu im Kopfe bewahrten, aber nicht Geist genug hatten, ihn in sich zu verarbeiten und daher später den Ehrennamen Tannaite von ehemals in eine gewisse Verachtung brachten. Jacob ben Kurschaï war bereits unter Simon ben Gamaliel II. ein gedächtnismäßiger Kenner sämtlicher Überlieferungen. Die Behandlung des gegebenen Stoffes konnte der junge Patriarchensohn von ihm nicht lernen. Seine Hauptlehrer waren jedoch R. Simon ben Jochaï und R. Eleasar ben Schamua, dessen Lehrhaus von Zuhörern so vollgedrängt war, daß sich je sechs auf einem Sitze bequemen mußten.

R. Juda, welcher ohne Zweifel nach dem Tode seines Vaters und dem Aufhören der Verfolgung in die Patriarchenwürde eingesetzt wurde (um 170), war mit außerordentlichen Glücksgütern gesegnet, von denen man sprichwörtlich sagte: »R. Judas Viehställe haben mehr Wert, als des persischen Königs Schatzkammern.« Von diesem Reichtum machte er, da er sehr einfach lebte, für sich einen nur geringen Gebrauch, er verwendete ihn zumeist für die Verpflegung der Jünger, die während seines Patriarchats vom In- und Auslande zahlreich sich um ihn sammelten, und ganz auf seine Kosten unterhalten wurden.4 Zur Zeit der schrecklichen Hungersnot, die im Verein mit der Pest unter Marc Aurel mehrere Jahre im ganzen römischen Reiche wütete, öffnete der jüdische Fürst seine Vorratskammern und verteilte Korn unter die Dürftigen. Anfangs bestimmte er, daß nur diejenigen unterstützt werden sollten, welche sich irgendwie mit dem Gesetzesstudium beschäftigen, und schloß die ganz Rohen und Ungebildeten von seiner Wohltätigkeit aus. Als aber sein allzu gewissenhafter Jünger Jonathan ben Amram, der von der Gesetzeskenntnis keinen materiellen Nutzen ziehen mochte, die Worte sprach: »Speise mich nicht als Gesetzeskundigen, sondern wie man einen hungrigen Raben ohne das geringste Verdienst sättigt,« sah R. Juda seinen Irrtum ein, der Mildtätigkeit Schranken setzen zu wollen, und verteilte seine Spenden ohne Unterschied.5 Auch bei einer andern Gelegenheit gab R. Juda einer bessern Überzeugung[193] nach, sein von einer herben Beimischung nicht ganz freies Wesen überwindend. Die Töchter des Gesetzesverächters Acher, die in Not geraten waren, wandten sich an ihn um Unterstützung. Anfangs wies er sie lieblos ab und bemerkte: »Die Waisen eines solchen Mannes verdienen kein Erbarmen.« Als sie ihn aber an ihres Vaters tiefe Gesetzeskenntnis erinnerten, welche ihn bestimmen müsse, von dessen Taten abzusehen, wurde er andern Sinnes.6 – Durch Reichtum und tiefe Kenntnis des Halachastoffes ausgezeichnet, gelang es ihm ohne Mühe, was seine Vorfahren vergebens anstrebten, das Patriarchat zur Alleinherrschaft ohne eine nebenbuhlerische Autorität zu erheben und die Machtbefugnis des Synhedrions auf die Person des Patriarchen zu übertragen. Der Sitz des Hauptlehrhauses und des Synhedrialkollegiums war, nachdem Uscha seine Bedeutung verloren hatte – eine kurze Zeit vorher scheint es das benachbarte Schefaram gewesen zu sein – zu R. Judas Zeiten zuerst Bet-Schearim (auch Bet-Schari, jetzt Turan), nordöstlich von Sepphoris,7 später Sepphoris selbst, das er wegen seiner hohen Lage und gesunden Luft zu seinem Aufenthalte gewählt hatte, um sich von einem Übel zu erholen, an dem er mehrere Jahre gelitten hatte.8 In Sepphoris scheint ein vollzähliger, hoher Rat von 70 Mitgliedern bestanden zu haben, welcher religiöse Fragen nach der eingeführten Geschäftsordnung zu entscheiden pflegte;9 R. Judas Ansehen war aber so groß, daß das Kollegium selbst ihm die Machtvollkommenheit übertrug, die früher dem Plenum oder einzelnen Mitgliedern desselben zustand. Mit Recht sagte man von R. Juda, daß seit Mose Gesetzeskenntnis und Autorität nicht in einer einzigen Person so vereinigt waren, wie in ihm.10 Eine sehr wichtige Funktion, welche diesem Patriarchen übertragen wurde, oder die er sich übertragen ließ, war die Ernennung der Jünger zu Richtern und Gesetzeslehrern. Er durfte sie ohne Beratung mit dem Kollegium ausüben, hingegen war die vom hohen Rate ausgegangene Ernennung ohne Bestätigung des Patriarchen ungültig.11 Die geistlichen Leiter der Gemeinden, die Besetzung von Richterämtern, die Ergänzung des Synhedrialkollegiums, kurz, Judäa und die diasporischen Gemeinden, gerieten dadurch in Abhängigkeit vom Patriarchen. Das, wonach sein Vater und Großvater vergebens gerungen hatten, fiel ihm sozusagen[194] in den Schoß. Es gab zu seiner Zeit keinen Stellvertreter (Ab-Bet-Din), keinen öffentlichen Sprecher (Chacham) mehr. R. Juda der Fürst (ha-Nassi), war allein alles in allem. Das Synhedrion hatte sich selbst seiner Autorität begeben und führte von der Zeit an nur noch ein Scheinleben fort; der Patriarch entschied fortan alles.12 Infolge des hohen Ansehens nannte man ihn schlechtweg Rabbi, als wenn neben ihm kein Gesetzeslehrer Bedeutung hätte und er der Inbegriff der Lehre wäre. Bald erhöhte R. Juda noch seine Machtbefugnis durch die Bestimmung, daß auch der Fähigste nicht berechtigt sei, irgendwelche religiöse Entscheidungen zu treffen, wenn er nicht von ihm ausdrücklich dazu autorisiert worden sei.13

Welche Wichtigkeit dieser Akt hatte, zeigte sich an dem Umstande, daß die Gemeinden in- und außerhalb Judäas sich direkt mit dem Patriarchen in Verbindung setzen mußten, um sich von ihm Beamte, Richter und Lehrer empfehlen zu lassen. Die Gemeinde zu Simonias, südlich von Sepphoris, erbat sich von dem Patriarchen einen Mann, der für sie öffentliche Vorträge halten, Rechtssachen entscheiden, die Aufsicht über die Synagoge führen, beglaubigte Schriftstücke anfertigen, die Jugend unterrichten und überhaupt alle Gemeindebedürfnisse versorgen sollte. Er empfahl ihr seinen besten Schüler Levi bar Ssißi.14 Man erfährt aus diesem Beispiel, welche Anforderungen damals an einen Volkslehrer gestellt wurden. Ein anderer Jünger R. Judas, mit Namen Rabba bar Chana aus Kafri in Babylonien, welcher für seine Heimat eine öffentliche Funktion nachsuchen wollte, mußte sich die Befugnis, Religionsfragen zu entscheiden und Recht zu sprechen, vom Patriarchen erteilen lassen.15 Ebenso erlangte ein dritter seiner Jünger, Abba Areka, ebenfalls ein Babylonier, welcher später eine Hauptautorität in den babylonischen Gemeinden wurde, diesen Einfluß lediglich durch die Ernennung R. Judas.16 Nur eine einzige Würde, die des Exilsfürsten in Babylonien, war dem Patriarchat ebenbürtig, auf welche R. Juda um so eifersüchtiger war, als sie von den parthischen Machthabern übertragen und unterstützt wurde, während die seine von den römischen Herrschern höchstens geduldet war.

Mit dieser Alleinherrschaft bekleidet, führte R. Juda eine ungewöhnliche Strenge gegen seine Jünger ein und zeigte gegen diese [195] eine so reizbare Empfindlichkeit, daß er ihnen nicht einmal im Scherze ein Nahetreten seiner Würde verzieh. Das Betragen, welches er auf dem Totenbette seinem Sohne einschärfte, die Schüler mit strengem Ernste zu behandeln,17 beobachtete er selbst während seiner Wirksamkeit. Unter den vielen Babyloniern, die in das Lehrhaus von Sepphoris geströmt waren, befand sich auch ein ausgezeichneter Jünger R. Chija (abgekürzt von Achija), welchen die Zeitgenossen wegen seiner Geistesgaben, seines heiligen Wandels und seiner unermüdlichen Tätigkeit zur Verbreitung der Lehre unter dem Volk nicht genug rühmen können. R. Juda selbst schätzte ihn sehr hoch und sagte von ihm: »Von weiter Ferne kam mir der Mann des Rates«.18 Dennoch verzieh der Patriarch diesem R. Chija nicht einmal einen geringen Scherz. R. Juda hatte sich einst gegen ihn geäußert: »Wenn der Exilsfürst Huna nach Judäa käme, so würde ich zwar die Selbstverleugnung nicht so weit treiben, ihm meine Würde abzutreten, aber hoch verehren würde ich ihn, weil er ein Abkömmling Davids in männlicher Linie ist, während meine Familie nur in weiblicher Linie von königlichem Blute stammt.« Als derselbe Fürst Huna sich nach seinem Tode nach Judäa bringen ließ, erlaubte sich R. Chija gegen den Patriarchen den Scherz, zu bemerken: »Huna kommt an.« Bei diesen Worten entfärbte sich R. Juda, und als sich herausstellte, daß nur von der Leiche des Exilsfürsten die Rede war, ahndete er an R. Chija den Scherz damit, daß er ihn auf dreißig Tage aus seiner Gegenwart verwies.19 Ein andermal strafte er R. Chija auf dieselbe Weise, weil er, im Widerspruch mit des Patriarchen Bestimmung, auf freier Straße Lehrvorträge gehalten hatte.20 Ebenso empfindlich zeigte er sich gegen seinen Jünger Simon Bar-Kappara. Dieser verband mit tiefem Eindringen in das Halachastudium dichterische Begabung und feine Satire; er ist, soviel bekannt ist, der einzige hebräische Dichter aus jener Zeit. Die wenigen Überbleibsel der Bar-Kapparischen Muse zeigen eine gewandte Handhabung der verjüngten hebräischen Sprache und sind von ursprünglicher Reinheit und Kraft; er hat Fabeln gedichtet, von denen jedoch keine Spur erhalten ist. Bei einer fröhlichen Zusammenkunft hatte sich einst der witzige Bar-Kappara einen Spaß gegen den reichen, aber unwissenden und eiteln Schwiegersohn des Patriarchen Bar-Eleasa erlaubt. Alle Anwesenden hatten Fragen an R. Juda gerichtet, mit Ausnahme des beschränkten Bar-Eleasa. Bar-Kappara ermunterte ihn ebenfalls zu einer solchen und flüsterte sie ihm in [196] Form eines Rätsels zu. Dieses Rätsel, das bis heute noch nicht die Lösung gefunden hat, enthielt allem Anschein nach Anspielungen auf Personen, welche R. Juda nahe standen; es lautete ungefähr:


Hoch schaut ihr Aug' vom Himmel,

Man hört ihr stetes Getümmel,

Sie fliehn beschwingte Wesen.

Sie scheucht die Jugend zurück.

Auch Greise bannt ihr Blick;

Es ruft o, o! wer flieht,

Und wer in ihr Netz geriet,

Kann nie von der Sünde genesen.21


Bar-Eleasa trug in seiner Einfalt das Rätsel vor; R. Juda mochte aber an dem satirischen Lächeln Bar-Kapparas gemerkt haben, daß es auf eine Verspottung abgesehen war, und sprach darum zornig zu Bar-Kappara: »Ich erkenne dich nicht als ernannt an«.22 Bar-Kappara verstand später diese Worte, da es ihm nicht gelingen wollte, zum selbständigen Gesetzeslehrer ernannt zu werden. Auch Samuel, einer der berühmtesten babylonischen Jünger, durch dessen ärztliche Behandlung R. Judas langwierige Krankheit geheilt wurde, konnte nicht die ihm gebührende Ernennung zum Gesetzeslehrer erlangen. Es scheint, daß seine halachischen Kenntnisse nicht ganz genügten, weil er sich, wie später erzählt werden wird, mit fremden Wissenschaften, Arzneikunde, Astronomie und Kalenderberechnung beschäftigte. R. Juda wollte sich einst gegen Samuel, dem er seine wiederhergestellte Gesundheit zu danken hatte, wegen dieser Zurücksetzung entschuldigen, scherzhaft antwortete ihm Samuel, daß es so im Buche Adams verhängt sei, daß »Samuel ein Weiser, aber nicht Rabbi genannt, und daß seine Krankheit durch mich gehoben werden soll«.23Chanina, ein Jünger, der später ebenfalls zu den Autoritäten gezählt wurde, hatte einst gegen R. Juda bemerkt, daß ein Wort in den Propheten anders gelesen werden müsse, als er es ausgesprochen. Empfindlich darüber, fragte ihn R. Juda, wo er das gehört habe, worauf Chanina antwortete, bei R. Hamnuna in Babylonien. »Gut«, erwiderte R. Juda, »wenn du wieder zu ihm kommst, sage ihm, daß du von [197] mir als Weiser anerkannt bist«,24 was die Andeutung enthielt, daß er nie von ihm die Berechtigung zu lehren erhalten werde. Die Reizbarkeit war des Patriarchen schwache Seite, wiewohl er sonst ein edler Charakter war, ein Erbteil menschlicher Unvollkommenheit, die auch den größten Persönlichkeiten anhaftet und an ihnen um so auffallender erscheint, je heller ihre Lichtseiten hervortreten. Möglich auch, daß die Empfindlichkeit ein Folge seiner Kränklichkeit war. Sie verfehlte aber nicht eine gewisse Mißstimmung und Unzufriedenheit zu erregen, welche jedoch wegen der hohen Verehrung, die man dem Patriarchen zollte, nicht laut wurde. Bei einem Gastmahle, als der Weinrausch die Zungen gelöst und die Rücksicht vergessen gemacht hatte, liehen die Zwillingssöhne R. Chijas der Unzufriedenheit das Wort. Diese hochbegabten Jünglinge mit Namen Juda und Chiskija, die der Patriarch selbst zu Lebhaftigkeit und Redseligkeit aufgemuntert hatte, äußerten einst: »Der Messias kann nicht eher erscheinen, als bis die beiden fürstlichen Häuser Israels untergegangen sein werden, das Patriarchenhaus in Judäa und das Haus des Exilsfürsten in Babylonien.« Der Wein hatte die geheimen Gedan ken verraten.25

Vermöge seiner Unabhängigkeit und seiner Autorität hob R. Juda aus Rücksicht auf die Zeitverhältnisse manche Gebräuche und Gewohnheiten auf, welche durch das Alter geheiligt schienen, und setzte sein Vorhaben mit Beharrlichkeit und Rücksichtslosigkeit durch. Unter anderm scheint er den Brauch der Bergfeuer, die zur Bekanntmachung des Neumondes von Station zu Station angezündet wurden, abgeschafft zu haben.

R. Juda führte anstatt dessen die Einrichtung ein, den Neumond durch Sendboten bekannt zu machen.26 Wiederholte Chikanen, welche die Samaritaner, bald sich dem Judentume nähernd, bald sich wieder von ihm entfernend, den Juden zugefügt hatten, waren die nächsten Veranlassungen dazu. Zwischen Juden und Samaritanern waren in dieser Zeit manche Reibungen vorgekommen. R. Eleasar, Sohn R. Simon ben Jochaïs, ein Zeitgenosse R. Judas, welcher Bekanntschaft mit der samaritanischen Thora gemacht hatte, warf ihnen manche Fälschung vor, welche sie in dem heiligen Texte vorgenommen [198] hatten. Das friedliche Verhältnis, in welchem Juden und Chutäer seit dem hadrianischen Kriege miteinander lebten, machte allmählich einer gegenseitigen erbitterten Gehässigkeit Platz. Als einst R. Ismael ben José durch Napolis (Sichem) reiste, um in Jerusalem zu beten, spöttelten die Samaritaner über die Zähigkeit der Juden und meinten, daß es doch viel richtiger wäre, auf diesem gesegneten Berg (Garizim) zu beten, als auf den Trümmerhaufen Jerusalems. Er erwiderte ihnen, daß der Berg in ihren Augen nur deswegen Heiligkeit habe, weil in ihm die Götzenbilder vergraben lägen, welche der Erzvater Jakob daselbst vergraben habe. Wegen dieser Antastung ihrer Rechtgläubigkeit gingen die Samaritaner mit dem Plane um, ihn heimlich zu ermorden, aber er rettete sich durch die Flucht.27 In dieser Mißhelligkeit mögen diese eine Neckerei ausgeführt haben, indem sie zur Unzeit die Bergfeuer anzündeten, um die jüdischen Gemeinden über die Neumondszeit zu täuschen. – Überhaupt scheint unter R. Juda die Einsetzung der Feste durch Beobachtung des Neumondes an Wichtigkeit verloren zu haben. Die astronomische Berechnung wurde in seiner Zeit die Hauptsache, das Zeugenverhör über die Wahrnehmung, früher eine Hauptfunktion des Patriarchen, blieb nur untergeordnet; deswegen ließ R. Juda auch solche Zeugen zu, welche man früher für ungültig gehalten, wie Ohrenzeugen und Verbrecher.28 Er fungierte nicht mehr selbst bei der Verkündigung des Neumondes, sondern schickte Stellvertreter dazu ab, einmal auch R. Chija; der Ort der Verkündigung war damals Ain-Tab,29 wahrscheinlich in Südjudäa; man ließ noch diesem Landesteil, dem ehemaligen Sitz vieler Heiligtümer und Erinnerungen, diesen geringen Vorzug. Dagegen scheint es, daß man die Einsetzung eines Schaltmonates, die früher ebenfalls ein Vorrecht Judäas und zwar Lyddas gewesen, zur Zeit R. Judas nach Galiläa verlegt habe.30

Auch in einem andern Punkte wich R. Juda von dem Herkommen und dem halachischen Gesetze ab; er erleichterte die Gesetze des Erlaßjahres und der Zehnten. Trotz des Unterganges des jüdischen Staates und der gehäuften Unglücksfälle blieben diese Gesetze, wie bereits erzählt, in voller Kraft, wurden aber für das Volk, das durch die Kriegsunruhen, Steuern und Gelderpressungen verarmt war, [199] doppelt drückend. Darauf nahm der Patriarch Rücksicht, um dieselben, wenn auch nicht ganz aufzuheben, doch zu mildern.31 Ferner erklärte R. Juda, daß das Gebiet einiger Grenzstädte, das bisher als Teile Judäas gegolten hatte, fernerhin nicht mehr die Heiligkeit des jüdischen Bodens genießen sollte. Es war dies insofern eine Erleichterung, als das Volk dadurch vom Zehnten und ohne Zweifel auch von den Erlaßgesetzen befreit wurde. Es betraf jene Verordnung die Städte Betsan (Scythopolis), Kephar-Zemach (Samega) am Jordan, Cäsarea am Meere und Bet Guberin (Bet Gabara, Eleutheropolis) im Süden,32 die meistens von Griechen und Römern bewohnt waren und auch früher nicht immer unter jüdischer Botmäßigkeit gestanden hatten. Seine eigenen Verwandten verargten dem Patriarchen diese Erleichterung, worauf er entgegnete: »Diese Tat haben unsere Vorfahren mir überlassen«.33 Er war sogar im Begriffe, die Gesetze des Erlaßjahres überhaupt aufzuheben, doch wollte er einen so auffallenden Schritt nicht ohne Beratung mit den Personen tun, welche Bedenken dagegen haben könnten. R. Pinchas ben Jaïr galt damals als der Inbegriff skrupulöser Frömmigkeit. Er war ein Schwiegersohn R. Simons ben Jochaï, hatte eine düstere Gemütsart, die von keiner menschlichen Veranstaltung irgend ein Heil erwartete, und pflegte zu klagen: »Seit der Tempelzerstörung sind die Genossen und die Freien beschämt, die Gesetzesübenden auf Irrwegen, Gewalt und Angeberei siegen und niemand nimmt sich der Verlassenheit an, wir können nur vou Gott etwas hoffen«.34 Besonders hielt R. Pinchas streng auf die gesetzlichen Vorschriften des Zehnten und nahm deswegen nie eine Einladung bei irgend einem an. Die Sage schmückt seine Strenge in bezug auf die Zehntengesetze aus und erzählt, sein Esel selbst sei so gewöhnt gewesen, nur verzehntetes Futter zu genießen, daß er einst beinahe verhungert wäre, als man ihm unverzehntetes vorgeworfen hatte, von dem er nichts berühren mochte.35 Diesen R. Pinchas zog R. Juda zu Rate, um das Erlaßjahr aufzuheben; vermutlich machte ein Notjahr diese Maßregel notwendig. Der Patriarch fragte ihn: »Wie wird es mit dem Getreide stehen?« Verweisend antwortete R. Pinchas: »Die Endivienkräuter sind ja gut geraten«, d.h. man müsse sich mit Kräutern begnügen, um nicht das Gesetz aufzuheben. [200] R Juda gab wegen dieses ablehnenden Verhaltens des R. Pinchas sein Vorhaben ganz auf. Als der Eiferer gar in des Patriarchen Hofe Maultiere bemerkte, die zu halten nicht ganz gesetzlich war, nahm er nicht einmal eine Einladung bei ihm an, sondern verließ R. Juda auf der Stelle, um nie mehr mit ihm zusammenzukommen.36

Die Hauptbedeutung R. Judas, wodurch er sich einen bleibenden Namen erworben und eine abschließende Epoche gebildet hat, war indessen die Vollendung der Mischna (189)37. Seitdem die älteste Sammlung unter dem Namen Edujot38 angelegt worden war, wuchs der Gesetzesstoff in zwei Generationen massenhaft an; neue Fälle, teils aus alten gefolgert, teils aus der Schrift hergeleitet, hatten seinen Umfang vielfach erweitert. Die verschiedenen Schulen und Richtungen hatten manche Gesetzesbestimmung in Zweifel gelassen, welche einer Entscheidung harrte. R. Juda legte daher seiner Sammlung die bereits halb und halb geordnete Mischna R. Akibas zugrunde, in der Weise, wie sie R. Meïr vorgetragen und verbessert hatte, und behielt auch dieselbe Ordnung bei.39 Er prüfte jede Meinung für und wider und setzte endlich die halachischen Bestimmungen nach gewissen Grundsätzen fest. Wenn auch R. Akibas Ordnung das Grundelement war, so erklärte sich R. Juda nicht immer für dieselbe, sondern entschied nach dem Prinzip der Mehrheit. Solche nach der Majorität entgültig festgesetzte Entscheidungen stellte er ohne den Namen ihrer Überlieferer hin. Beruhte ein Gesetz dagegen nur auf der Autorität eines einzelnen Lehrers, so führte er diesen namhaft an, mit der Andeutung, daß seine Autorität gegenüber der allgemein gültigen Halacha kein Gewicht habe. Außerdem mochte er auch hier und da von der Akibaschen Ordnung abgewichen sein, indem er das äußerliche Hilfsmittel der Zahlen mit dem sachgemäßen der zusammengehörigen Gegenstände vertauschte. R. Juda bestrebte sich, eine gewisse systematische Gruppierung der [201] verschiedenen überlieferten Gesetze über Gebote, Segenssprüche, Abgaben von Feldfrüchten, Sabbat, Feiertage, Fasten, Ehebestimmungen, Gelübde und Nasirat, bürgerliche und peinliche Gerichtsbarkeit, Opferwesen und levitische Reinheit einzuhalten. Aber es gelang ihm nicht durchgängig, teils weil der Stoff dem Zusammenhange widerstrebte, teils weil er sich an die vorgefundene Ordnung und Einteilung halten wollte.40 Der Ausdruck der Mischnasammlung R. Judas ist kurz, abgemessen und sinnreich, geeignet, sich dem Gedächtnis gut einzuprägen. Er legte sie aber keineswegs dazu an, um sie zur alleinigen Norm zu machen, sondern stellte sie, wie seine Vorgänger und Zeitgenossen ihre Mischnasammlungen, für sich zusammen, um einen Leitfaden für die Vorträge zu haben. Aber durch das Ansehen R. Judas bei seinen Zeitgenossen und Schülern erlangte sie ausschließliche Autorität und verdrängte alle früheren Mischnas, Midot und Nomika, welche eben dadurch nur dem Namen nach bekannt geworden sind. Die Sammlung behielt den uralten Namen Mischna bei, aber sie führte ursprünglich das Beiwort »di Rabbi Juda«; nach und nach verlor sich dieser Beisatz und sie fing an, als allein berechtigte, anerkannte und autorisierte zu gelten. Seine Schüler verbreiteten sie in entfernte Länder und gebrauchten sie bereits als Text für ihre Vorträge und als religiösen und richterlichen Kodex. Diese Mischna wurde aber ebensowenig, wie die ältern Sammlungen, schriftlich aufbewahrt, sie blieb vielmehr viele Jahrhunderte hindurch der mündlichen Mitteilung überlassen, wie es denn überhaupt als ein religiöses Vergehen und eine Entwürdigung angesehen wurde, das Traditionelle niederzuschreiben.41 Nur Agadas wurden hin und wieder schriftlich gesammelt, was manche Gesetzeslehrer nicht minder scharf gerügt haben. Seltene oder auffallende Halachas trugen wohl einige, wie R. Chija, in eine Rolle ein, aber so heimlich, daß sie davon den Namen »Geheimrol le« (megillat Setarim)42 erhalten haben.

Im Alter ging R. Juda seine Mischnasammlung noch einmal durch und änderte manches nach andern Ansichten, zu denen er gelangt war. Die spätere Ordnung nahmen seine babylonischen Schüler zur Norm, während sein Sohn, R. Simon, sich an die ursprüngliche Fassung hielt. Dieser hat überhaupt nach dem Tode seines Vaters manche Zusätze zur Mischna geliefert. – Die Sprache der Mischna ist Hebräisch in verjüngter Gestalt, vermischt mit vielen [202] volksgebräuchlichen aramäischen, griechischen und lateinischen Benennungen. R. Juda pflegte das Hebräische mit Vorliebe und verachtete die syrische Sprache, die in Galiläa heimisch war, wegen ihres nachlässigen Charakters in der Aussprache und wegen ihrer jargonartigen Gemischtheit aus verschiedenen Elementen. Er behauptete, in Judäa sei die syrische Sprache überflüssig, man spreche entweder hebräisch oder griechisch.43 Das Hebräische war in Judäa und namentlich in den Städten keineswegs in dem Munde des Volkes ganz ausgestorben. Selbst R. Judas Haussklavin und Haustyrannin war mit der hebräischen Sprache so sehr vertraut, daß manche ausländische Schüler von ihr Auskunft über einige ihnen unbekannte Wörter erhielten.44 Man handhabte das Hebräische so leicht und geläufig, daß manche Rechtsbestimmungen und feinere Unterscheidungen, welche als ein Produkt des allgemeinen Zeitbewußtseins, auch in die jüdischen Kreise übergegangen waren, ihre entsprechenden hebräischen Benennungen gefunden haben. Irrtümlich ist aber die Folgerung aus dem Vorhandensein solcher übereinstimmender Ausdrücke, daß das jüdische Recht sich nach dem Muster des römischen gebildet habe. Es entwickelte sich vielmehr, wie der ganze Stoff des mündlichen Gesetzes, auf eigenem Boden.45

So hatte endlich die Tradition ihren Abschluß und ihre Sanktion erhalten. Vier Jahrhunderte hindurch seit der Makkabäerzeit, da zuerst die überlieferte Lehre als ein wirksames Element in die Geschichte eingriff, blieb sie gewissermaßen in der Schwebe; von den Pharisäern behauptet, von den Sadduzäern geleugnet, von der Schammaitischen Schule in enge Grenzen eingeschränkt, von der Hillelschen erweitert, von den Nachfolgern derselben vielfach bereichert, erlangte die Überlieferung durch Rabbi eine feste Gestalt und übte durch Inhalt und Form eine geistige Macht in einer langen Reihe von Jahrhunderten aus. Die Mischna wurde neben der heiligen Schrift die Hauptquelle geistiger Anregung und Forschung, sie verdrängte zu Zeiten sogar die Schrift und behauptete sich als alleinige Gebieterin. Sie wurde das geistige Band, das die zerstreuten Glieder der jüdischen Nationalität zusammenhielt, und machte das sichtbare Band entbehrlich. Die Mischna, das Kind des Patriarchats, durch welches sie in die Welt gesetzt wurde und Autorität erlangte, tötete sozusagen ihren Erzeuger; jenes verlor nach und nach an Ansehen und Einfluß.

Das Erscheinen der Mischna schloß die Reihe der Tannaiten und machte der selbständigen, schöpferischen Tätigkeit ein Ende. [203] »R. Nathan und R. Juda sind die letzten Tannaiten,« sagt eine Chronik (das apokryphische Buch Adams). Die Mischna machte von jetzt an eine andere Art Forschung notwendig, welche mit der der tannaitischen Lehrweise nur eine sehr geringe Ähnlichkeit hatte.

Die älteren Bearbeiter der jüdischen Geschichte haben die Entstehung der Mischnasammlung auf die Freundschaft R. Judas mit einem Kaiser, als auf die nächste Veranlassung, zurückgeführt, als wenn sie ohne kaiserliche Huld nicht hätte zustande gebracht werden können.46 Indessen bedurfte es zum Sammeln und Abschließen der Gesetze keiner so außerordentlichen Begünstigungen, da R. Juda dafür vielfache Vorarbeiten von R. Akibas Jüngern vorgefunden hatte, welche er nur zu benutzen brauchte. Ohnehin gerät man von einer Verlegenheit in die andere, um unter den acht Antoninen denjenigen, welcher den Juden günstig gewesen wäre, herauszufinden, weil keiner von ihnen, von dem edlen Antoninus Pius bis zu dem entsittlichten Antoninus Heliogabal, sich dazu eignet. An den ersten ist gar nicht hierbei zu denken, weil dessen Regierungszeit vor R. Judas Patriarchat fällt. Aber selbst der zweite Antonin, der philosophische Kaiser Marc Aurel, an den man zunächst und zumeist gedacht hat, war kein sonderlicher Freund der Juden. Seine tiefe Anhänglichkeit an das altrömische Wesen und den Götterkultus, den wieder herzustellen seine Lebensaufgabe war,47 seine Vorliebe für die stolze Philosophie der Stoa, endlich seine Entfernung von Judäa, das er nur auf kurze Zeit und vorübergehend berührte, bieten keine Berührungspunkte mit dem Judentum und dessen Vertreter. Es finden sich im Gegenteil deutliche Spuren, daß Marc Aurel eine förmliche Abneigung gegen die Juden hegte. Als er nach dem Tode des Gegenkaisers Avidius Cassius nach Judäa kam (Sommer 175), fand er die Juden lärmend und unsauber; sie hatten ihm nicht in Festkleidern und ehrfurchtsvoller Haltung gehuldigt, und er äußerte sich darüber verdrießlich: »Endlich habe ich ein Volk kennen gelernt, welches noch schlimmer ist, als Markomannen, Quaden und Sarmaten!«48 Seine und seines Nachfolgers Regierungszeit war auch keineswegs eine glückliche für die Juden, die sich im Gegenteil über harten Druck zu beklagen hatten. R. Chija bemerkte darüber: »Gott wußte, daß Israel die harten Gesetze der Römer nicht würde ertragen können,[204] darum versetzte er es nach Babylonien«.49 Zur Zeit R. Judas wurde den Gemeinden in Judäa die Zwangssteuer unter dem Namen Kronengelder (aurum coronarium. Kelila) aufgelegt, welche so drückend war, daß die Einwohner von Tiberias die Flucht ergriffen,50 um sich ihr zu entziehen. In der Tat findet sich nicht ein einziges Gesetz von dem Kaiser Marc Aurel, welches er zugunsten der Juden erlassen hätte. Die Freundschaft R. Judas mit diesem Kaiser hat demnach keinen geschichtlichen Anhaltspunkt. Mit den übrigen unechten Antoninen hat R. Juda um so weniger persönlich verkehren können, als er deren Lasterregierung schwerlich erlebt hat.

An dem kurzen Aufstand des Avidius Cassius (175), des Feldherrn im Partherkriege unter Verus und Statthalters von Syrien, also auch von Palästina, haben sich schwerlich Juden beteiligt. Er dauerte auch nur kurze Zeit und wurde durch die Soldaten selbst, welche den Empörer umbrachten, bald beendigt. Unter Commodus, dem Sohne des philosophischen Kaisers (180-192), dem wollüstigen und blutdürstigen Dummkopf, mit welchem die Reihe der guten und leidlichen Kaiser schloß und die der Tyrannen, die einander die Kehle abschnitten, begann, war Judäa ohne Zweifel allerhand Plackereien und Bedrückungen ausgesetzt. Statthalter von Syrien, wozu jenes Land als kleines Anhängsel gehörte, war der rohe, wilde und ausschweifende Pescennius Niger. Als einst die Palästinenser ihn, der allmächtig in seiner Provinz regierte, um Erleichterung des unerträglich gewordenen Steuerdrucks baten, antwortete er ihnen: »Ihr verlangt, daß ich eueren Ländereien die Steuern erleichtere, ich möchte aber selbst die Luft, die ihr einatmet, besteuern«.51 Nicht besser ging es wohl nach Commodus' Tod (192), als wilde Empörungskriege und die entfesselte Wut einander bekämpfender Gegenkaiser ausbrachen. In kaum drei Monaten zwei Kaiser ermordet (Commodus, Pertinax, Januar bis März 193), der Purpur und das große römische Reich, von der prätorianischen Leibwache feilgeboten, versteigert. Der glückliche Erwerber Didius Julianus mußte aber doch den kurzen Rausch, Kaiser genannt zu werden, mit dem Leben bezahlen. Damit war die Ruhe noch lange nicht hergestellt. An den äußersten Grenzen des römischen Reiches zugleich drei Kaiser, Pescennius Niger in Syrien, Septimius Severus in Pannonien und Albinus in Britannien. Die [205] Selbstzerfleischung Roms begann von neuem. Es hat es aber auch nicht besser verdient. Nicht die Prätorianer waren die gesunkensten, welche den Kaiserpurpur dem Meistbietenden anboten, sondern der Senat, welcher jedem, von einem Verschwörer oder einer Legion ausgerufenen Kaiser Anerkennung und Vergötterung entgegentrug. Das sündhafte Rom büßte aber seine große Missetat und seine fast noch größere Feigheit nicht allein, sondern sämtliche Völkerschaften, welche mit ehernen Banden an diesen faulenden Körper gefesselt waren, büßten mit ihm.

Wie sich die Juden in dem Kampfe, der zwischen den zwei Legionenführern Pescennius Niger und Septimius Severus um den Purpur ausbrach (193-194), verhalten haben, ist schwer zu ermitteln. Die Palästinenser, d.h. die Fremdlinge, Römer, Griechlinge und Syrer, welche das Land bewohnten, hatten allerdings für Niger Partei ergriffen, auch die Samaritaner, wenigstens die Bewohner von Napolis (Sichem).52 Wenn die Nachricht geschichtlich wäre, daß Juden und Samaritaner in dieser Zeit miteinander eine blutige Fehde führten und einander Schlachten lieferten, wodurch viele auf beiden Seiten gefallen sein sollen,53 so würde daraus folgen, daß die ersteren nicht zur selben Fahne gestanden haben. Severus blieb Sieger. Die Anhänger seines Gegners mußten schwer büßen. Bei seinem kurzen Aufenthalte in Palästina (200), wohin er kam, nachdem er das parthische Land, Adiabene und Mesopotamien verwüstet, aber nicht unterworfen hatte, erließ er mehrere gewiß nicht gerade günstige Gesetze für Palästina.54 Den Bürgern von Napolis entzog er wegen ihrer Anhänglichkeit an Niger das Bürgerrecht,55 und nach Sebaste (Samaria), der Hauptstadt der Samaritaner, versetzte er eine römische Kolonie.56 Den übrigen Palästinensern dagegen erließ er die, wie er meinte, wohlverdiente Strafe.57 Eine gewisse kriegerische Aufregung muß aber damals in Judäa geherrscht haben. Ein gewisser Claudius, man weiß nicht, welchen Stammes und welcher Religion er war, den die Römer einen Räuber (latro, λςστἠς) nannten, der aber wohl der Führer einer für die Unabhängigkeit von Rom kämpfenden Freischar gewesen sein mag, durchstreifte kriegerisch Judäa und Syrien, hatte die Kühnheit bis an das Zelt des Kaisers Severus zu dringen und konnte trotz aller Anstrengungen der römischen Behörden nicht eingefangen werden.58 Galt vielleicht der Triumph, welchen [206] der Senat wegen glücklicher Waffenerfolge in Judäa und Syrien dem Prinzen Bassianus Caracalla mit des Kaisers Bewilligung zuerkannt hatte, einem Siege über die Scharen des Claudius?59 Allzufreundlich gegen die Juden war der glückliche Nebenbuhler dreier Kaiser durchaus nicht. Unter den Gesetzen für Palästina, die er bei seinem Durchzuge daselbst erlassen hatte, war auch eins, daß Heiden bei schwerer Strafe nicht zum Judentum, aber auch nicht zum Christentum übertreten dürfen.60 Er gestattete wohl denen »welche dem jüdischen Aberglauben folgen,« städtische Ehrenämter, Magistratswürden zu verwalten, aber sie mußten sich auch den Anforderungen unterwerfen, kostspielige Schauspiele zu geben und andere Lasten zu tragen, insofern keine Verletzung ihrer Religion dabei vorkäme.61

Die wilden Streifscharen scheinen in Judäa nicht ganz unterdrückt worden zu sein und nach Severus' Abzug aus diesem Lande ihr Wesen fortgesetzt zu haben. Die Römer, die sie als Straßenräuber (latrones) betrachteten, sandten Truppen gegen sie aus, sie in ihren Schlupfwinkeln im Gebirge aufzusuchen, ohne sie jedoch völlig aufreiben zu können. Zwei berühmte Gesetzeslehrer dieser Zeit, R. Eleasar, Sohn des römerfeindlichen R. Simon ben Jochaï, und R. Ismael, Sohn des vorsichtigen R. José, gaben sich dazu her, die Römer zu unterstützen, die jüdischen Freibeuter zu überwachen und sie den römischen Behörden zur Todesstrafe zu überantworten.62 Die öffentliche Meinung sprach sich aber tadelnd über diese Männer aus, weil sie sich als Werkzeuge der römischen Tyrannei gegen ihre Stammesgenossen gebrauchen ließen. R. Josua ben Karcha (nach einigen ein Sohn R. Akibas) machte R. Eleasar die bittersten Vorwürfe darüber. »Du Essig, vom Wein stammend« (unwürdiger Sohn eines würdigen Vaters), sprach er, »wie lange wirst du noch das Volk Gottes dem Tode überantworten?« Da sich R. Eleasar damit entschuldigen wollte, daß er nur »den Weinberg von Dornen säubere,« entgegnete ihm jener: »So möge doch der Herr des Weinbergs selbst die Dornen ausroden.« Der Getadelte empfand später Reue über seine Beteiligung an der Verfolgung der jüdischen Freibeuter und soll sich dafür die peinlichste Buße auferlegt haben. Obwohl R. Eleasar eine halachische Autorität war, der sich der Patriarch zuweilen unterordnete63, war die Abneigung [207] gegen ihn wegen des Vorschubes, den er den Römern geleistet, so groß, daß er fürchtete, die Gesetzeslehrer würden ihm nach seinem Tode die letzte Ehre versagen, und deswegen seiner Frau einschärfte, seine Leiche nicht sogleich zu beerdigen, sondern sie in einem Zimmer liegen zu lassen. Als er in Akbara64, einer nordgaliläischen Stadt nordwestlich von Safet starb, erfüllte seine Frau seinen letzten Willen. Die Sage weiß von vielen Wundern zu erzählen, welche R. Eleasar auch nach seinem Tode getan habe. Als sich zuletzt seine Genossen entschlossen hatten, ihn zu bestatten, gaben es die Einwohner von Akbara nicht zu, weil sie glaubten, die Leiche hätte sie so lange vor den Einfällen wilder Tiere wundertätig geschützt. Die Bewohner von Biria65 (nordöstlich von Safet), einer Nachbarstadt, mußten R. Eleasars Leiche entführen, um sie in das Grabmal seines Vaters in Merion66 beizusetzen. Als der Patriarch R. Juda sich um die Hand seiner Witwe bewarb, schlug sie seine Bewerbung aus, wahrscheinlich aus Empfindlichkeit über die ihrem Gatten zugefügte Zurücksetzung, und antwortete ihm: »Ein Gefäß, welches für das Heilige bestimmt war, soll nicht zum Profanen mißbraucht werden.«

Auch mit R. Ismael ben José war man wegen seiner Verfolgung der jüdischen Freibeuter unzufrieden. Als er sich damit entschuldigte, daß ihm ein Befehl von den römischen Behörden zugekommen war, dem er sich nicht entziehen könnte, entgegnete man ihm: »Ist nicht dein Vater entflohen? Da hättest du es auch tun können.«67 Diesen Vorwurf legt die Sage dem Propheten Elias, dem Typus strenger Sittlichkeit, in den Mund.

All diese trübseligen Vorfälle erlebte noch der Patriarch R. Juda, und dennoch behauptet man, er habe in einer glücklichen Zeit gelebt. Während seiner Lebenszeit gab es Leiden, und nach seinem Tode verdoppelten sie sich.68 R. Juda scheint nämlich nahe an siebzig Jahre alt geworden zu sein und hat das Patriarchat über dreißig Jahre verwaltet. Mit vieler Seelenruhe sah er seiner Auflösung entgegen. Er ließ seine Söhne und Schulgenossen vor sich kommen und schärfte ihnen seinen Willen ein. Seinem ältesten Sohne Gamaliel übertrug er die Würde des Patriarchats, den jüngern, Simon, ernannte er zum Chacham (Sprecher) und empfahl beiden, seiner hinterlassenen Witwe, welche ohne Zweifel ihre Stiefmutter [208] war, nach seinem Tode Verehrung zu erweisen und gar nichts in der Hauseinrichtung zu ändern. Er legte dem künftigen Patriarchen ans Herz, streng gegen die Jünger zu sein, aber von seinem Prinzipe, immer nur je zwei Jünger zu ordinieren, abzugehen, vielmehr sämtliche Fähige zur Ordination zuzulassen. Ganz besonders sollte er Chanina bar Chama, gegen welchen R. Juda sich verschuldet zu haben glaubte, zu allererst mit der Lehrerwürde bekleiden. Seine beiden Diener, José aus Phäno (in der trachonitischen Landschaft) und Simon der Parther, die ihn beim Leben mit vieler Liebe behandelten, sollten sich auch nach dem Tode mit seiner Leiche beschäftigen. Das Synhedrialkollegium bat er, bei seiner Leichenbestattung keine Formalitäten zu machen, in den Städten keine Trauerfeierlichkeiten begehen zu lassen und schon nach dreißig Tagen die Lehrversammlung zu eröffnen. Er starb an einer Unterleibskrankheit, die man die Krankheit der Frommen nannte. Viel Volk aus den Nachbarstädten hatte sich in Sepphoris bei der Nachricht von dem herannahenden Tode des Patriarchen versammelt, um ihm Teilnahme zu erweisen. Als wenn es gar nicht möglich wäre, daß er sterben könne, bedrohten die Volksmassen denjenigen mit dem Tode, der die Trauerpost überbringen würde. Die Spannung und Aufregung war so groß, daß man in der Tat einen gewalttätigen Ausbruch des Schmerzes bei der aufgeregten Menge fürchtete. Bar-Kappara teilte indes die Todesanzeige ohne Worte mit. Mit verhülltem Haupte und zerrissenen Kleidern sprach er zum Volke:


»Engel und Sterbliche rangen um die Bundeslade,

Es siegten die Engel, und entschwunden ist die Bundeslade.«


Als das Volk darauf einen Schmerzensschrei ausstieß: »Erist tot!« sprach Bar-Kappara: »Ihr sagt's.« Das Wehklagen der Massen soll bis Gabbata, drei Viertelmeilen von Sepphoris, gehört worden sein. R. Juda starb an einem Freitage. Zahlreich war das Leichengefolge, das den Verblichenen von Sepphoris nach Bet-Schearim begleitete, und in achtzehn Synagogen hielt man ihm Gedächtnisreden. Selbst die Ahroniden beschäftigten sich dem Gesetze zuwider mit der Leiche; man verkündete: »Für heute hört die Priesterweihe auf.«69 Synhedrion und Priestertum ordneten sich bereitwillig demjenigen unter, welcher in seiner Person die Lehre repräsentierte. Man nannte ihn nach dem Tode »den Heiligen« (ha-Kadosch); die Spätern wußten nicht mehr den Grund dafür anzugeben.

[209] Von R. Judas Nachfolger, R. Gamaliel III. (um 210-225) weiß die Geschichte weiter nichts zu erzählen, als daß er die Verordnungen seines Vaters pünktlich ausführte. Beherzigenswert sind die Sprüche, die sich von ihm erhalten haben und die ein scharfes Licht auf die Zustände der Zeit werfen: »Schön ist die Beschäftigung mit der Lehre, wenn man dabei auch weltliche Geschäfte treibt, die Mühe um beides läßt die Sünde nicht aufkommen; Gesetzesstudium ohne Handwerk geht zuletzt unter und zieht Sünde nach sich. Wer sich mit Gemeindeangelegenheiten befaßt, soll es um Gotteswillen (ohne eigennützige Nebenzwecke) tun, dann wird ihn das Verdienst seiner Vorfahren unterstützen und seine Gerechtigkeit ewig dauern. Euch aber,« sprach er zu den Jüngern, »verheiße ich höhern Lohn, als wenn ihr praktisch tätig wäret. Seid vorsichtig der (römischen) Macht gegenüber, denn sie schmeicheln euch nur um ihrer selbst willen, sie scheinen Freunde, wenn sie Nutzen davon ziehen, stehen aber in der Not nicht bei. Erfülle Gottes Willen in der Art, daß du deinen Willen vor dem seinigen aufgibst, dann wird er deinen Willen auch zu dem seinigen machen.«70 Die Warnung, den römischen Machthabern gegenüber besonnen zu bleiben und sich nicht von ihnen verlocken zu lassen, hat jedenfalls einen politischen Hintergedanken. Denn nach dem Tode des strengen Sever erhielt fast ein Vierteljahrhundert das römische Reich durch drei Kaiser einen sozusagen asiatischen, richtiger syrischen, mit Judäa verwandten äußern Anstrich; Rom nahm aus Kriecherei ein syrisches Wesen an und sein Pantheon nahm morgenländische Götter auf. Dadurch milderte sich zum Teil auch die Schroffheit zwischen Römern und Juden. Julia Domna (Martha), Severs Gattin, war eine Syrerin aus Emesa, und ihr Sohn Caracalla, der sich offiziell Antoninus nannte (211-217), schämte sich wenigstens seiner syrischen Abkunft nicht. Auch hat er sämtlichen Bewohnern des römischen Reiches das Vollbürgerrecht erteilt; zwar war auch dieses Gesetz nur ein Mittel, um die Provinzialen höher zu besteuern, aber es hatte doch auch das Gute, daß es den schroffen Unterschied zwischen Römern und Nichtrömern aufhob. So sehr auch Caracalla und sein angeblicher Sohn Elegabal den Purpur wie die Menschheit durch ihre Laster geschändet haben und die römische Geschichte ihrer Zeiten nur Mordtaten und unnatürliche Ausschweifungen zu erzählen hat, die man sich nur durch eine Geisteszerrüttung dieser beiden Kaiser erklären kann, so war doch in ihrem Wahnsinn eine gewisse Methode, nämlich die, die römischen Götter und das römische Wesen durch Beimischung syrischer Formen zu verwischen. Daß Caracalla [210] eine Vorliebe für Juden gehabt habe, läßt sich durch keine Tatsache belegen71, und noch weniger, daß er mit einem jüdischen Patriarchen, etwa gar mit R. Juda, persönlich verkehrt habe. So viel ist aber sicher, daß der Zustand der Juden unter diesem Kaiser leidlich war, daß sie sich wenigstens nicht über allzu große Bedrückung zu beklagen hatten, wenn sie sich auch keiner besondern Begünstigung erfreuten. Diesen leidlichen Mittelzustand, gleich weit von Glück wie Verfolgung entfernt, schildert R. Jannaï, ein Jünger R. Judas und Zeitgenosse R. Chijas, mit folgenden Worten: »Wir genießen weder das Glück der Frevler, noch erdulden wir die Leiden der Gerechten.«72

Ein religiöses Gesetz, welches derselbe R. Jannaï in dieser Zeit sich veranlaßt sah aufzuheben, beweist wenigstens, daß die Juden Palästinas damals nicht allzu günstig gestellt waren. Sie mußten nämlich auch im Erlaßjahre von dem Ertrage der Ernte die Abgaben an Naturalien für das stehende Heer liefern.73 Bis dahin waren sie nach einer alten Begünstigung, welche von Julius Cäsar herrührte, in jedem siebenten Jahre von dieser Lieferung befreit, weil es in diesem gesetzlichen Brachjahre keine Ernte gab. Infolge jener gebieterischen Forderung, wahrscheinlich während des parthischen Feldzuges Caracallas (216, gerade in einem Erlaßjahre) ließ R. Jannaï, die Autorität jener Zeit, bekannt machen, daß es fortan gestattet sei, im Erlaßjahre die Felder anzubauen.74 Besonders hervorgehoben wird dabei der Umstand, daß das Gesetz des Erlaßjahres nur deswegen übertreten werden dürfe, weil nicht die Aufhebung desselben, sondern nur die Steuerlieferung gefordert werde. Ein Judenchrist scheint sich über diese Gefügigkeit der Juden gegen die römischen Machthaber lustig gemacht zu haben. – Eine besondere Vorliebe für die Juden hatte der jugendliche Kaiser Elegabal75 – ehemaliger Priester des Sonnengottes in Emesa, den seine schlaue Großmutter Mäsa als Sohn Caracallas untergeschoben hatte – durchaus nicht, wenn auch der Schein dafür spricht. Dieser lebendige Inbegriff aller Laster, der die römische [211] Welt vier Jahre (218-222) schändete und den geschichtlichen Beruf gehabt zu haben scheint, das heidnische Göttertum und das römische Cäsarentum an den Pranger zu stellen und jedermann von dessen Verwerflichkeit zu überzeugen, hat nämlich in seinem methodischen Wahnsinn manches getan und tun wollen, was sich wie jüdisch ausnimmt. Er ließ sich nämlich beschneiden und aß kein Schweinefleisch, aber nur im Dienste seines Sonnengottes.76 Er beabsichtigte, den Kultus der Juden, Samaritaner und Christen in Rom öffentlich einzuführen, aber lediglich als einen seinem Sonnengotte Baal untergeordneten.77 Während der Zeit dieser beiden Kaiser Caracalla und Elegabal hatten die jüngern Zeitgenossen R. Judas hinlängliche Muße, dessen Werk fortzusetzen. Die Mischnasammlung hatte nämlich viele Gesetze nicht aufgenommen, teils weil sie nicht unbedingte Gesetzeskraft hatten, teils weil sie als spezielle Ausführungen unter allgemeinen Formeln angedeutet waren. Diese vernachlässigten Halachas sammelten R. Judas Nachfolger als Ergänzung zur Mischna. Sol che Sammler waren R. Jannaï, dessen Lehrhaus in Akbara war78; R. Chija und dessen Zwillingssöhne Juda Chiskia, bekannt unter dem Namen »die Jünglinge« (Robin) oder »die Erklärer« (Turgamine)79; ferner Bar-Kappara, Levi bar Siszi, R. Uschaja der ältere, zubenannt »der Vater der Mischna«80; endlich Abba-Areka (Rab); sie waren sämtlich Halbtannaiten. R. Judas Sammlung hatte aber eine so unbestrittene Autorität erlangt, daß ihre Verehrer jedes ihrer Worte für heilig hielten, zu dem nichts hinzugefügt werden dürfe.81 Jene Sammlungen hatten deswegen gegen die Hauptmischna einen nur untergeordneten Wert, und ihr Verhältnis zur Mischna gestaltete sich wie das der Apokryphen (äußere Bücher) zur kanonischen Bibelsammlung, so daß jene »die äußere Mischna« (Mischna chizonah, chaldäisch Matnita boraita, schlechtweg Boraita) genannt wurden. Die Boraitas hatten wegen der Aufnahme aller vorhandenen halachischen Gesetze einen viel größern Umfang und führen aus diesem Grunde den Namen »die großen Mischnas« (Mischnajot gedolot).82 Nur die Boraitasammlungen von R. Chija und R. Uschaja [212] erhielten wegen ihres gesichteten Inhaltes halb und halb Gleichberechtigung mit der Hauptmischna.

Der Grundzug der als bindende Norm anerkannten Mischna ist der streng gesetzliche, ja juristische Charakter, den sie dem Judentume für die ganze Folgezeit aufgedrückt hat. Der ganze Umfang desselben, die Gebote und Verbote, die pentateuchischen und die gefolgerten Bestimmungen gelten ihr als Befehle und Dekrete Gottes, an denen nicht gemäkelt und gerüttelt werden dürfe; sie müssen unverbrüchlich nach Vorschrift befolgt werden. Es ist nicht zu verkennen, daß die Kämpfe, welche das Judentum durchwühlt hatten, die gewalttätigen Eingriffe des Hellenismus unter Antiochos Epiphanes, der erbitterte Gegensatz des Sadduzäertums, die allegorische Deutelei und Verflüchtigung der alexandrinischen Religionsphilosophen und zuletzt die gesetzesfeindliche Haltung des paulinischen Christentums und der Gnostiker es so weit gebracht haben, daß die Mischna in dem jüdischen Bekenntnisse das streng gesetzliche Wesen hervorkehrte und betonte. In geradem Gegensatze gegen die alexandrinische und gnostische Richtung, welche die im Judentum waltende Liebe Gottes besonders hervorhob, warnt die Mischna, der erste feste Kodex des Judentums, vor dieser Anschauung und befiehlt, einem Vorbeter Stillschweigen aufzuerlegen, welcher solches im Gebete durch die Formel: »Sogar bis auf das Vogelnest erstreckt sich deine Liebe«83 ausdrücken wollte. Alles ist daher in der Mischna gesetzlich normiert, wenig der freien Entschließung überlassen: wie viel ein Armer von der öffentlichen Wohltätigkeit zu beanspruchen habe und selbst wie viel Kinder ein Ehemann in die Welt setzen müsse, um seiner Pflicht, zur Bevölkerung der Erde beizutragen, »die Gott nicht zur Verödung geschaffen«, zu genügen.84 Im allgemeinen setzt sie voraus, daß die ganze Thora, d.h. sämtliche Gesetzesvorschriften, auch diejenigen, welche nicht augenfällig im Pentateuch vorkommen, bewährte Überlieferung seien, die Mose vom Sinaï empfangen, dem Josua übergeben, dieser den Ältesten, diese wiederum (taktvoll werden die meist kriegerischen und wenig religiösen Richter übersprungen), den Propheten und diese den Männern der großen Versammlung überliefert haben.85 Sämtliche nicht im Pentateuch gegebenen Gesetze nennt die Mischna Worte der Schriftkundigen (Dibre Soferim), ohne genau und folgerichtig zu unterscheiden zwischen solchen, welche von einem der Tannaiten seit Hillel aus dem Schriftworte abgeleitet oder gedeutet, und solchen, [213] welche von einer Synhedrialbehörde oder einer Schule als verhütende Umzäunung eingeführt worden sind.86 Zwar ist in der Mischna die Erinnerung an das Mißbehagen mancher Tannaiten, namentlich R. Josuas, gegen viele durch Deutung gewonnene Bestimmungen nicht ganz erloschen, daß manche derselben »Bergen gleichen, die an einem Haare hängen«87, d.h. manches in der Luft schwebt. Nichtsdestoweniger stellt sie sämtliche, bis dahin festgestellte halachische Gesetze als unverbrüchliche Norm hin.

Wiederholt ist in der Mischna die Wertgleichheit sämtlicher religiöser Vorschriften und Pflichten ausgesprochen. Die Sentenz, welche ihr Sammler Rabbi ausgesprochen hat, könnte man an die Spitze derselben als Aufschrift setzen: »Welchen Weg soll der Mensch wählen? Einen, der für den Wandelnden und bei den Menschen ehrenvoll ist. Sei ebenso gewissenhaft in betreff leichter, wie wichtiger Vorschriften, denn du kennst den Lohn der Gebote nicht. Wäge den (leiblichen) Schaden einer Pflichterfüllung gegen ihren (geistigen) Lohn und den Gewinn einer Übertretung gegen ihren Schaden ab. Habe drei Dinge stets vor Augen, so wirst du zu keiner Übertretung kommen: Es gibt ein schauendes Auge, ein vernehmendes Ohr, und alle deine Taten sind in ein Buch eingezeichnet.«88 Dieselbe Anschauung zieht sich durch die ganze Mischna. Der Lohn für gewissenhafte Erfüllung der religiösen Vorschriften sei der Anteil an der jenseitigen Welt (Chelek le-Olam haba)89, dessen jeder Israelite gewärtig sei, es sei denn, daß er die Auferstehung leugne oder behaupte, die Thora sei nicht von Gott offenbart, oder wenn er als Epikuräer lebte (oder dächte).90 Es gebe aber auch einen diesseitigen irdischen Lohn. Wer auch nur eine einzige religiöse Pflicht gewissenhaft erfüllt, dem wird vom Himmel Gutes erwiesen, sein Leben wird verlängert, und er kann am heiligen Lande Anteil haben.91 Damit wird eine Ausgleichung [214] zwischen den diesseitigen Verheißungen in der Bibel und dem jenseitigen Lohn der zukünftigen Welt versucht, einem Dogma, welches sich erst in der nachexilischen Zeit ausgebildet hat.

Gewisse Pflichterfüllungen bringen diesseitigen und jenseitigen Lohn: Ehrerbietung gegen Eltern, Mildtätigkeit, zeitiger Besuch des Lehrhauses, Gastfreundschaft, Ausstattung armer Bräute, Begleitung von Leichen, andächtiges Beten, Friedensstiftung und ganz besonders Beschäftigung mit der Lehre (Talmud Thora).92 Eine jenseitige Strafe kennt die Mischna nicht, wie auch keine Hölle. Für Vergehen und Übertretung hat sie nur diesseitige richterliche Strafen – allerdings nach dem Grade derselben: Geißelung, Hinrichtung durch das Synhedrion in vier Stufen: durch Schwert, durch Strang, durchs Feuer und durch Steinigung und endlich frühzeitiger Tod durch Gottes Hand (Kharet). Aber auch die schwerste, frechste Versündigung wird durch den Tod gesühnt, geringere schon durch Reue und den Versöhnungstag.93 Fahrlässige Vergehungen erhalten ihre Vergebung durch Opfer. Vergehen gegen Menschen werden indessen nicht eher gesühnt, als bis der Verletzte schadlos gehalten, zufriedengestellt und ausgesöhnt ist. In jeder sittlichen und rechtlichen Tat oder Untat liegt auch einere ligiöse Seite, aber sie wird nicht über-, sondern untergeordnet.

Als höchste Tugend gilt der Mischna die Beschäftigung mit der Lehre, die Gesetzeskunde oder die Halachakenntnis (Talmud Thora). Sie verleiht ein eigenes Verdienst oder Rechtfertigung (Zechút Thora), schützt und befördert diesseits und jenseits. »Wer die heilige Schrift und die Überlieferung kennt und Wert auf Anstand legt, kann nicht so leicht in Sünde geraten.94 Erlernen, Aneignen, Behalten und theoretisches Durchdringen und Weiterbilden des vorhandenen Lehrgutes, d.h. Erhaltung und Fortbildung des Judentums auf dem angebahnten Wege, war die Hauptstimmung und Richtung (Pathos) der Zeit. Daher wird ein Gesetzesweiser sehr hochgestellt; selbst wenn er ein Bastard ist, soll er einem gesetzesunkundigen Hohenpriester vorangehen.95 Ein Jünger müsse seinen Lehrer mehr als selbst seinen Vater ehren, oder bei einem Zusammenstoß der Pflichten gegen den einen und andern die gegen jenen zunächst erfüllen; denn der weise Lehrer bringt ihn zum Leben der zukünftigen Welt.«96 Dem Vater liegt die Pflicht ob, seinen Sohn [215] in der Thora zu unterrichten oder unterrichten zu lassen.97 Die Pflicht, das weibliche Geschlecht in die Thora einzuführen, läßt die Mischna zweifelhaft und überliefert zwei Ansichten darüber, die ben Asaïs, welche dafür ist oder es wenigstens für gestattet hält, und die des strengen R. Elieser, der es verdammt, indem er meinte, ein Vater, der seiner Tochter Thora beibringe, lehre sie Unzucht.98 Dieser herrschend gewordene Lehrsatz hat in der Folgezeit sehr schädlich gewirkt. Während jede Gemeinde beflissen war, niedere und höhere Schulen für das männliche Geschlecht zu unterhalten, wurde das weibliche Geschlecht in systematischer Unwissenheit gehalten.

Aber wenn auch in dem Mischnakodex das Hauptgewicht auf die genau vorgeschriebene Erfüllung der Religionsgesetze gelegt wird, so wird doch auch noch ein Höheres als das Gesetz, eine Gehobenheit der Gesinnung, welche über den Buchstaben des Gesetzes hinausgeht, als gottgefällig anerkannt. Der Gewissenhafte soll sein Wort in Mein und Dein halten, wenn auch der Buchstabe des bindenden Rechtes ihn nicht dazu zwingen kann. Wer seine Schuld auch im Erlaßjahre bezahlt, obgleich er vom Gesetz nicht dazu verpflichtet ist, wer, wenn auch nicht dazu gehalten, die Schuld an einen Proselyten seinen Erben zustellt, und überhaupt wer sein Wort hält, an einem solchen haben die Weisen Freude.99 Die Gebete sind zwar vorgeschrieben, doch dürfen sie in jeder verständlichen Sprache verrichtet werden100; es soll überhaupt mit Andacht und Ernst gebetet werden.101 Für Mißgeschick soll man dem Himmel ebenso danken wie für einen Glücksfall.102 Die Mischna nimmt über haupt einen Ansatz zur Verinnerlichung der Religion. Das pflichtmäßige Vernehmen der Schofartöne am Neujahr soll nicht ein äußerliches, gedankenloses Tun bleiben, sondern eine gewisse Stimmung erzeugen, die das Gemüt zu Gott erhebt. Als Beispiel wird angeführt: Nicht Moses Hochhalten der Hände hat den Israeliten gegen Amalek den Sieg verliehen, und nicht der Blick auf die aufgerichtete eherne Schlange hat sie in der Wüste von den Schlangenbissen geheilt, sondern die Erhebung ihres Herzens zu Gott.103 Es bleibt aber bei diesem Ansatze und wird nicht weiter ausgeführt. [216] Dem bindenden Gesetze wurde mehr als der sich selbst Norm gebenden Gewissenhaftigkeit vertraut.

Eine andere, mehr formale Eigentümlichkeit der Mischna neben ihrem juristischen Grundzug und vielleicht eine Folge von diesem, ist ihre Tendenz, allerhand mögliche, wenn auch äußerst fern liegende Fälle zu ersinnen und zusammenzustellen, um darauf verschiedenartige Gesetze anzuwenden (eine Art Kasuistik). Diese, in der Folgezeit bildend und mißbildend wirkende logische Schärfe, aber auch Sophisterei fördernde Eigentümlichkeit hat sich wohl erst in den allgemeinen Hochschulen von Jabne und Uscha und in den zahlreichen andern privaten Lehrhäusern ausgebildet. Der scharfsinnige R. Meïr und seine Jünger mögen am meisten dazu beigetragen haben. Man begnügte sich nicht, vorkommende Fälle nach den bereits vorhandenen pentateuchischen und überlieferten Gesetzen und Grundsätzen zu beurteilen und zu entscheiden, sondern gefiel sich darin, verwickelte Fälle und Lebenslagen phantastisch auszumalen, um herauszubringen, daß z.B. zuweilen auch für eine einzige Handlung mehrere Gesetze zur Anwendung kommen könnten. Die Mischna hat alle diese vorgefundenen Schulthemata mit aufgenommen und sie vielleicht noch durch Beispiele vermehrt. Namentlich gebraucht sie diese kasuistische Eigentümlichkeit, um gehäufte Straffälligkeit oder Büßungen anschaulich zu machen. »Mancher pflügt ein einziges Beet und begeht dabei acht Sünden«, oder zwei Brüder, die zwei Schwestern geheiratet und sie irrtümlich verwechselt haben, können sich so und so viel Strafen oder Büßungen oder Opfer wegen blutschänderischer Umarmung zuziehen.104

Es ist bemerkenswert, daß die mischnaitische Gesetzsammlung keine feindselige Halacha gegen die jüdischen Bekenner des Christentums aufgenommen hat; sie befaßt sich gar nicht mit ihnen und deutet nicht einmal an, ob Fleisch, von den Minäern bereitet, zum Genusse erlaubt oder verboten sei. Es scheint, daß die Gefahr, die in der Zeit zwischen der Tempelzerstörung und dem Bar-Kochbaschen Kriege dem Judentume von seiten des Judenchristentums drohte, bereits abgewendet und keine Verführung mehr zu befürchten war. Dagegen enthält die Mischna zahlreiche Gesetze, welche gegen das Heidentum und den Verkehr mit Heiden gerichtet sind, um jeden Schein von Beteiligung an Götzendienerei zu vermeiden. Innerhalb des Christentums werden solche bindende Gesetze gegen das noch immer von Machtfülle strotzende Heidentum vermißt, und der Kirchenvater Tertullian – ein jüngerer Zeitgenosse des [217] Patriarchen R. Juda, der erste christlich-lateinische Schriftsteller, der die Christen ebenso streng von den Heiden gesondert wissen wollte, wie die Mischna es den jüdischen Bekennern vorschreibt – war daher genötigt, sich auf die pentateuchischen Gesetze gegen das Götzentum zu berufen. Der Mangel an einer strengen Gesetzgebung über das Verhalten zum römischen und griechischen Heidentume innerhalb der Christenheit hat auch viel dazu beigetragen, daß das Christentum heidnische Gebräuche aufgenommen und eine geraume Zeit beibehalten hat. Das Heidentum hatte sich namentlich nach dem Bar-Kochbaschen Kriege in Palästina immer mehr eingenistet, nicht bloß in den Küstenstädten wie Akko, sondern auch in dem Binnenland wie in Betsan. Darum mußte das Verhalten zu demselben geregelt werden. Die Mischna widmet diesem Gegenstande einen eigenen Traktat (Aboda Sara), sie schreibt vor, drei Tage vor den heidnischen allgemeinen Hauptfesten, wie den (januarischen) Kalenden, den Saturnalien, der Gedächtnisfeier für den Tag des Regierungsantrittes der Kaiser oder für deren Sterbetage nicht mit Heiden zu verkehren.105 Bei einer Privatfeier dagegen, wenn ein Heide z.B. ein Mahl für das Mündigwerden seines Sohnes bereitet, wird der Verkehr mit ihm nur für diesen Tag verboten. Lorbeerbekränzte Kramläden von Heiden dürfen nicht besucht werden.106 Ein Jude darf Heiden nicht Schmuck oder Gegenstände für die Götzen verkaufen und keine Häuser in Palästina vermieten, weil sie Götterbilder hineinbringen.107 Wegen des Hasses der Heiden in Palästina gegen die Juden darf ein Jude sich nicht von ihnen körperlich heilen und nicht einmal das Haar schneiden lassen, und überhaupt nicht mit ihnen an einsamer Stelle allein bleiben, um nicht von ihnen meuchlings ermordet zu werden.108 Weil die römischen Heiden den barbarischen Gebrauch eingeführt hatten, Tierkämpfe selbst mit Menschen anzustellen, verbietet die Mischna, ihnen Bären, Löwen und alles dasjenige, wodurch eine Schädigung entstehen könnte109, zu verkaufen, und ebenso Basiliken, Richtplätze und Statuen für sie zu bauen, weil sie zum Vergießen [218] unschuldigen Blutes dienen.110 Um nicht die unnatürlichen Laster (Sodomiterei) der Heiden zu fördern, darf man ihnen kein Tier anvertrauen.111 Die Mischna verbietet sogar, heidnischen Frauen als Geburtshelferin oder Amme beizustehen, weil dadurch ein Anhänger für das Götzentum gefördert werde.112 Jeder Genuß von Gegenständen götzendienerischer Verehrung wird untersagt, nicht einmal im Schatten eines Götterbildes darf ein Jude sitzen und besonders nicht den Wein trinken, von dem ein Heide den Göttern geopfert (ausgegossen) hat oder haben könnte.113 Die meisten Gesetze in betreff der Abschließung gegen die Heidenwelt, welche kurz vor der Tempelzerstörung mit Hast und Eifer eingeführt wurden114, behielt die Mischna bei und verschärfte sie noch.115 Bei allen Gehässigkeiten gegen die Heidenwelt, namentlich in Palästina – das Ausland hat die Mischna gar wenig berücksichtigt –, kann die Gesetzgebung doch den im Judentum liegenden Zug allgemeiner Menschenliebe nicht ganz verleugnen. Sie nahm neben diesen feindseligen Gesetzen auch das wohlwollende, wahrscheinlich von Rabban Gamaliel I. stammende116 Gesetz auf, daß man den heidnischen Armen Zutritt zu den Feldern lasse, daß sie mit jüdischen gleichberechtigt das Zurückgelassene sammeln.117

Mit dem Abschluß der Mischna und der halbebenbürtigen, im selben Geist gehaltenen, nur ausführlichern Boraitas hatten die Tannaiten ihre Aufgabe gelöst, die flüchtige und schwankende Tradition in feste Form und gediegenen Guß zu bringen, sie in das Leben einzuführen und zum Gemeingut der jüdischen Nation zu machen. Nachdem sie dieses Werk mit hohem Ernste, nimmerrastendem Eifer und beispielloser Selbstverleugnung vollendet hatten, traten sie vom Schauplatze ab und überließen das Erzeugnis ihrer Tätigkeit den künftigen Generationen, sich daran zu erziehen, und daraus Anhänglichkeit an Lehre und Nationalität zu schöpfen.


Fußnoten

1 Vergl. Note 1 und 22.


2 Baba Mezia 84 b.


3 Jerus. Sabbat X, p. 12 c. Pesachim X, 37 b. Vergl. Horajot 13 b. Biographische Skizzen über Juda ha-Naßi von Bedeutung sind in letzter Zeit erschienen von A. Krochmal in Chaluz II, und Frankel, Darke ha-Mischna, 191 fg.


4 Sabbat 113 b. Erubin 53 b.


5 Baba Batra 8 a.


6 Chagiga 14 b. Jerus. Chagiga II, 77 c.


7 Schwarz, Tebuot ha-Arez 96 b. Robinsons Palästina III, 489.


8 Ketubbot 103 b fg. Jerus. Kilaim IX, p. 32 b.


9 Tosifta Chulin c. 3, 2. Babli Synhedrin 36 a.


10 Synhedrin das.


11 Jerus. Synhedrin I, 19 a, S. Note 25.


12 [Der Patriarch hatte manche Befugnisse, aber selbstverständlich wurden doch zweifelhafte Fälle und sonstige Fragen durch Majoritätsbeschluß entschie den. Es wird ja auch von manchen Verordnungen berichtet, die Rabbi einführen wollte, aber nicht durchsetzen konnte].


13 Synhedrin 5 b. Jerus. Schebiit VI, p. 36 c.


14 Jerus. Jebamot XII, p. 12 a auch in anderen Stellen.


15 Synhedrin 5 a.


16 Daselbst und Note 1.


17 Ketubbot 103 b.


18 Menachot 88 b.


19 Jerus. Kilaim IX, p. 32 b.


20 Moed Katan 16 b.


21 Jerus. das. III, p. 81 c., s. auch Leviticus Rabba, c. 28. Die bisherigen Enträselungen halte ich für mißlungen. Das Stichwort kann weder der Tod sein, noch paßt es auf die Venus und auch nicht auf R. Judas Strenge (s. Krochmal, a.a.O., p. 84 ff.). Ich will meine Lösung der Beurteilung oder Verurteilung preisgeben. Es bezieht sich vielleicht auf R. Judas Hauptsklavin und Verwalterin (יבר יבד אתמא), welche eine Tyrannei über Jung und Alt und besonders über die Jünger ausgeübt hat.


22 Das.


23 Baba Mezia 86 a.


24 Jerus. Taanit IV, 2, 68 a. Midrasch Kohelet zu c. 7, V. 7.


25 Synhedrin 38 a.


26 Jerus. Rosch ha-Schanah II, 58 a. Auch in der unzensierten Ausgabe des Talmuds ist die Lesart das. םיתוכה ולקלקשמ, dagegen las Parchi (in Kaftor V, 12): םינימה ולקלקשמ. Die Schikane mit täuschendem Bergfeuer zur Unzeit wäre demnach von Judenchristen ausgegangen. Es paßt allerdings für diese besser, da sie mehr Interesse als die Samaritaner daran hatten, die Festfeier der Juden in Verwirrung zu bringen.


27 Chulin 6 a. Jerus. Aboda Sara V. p. 44 d. Sota VII, p. 21 c. Jebamot I, p. 3 a Genesis Rabba, c. 81. Vergl. Frankel: Über den Einfluß der Palästinischen Exegese, S. 243.


28 Jerus. Rosch ha-Schanah das.


29 Rosch ha-Schanah 25 a. Pesikta, c. 41 und Jer. Rosch ha-Schanah, 58 a und an andern Stellen.


30 S. Note 21 [und Jerus. Synhedrin 18 c. unten].


31 Jerus. Schebiit VI, p. 37 a.


32 Jerus. Demai II, p. 22 c. Über die Lage von Bet-Gubrin siehe Robinsons Palästina II, p. 672 ff.


33 Chulin 6 b.


34 Sota 49 a.


35 Chulin 7 a b. Jerus. Demai I, p. 22 a.


36 Jerus. Demai. Die Anklage Schorrs, daß R. Juda Naßi das Judentum stabil gemacht und den Satz eingeschmuggelt habe, ein Gerichtshof dürfe fast gar nicht die Verordnung eines ältern aufheben, ist ungerecht und unerwiesen. Jener Satz Edujot I, 5 gehört einem ältern Tannaitenkreise an, dem Juda ben Ilaï eine Ansicht entgegensetzt. Vergl. weiter die Anmerkung zu R. Jochanan gegen Schorrs allzuleidenschaftliche und darum parteiische Ausfälle Chaluz II, p. 49 ff., Note 26.


37 S. Note 1.


38 S. oben S. 38.


39 Synhedrin 86 a. [Über einzelne sichtbar der Mischnaordnung des R. Meïr entnommene Stücke s. Lewy, Über einige Fragmente aus der Mischna des Abba Saul, p. 13 ff.]


40 Frankelin Darke ha-Mischna, p. 254 fg. gab sich Mühe, eine gewisse systematische Ordnung darin zu finden.


41 S. Note 25.


42 Sabbat 6 b.


43 Sota Ende. Erubin 53 a.


44 Rosch ha-Schanah 26 b. Jerus. Megilla II, 2.


45 Vergl. Frankel, Gerichtlicher Beweis, S. 60 ff.


46 Sendschreiben Scheriras, ed. Goldberg, S. 206. Raschi zu Baba Mezia 33 b. vergl. Note 23, 24.


47 Capitolinus in Marcum 12. Vergl. Corpus Juris Digesta, 49, 19, 30.


48 Ammianus Marcellinus 22, 3. [Siehe die Erklärung dieser Stelle bei Joël, Blicke in die Religionsgeschichte II. p. 131 ff.]


49 Gittin 17 a.


50 Baba Batra 8 a, 143 a. Das Letzte vielleicht unter Juda II.


51 Spartianus in Pescennium Nigrum, c. 7. Dieser Ausspruch stammt noch aus der Zeit seiner Statthalterschaft.


52 Spartianus in Severum, c. 14, 9.


53 Abulfarag Barhebraeus, historia dynastiarum, p. 79.


54 Spartianus das., c. 17.


55 Das. c. 9.


56 Ulpinus in Corpus Juris Digesta 50, 15, 1; § 7.


57 Spartianus das., c. 14.


58 Dio Cassius 75, 2, Ende.


59 Die Notiz bei Spartian das. 16 ist merkwürdig dunkel: Filio sane concessit (Severus), ut triumpharet, cui senatus Judaïcum triumphum decreverat, idcirco quod et in Syria res bene gestae fuerant a Severo.


60 Spartianus das., c. 17.


61 S. Note 23.


62 Baba Mezia 83 b ff. Jerus. Maasserot III, p. 50 d.


63 Jerus. Sabbat X, p. 12 c.


64 Schwarz, 101 b. Reland, Palästina 542. Robinson, Palästina III, 884.


65 Schwarz, 102 a. Robinson das. 885.


66 Baba Mezia 84 b.


67 Das. und Jerus. das. s. Note 20.


68 Sota Ende.

69 Ketubbot 103 ff. Jer. Ketubbot XII, Ende. Kilajim IX, Ende. Genesis Rabba, c. 96, 100. Kohelet Rabba zu 7, 11.


70 Abot II, 2.


71 Die Anekdote bei Spartianus in Caracallam, c. I, stammt aus dessen Jugendzeit und beweist gar nichts.


72 Abot IV, 17.


73 אנונרא, d.h. annona.


74 Synhedrin 26 a. Jerus. Schebiit IV, p. 35 a. Synhedrin III, p. 21 b. Der damalige Patriarch R. Gamaliel III. scheint nicht so weit gegangen zu sein und nur die Pflugzeit bis zum Eintritt des Erlaßjahres verlängert zu haben, nach Moed Katan, p. 3 b.


75 Eigentlich Elbaal oder Elbagal von dem Namen des Sonnengottes לעב לא; das ע g ausgesprochen und permutiert Gabal für Bagal.


76 Dio Cassius 79, 11. Lampridius in Heliogabalum c. 7.


77 Lampridius das. c. 3.


78 Jerus. Erubin VIII, p. 25 a.


79 Chulin 20 a. Jerus. Chalah IV, p. 60 a. Genesis Rabba, c. 65.

80 Jerus. Baba Kama III, p. 4. c und Parallelstellen. [Siehe die richtige Erklärung Lewy, Ein Wort über die Mech. d.R. I., S. 2].


81 S. Note 26.


82 Das. Horajot Ende. Midrasch Kohelet an vielen Stellen. Midrasch zu Psalmen 104.


83 S. oben S. 97.


84 Jebamot, c. VI, 6.


85 Abot Anfang, vergl. Pea II, 5, Jadaim IV, 3.


86 Synhedrin, c. ןיקנחנה ןה ולא wird Traditionelles oder Gefolgertes als םירפוס ירבד bezeichnet ירבדב רמוח םירפוס ירבד לע ףיסוהל תופטוט 'ה ... הרות ירבדמ םירפוס und Jadaim III, 2 werden auch Anordnungen, d.h. rabbinisch, ebenso genannt: ירבדמ הרות ירבד ןינד ןיא 'וגו םירפוס. Diese Regel wird aber nicht allgemein eingehalten, vergl. Pesachim VI, 1, wo von הכאלמ auf תובש herüber und hinüber gefolgert wird.


87 Chagiga I, Ende, vergl. Note 7.


88 Abot II, Anf.


89 Synhedrin c. קלח.


90 Das. Was סורוקיפא bedeutet war den Späteren selbst dunkel. Hat vielleicht ursprünglich ןימ gestanden?


91 Kidduschin I, Ende, verglichen mit Chulin Ende. Der Talmud faßt es anders auf.


92 Pea I Anf.


93 Joma Ende.


94 Kidduschin I Ende.


95 Horajot Ende.


96 Baba Mezia II Ende. Keritot Ende.


97 Kidduschin 29 a.


98 Sota III, 4.


99 Schebiit Ende. Baba Mezia IV, Anfang.


100 Sota VIII.


101 Berachot V.


102 Das. IX.


103 Rosch ha-Schanah III. Der Zusammenhang erfordert, daß die Beispiele sich auf die Vorschrift der העיקת beziehen.


104 Solche Fälle kommen häufig in der Mischna vor, Maccot, c. III, 10, Jebamot c. III, 12, fast der ganze Traktat Keritot und Kinim.

105 Aboda Sara Anfang: םיכלמ לש איסונג םויו סיסטרק scheinen zusammen zu gehören; סיסטרק = Κράτƞσις ist wohl gleich imperium, das Gelangen der Kaiser zur Herrschaft. איסינג = γενέσιος bedeutet hier wohl, gleich γενέϑλιος Sterbetag der Kaiser. Tertullian perhorresziert die Beteiligung an derselben Feier, de idolatria, c. 13.


106 Das. I, 4, vergl. Tertullian das. c. 15 von den tabernae lauratae.


107 Das. I, 5, 8, 9.


108 Das. II, 1, 2.


109 Das. I, 7.


110 Aboda Sara. Tertullian verbot den Christen auch heidnische Spiele, Zirkus und Theater zu besuchende spectaculis; in der Mischna wird es nicht verboten, sondern nur in Boraithos, und da auch nicht unbedingt, vergl. Aboda Sara Talmud, p. 18 b.


111 Das. II, 1.


112 Das.


113 Das. c. III, IV, V.


114 Bergl. Band III, Note 26.


115 Aboda Sara II, 3-6.

116 S. B. III, 5. Aufl., S. 349.


117 Gittin, c. V, Ende.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1908, Band 4, S. 220.
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