3. Die Verfolgung der Juden unter dem persischen König Hormiz IV. und ihre Beteiligung an dem Aufstande des Usurpators Bahram Kôbîn.

[404] Je mehr man Gelegenheit hat, Scheriras Berichte über die babylonischen oder persischen Juden mit Notizen aus externen Quellen zu vergleichen, desto mehr treten seine Geschichtstreue und Akribie ans Licht. Er tradiert nämlich von einer Verfolgung der Juden am Ende des persischen Reiches, und zwar nach R' Giza und Simuna (nach 550), wodurch die Lehrhäuser geschlossen, die Lehrtätigkeit gestört wurde, und viele Gelehrte Pumbaditas nach Perôz-Schabur (Anbar) auszuwandern gezwungen waren תורצו דמש ינש ווהו יבותאו יקרפ עבקמל ןיליכי ווה אלו םייסרפ תוכלמ ףוסב אנליד ןנבר ותאו ינש המכ רתב דע תונואג יגהנמ רבדמו אתביתמ ןיליאו רובאש זורפד אתנידמל אעדרהנ תוביבסל אתידב םופמ ףוסב ילימ ןיליא רתב אתידב םופמ אנליד אתביתמב ווהד םינואג ...ק"תת תנש ןמ םייסרפ תוכלמ.

Aus den letzten Worten geht hervor, daß diese Verfolgung vor dem seleuzidischen Jahr 900 = 589 stattfand. Diese Tatsache wird durch eine Notiz eines byzantinischen Schriftstellers bestätigt, welche die Bewegung der Juden unter Bahram Kôbîn beleuchtet. Es ist aus der persischen Geschichte bekannt, daß dieser Feldherr von königlichem Geblüte, um dem über ihn verhängten Tode von Seiten des Tyrannen Hormiz oder Hormuz IV. zuvorzukommen, sich gegen ihn empörte, anfangs für den Thronfolger Chosrau Firuz agierte, später aber selbst den Thron bestieg. Chosrau Firuz floh nach Konstantinopel [404] und flehte den Kaiser um Hilfe an. Nach anderthalbjährigem Aufenthalte am byzantinischen Hofe zog er mit einem griechischen Heere gegen Bahram Kôbîn, und dieser mußte fliehen (vgl. de Sacy, mémoire sur diverses antiquités de la Perse, p. 395 ff. und Richter, Geschichte der Arsaziden- und Sassaniden-Dynastie S. 332 f.). Der byzantinische Historiker Theophylaktos Simokatta, ein jüngerer Zeitgenosse dieser Begebenheiten, erzählt: die Juden Persiens, welche damals sehr reich waren, haben sich an Bahram Kôbîns Aufstand beteiligt, und ihre Hinneigung zu ihm war von bedeutendem Gewichte. Dafür hat der Feldherr des Chosrau bei der Einnahme von Machuza viele Juden dieser Stadt hinrichten lassen: ἕκτƞ δὲ ἡμέρα (l. ἔκτς δὲ ἡμέρᾳ) καὶ πολλοὺς τοῠ Ἰουδαϊκοῠ ἱκανῶς μετεσχƞκότας τῶν ὑπὸ τοῠ Βαρὰμ νεωτερισϑέντων τῷ ἀκινάκς διώλεσε (ὁ Μεβόδƞς) ϑάνατον ἐπιϑεὶς ζƞμίαν αὐτοῖς. Οὐκ ἀναξιόλογος γὰρ ἡ ὑπὸ τῶν Ἰουδαίων τῷ Βαρὰμ γεγονυῖα πρὸς τὴν τυραννίδα ῥοπἠ. Πλῆϑος γὰρ τοῠ τοιούτου ἔϑνους πλούτῳ κατάκομον τὸ τƞνικαῠτα καιροῠ τὴν Περσίδα κατῴκει. ἐστὶ γὰρ πονƞρὸν τὸ ἔϑνος ... φιλοϑόρυβόν τε καὶ τύραννον. (Simocatta V., ed. Bonn, p. 218).

Halten wir den Punkt fest, daß der Beitritt der Juden zu Bahram für ihn von großem Gewichte war, und, daß die persischen Juden damals die Unruhen sehr liebten (φιλοϑόρυβοι). Denn die Schilderung, daß die Juden nichtswürdig und tyrannisch waren, können wir füglich auf Rechnung von Simokattas Parteilichkeit setzen. Fixieren wir die Zeit von Bahrams Aufstand und der Beteiligung der Juden daran, so wird sich daraus ein merkwürdiges pragmatisches Moment für die jüdische Geschichte ergeben. Die Chronologie der Interimsregierung Bahrams ist bekanntlich noch nicht kritisch festgestellt. Viele arabische Chronographen zählen nämlich Bahram als Usurpator gar nicht unter die persischen Könige. Gehen wir von sicheren Punkten aus. Chosraus Sieg über Bahram fand statt im Sommer des Jahres 902 Sel. = 591. (Vgl. Simokatta a.a.O. V, 7, p. 211, Zeile 3 und die syrische Chronik bei Assemani bibliotheca orient. III, P. I, p. 411.). Achtzehn Monate weilte Chosrau am byzantinischen Hofe. Mirkhond berichtet nach de Sacys Übersetzung: Parviz (Firuz) épousa la princesse Marie, fille de l'empereur, et lorsqu'il eut passé dix-huit mois à la cour de ce prince, l'empereur ordonna à son fils de partir accompagné d'une armée (a.a.O. 398). Rechnen wir die Zeit, welche erforderlich war, daß Bahram von Chorasan, wo er mit seiner Armee stationierte, nach dem Tigris und auf die Hauptstadt Ktesiphon marschierte, ferner, daß der Prinz Chosrau eine Armee gegen ihn sammelte, dann die Zeit, welche verfloß, ehe die beiden Armeen bei Naharawan ins Handgemenge kamen, und endlich die Zeit, welche Chosrau brauchte, um mit großen Hindernissen zuerst nach Circesium und dann nach Konstantinopel zu gelangen, so können wir Bahrams Empörung ohne Bedenken im Sommer oder Herbst 589 ansetzen: nämlich 18 Monate Aufenthalt am byzantinischen Hofe und noch 6 Monate, im ganzen zwei Jahre. Ungenau ist nun Mordtmann in betreff dieser Data. In seiner Abhandlung über die Münzen mit Pehlwi-Legenden (Zeitschrift der deutsch-morgenländischen Gesellschaft, Jahrgang 1854, S. 116 f.) läßt er Hormiz regieren 579-591 und dessen Sohn Chosrau 591-628, so daß gar kein Raum für Bahram bleibt. Im Wiederspruch damit sind [405] die Bahram-Münzen, die Mordtmann selbst entzifferte, mit dem Prägungsjahr Eins (דחא, Achad). Ein Tarich setzt daher Bahrams Regierungszeit auf zwei Jahre und einige Tage (bei Richter das. 233), d.h. von Sommer 589 bis Sommer 591. Bahrams Empörung gegen Hormiz fand demnach im Sommer oder Herbst 589 statt28.

In dasselbe Jahr setzt nun Scherira die Wiedereröffnung des pumbaditanischen Lehrhauses durch R' Chanan aus Iskija, im Jahre 900 Sel. = 589 ןיליאו ןמ ןנח 'ר רמ ק"תת תנש ןמ ילימ ןיליא רתב ... ווהד םינואג איקישא. Die Verfolgung, von der Scherira früher berichtet, wodurch die Lehrtätigkeit unterbrochen war, hörte also mit dem Jahre 589 auf. Hängt nicht die Wiedereröffnung der Lehrhäuser mit Bahrams Aufstande und der Hinneigung der Juden für denselben pragmatisch zusammen? Die Kombination dieser drei Fakta drängt sich von selbst auf. Aber auch ein anderes Moment drängt sich der Betrachtung auf. Warum haben sich die Juden an Bahrams Aufstand beteiligt? Simokatta antwortet darauf, weil sie φιλοϑόρυβοι »aufruhrliebend« waren; diese Erklärung ist unwahr. Die babylonischen und persischen Juden haben schwerlich aus bloßer Lust an Aufstand und Empörung einen Usurpator unterstützt. Scherira gibt aber den rechten Schlüssel dazu. Sie haben für Bahram Partei ergriffen, weil sein Vorgänger sie verfolgt, die Lehrfunktionen gestört und viele zum Auswandern gezwungen hatte. Hormiz IV. war also der Verfolger. Ohnehin wissen wir von ihm, daß er sich von den fanatischen Magieren zu Religionsverfolgungen verleiten ließ (Evagrius VI, 16), daß er überhaupt tyrannisch verfuhr und viele Tausende hinrichten ließ (Mirkhond bei de Sacy a.a.O. 388). Wir können also pragmatisch verbinden: die Verfolgung der Juden durch Hormiz, das freundliche Verhältnis zwischen ihnen und Bahram und das Wiedereröffnen der Lehr häuser. – Diese Verfolgung dauerte aber nach Scherira nur einige Jahre ןינש ימכ דע. Die Späteren, Abraham Ibn-Daûd u.a., haben die Verfolgung jedoch auf ein halbes Jahrhundert ausgedehnt, von R' Simunas Tod an gerechnet: ורכזוה אלו אנומיס 'ר ידימלת ... ינשה רודה דע אנומיס 'ר תומ רחא הנש 'נ ומכ ולטב תובישיה יכ םהיתומשב םהיתוריזגו סרפ יכלמ תאנש ינפמ ט"מש םיפלא 'ד תנש??. Aber diese auf Kombination beruhende Angabe ist unrichtig. Unter Nuschirwan ist keine Judenverfolgung bekannt. Er hat ihnen bloß so wie den Christen Kopfgeld aufgelegt. Khondemir bei de Sacy (a.a.O. 372): Noushirvan imposa aussi une capitation sur les juifs et les chrétiens. Es bleiben also nur für die Verfolgung Hormiz' Regierungszeit 579-89 zehn Jahre.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 404-406.
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