8. Kapitel. Die kabbalistisch-messianische Schwärmerei Salomo Molchos und die Einführung der Inquisition in Portugal.

[224] Diogo Pires = Salomo Molchos schwärmerische Verbindung mit David Rëubeni. Seine Auswanderung nach der Türkei. Sein Umgang mit Joseph Karo und sein Einfluß auf ihn. Karos Magid. Molcho erweckt überall messianische Hoffnung, Aufregung unter den spanischen und portugiesischen Marranen. Rëubenis Rückkehr nach Italien. Neue Schritte zur Einführung der Inquisition in Portugal. Clemens VII. den portugiesischen Marranen günstig, Asyl in Ancona. Molcho in Ancona und Rom, seine Träume und seine Beliebtheit beim Papste und einigen Kardinälen. Seine Vorausverkündigung eingetroffen. Verfolgung durch Jakob Mantin. Prozeß gegen ihn und Flucht aus Rom. Clemens bewilligt die Inquisition für Portugal. Grausamkeiten gegen die Marranen. Schritte Clemens zur Aufhebung der Inquisition. Molchos Tod auf dem Scheiterhaufen und Davids Gefangennahme. Schwärmerei für Molcho auch nach dessen Tode. Minen und Gegenminen zur Vereitlung der Inquisition. Duarte de Paz. Neue Intrigen unter Paul III. Karl V. und die Juden. Emanuel da Costa. Die Nuntien zugunsten der Marranen.


(1525-1538.)

Am mächtigsten wurde ein edler, begabter, schöner Jüngling von David Rëubenis Erscheinen und den Hoffnungen, die er erweckte, ergriffen und umgewandelt. Diogo Pires (geb. um 1501, starb als Märtyrer 1532),1 der in einer günstigeren Umgebung mit seiner glühenden dichterischen Phantasie auf dem Gebiete des Schönen viel hätte leisten können, wurde ein Werkzeug für die Aufschneiderei des angeblichen Gesandten von Chaibar. Als Neuchrist geboren, hatte sich Pires eine gelehrte Bildung angeeignet, verstand und sprach das Lateinische, die Weltsprache der damaligen Zeit, hatte es bis zum königlichen Beamten an einem hohen Gerichtshofe gebracht und war bei Hofe außerordentlich beliebt. Er muß aber auch in die hebräische [224] und rabbinische Literatur von frühester Jugend eingeweiht gewesen sein, und selbst in die Kabbala hatte ihn wohl einer der marranischen Lehrer eingeführt. Sonst ist weiter nichts von dem Jüngling bekannt, dessen Name bald in Europa und Asien einen so hellen Klang erlangen sollte. Als David mit seinen chimärischen Plänen in Portugal aufgetreten war, wurde Diogo Pires von wilden Träumen und Visionen förmlich besessen, die sämtlich einen messianischen Hintergrund hatten. Er drängte sich daher an ihn, um zu erfahren, ob dessen Sendung mit seinen Traumoffenbarungen übereinstimmten. David Rëubeni soll ihn aber kalt behandelt und ihm geradezu bemerkt haben, seine militärische Botschaft habe mit der messianischen Mystik nichts gemein; er verstünde überhaupt nichts von der Kabbala. Diogo Pires war aber im Wahne, die Kälte des angeblichen Gesandten gegen ihn rühre davon her, weil er selbst noch nicht das Bundeszeichen an seinem Leibe trage, und schritt daher zu dieser gefahrvollen Operation; ein dadurch erzeugter Blutverlust warf ihn aufs Krankenlager. David war sehr ungehalten darüber, als ihm Pires Mitteilung davon gemacht hatte, weil beide in Gefahr kommen könnten, wenn es dem Könige kund würde, daß ein Marrane sich durch einen entschiedenen Akt zum Judentume bekannt habe, und es dann heißen würde, er sei von jenem dazu überredet worden. Nach der Beschneidung hatte Pires, der entweder damals den Namen Salomo Molcho angenommen oder ihn schon früher geführt, wahrscheinlich durch die Körperschwäche noch fürchterlichere Traumgesichte. Ihr Inhalt bezog sich immer auf die Marranen und deren messianische Erlösung. Einst sah er drei verschiedenfarbige Tauben, welche von mächtigen Schützen zu Boden gestreckt wurden: weiße Tauben (treugebliebene Juden), grüne Tauben (schwankende Marrauen mit dem Judentum im Herzen) und schwarze (dem jüdischen Bekenntnis bereits fremd gewordene Neuchristen). Durch Gottesboten seien die Schützen vernichtet worden, und die grünen Tauben erhielten ihre weiße Farbe wieder.2 Im Traume will er auch vom Himmel durch ein eignes Wesen, das sich mit ihm unterredete (Maggid), den Auftrag erhalten haben, Portugal zu verlassen und nach der Türkei auszuwandern. Auch David Rëubeni hatte ihm geraten, eilig Portugal zu verlassen, weil der Akt der Beschneidung auch ihm Gefahr bringen und seine Pläne vereiteln konnte. Die Entfernung der Marranen aus Portugal muß damals nicht schwer gewesen sein. Es ist nicht bekannt, auf welchem Wege er nach der Türkei gelangte.

Dort machte der junge, schöne, schwärmerische, dem Judentum neugewonnene Kabbalist großes Aufsehen. Er gab sich zuerst als einen [225] Sendboten des David Rëubeni aus, von dessen guter Aufnahme am päpstlichen und portugiesischen Hofe auch im Morgenlande Gerüchte im Umlauf waren und die Köpfe erhitzt hatten. In Salonichi nahm ihn der kabbalistische Kreis des Joseph Taytasak (o. S. 33) in Beschlag und lauschte auf seine Träume und Gesichte. In Adrianopel bekehrte Pires-Molcho den nüchternen, aus Spanien als Knabe ausgewanderten Joseph Karo, der sich bis dahin lediglich mit Anhäufung von talmudischer Gelehrsamkeit beschäftigt hatte, zur Kabbala.3 Schwärmerei ist ansteckend. Karo verfiel auch seinerseits in kabbalistische Schwärmerei gleich Molcho, hatte auch seinen Traumsouffleur (Maggid), der ihm geschmacklose mystische Schriftdeutungen offenbarte und die Zukunft enthüllte. Sein Kopieren ging so weit, daß er gleich Molcho in sicherster Erwartung lebte, er werde auf einem Scheiterhaufen als ein »dem Herrn angenehmes Ganzopfer« verbrannt werden. Molcho steckte seine Anhänger mit der Sucht nach dem Märtyrertum an. Er hielt sich auch eine Zeitlang in Palästina und namentlich in Safet auf, das, wie schon erwähnt, ganz besonders ein Kabbalistennest war. Molchos einnehmende Persönlichkeit, seine reine Begeisterung, sein romantisches Wesen, seine Vergangenheit, seine überraschende Kenntnis der Kabbala, obwohl als Christ geboren, alles an ihm erweckte ihm eine Schar von Anhängern, die seinen mystischen Äußerungen lauschten und sie gläubig hinnahmen. Er pflegte oft zu predigen, und die Worte flossen ihm sprudelnd über die Lippen. Ergraute Männer wandten sich mit Fragen an den Jüngling, bald ihnen dunkele Schriftverse zu deuten, bald die Zukunft zu offenbaren. Auf das Drängen seiner Freunde in Salonichi veröffentlichte er einen kurzen Auszug seiner kabbalistischen Predigten,4 deren Hauptinhalt war, die messianische Zeit werde bald, mit dem Ende des Jahres 5300 der Welt (1540) anbrechen. Die Plünderung und Verheerung Roms (5. Mai 1527) bestärkte die kabbalistischen Schwärmer in ihren messianischen Hoffnungen. Das mit der Beute der ganzen Erde gefüllte Rom, das sündenvolle katholische Babel, war von deutschen, meistens lutherischen Landsknechten im Sturm erobert und gewissermaßen auf Befehl des katholischen Kaisers Karl V. wie eine feindliche Stadt behandelt worden. Der Papst und die katholische Kirche wurden von der rohen Soldateska verhöhnt und Luthers Name in der Hauptstadt des Katholizismus mit Jubel genannt, während Clemens VII. in der Engelsburg belagert wurde. Der Fall Roms sollte nach messinisch-apokalyptischer Annahme als ein Vorzeichen zum Erscheinen des Messias eintreffen. Nun war Rom gefallen. In Asien, der Türkei, [226] Ungarn, Polen, Deutschland regten sich daher im Herzen der Juden messianische Hoffnungen, die sich an Salomo Molchos Namen knüpften, und die er zur Verwirklichung bringen sollte.5

In Spanien und Portugal klammerten sich die Marranen noch mehr an die Aussichten auf die messianische Erlösung und an David Rëubeni, den sie mit oder gegen seinen Willen für einen Vorläufer hielten. Ihre Illusionen machten sie so sicher, daß sie kühne Unternehmungen wagten, die ihnen unfehlbar den Tod bringen mußten. Mehrere spanische Marranen, die dem Scheiterhaufen geweiht waren, hatten merkwürdigerweise eine Zuflucht in Portugal (in Campo- Mayor) gefunden und blieben geduldet. Eine Schar junger Leute unter ihnen drang gar mit bewaffneter Hand von da aus nach Badajoz, von wo sie entflohen waren, um mehrere marranische Frauen, die im Kerker der Inquisition schmachteten, zu befreien, setzten die Stadtbewohner in Schrecken und erlösten in der Tat die unglücklichen Schlachtopfer. Dieser Vorfall machte viel Aufsehen in beiden Ländern und führte die nachteiligsten Folgen für die Scheinchristen herbei. Der Inquisitor von Badajoz, Selaya, beklagte sich in einem Schreiben an den König von Portugal über diese Kühnheit und wies auf die Ursache derselben hin: Ein Jude aus fernem Lande habe den Marranen soviel Mut und Hoffnung eingeflößt, daß sie sich aus Spanien an der portugiesischen Grenze gesammelt und in Badajoz soviel Unfug zu treiben gewagt hätten.6 Er verlangte die Auslieferung sämtlicher nach Campo-Mayor geflüchteten spanischen Neuchristen und ermahnte zugleich den König von Portugal, die Marranen seines Landes nicht ungestraft judaisieren zu lassen. Durch eine eigene, man könnte sie eine Dominikanerlogik nennen, suchte Selaya das Bedenken des Königs als grundlos zu stempeln. Man sagt, die portugiesischen Neuchristen seien mit Gewalt zur Taufe gezerrt worden, und darum habe sie keine Verbindlichkeit für sie. Aber wie könnte man, so urteilte der Inquisitor von Badajoz, es gewaltsam nennen, wenn sie dadurch eine so große Wohltat, wie die Taufe, erlangt hätten? Dann sei es auch kein rechter Zwang gewesen, da es den Juden damals unter Manoel freigestanden hätte, sich mit dem Mute der Makkabäer töten zu lassen, wenn sie gegen die Taufe einen so großen Widerwillen empfunden hätten. Zugleich bemerkte Selaya dem Könige von Portugal, daß der Jude aus dem Morgenlande, der sich der königlichen Gunst zu erfreuen hätte (David Rëubeni), ebenso wie seine Anhänger vollständige Ketzer wären, indem sie das alte Testament falsch auslegten. Die einzige rechtgläubige Sekte unter den Juden seien die Karäer, welche die [227] Bibel wörtlich auslegten. Die Marranen in Portugal müßten demnach so oder so, sei es als Apostaten vom Christentum oder als Ketzer innerhalb des Judentums verbrannt werden.7 Wegen der gewaltsamen Entführung der marranischen Frauen aus Badajoz beklagte sich auch die Königin von Spanien bei João III., und der Kaiser Karl selbst machte ihm ernste Vorstellungen darüber.8

Diese Vorfälle, verbunden mit anderen Anklagen gegen einige Marranen in Gouvea wegen Schändung eines Marienbildes und die ungestüme Forderung der Bürger, strenge Gerechtigkeit gegen sie zu üben, brachten den König wieder auf den Plan des Inquisitionsgerichtes. David Rëubenis Gunst bei dem König von Portugal war nur von kurzer Dauer gewesen. Anfangs von João III. mit außerordentlicher Freundlichkeit aufgenommen und öfter zu Audienzen zugezogen (wobei ein arabischer und portugiesischer Dolmetscher die Unterredung vermittelte), erhielt er die bestimmte Zusage, daß ihm acht Schiffe und 4000 Feuerwaffen zur Verfügung gestellt werden sollten, um seinen Bruder, den angeblichen König von Chaibar, in den Stand zu setzen, die Araber und Türken zu bekämpfen; aber allmählich wurde der König ernüchtert. Miguel de Silva, welcher bei Davids Anwesenheit in Rom portugiesischer Gesandter am päpstlichen Hofe war und damals schon den angeblichen jüdischen Prinzen von Chaibar für einen Abenteurer gehalten hatte, war nach Portugal zurückberufen worden, und er machte die größten Anstrengungen gegenüber den anderen Räten, welche sich von Davids keckem Wesen hatten täuschen lassen, ihm die Gunst des Königs zu entziehen. Ohnehin hatten die Huldigungen, welche die Marranen ihm offen und auffallend dargebracht hatten, Mißtrauen gegen ihn erweckt. Miguel de Silva, welcher beauftragt war, die Einführung der Inquisition in Portugal durchzusetzen, konnte darauf hinweisen, daß der König selbst durch Begünstigung des angeblichen jüdischen Fürsten die Marranen in ihrem Unglauben oder in ihrer Anhänglichkeit an das Judentum förmlich bestärke. Dazu kam noch die Beschneidung und die Flucht des königlichen Beamten Diogo Pires. Dieser Vorfall wurde am portugiesischen Hofe mit großem Mißfallen vernommen, und es wurde dem König beigebracht, daß David ihn dazu ermuntert habe.

So erhielt dieser mit einem Male die Weisung, Portugal zu verlassen, nachdem er beinahe ein Jahr da geweilt und mit Auszeichnung behandelt worden war. Nur zwei Monate Frist wurden ihm gewährt, sich einzuschiffen. Er hatte aber, als wollte er sich an das Land anklammern [228] und als hoffte er auf eine Sinnesänderung des Königs, länger als vier Monate zugebracht und mußte fast mit Gewalt aufs Schiff gebracht werden. Das Schiff, das ihn und seine Begleitung trug, wurde an die spanische Küste verschlagen, und David war in Spanien in Gefangenschaft geraten und sollte vor ein Inquisitionsgericht gestellt werden. Indessen hatte der Kaiser Karl ihm die Freiheit gewährt, und so konnte sich David Rëubeni nach Avignon, in das päpstliche Gebiet begeben.9 Sobald der König João mit David Rëubeni gebrochen hatte, war der Grund zur Schonung der Marranen weggefallen. Immer mehr wurde der schwankende König von der Königin, den Dominikanern und einigen Großen zum Entschlusse gedrängt, die Inquisition einzuführen. Den Ausschlag gab der Bischof von Ceuta, Henrique, ein ehemaliger Franziskanermönch und ein fanatischer Priester. In seinem Sprengel Olivença wurden fünf Neuchristen des Judaisierens verdächtigt,10 und er machte kurzen Prozeß mit ihnen. Ohne sich viel darum zu kümmern, ob das Inquisitionstribunal vom Papste genehmigt und vom Könige gesetzlich eingeführt worden war oder nicht, errichtete er einen Scheiterhaufen und ließ die ohne regelmäßiges Verhör Verurteilten verbrennen (um 1530). Das Volk jauchzte ihm dafür zu und feierte den Mord der Judenchristen durch Stiergefechte. Weit entfernt, seine Tat oder Untat zu verheimlichen, rühmte sich Henrique derselben und drang in den König, endlich mit der Züchtigung der ketzerischen und lästernden Neuchristen Ernst zu machen. Darauf entschloß sich João beim Papste Clemens auf Einrichtung von Untersuchungskommissionen in Portugal anzutragen.

Indessen gab es noch einige Priester aus der alten Zeit, welche es wagten, ihre Stimme laut gegen diese beabsichtigte neue Gewaltmaßregel wider die Marranen zu erheben. Es waren besonders Fernando Continho, Bischof von Algarvien, und Diogo Pinheiro, Bischof von Funchal; ihre Namen verdienen der Nachwelt überliefert zu werden. Sie waren Zeugen dessen gewesen, unter welchen unmenschlichen Grausamkeiten die Juden unter Manoel zur Taufe gebracht worden waren – Coutinho war bereits ein achtzigjähriger Greis – und sie konnten sie nach keiner Seite als volle Christen anerkennen, sei es um sie als rückfällige Ketzer zu bestrafen, oder ihnen Richterämter oder geistliche Pfründen anzuvertrauen. So oft Neuchristen vor ihrem bischöflichen Tribunal der Ketzerei angeklagt waren, gaben sie ihnen die Freiheit und bekundeten ihre Gesinnung offen vor dem Könige und dessen Räten. Coutinho, welcher den falschen Eifer der jüngeren Geistlichkeit nicht genug verspotten konnte, erinnerte [229] auch den König daran, daß der Papst Clemens VII. selbst vor kurzem einigen Marranen gestattete, sich in Rom selbst offen zum Judentume zu bekennen. Dieser Papst, überzeugt von der Ungerechtigkeit gegen die Neuchristen, hatte ihnen nämlich mit Zustimmung des Kardinalkollegiums ein Asyl in Ancona eröffnet und ihnen gestattet, unbelästigt das Judentum zu bekennen.11 Auch in Florenz und Venedig durften sie ungestraft leben. Das päpstliche Konsistorium selbst habe sich dahin ausgesprochen, daß die portugiesischen Marranen als Juden angesehen werden sollten. Er wäre dafür, so sprach sich Coutinho in seinem Gutachten darüber aus, daß statt der Neuchristen, welche der Schändung christlicher Heiligtümer angeklagt seien, die Zeugen gezüchtigt werden sollten, weil sie falsches Zeugnis ablegten. Nur durch milde Behandlung müßten die Neuchristen für den Glauben gewonnen werden.12 Endlich entschloß sich João, die Frage dem Papste vorzulegen, der, falls er die Einführung der Inquisition guthieße, ihn zugleich seines Wortes gegen die Marranen entbinden würde. Der portugiesische Gesandte am römischen Hofe, Bras Neto, erhielt den Auftrag, dafür eine Bulle vom Papste zu erwirken. Allein, was in Spanien so leicht durch einen Federstrich bewilligt worden war, das kostete dem Könige von Portugal viele Anstrengung und Kämpfe, und er hat sich der Inquisition nicht recht erfreuen können.

In die Speichen dieses rollenden Rades griff nämlich die schwache Hand des liebenswürdigen kabbalistischen Schwärmers Diogo Pires oder Salomo Molcho ein. Er hatte sich vom Orient nach Italien begeben, um die messianische Sendung, die er in sich fühlte, oder die man ihm zugedacht hatte, zu vollbringen. Er wollte in der christlichen Welthauptstadt ohne Scheu vor Fürsten von der baldigen Erlösung sprechen. In Ancona, wo er mit einem Gefolge eingetroffen war (gegen Ende 1529),13 stellten ihm, wie er erzählte, einige Übelwollende nach; es waren wohl richtiger bedächtige Menschen, die von seinem Auftreten im Orient Kunde erhalten hatten, von seiner ungestümen Märtyrersucht Leiden für die Gesamtjudenheit oder wenigstens für die Marranen in Italien, Portugal und Spanien befürchteten und darum ihn beim Bischof von Ancona angaben, daß er als Neuchrist zum Judentum zurückgetreten sei. Der Kirchenfürst lud ihn vor sich und stellte ihn zur Rede. Molcho soll furchtlos eingestanden haben, er habe das Judentum vorgezogen, weil es die Wahrheit lehre. Der Bischof entließ ihn tatsächlich, als einen der Marranen, denen vom Papste und den Kardinälen [230] Bekenntnisfreiheit bewilligt worden war, ungefährdet, verbot ihm aber, gegen das Christentum zu predigen. Molcho hielt sich noch einige Zeit dort auf, seine Predigten wurden sehr besucht, selbst Geistliche und vornehme Christen fanden sich in der Synagoge dazu ein. Er führte auch eine öffentliche Disputation mit einem Prälaten, scheint aber dadurch seine Sicherheit gefährdet zu haben, und begab sich infolgedessen mit dem Herzog von Urbino, Francesco Maria della Rovere I., der sich von der Niederlassung der Marranen in seinem kleinen Staate Vorteile versprach, nach Pesaro. Es ließ ihm da aber keine Ruhe; er brannte vor Ungeduld, nach Rom zu reisen, um dort der Ankunft des Messias vorzuarbeiten. Molcho hatte aber keine klare Vorstellung von dem, was er eigentlich beginnen sollte. Er erwartete daher eine höhere Eingebung, die, wie er glaubte, nicht ausbleiben könnte. Mit Zurücklassung seiner Dienerschaft in Pesaro begab er sich, einem Traumgesichte zufolge, zu Roß allein nach Rom. Beim Anblick der ewigen Stadt, die Molcho gleich Luther für den Sitz des Antichrists hielt, übermannten ihn seine Gefühle, und er verfiel in ein inbrünstiges Gebet, in welchem er um die Sündenvergebung und die Erlösung Israels flehte. Da will er eine Stimme vernommen haben, welche in sein Gebet einfiel und ihm in Bibelversen andeutete: »Edom (Rom) wird Israels Erbe werden, sein Fuß wird wanken, Israel aber wird Sieg erringen.« In dieser Stimmung zog er abends in Roms Mauern ein, begab sich in eine christliche Herberge, gab vor, ungekannt eine Geliebte aufsuchen zu wollen, und bat den Wirt, ihn zu einer Verkleidung behilflich zu sein. Er ließ dann sein Roß und seine Kleider in der Herberge, zog Lumpen an, schwärzte sein Gesicht, umwickelte seine Füße mit schmutzigen Lappen und setzte sich unter das Bettelvolk an der Tiberbrücke, dem Palaste des Papstes gegenüber. Das sollte eine messianische Ausstaffierung sein; denn nach der Sage soll der Messias unter den Aussätzigen und Zerlumpten Roms weilen und von dort aus zum Triumphe erweckt werden. Dreißig Tage hintereinander führte der portugiesische Schwärmer ein solches Bettlerleben, aß kein Fleisch, trank keinen Wein, sondern begnügte sich mit der allerdürftigsten Kost und erwartete eine prophetische Verzückung.

In dieser Abspannung der Körperkräfte und in der Exaltation des Geistes fiel Molcho in einen tiefen Schlaf und hatte einen wirren Traum, der darum merkwürdig ist, weil er sich zum Teil buchstäblich erfüllt hat. Ein Greis war ihm erschienen, mit dem er schon öfter im verzückten Zustande verkehrt haben will, der ihn nach dem heiligen Lande versetzte, und er sah zwei Berge und Wesen in schneeweißen Gewändern, von denen eines eine Rolle in der Hand hielt, in welcher die Schicksale Roms verzeichnet waren, die mitzuteilen ihm aber verboten worden sei. Darauf fühlte er sich im Traume wieder an die [231] Tiberbrücke versetzt, sah zwei Vögel von verschiedener Größe und Farbe, von denen der eine (nach Erklärung des Greises) bedeuten sollte, es werde eine verheerende Wasserflut über Rom und über ein Nordland hereinbrechen, und ein Erdbeben werde sein Geburtsland Portugal in Schrecken setzen. Der kleinere Vogel deute an, daß die Flut keine allgemeine sein werde. Nach der Flut würden zwei Kometen mit goldenen Schweifen sichtbar werden, die über Rom einige Tage zu sehen sein würden, von denen wiederum der eine Gottes Zorn über das sündhafte Babel, der andere Gottes Gnade für Israel bedeuten solle. Der Greis verkündete Molcho ferner im Traume, daß er von seiten seiner Glaubensgenossen Verfolgungen erleiden werde. Nach sieben Monaten, wenn Molcho das dreißigste Jahr erreicht haben werde, werde er in einen höheren Grad treten und in Byssusgewand gehüllt sein, dafür, daß er sich freiwillig dem Tode geweiht. Dann solle er nach Rom zurückkehren, aber vor dem Eintreffen der Flut es wieder verlassen. Dann werde auf dem messianischen König der heilige Geist, der Geist der Weisheit und Einsicht ruhen, die Toten würden aus dem Staube erwachen, und Gott werde seinem Volke Ruhm verleihen.

Ermattet von der langen Kasteiung und dem wirren Traumgesicht schleppte sich Molcho des Morgens nach seiner Herberge, ruhte sich aus, entledigte sich seiner Verkleidung und begab sich ins Freie, um Juden zu begegnen (Februar 1530). Da er noch völlig unbekannt in Rom war, gab er sich, um der Angeberei von seiten seiner Gegner zu entgehen, für einen Boten des Salomo Molcho aus, der selbst in Pesaro zurückgeblieben sei. Er wurde aber dennoch erkannt und als aufwiegelnder Marrane dem Inquisitionstribunal denunziert. Mit dem Papste und einigen Kardinälen hatte er aber schon früher angeknüpft und ihnen die drohende Wasserflut verkündet. Clemens VII., der seit einigen Jahren den Leidenskelch gekostet und Demütigung erfahren hatte, wie nur wenig Päpste vor ihm, der seinen Todfeind Karl V. in Bologna zum König von Italien und römischen Kaiser hatte krönen müssen (22. bis 24. Februar 1530), dessen Verschwörungen und Verbindungen mit Frankreich und England sich als trügerisch erwiesen hatten, war nur allzu geneigt, auf Träume und Visionen zu hören. Es mögen noch andere unbekannte Beziehungen zwischen dem Papste und Molcho bestanden haben, in deren Folge jener diesem eine überraschende Gunst zuwendete.14 Er hatte Zutritt zum Papste und einigen judenfreundlichen Kardinälen, Egidio von Viterbo, dem Schwärmer für die hebräische Sprache, Elia Levitas Gönner, Parteigänger Reuchlins und der Humanisten, sowie auch zum Kardinal [232] Geronimo de Ghinucci, später zum Papste erwählt.15 Auch der Kardinal Lorenzo Pucci, Großpönitentiar der päpstlichen Kurie, der auch für Reuchlin Partei gegen die Dominikaner genommen hatte, war ihm zugetan. Während daher die päpstliche Polizei Molcho in den Toren Roms auflauerte, war dieser über die Mauer entkommen, zum Papste geeilt und hatte von ihm ein Sicherheitsschreiben (Breve) erlangt, daß ihm kein Leid zugefügt werden solle.

Damit versehen, kehrte Molcho heimlich nach Rom zurück (Mai?), trat an einem Sonnabend plötzlich in der Hauptsynagoge auf und predigte über den Text eines Prophentenabschnittes zum Erstaunen aller Anwesenden. Seine Anhängerschaft wuchs in Rom so sehr, daß er bis zum Herbste unangefochten jeden Sabbat in den Synagogen predigen durfte; er begeisterte seine Zuhörer förmlich, ohne jedoch seine Gegner entwaffnen zu können. Pires-Molcho war der jüdische Savonarola. Von seinem Traumgesichte sprach er mit unumstößlicher Gewißheit und ließ sogar dem Könige von Portugal durch den Gesandten Bras Neto das Lissabon bedrohende Erdbeben ankündigen, damit er Vorkehrungen treffen könne. Molcho selbst war so sicher vom Eintreffen der Wasserflut überzeugt, daß er sich beim Herannahen derselben nach Venedig begab; dort veranstaltete er den Druck neuer kabbalistischer Auslegungen. Mit David Rëubeni, der inzwischen von Avignon nach Italien zurückgekehrt war, kam Molcho wieder zusammen. Beide sahen einander erstaunt an und erwarteten voneinander Wunderdinge. Einer wollte durch den andern zu der erhabenen Rolle gehoben werden. Sie waren beide in Verlegenheit. Molcho erkannte bei dieser Gelegenheit die schwindelhafte Aufschneiderei seines früher bewunderten Meisters. Er glaubte ihm nicht mehr, daß er unwissend sei, sondern war überzeugt, daß er sich nur, um die Leute zu täuschen, unwissend stellte; als Prinz von Arabien durfte er keine talmudische und kabbalistische Gelehrsamkeit besitzen. Molcho widerrief sogar seine früheren eigenen Aussagen, als wenn er Davids Botschafter gewesen wäre: »Ich will die Wahrheit vor dem Schöpfer des Himmels und der Erde bekennen, daß meine Beschneidung und mein Aufgeben der Heimat nicht auf Anraten von Fleisch und Blut (David), sondern im besonderen Auftrage Gottes geschehen ist«. Trotzdem ordnete sich Molcho ihm noch immer unter. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß Molcho ein betrogener Schwärmer, dagegen David ein Abenteurer war, der es auf Blendwerk abgesehen hatte. Nachdem sein Versuch, [233] den König von Portugal und Karl V. für seine chimärischen Pläne zu gewinnen, mißlungen war, hatte er sich nach Venedig begeben, um die Beherrscher der noch immer mit dem Morgenlande in Verbindung begriffenen Republik günstig dafür zu stimmen. Merkwürdigerweise fand er auch hier Anklang. Er wohnte im Palast eines Grafen, und der venezianische Senat schickte einen Länderkundigen an ihn, um ihn über Pläne und Mittel zu Eroberungen im Morgenlande zu befragen (1530).16

Beide wurden indessen von nüchternen Juden, welche Gefahr für sich und die Judenheit fürchteten, verfolgt. Molcho geriet noch dazu in Venedig in eine Privatgegnerschaft mit dem wissensreichen, aber wenig gewissenhaften Arzt Jakob Mantin (o. S. 41). Dieser hatte einen Streit mit einem andern Arzte, dem mehr talmudischgelehrten Elia Menahem Chalfon.17 Molcho wollte eine Versöhnung zwischen beiden zustande bringen, Mantin war aber nicht dazu zu bewegen und übertrug seinen Haß gegen seinen Gegner auch auf ihn, klagte ihn bei der venezianischen Behörde an und brandmarkte seine Verkündigungen als Zauberei. Molcho wurde sogar in Venedig durch jüdische Hände vergiftet und verfiel dadurch in eine schwere Krankheit.

Indessen traf die von ihm verkündete Überschwemmung in Rom wirklich ein, verwandelte Rom in einen reißenden See und richtete große Verheerungen an (8. Oktober 1530).18 Merkwürdigerweise war von der jüdischen Bevölkerung bei der Flut nur eine alte Frau umgekommen. Auch die Überschwemmung im Norden, die Molcho im Traume gesehen, war eingetroffen. Flandern erlitt (November) das Schicksal Roms. Auch ein glänzender Komet erschien mit großen Feuerstrahlen, daß es schien, als wenn der Himmel sich öffnete. In Portugal erzitterte die Erde dreimal und das Erdbeben zerstörte [234] in Lissabon viele Häuser und begrub viele Menschen unter den Trümmern (26. Januar 1531). In Santarem wären die Marranen damals um ein Haar Opfer des aufgeregten Fanatismus geworden. Die blindgläubige und fanatisierte Bevölkerung betrachtete das Erdbeben als Strafe des Himmels wegen der Duldung der Neuchristen und wollte deren Häuser stürmen. Es gelang aber dem Dichter Gil Vicente durch ernste und scherzende Reden sie davon abzubringen.19

Nach der Überschwemmung Roms war Molcho wieder in dieser Stadt erschienen. Hier wurde er wie ein Prophet verehrt. Der Papst, dem er die Unglücksfälle vorher verkündet hatte, schien ihn ins Herz geschlossen zu haben; er erwies ihm förmliche Ehrenbezeugungen. Der portugiesische Gesandte, Bras Neto, sagte ihm, wenn der König von Portugal wüßte, daß Molcho ein so gottgefälliger, zukunftskundiger Mann sei, würde er ihm gestattet haben, in seinem Staate zu leben. Gerade in dieser Zeit hatte dieser Gesandte von seinem Fürsten den Auftrag erhalten, vom päpstlichen Stuhle ganz im Geheimen eine Bulle zur Einführung der Inquisition in Portugal gegen die Marranen zu erwirken. Es war ein sehr ungünstiger Augenblick dafür gewählt. Die Sache wurde dem Großpönitentiar Kardinal Lorenzo Pucci zur Entscheidung vorgelegt. Aber dieser, sowie der Papst Clemens, von Salomo Molcho beeinflußt, waren gleich anfangs entschieden dagegen.20 Pucci bemerkte dem portugiesischen Gesandten geradezu, der König von Portugal habe es, wie die Könige von Spanien, mehr auf die Reichtümer der Marranen, als auf die Reinheit des Glaubens abgesehen. Möge er ihnen lieber erlauben, frei nach ihren Gesetzen zu leben, und nur diejenigen bestrafen, welche, freiwillig den Katholizismus bekennend, dann wieder zum Judentume zurückfallen sollten.21 Bras Neto konnte für den Augenblick nichts ausrichten. Er fürchtete sich geradezu vor Molchos Einfluß beim Papste und mußte seine Schritte geheimhalten, damit es die Marranen in Portugal nicht erführen und Summen an Molcho sendeten, um die Umgebung des Papstes noch mehr zu gewinnen, gegen die Einführung der Inquisition zu arbeiten.22

Inzwischen wurde Molcho von seinen eigenen Glaubensgenossen und besonders von seinem Feinde, Jakob Mantin, aufs hartnäckigste verfolgt. Dieser Rachsüchtige begab sich eigens zu dem Zwecke von Venedig nach Rom, das Verderben dessen, den er ohne Grund haßte, zu betreiben. Er stellte gewissermaßen den portugiesischen Gesandten [235] zur Rede, daß er einen ehemaligen Christen aus Portugal, der gegen das Christentum predige, frei in Rom einherwandeln ließe. Da ihm der Gesandte kein Gehör schenkte, wendete sich Mantin mit derselben Anklage an die Inquisition, brachte Zeugen aus Portugal, die aussagten, daß Salomo Molcho früher als Christ in Portugal gelebt, und bewirkte, daß der Angeklagte vor die Kongregation geladen wurde. Molcho legte hierauf dem Inquisitionsgericht seinen vom Papste erhaltenen Freibrief vor und glaubte, darauf gestützt, unbelästigt zu bleiben; allein die Richter rissen ihn ihm aus den Händen, begaben sich damit zum Papste und hielten ihm das Ungebührliche vor, daß er einen Verhöhner des Christentums schütze. Clemens erwiderte, er brauche Molcho zu einem geheimen Zwecke und wünsche, daß man ihn unbehelligt lasse. Als die Inquisition von der Anklage abstehen wollte, brachte Mantin neue Punkte gegen ihn vor. Er wußte sich den Brief zu verschaffen, den Molcho einige Jahre vorher von Monastir aus über sein früheres Leben und seinen Rücktritt zum Judentum an Joseph Taytasak geschrieben hatte, übersetzte ihn ins Lateinische und legte ihn dem Tribunal vor. Da dieser Brief ohne Zweifel Schmähungen gegen Edom, d.h. gegen Rom und das Christentum enthielt, so mußte die Inquisition darauf eingehen, und auch Clemens durfte sich nicht mehr der Anklage desselben widersetzen. Die Kongregation machte hierauf Molcho den Prozeß und verurteilte ihn zum Feuertode. Ein Scheiterhaufen wurde angezündet, der eine große Volksmenge herbeilockte. Ein Verdammter wurde im Büßerhemd herbeigeführt, ohne Umstände ins Feuer geworfen, und ein Richter zeigte dem Papste an, daß der Glaubensakt durch den Tod des Verbrechers geschehen sei. Das Erstaunen des Richters und der Zeugen der Hinrichtung soll groß gewesen sein, als Salomo Molcho in den Zimmern des Papstes lebend angetroffen wurde.

Clemens soll nämlich, um seinem Schützling das Leben zu retten, einen andern untergeschoben haben, der den Scheiterhaufen bestiegen habe, während Salomo Molcho in den päpstlichen Gemächern verborgen gehalten worden sei. Dies soll der Papst selbst dem betretenen Richter mitgeteilt und ihm Stillschweigen über die Sache auferlegt haben, damit die Aufregung unter Christen und Juden nicht neue Nahrung erhalten solle.23 Salomo Molcho war gerettet; aber er durfte nicht länger in Rom weilen; das sah er selbst ein und bat den Papst ihn zu entlassen. Unter Begleitung einiger treuer Diener des Papstes ritt Salomo Molcho Nachts aus Rom (Februar oder März 1531). Wohin er sich begab, ist nicht bekannt, vielleicht nach Bologna, wo er auch öfters öffentlich gepredigt hat.24 Alle diese Vorgänge [236] berichtete Molcho selbst in einem Sendschreiben an seine Freunde im heiligen Lande und beglaubigte sie durch Zeugnisse von den römischen Gemeindevorstehern und durch Aussagen von Personen, denen er das Schreiben übergeben hatte. Es ist also an der Wahrheit derselben nicht zu zweifeln. Er fügte in dem Sendschreiben hinzu, er habe noch mehr Verfolgungen und Schikanen von Juden erlitten, als er beschrieben, er wolle jedoch die Namen und Untaten seiner Feinde aus Schonung nicht nennen. Er erwarte die Zeit, in welcher Gott an ihm Wunder tun werde; denn es sei gerade jetzt die Zeit der Gnade und der Liebe.25

Nach Molchos Entfernung aus Rom und besonders nach dem Tode des ihn und die Marranen besonders begünstigenden Kardinals Lorenzo Pucci (August 1531) trat eine andere Stimmung in Betreff der Marranen ein. Ein neuer portugiesischer Unterhändler Luiz Alfonso erlangte vom Papste, der dazu vom Kaiser Karl und von dem Großpönitentiar, Antonio Pucci, Nachfolger seines Oheims, gedrängt wurde, die so lang erbetene Bulle zur Einführung der Inquisition (ausgestellt 17. Dezember 1531), obwohl die Kardinäle Egidio von Viterbo und Geronimo de Ghinucci sich dagegen ausgesprochen hatten. Als schämte sich dieser milde Papst, seine ehemaligen Schützlinge verfolgen zu lassen, gesellte er ihnen die Lutheraner zu.26 Er war aber darauf bedacht, daß nicht die glaubenswütigen Dominikaner Gewalt über die Marranen erlangten. Ein Franziskaner, der milde gesinnte Beichtvater des Königs, Diogo de Silva, wurde zum Generalinquisitor von Portugal ernannt. Indessen wurden doch drei Bluttribunale errichtet, in Lissabon, Evora und Coimbra, und sie nahmen sich die spanischen von Torquemado eingeführten und von Nachfolgern verbesserten, d.h. noch grelleren Konstitutionen, zum Muster. Die portugiesischen Marranen waren noch viel schlimmer daran als die spanischen, nachdem der König und die Granden ihnen ihre Gunst entzogen hatten; sie waren beim Volke längst so verhaßt, daß auch ehrbare Christen aus Fanatismus umherspähten, um sie anzugeben, während in Spanien Spione dafür gewonnen werden mußten.27

Als die Inquisition ihre fluchwürdige Arbeit beginnen sollte, dachten viele Marranen natürlich an Auswanderung. Aber wie schwer wurde ihnen die Flucht! Es ging ihnen wie ihren Vorfahren beim Auszuge aus Ägypten, hinter ihnen her die Feinde, vor ihnen das Meer mit seinen Gefahren und Schrecknissen. Es wurde ein Gesetz erlassen (14. Juni 1532), welches ihnen das Auswandern nach Afrika [237] und selbst nach den portugiesischen Besitzungen aufs strengste verbot. Den Schiffskapitänen wurde bei Todesstrafe verboten, Marranen zu transportieren, und sämtlichen Christen wurde untersagt, Grundeigentum von Neuchristen zu kaufen; diese durften ihre Habe nicht nach dem Auslande versenden und keine Wechsel im Lande ausstellen.28 Nichtsdestoweniger rüsteten sich viele von ihnen heimlich zur Auswanderung, »fliehend das Land, welches die Giftschlange (Inquisition) berührt hatte; aber ehe sie noch das Schiff betraten, wurden sie von ihr mit Frauen und Kindern ergriffen und in düstere Kerker und von da zum Feuer geschleppt. Andere, ehe sie noch das Fahrzeug erreicht hatten, das sie in Sicherheit bringen sollte, gingen in den Meeresfluten unter. Viele von ihnen wurden aus den geheimsten Verstecken hervorgezogen und in den züngelnden Flammen verbrannt.29 – Diejenigen, welche aus dieser Angst und Gefahr den Klauen des blutdürstigen Tieres entgangen waren, fanden in den fremden Ländern keine Erleichterung, gefangen in Flandern, angehalten in Frankreich, übel aufgenommen in England. Bei solcher Quälerei verloren viele ihre Habe und dadurch auch ihr Leben. Diejenigen, welche Deutschland erreichten, kamen auf den Alpen durch äußerstes Elend um und hinterließen Frauen dem Gebären nah, die auf verlassenen und kalten Straßen Kinder zur Welt brachten und eine neue Art von Unglück erduldeten.«

Als wenn solche Mühsale noch nicht genügten, erhob sich gegen sie in Italien ein grausiger Verfolger. Giovannidella Foya erwartete die Flüchtigen im Gebiete von Mailand und nahm ganze Wagen voll von ihnen gefangen. Da seine Gewalt sich nicht soweit erstreckte, sie zu töten, beraubte er sie des letzten Gewandes und unterwarf schwache Frauen und gebrechliche Greise tausend Folterqualen, damit sie entdeckten, was sie bei sich führten und andere verrieten, welche nachkommen sollten, um auch sie zu erwarten und anzuhalten. So von allem entblößt, ließ er sie in äußerster Verzweiflung und Elend. Waren sie der Giftschlange entkommen, fielen sie in die Krallen noch grausamerer Wesen.30 – Indessen stellten die Marranen deswegen [238] ihre Fluchtversuche nicht ein, sondern betrieben sie nur mit noch größerer Vorsicht. Es blieb ihnen kein anderer Ausweg; ihr Anrufen der Gerechtigkeit, der Menschlichkeit und ihrer verbrieften Privilegien fand nur taube Ohren beim Kabinet.

Die nach Rom entkommenen Marranen führten daher beim Papst Clemens bittre Klagen über die Unmenschlichkeit, mit der die Inquisition sie und ihre Brüder verfolgte, und machten auch geltend, daß die Bulle, welche er erlassen, vom König lediglich erschlichen sei, da dem päpstlichen Konsistorium der Tatbestand nicht im richtigen Lichte bekannt gewesen sei. Sie beklagten sich ganz besonders darüber, daß ihnen trotz der ihnen zugestandenen Gesetzesgleichheit das Auswandern untersagt sei. Clemens VII., der ohnehin Reue darüber empfand, die Bulle erlassen zu haben, wozu er gewissermaßen gedrängt worden war, ging auf die Beschwerde ein. Er mochte auch fühlen, wie die katholische Kirche durch die Scheiterhaufen der Inquisition, angewendet auch auf solche, die nicht dazu gehören wollten, gebrandmarkt wurde, was den Lutheranern noch mehr Stoff gab, ihre feindseligen Angriffe auf dieselbe fortzusetzen, sie als blutdürstig zu schildern und verhaßt zu machen. Außerdem wußte er recht wohl, daß die Inquisition in Portugal nur auf Betrieb Spaniens und seines Erzfeindes, des Kaisers Karl, eingeführt war, um dadurch die Abhängigkeit Portugals von demselben noch fester zu begründen. Clemens ging daher mit dem Plane um, die Bulle zu widerrufen. In dieser Zeit nahmen Salomo Molcho und Rëubeni – der in Venedig einen Wink erhalten hatte, es zu verlassen – ihre mystische Tätigkeit wieder auf und faßten den abenteuerlichen Plan, sich zum Kaiser nach Regensburg zu begeben, wo damals der Reichstag versammelt war. Welchen Zweck wollten der Schwärmer und der Abenteurer damit verfolgen? Ob im Interesse der Marranen, oder richtiger, den Kaiser zu bewegen, mit Hilfe der Marranen in Spanien und Portugal und mit dem Heere des angeblich jüdischen Königs in Arabien die Türkei zu bekriegen? Mit einer fliegenden Fahne,31 worin die Buchstaben Machbi (Anfangsbuchstaben des Verses: »Wer ist unter den Mächtigen Dir gleich, Herr«), reisten beide von Bologna nach Regensburg, dem Aufenthaltsorte des Kaisers. Hier trafen sie mit Joselin von Roßheim zusammen, dessen rastlose Tätigkeit zur Abwendung neuer Übel von seinen Glaubensgenossen ihn nötigte, das Hoflager [239] des Kaisers Karl oder des Königs Ferdinand von Österreich aufzusuchen. Der Gegensatz dieser beiden Männer, Molcho und Joselin, obwohl beide demselben Stamm angehörten, beide für das Heil ihrer Stammesgenossen und ihres Bekenntnisses glühten und bereit waren, den Märtyrertod dafür zu erleiden, war scharf ausgeprägt. Pires-Molcho war äußerlich nicht als Jude zu erkennen, trug die abendländische Tracht, konnte sich in der damaligen Weltsprache verständlich machen und trug als Sendbote einer erträumten Mission den Kopf hoch. Joselin dagegen ging in der jüdischen Tracht einher mit schändendem Judenabzeichen, konnte sich nur der deutschen Sprache im Elsässer Dialekt bedienen und trat demütig und gebeugt auf, wenn er etwas durchsetzen wollte. Jener von hochfliegenden Plänen erfüllt, schwärmte für die Erreichung eines großen Zieles, die messianische Erlösung Israels herbeizuführen, und dieser, nüchtern und die augenblickliche Lage in Rechnung ziehend, arbeitete nur daran, das Erreichbare zu erzielen.

Mit seiner Nüchternheit und seiner demütigen Haltung hatte Joselin der Judenfeindlichkeit von Städten und Mächtigen entgegengearbeitet. Während des wilden Bauernkrieges, als die Leibeigenen und nichtzünftigen Arbeiter fast den Juden gleich von Gutsherren und Patriziern bedrückt, und auf die von Luther verkündete evangelische Freiheit vertrauend, im Elsaß, Süddeutschland, Franken und Thüringen, das Joch ihrer Zwingherren abzuschütteln versucht hatten, kamen die Juden zwischen zwei Feuer. Von der einen Seite beschuldigte sie der Adel und die vornehmen Städte, daß sie mit ihrem Gelde die aufrührerischen Bauern unterstützten und aufreizten32 und von der andern Seite überfielen sie die Bauern als Beförderer des Adels und der Reichen. Schwerlich haben sie den Rittern Hilfe geleistet, da diese ihre Erbfeinde waren. Ein deutsches Sprichwort sagte damals: »Ein reicher Jud und ein armer Edelmann sind nicht gut beieinander«.33 Gewiß waren aller Hände gegen sie. Balthasar Hubmaier, jener fanatische Priester, welcher die Verbannung der Juden aus Regensburg betrieben hatte (o. S. 181), war Ratgeber der Schwarzwälder Bauernhaufen und wahrscheinlich Verfasser der zwölf Forderungen (Artikel), welche die Bauern geltend ge macht haben. Er war nach seinem Abfall vom Katholizismus nicht milder und menschlicher, ja als Anhänger der Wiedertäufer noch fanatischer geworden. Wahrscheinlich hat er die Bauern gegen die Juden gehetzt. Der Haufen im Rheingau hatte die Forderung aufgestellt, daß kein Jude in dieser [240] Gegend wohnen und hausen sollte.34 In einigen Landstrichen hatten sie bereits tätliche Angriffe auf Juden gemacht. Diese wären in den Gegenden, wo Sieger und Besiegte schonungslos wüteten, vertilgt worden, wenn nicht Joselin ihnen einige Hilfe gebracht hätte. Er suchte geradezu die Löwenhöhle auf. Er begab sich zu den Führern der Bauern im Elsaß, Hans von der Matten, Erasmus Gerber, Georg aus Roßheim und anderen, welche sich beim Kloster Alttorf in der Nähe von Roßheim aufhielten, und gewann sie durch sein Wesen und seine Geldmittel so sehr, daß sie versprachen, die Juden im Elsaß unangefochten zu lassen. Er erlangte noch von ihnen ein Schreiben an andere Haufen, daß sie den Juden kein Leid zufügen sollten, und erhielt auch Sicherheitsgeleite für jüdische Wanderer. Die Elsasser Führer ließen durch Herolde bekannt machen, daß sich keine Hand gegen Juden erheben sollte.35 Mit seinem rastlosen Eifer hatte Joselin seinen Wohnort Roßheim vor Zerstörung und Plünderung gerettet. Er hatte von den Führern erfahren, daß die Bauern am nächsten Tag einen Überfall der Stadt planten. Bei seiner Heimkehr in tiefer Nacht weckte er die Bürgermeister, sich eiligst zu dem Haufen zu begeben und ihn durch Unterwerfung und Leistung zu beschwichtigen; aber der eine Ratsmeister zitterte vor Angst, und der andere mochte den Schritt nur in Joselins Begleitung tun. Die Führer ließen sich darauf durch Bitten und Tribut für Schonung gewinnen. Auf dem Rückwege dankte der Bürgermeister dem jüdischen Anwalt für seinen Dienst und sprach: »Du und Deine Kinder sollen die Früchte Deiner Wohltat genießen«. Aber die Väter der Stadt haben sie ihm schlecht vergolten.36

Zwei erlogene Anklagen drohten, die Vertilgung der Juden in Deutschland und den Nebenländern herbeizuführen. Der Sultan Suleiman der Große hatte die Zwietracht in der Christenheit infolge der Reformation benutzt, um weite Eroberungen zu machen. Die Türken hatten bereits Ungarn überschwemmt, Ofen genommen und waren bis vor die Mauern Wiens vorgedrungen. Da hieß es, die Juden wären an der Niederlage der christlichen Heere schuld, sie hätten den Türken Spionendienste geleistet. Auf der andern Seite hatte der [241] Bauernkrieg einen großen Teil von West-, Süd- und Mitteldeutschland zerrüttet. Städte und Dörfer waren in Not geraten. Um sich ein wenig aufzuraffen, brauchten sie Barschaft, und diese verlangten sie von jüdischen Geldbesitzern auf Zins. Da sie aber nicht mit dem Gelde haushälterisch umzugehen verstanden und nicht Zahlung leisten konnten, erhoben die christlichen Schuldner ein lautes Geschrei über die Wucherei der Juden. Schon hatte Kaiser Karl und sein Bruder König Ferdinand den Beschluß gefaßt, sie deswegen aus ganz Deutschland, Böhmen und Ungarn zu verjagen, als es dem rastlosen Joselin abermals gelang, die Herrscher von der Ungerechtigkeit der Anschuldigung zu überzeugen. Er war auf dem Reichstag in Augsburg vor zahlreicher Versammlung erschienen, wo die Entzweiung der Christenheit ausgeglichen werden sollte, und er hatte die Freude, daß die beiden königlichen Brüder Karl und Ferdinand seine Verteidigung anhörten und die Vertreibung der Juden verboten.37

Joselin von Roßheim erlangte auch in Regensburg von den Herrschern die Bestätigung der Privilegien, welche Kaiser Sigismund den Juden gewährt hatte, daß sie unangefochten bleiben und Freizügigkeit genießen sollten und besonders, daß es den Handeltreibenden unverwehrt sein sollte, Frankfurt a.M. zur Messe zu besuchen. Auch regelte Kaiser Karl die Verhältnisse des Darlehns und die Zinsnahme, um Klagen wegen Wuchers zu verhüten.38 Bis nach Flandern und Brabant, wo keine Juden wohnten wo er sich nur kümmerlich ernähren konnte, war Joselin dem Kaiser nachgereist, hatte eine geheime günstige Audienz bei ihm und konnte ein Gewebe von neuen Anschuldigungen gegen seine Stammesgenossen zerreißen. Während der Monate, die Joselin in den Niederlanden weilte, hat er eine Art Erbauungsbuch verfaßt.39

Als Joselin in Regensburg, wohin abermals, um den Schmalkaldischen Bund der Protestanten zu sprengen, ein Reichstag ausgeschrieben war (1532) den Kaiser aufgesucht hatte, um neue judenfeindliche Bestrebungen zu vereiteln, traf er mit Salomo Molcho zusammen. Der nüchterne Verteidiger der Juden und der kabbalistisch-messianische Schwärmer konnten einander nicht verstehen. Joselin schrieb dringend an den marranischen Apostel, den Kaiser nicht zu reizen, da die Schwärmerei ihm und der Judenheit zum Nachteil ausschlagen würde. Da sich aber Molcho nicht warnen ließ, reiste Joselin eiligst ab, um nicht der Teilnahme verdächtigt zu werden.40 Das Ende war, daß der [242] Kaiser Molcho und seinen bösen Geist, David Rëubeni, in Fesseln schlagen ließ. Er führte darauf beide gebunden mit sich auf seiner Reise nach Mantua. Die Fahne blieb in Regensburg zurück. In Mantua ließ der Kaiser ein Glaubensgericht zusammentreten, und dieses verurteilte Molcho als Abgefallenen und Ketzer zum Feuertode. Während der Kaiser sich seinen Aufenthalt in Mantua durch Triumphe, Feste, Jagden, Komödienspiel und Lustbarkeiten aller Art angenehm machte, wurde der Scheiterhaufen für den Marranen aus Lissabon, Diogo Pires oder Salomo Molcho angezündet. Mit einem Knebel im Munde wurde er dahin geführt. Denn seine Beredsamkeit war so hinreißend, daß der Kaiser und das Tribual den Eindruck derselben auf die Menge fürchteten, wenn er seine Zunge hätte gebrauchen können. Darum verurteilten sie ihn zum Schweigen. Doch als die Henkersknechte schon bereit waren, ihn in die lodernde Flamme zu werfen, kam ein Bote des Kaisers, löste ihm den Knebel und fragte ihn in dessen Namen, ob er sein Verbrechen bereue und in den Schoß der Kirche zurückkehren wolle, in diesem Falle solle er begnadigt werden. Molcho erwiderte darauf, wie zu erwarten war, da er sich gewissermaßen nach dem Märtyrertode gesehnt hatte, er wolle »als angenehmes Ganzopfer auf dem Altar des Herrn aufsteigen.« Seine Antwort lautete, er bereue nur eines, in seiner Jugend Christ gewesen zu sein. Man möge mit ihm nach Belieben verfahren, er hoffe, daß seine Seele in Gott eingehen werde. Darauf wurde er auf den Scheiterhaufen geworfen und starb seelenstark (November/Dezember 1532).41

Molcho fiel, ein Opfer seiner Phantasterei und seines Wahnes, in den er sich in stetem Kampfe mit der Wirklichkeit hineingeträumt hatte. Die reichen Gaben, welche die Natur ihm verliehen hatte: Schön heit, glühende Einbildungskraft, Fassungsgabe, Begeisterungsfähigkeit, die für eine minder phantastische Persönlichkeit Staffeln zum Glücke gewesen wären, brachten ihm nur Verderben, weil er, in den Wirbel der Kabbala hineingerissen, damit das Erlösungswerk vollbringen zu können vermeinte. – David Rëubeni erhielt nicht einmal den Glorienschein des Märtyrers. Karl ließ ihn nach Spanien bringen und ihn in einen Kerker der Inquisition werfen, wo er drei Jahre später noch lebte. Er soll zuletzt durch Gift aus dem Wege geräumt worden sein.42 Das Glaubenstribunal hatte keine Gewalt über [243] ihn als Juden. Aber von den Marranen in Spanien, welche mit ihm verkehrt hatten, und deren Namen er vielleicht auf der Folter angegeben hatte, wurden manche verbrannt.43 – So groß war indes die Begeisterung für Molcho, daß der Wahnglaube auch nach seinem Tode sich an ihn heftete und allerlei Fabeln über ihn erdichtete. In Italien und der Türkei glaubten viele, er sei auch diesem Feuertode, wie schon früher einmal, wunderbar entronnen. Einige wollten ihn acht Tage nach dem an ihm ausgeführten Auto-da-fé gesehen haben. Andere gaben vor, er habe noch seine Braut in Safet besucht. Joseph Karo, dessen Name bald einen weiten Klang haben sollte, sehnte sich nach demselben Märtyrertum wie Molcho.44 Selbst der besonnene, dem Wunderglauben abholde Geschichtsforscher Joseph Kohen aus Genua war betroffen und wußte nicht, was von der Sache zu halten sei.45 Ein italienischer Kabbalist, Joseph aus Arli,46 gab die Hoffnung nicht auf, daß die von Molcho verkündete und angeregte messianische Zeit bald anbrechen werde. Molchos Feuertod werde bald seinen Rächer finden. Durch die Spielerei von Versetzung der Buchstaben zweier jesaianischer Verse (Notaricon) deutete er den Untergang der Jesusreligion aus mancherlei Zeichen: aus Luthers Auftreten, aus den vielen neuen christlichen Sekten, die sich damals bildeten, aus der Plünderung, welche Rom erfahren, und aus der feindlichen Stellung des Papstes und des Kaisers zueinander: »Unser Heil wird eintreten, wenn der Glaube an Jesus zur Erde fallen wird durch die verschiedenen neuen Glaubensbekenntnisse; Martin wird Neuerung einführen gegen Völker und Fürsten; denn seine Herrschaft wird stark sein. Rom wird der Plünderung preisgegeben sein, die Götzen (Heiligenbilder) werden für immer zerstört. – Wenn Luther auftreten wird, wird Deutschland geeint sein, er wird sehen, und verachten Clemens, sein Reich, seine Priester und Götter, auch Rache wird er üben und Gemetzel. Fallen wird der Blödsinn des Frevels, seine Torheit wird der Himmel offenkundig machen im vierten Jahre, seit er selbst die Plagen der Zerstörung herbeiführt, zu füllen die Stadt Bologna mit Kriegsleuten, als seine Hände die Krone Roms aufgesetzt haben nach Wunsch und Willen des Kaisers, des Spaniers. Kriegsverhängnisse, außerordentliche Übel, Umwälzungen, Umkehr der Ordnung; dann wird das Unglück sich wälzen, das Verbrennen Molchos [244] zu rächen. Israel niedergeworfen und verbannt, fünf Schiffe von den Zehnstämmen werden es erheben zu seiner Herrlichkeit, um zu retten die Heiligkeit seines Ebenbildes. Salomos (Molcho) Gestalt wird der Feind erblicken. Diese Geheimnisse sind für Israel, Heil hat Gott verkündet, Heilung für Israel.« Es war ein wenig Sinn in diesem Unsinn.

Der Kabbalist aus Arli war auf den Papst Clemens nicht gut zu sprechen; aber mit Unrecht, denn dieser hatte gewiß an Molchos Tod keine Schuld, im Gegenteil, es war nur ein Schachzug des Kaisers, von den beiden Günstlingen des Papstes den einen hinrichten und den andern einkerkern zu lassen. Clemens scheint aber einen Gegenzug gemacht zu haben. Er arbeitete daran, jene so verhängnisvolle Bulle – nach jahrelangem Widerstand zur Einführung der Inquisition in Portugal bewilligt – zu widerrufen oder wenigstens ihre Wirkung zu mildern. Die Marranen wußten das und machten alle Anstrengungen, die päpstliche Kurie für sich zu gewinnen. Sobald sie einsahen, daß auf Salomo Molcho, ihren wirksamsten Verteidiger, nicht mehr zu rechnen war, hatten sie einen andern nach Rom abgesandt, der ihre Klagen vor den Papst bringen und ihre Sache vertreten sollte. Dieser neue Sachwalter der Marranen, Duarte de Paz, war völlig entgegengesetzter Natur als Molcho, ein nüchterner Kopf, fern von jeder Schwärmerei, schlau, berechnend, beredt und kühn, eingeweiht in alle Schliche damaliger Diplomatenkünste, ein tiefer Menschenkenner, der die menschliche Schwäche zu nutzen verstand. Duarte de Paz, welcher fast acht Jahre die Angelegenheiten der portugiesischen Neuchristen in Rom leitete, war selbst von marranischer Abstammung und hatte durch Dienste, die er in Afrika dem portugiesischen Hof geleistet – wobei er ein Auge verloren hatte – eine angesehene Stellung und das Vertrauen des Königs João III. erlangt. Von diesem zu einer geheimen Sendung auserwählt, und dafür im voraus am Tage der Abreise mit dem Grade eines Ritters des Christusordens beehrt (auch Commendatore betitelt), begab er sich nicht nach dem ihm angewiesenen Platze, sondern nach Rom, um für die Marranen zu arbeiten. Duarte de Paz hat aber die Fäden seiner Intrigen so sehr verschlungen, daß man nicht mehr genau ermitteln kann, ob er den König oder die Marranen hinters Licht geführt hat.47 An Geld ließen es seine Klienten, [245] die Marranen, nicht fehlen, mittels dessen der päpstliche Hof für Recht und Unrecht zu gewinnen war. Trotz der Gegenminen des Antonio Pucci, Kardinals de Santiquatro, der im Gegensatz zu seinem Oheim es mit dem portugiesischen Hofe gegen die Marranen hielt, erlangte Duarte de Paz wesentliche Erfolge seiner Bemühung und Spenden. Clemens war wiederum überzeugt von dem himmelschreienden Unrechte, das den Neuchristen widerfuhr, von den mit brutaler Gewalt zur Taufe Geschleiften katholische Rechtgläubigkeit zu verlangen, und besonders, daß ihnen die Freiheit genommen wurde, Reisen außerhalb Portugals zu machen. Infolgedessen erließ der Papst eine Breve (17. Oktober 1532), wodurch er bis auf weiteres das Verfahren der Inquisition einstellen ließ.48 Duarte de Paz arbeitete noch weiter daran, eine allgemeine Verzeihung für die angeklagten und eingekerkerten Marranen zu erwirken (7. April 1533). Eigen ist es, daß der portugiesische Hof, der durch seinen Parteigänger Antonio Pucci auf die in Aussicht stehende Begünstigung der Marranen aufmerksam gemacht wurde, lange Zeit so gut wie nichts dagegen getan hat. Ein außerordentlicher Gesandter, Martinho de Portugal, Erzbischof von Funchal, wurde zwar für Rom neben Bras Neto ernannt, vielleicht diesen zu überwachen; aber er verzögerte den Antritt seines Postens. Es scheint, daß am Hofe Joãos III. selbst Intrigen zugunsten der Marranen im Spiele waren, was nicht durchweg auf Rechnung der großen Summen zu setzen ist, welche diese ausgestreut haben, um die Inquisition zu vereiteln. Die Partei, welche für die Inquisition arbeitete, hielt es nämlich mit Spanien und war im voraus darauf bedacht, bei der voraussichtlichen Kinderlosigkeit des Königs die portugiesische Krone mit der spanischen zu vereinigen. Dagegen[246] scheint die nationale Partei, welche die Selbständigkeit Portugals gewahrt wissen wollte, gegen die Inquisition eingenommen gewesen zu sein. Daher die Minen und Gegenminen, welche mehrere Jahre ins Werk gesetzt wurden. Der Herzog von Braganza, Don Jayme, stand mit Duarte de Paz' Vater, einem noch im Judentume geborenen Marranen, in geheimem Briefwechsel, gewiß in Angelegenheiten der Inquisition.49 Es ging so weit, daß der vom Papste selbsternannte Großinquisitor Diogo de Silva erklärte, er wolle die große Verantwortlichkeit nicht übernehmen und seine Stelle niederlegte.50

Der schlaue Duarte de Paz scheint, um vom König die Geheimnisse in Betreff der Schritte gegen die Neuchristen zu erfahren, ein sehr kühnes Spiel eingefädelt zu haben. Mit dem portugiesischen Gesandten hatte er sich auf einen guten Fuß zu setzen gewußt, und er wagte sich sogar in die Löwenhöhle. Mit João III. selbst knüpfte er eine geheime Korrespondenz an,51 entschuldigte seinen kleinen Ungehorsam, des Königs Sendung vernachlässigt zu haben und nach Rom gegangen zu sein, und rechtfertigte sein Benehmen in Rom mit der Erklärung, er habe das alles im Dienste des Königs getan. Durch kleine Verrätereien von dem, was am päpstlichen Hofe damals vorging, und durch Enthüllungen dessen, was in Lissabon Politisches hinter dem Rücken des Königs gesprochen und geschrieben wurde, wußte er dessen Vertrauen zu gewinnen. Er sandte ihm dazu den Schlüssel zu seiner Chiffreschrift. Er gab dem König ferner zu verstehen, daß er sechs Spione unterhalte, welche ihn von allem, was die Marranen in Italien und in der Türkei täten und trieben, in Kenntnis setzten. Er verriet endlich dem König diejenigen Marranen, welche sich heimlich zur Flucht aus Portugal anschickten, um angehalten werden zu können. Alles das scheint ein mit den Marranen abgekartetes Spiel gewesen zu sein. Es gelang in der Tat Duarte de Paz, den portugiesischen Hof zu täuschen, der auf seine Spionsdienste rechnen zu können vermeinte. Der König selbst empfahl ihn warm seinem Sachwalter in Rom, dem Kardinal Pucci,52 und er durfte auch frei mit dem Gesandten Martinho von Portugal verkehren.

[247] Während er mit dem portugiesischen Hofe scheinbar zum Nachteil der Marranen unterhandelte, erlangte er vom Papste Clemens ein zweites außerordentlich wichtiges Breve zu deren Gunsten (vom 7. April 1533),53 bei dessen Beratung der portugiesische Gesandte geflissentlich ausgeschlossen worden war. Der Papst erkannte darin die von den Scheinchristen geltend gemachten Gründe für ihre geringe Anhänglichkeit an die Kirche als tatsächlich und berechtigt an. »Da sie mit Gewalt zur Taufe geschleppt worden waren, so können sie nicht als Glieder der Kirche gelten, und sie wegen Ketzerei und Abfall bestrafen, hieße die Prinzipien der Gerechtigkeit und Billigkeit erschüttern.« Eine andere Bewandtnis hätte es zwar mit den von den ersten Marranen geborenen Söhnen und Töchtern; sie gehörten der Kirche als freiwillig zugeführte Glieder an. Allein da sie, von den Ihrigen im Judentume erzogen, deren Beispiel stets vor Augen hätten, so wäre es grausam, sie wegen Judaisierens nach den bestehenden kanonischen Gesetzen zu bestrafen; sie sollten mit Milde in dem Schoße der Kirche erhalten werden. Mit diesem Breve hob Clemens VII. die Tätigkeit der portugiesischen Inquisition auf, berief alle Anklagen gegen die Marranen vor sein eigenes Tribunal und erteilte damit allen eine durchgreifende Absolution oder Amnestie für vergangenen Abfall von der Kirche. Die in den Inquisitionskerkern Schmachtenden sollten in Freiheit gesetzt werden, die Verbannten zurückkehren dürfen und die ihrer Güter Beraubten in deren Besitz wieder eingesetzt werden. Freilich sollten die Marranen nach Veröffentlichung dieser Verordnung ihre Vergehungen heimlich vor dem päpstlichen Nuntius oder vor den von ihm dazu erwählten Geistlichen beichten; aber wenn einige derselben auch nach der Beichte und Absolution des Judaisierens angeklagt werden sollten, und sie imstande wären, nachzuweisen, daß sie zu den ersten Zwangstäuflingen gehörten, sollten sie nicht als Rückfällige (Relapsi) behandelt und bestraft werden. Mit der dem damaligen Papsttum eigenen Verlogenheit, von welcher sich auch die besten Päpste nicht frei machen konnten, versicherte Clemens, er habe dieses Breve aus freien Stücken ohne Anregung dazu von seiten der Marranen erlassen, obgleich alle Welt das Gegenteil wußte und die Skudi nachrechnete, welche die Kurie dafür erhalten hatte.54 Clemens [248] erklärte alle, Geistliche wie Weltliche, welche sich der Ausführung dieses Breve widersetzen würden, in den Bann, und schärfte seinem Geschäftsträger Marco della Rovere ein, es sofort in ganz Portugal bekannt zu machen. Nichtsdestoweniger blieb es ein toter Buchstabe. Der portugiesische Hof war entrüstet über die den Marranen durch Bestechung gewährte Begünstigung, beeilte sich keineswegs, sie auszuführen, knüpfte vielmehr neue Unterhandlungen an und erlangte, obwohl Clemens sein Breve noch einmal bestätigte (19. Oktober), einen Aufschub desselben (18. Dezember), bis der König seine Gründe zur Behauptung der Inquisition vorgebracht hätte55 – als wenn die Sachlage auch nur im geringsten dunkel gewesen wäre. Der portugiesische Hof begnügte sich aber damit noch nicht, sondern machte alle Anstrengungen, dieses Breve vollständig widerrufen zu lassen. Ein außerordentlicher Botschafter, Henrique de Meneses, wurde zu dem Zwecke nach Rom beordert (Februar 1534), neben dem ständigen Gesandten dafür zu wirken, dem Papste eine Strafpredigt wegen seiner milden Auslegung des Christentums zu halten und ihn auf das Beispiel seiner Vorgänger zu verweisen, welche die gewaltsame Bekehrung der Juden von seiten des westgothischen Königs Sisebut gebilligt und im Sinne des Christentums gefunden hätten. Man muß dem Papste Clemens VII. Gerechtigkeit widerfahren lassen, er hat mit vieler Standhaftigkeit die Sache der Menschlichkeit für die unglücklichen Marranen gegen den blutdürstigen Geist des damaligen Christentums vertreten, wenn ihn auch dabei andere, nicht so reine Beweggründe geleitet haben mögen: sein Haß gegen Karl V., welcher die Behauptung der Inquisition in Portugal betrieb, und die Gier nach den Summen, die er und seine Höflinge dafür einsteckten. Es fiel ihm schwer, die Marranen den Blutmenschen in Portugal ohne Gnade zu überliefern. Obwohl die Frage vielfach durchgesprochen war, ließ Clemens von neuem eine Kommission darüber beraten, die aus zwei neutralen Kardinälen erwählt war, de Cesis und Campeggio. Freilich durfte der Großpönitentiar, Antonio Pucci, Kardinal de Santiquatro, obwohl parteiisch für den portugiesischen Hof, dabei nicht fehlen. Nichtsdestoweniger hat diese Kommission die haarsträubendsten Unmenschlichkeiten der Inquisition gegen die Scheinchristen offiziell beurkundet. Infolge ihres Berichtes erließ Clemens VII. fast auf dem Totenbette (26. Juli 1534) – er fühlte damals schon sein Hinscheiden – ein Breve an den Nuntius am portugiesischen Hofe, die Befreiung und Lossprechung der eingekerkerten Marranen energisch durchzusetzen.56 Ob diese, deren Zahl sich auf zwölfhundert belief, dadurch ihre Freiheit erlangt haben? Es scheint, daß[249] Clemens' Tod (25. September 1534) seinen guten Willen und ihre Hoffnung vereitelt hat.

Unter seinem Nachfolger Paul III. Farnese (1534-1549) spielten die Intrigen in Betreff der Inquisition von neuem, und zwar anfangs zum Nachteil der Marranen.57 Dieser Papst gehörte zwar noch der alten Schule der weltlich gesinnten, diplomatischen, nichts weniger als bigotten Kirchenfürsten an. Er war überhaupt ein fein berechnender Kopf und nahm mehr auf irdische, als auf himmlische Gewalten Rücksicht. Die kirchliche Reaktion, die sich während seines Pontifikats durch die Theatiner und Jesuiten vorbereitete und alle Errungenschaften der Bildung und Gesittung inner- und außerhalb Italiens auf lange Zeit vereitelte, war nicht sein Werk; er war ihr auch innerlich abgeneigt, und duldete sie nur oder bediente sich ihrer aus Politik. Den Juden war Paul III. besonders gewogen. Wenn die Schilderung, welche ein beschränkter Bischof (Sadolet von Carpentras) von dessen Judenfreundlichkeit entwarf, auch nur teilweise begründet war, so muß sie bedeutend genug gewesen sein. »Christen sind noch von keinem Papste mit soviel Gnadenbezeugungen, Privilegien und Zugeständnissen beschenkt worden, wie die Juden von Paul III. Mit Ehrenvorrechten und Wohltaten sind sie nicht bloß gefördert, sondern sogar bewaffnet worden«.58 Paul III. hatte seinen jüdischen Leibarzt an Jakob Mantin, der ihm einige seiner Schriften widmete.59 Er verbot die Aufführung der Passionsvorstellung im Kolosseum, weil die Menge, von der drastischen Darstellung der angeblich durch die Juden verursachten Leiden Jesu fanatisiert, die Juden auf der Straße mit Steinwürfen zu verfolgen pflegte.60 Den Marranen aus Spanien und Portugal, welche bei ihm Schutz vor der Inquisition suchten, gestattete er, sich in Ancona und andern Städten der Romagna niederzulassen und erteilte ihnen ein Privilegium, daß sie nicht wegen Apostasie von der Kirche und wegen Ketzerei verfolgt [250] werden dürften.61 Und dieser Papst sollte die Hand dazu bieten, die Inquisition mit Scheiterhaufen in Portugal einzuführen?

Sobald er den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, erachtete es allerdings der König von Portugal und noch mehr sein Bruder, der ein Kardinal und kirchlich gesinnt war, als eine wichtige Angelegenheit, Clemens' Bullen und Breven zugunsten der Marranen aufheben zu lassen, welche die Wirksamkeit der Inquisition hinderten. Aber auch der Sachwalter der Marranen, Duarte de Paz, dem ein Beistand an Diogo Rodrigues Pinto beigegeben war, ließ es nicht an Bemühungen fehlen, dem entgegenzuarbeiten. Gold wurde nicht gespart. Duarte de Paz, obwohl scheinbar in verräterischer Korrespondenz mit dem König, bot dem Kardinal Santiquatro, dem Parteigänger Portugals, eine jährliche Pension von 800 Crusados an, wenn er den Marranen seinen Schutz zuwenden wollte. Der Papst, diplomatisch bedächtig wie er war, der sich nicht gern durch ein Wort binden mochte, entschied zuerst (3. November 1534), daß Clemens' Breve nicht veröffentlicht werden sollte.62 Als er aber erfuhr, daß es bereits in Wirksamkeit getreten war, ließ er die Sache von neuem untersuchen und ernannte dazu zwei Kardinäle, Ghinucci und Simoneta, von denen der erstere die Marranen entschieden begünstigte und eine Schrift zu ihrer Verteidigung veröffentlicht hatte.63 Mag dieser sich den Marranen verkauft haben, wie die Dominikanerpartei behauptete. Aber sein Kollege Simoneta galt als ein unbestechlicher Charakter, und auch er gab sein Gutachten zugunsten der Marranen ab. Infolgedessen ermahnte Paul III. den portugiesischen Hof nachdrücklich, Clemens' VII. Absolutionsbulle Gehorsam zu erweisen. Er bemerkte, wenn auch die von dem Könige den Marranen erteilten Privilegien, wegen ihres Verhaltens nicht zur Untersuchung gezogen zu werden, gegen das kanonische Gesetz verstießen, so müßte ein königliches Wort die Herrscher binden. Er war entschieden gegen die Gefangenhaltung der Marranen in unzugänglichen Kerkern und gegen die Güterkonfiskation. Aber wie alle damaligen katholischen Könige nur [251] soweit dem päpstlichen Stuhle Gehorsam leisteten, als ihr Interesse im Spiele war, kehrte sich João III. wenig an des Papstes Ermahnung. Riet ihm doch ein Gesandter, um die Inquisition durchzusetzen, sich, gleich England, von der römischen Kirche loszusagen!64 Ein wahrer Knäuel von Intrigen entspann sich daher in dieser Angelegenheit in Rom und Portugal. Hier einerseits der Hof und anderseits der Führer der Marranen, Thomé Sarrao und Manuel Mendes mit dem päpstlichen Legaten, und dort Duarte de Paz und Pinto – gegen oder mit dem portugiesischen Gesandten und dem Kardinal Santiquatro.

Der Züge und Gegenzüge überdrüssig, erließ Paul III., der ein einmal gefaßtes Vorhaben nicht gern fallen ließ, eine neue entschiedene Bulle (2. Oktober 1535), wodurch er den Marranen Absolution erteilte und sie vor allen kirchlichen und weltlichen Strafen wegen Apostasie und Ketzerei in Schutz nahm, insofern sie sich in Zukunft nicht dergleichen würden zu schulden kommen lassen. So war denn abermals die Inquisition in Portugal, welche, zum Schein wenigstens, der päpstlichen Autorisation bedurfte, damit aufgehoben. Der Nuntius della Rovere ging ebenfalls mit Entschiedenheit in Portugal vor, ließ die Bulle bekannt machen und brachte es dahin, daß selbst der den Marranen feindlich gesinnte Infant Don Alfonso die Kerker öffnete und diejenigen in Freiheit setzte, welche man von Rom aus am dringendsten empfohlen hatte – im ganzen 1800 Marranen (Dezember 1535).65

Der portugiesische Hof, anfangs wie von einem plötzlichen Schlage betäubt, setzte später alle Hebel in Bewegung, abermals die unumschränkte Gewalt über die Marranen und ihr Vermögen zu erlangen. Er scheute sich nicht einmal Meuchelmord anzuwenden, um nur zum Ziele zu gelangen. Der Prokurator Duarte de Paz schien dem portugiesischen Hof das einzige Hindernis für die Einführung der Inquisition zu sein. Er hatte in der Tat das so günstige Ergebnis durchgesetzt, und nicht nur die Kardinäle und die Umgebung des Papstes, sondern auch einen der beiden portugiesischen Gesandten, Don Martinho, Erzbischof von Funchal, und sogar den spanischen Gesandten, Grafen de Cifuentes, Karls V. Minister, gewonnen.66 Eines Tages wurde Duarte de Paz von Meuchelmördern auf der Straße überfallen und vierzehn Wunden wurden ihm beigebracht; er blieb scheintot liegen (Januar 1536).67 Alle Welt war in Rom überzeugt, daß die Mörder vom portugiesischen Hof gedungen waren. Schon [252] vorher hatte der Gesandte Don Martinho an den König João geschrieben, er möge Veranstaltungen treffen, diesen Ränkeschmied aus der Welt zu schaffen.68 Don João lehnte aber die Mitschuld oder Urheberschaft des versuchten Meuchelmordes mit einer Wendung ab, welche die bodenlose Unsittlichkeit der damaligen Regenten grell beleuchtet. »Wenn der Anfall von ihm befohlen worden wäre, so hätte er das Opfer unfehlbar getroffen«. Der Papst war über diese Untat sehr entrüstet und ließ dem Prokurator alle ärztliche Pflege angedeihen; er wurde auch wiederhergestellt. Nichtsdestoweniger mußte der Papst dem portugiesischen Hof in Betreff der Inquisition willfahren. Der Hof schlug nämlich endlich den rechten Weg ein, sein Ziel zu erreichen; er wandte sich dringend an den siegreichen Karl V., die Sache zu betreiben. Der Kaiser hatte damals nämlich einen schweren Kampf bei Tunis gegen den Mohammedaner Barbarossa geführt, welcher, unterstützt von der Türkei, die ganze Christenheit beunruhigt hatte. Nach vieler Anstrengung wurde Tunis von dem zahlreichen christlichen Heere, welches Karl selbst angeführt hatte, genommen und Barbarossa besiegt. Den Juden von Tunis, die sich wieder daselbst angesammelt hatten, erging es dabei, wie sich denken läßt, am schlimmsten; sie wurden von beiden kriegführenden Parteien mißhandelt. Ein Leidensgenosse, Abraham von Tunis, der in Gefangenschaft geraten war, schrieb darüber: »Einen Teil von uns verschlang die Erde, einen Teil vernichtete das Schwert, ein Teil starb vor Hunger und Durst.« Die Überlebenden wurden als Gefangene nach Europa geschleppt, wobei sich die Gemeinden von Neapel und Genua brüderlich erwiesen und diejenigen mit schwerem Gelde auslösten, die in ihre Nähe geführt worden waren.69 Der Kaiser Karl zog darauf als Triumphator durch Italien. Hatte doch durch ihn endlich einmal das Kreuz einen Sieg über den Halbmond errungen! Karl V. war, wie schon erwähnt, kein Freund der Juden. Er schrieb ihnen strenge das Tragen der Judenabzeichen vor – einen gelben Ring am Rocke oder ganz offen an Kappen – und verbot den Wucher bei Androhung ihrer Ausweisung,70 bestätigte aber auch, wiederholt von Joselin angefleht, ihre dürftigen Privilegien, daß sie nicht totgeschlagen und beraubt, nicht zur Taufe gezwungen werden dürften, auch Freizügigkeit haben sollten. Wer sich an ihnen vergriffe, solle 15 Mark Silbers zur Hälfte an den Fiskus und zur Hälfte an die Juden als Strafgelder zahlen. Seine Dekrete waren zwar so wenig wirksam, daß er in [253] kurzer Zeit mehrere aufeinander folgen lassen mußte.71 Aber auch der gute Wille wäre anerkennenswert gewesen. Allein Karl war es mehr um seine Einnahmen von den Juden zu tun, deren er verlustig gegangen wäre, wenn sie vertilgt worden wären, als um Gerechtigkeit. Sodann waren die deutschen Juden unschädlich, ihre Existenz störte seine Pläne nicht; darum ließ er sie seine anerzogene Judenfeindlichkeit nicht allzusehr empfinden. Dagegen haßte er, als Enkel Fernandos und Isabellas von Spanien, die Marranen gründlich und gönnte ihnen die Flammen der Inquisition.

Als nun der Kaiser, als Triumphator über Barbarossa durch Italien ziehend, in Rom eingetroffen war (5. bis 18. April 1536), verlangte er von Paul III. als Lohn seiner Siege (es war Sitte, daß ein Triumphator sich die Erfüllung eines innigen Wunsches vom Oberhaupt der Christenheit ausbitten durfte) die Bewilligung der Inquisition für Portugal.72 Noch immer sträubte sich der Papst, darauf einzugehen. Er kam immer wieder darauf zurück, die portugiesischen Marranen seien ursprünglich mit Gewalt zur Taufe geschleppt worden, und darum hafte das Sakrament nicht an ihnen.

Allein zum Unglück für die Marranen waren ihre Mittel erschöpft, die Geldgier des päpstlichen Hofes zu befriedigen. Ihr Sachverwalter Duarte de Paz hatte unerschwingliche Summen für die Vereitlung der Inquisition versprochen und noch dazu einen Teil des ihm zur Verfügung gestellten Geldes zur eigenen Bereicherung veruntreut. So waren die Scheinchristen gezwungen, dem päpstlichen Nuntius della Rovere, welcher auf Zahlung gedrungen hatte, zu erklären, sie seien nicht imstande, die übertriebenen Versprechungen des Duarte de Paz einzulösen. Zudem wurde dieser Handel zwischen dem Nuntius und den Marranen dem Hofe verraten und zwang diese noch mehr zur Vorsicht, weil der Bruder des Königs, Don Alfonso, sie selbst mit einer Judenhetze durch das Gesindel wie dreißig Jahre vorher bedrohte. Auf seiner Reise nach Flandern erhielt zwar der [254] Nuntius von den Marranen Diogo Mendes und seiner verwitweten Schwägerin Doña Mendesia (welcher später ein Schutzengel für die Marranen wurde) eine bedeutende Abschlagssumme73; aber diese befriedigte in Rom nicht, wo man auf viel mehr gerechnet hatte. So erkaltete am päpstlichen Hofe allmählich das Interesse an den Marranen. Als der Kaiser Paul III. immer mehr drängte, die Inquisition für Portugal zu bewilligen, sanktionierte der Papst endlich endgültig die Glaubenstribunale für die portugiesischen Besitzungen (23. Mai 1536). Da der judenfreundliche Papst die Sanktion nur mit schwerem Herzen und unter dem vom Kaiser auf ihn ausgeübten Druck erteilt hatte, so brachte er allerlei Beschränkungen an, daß in den ersten drei Jahren das gewöhnliche, bei weltlichen Gerichten übliche Verfahren eingehalten werden sollte, d.h. öffentliches Gegenüberstellen der Zeugen – wenigstens für die Klasse der nicht als mächtig angesehenen Marranen – und die Konfiskation der Güter der verurteilten Marranen sollte erst nach zehn Jahren erfolgen.74 Mündlich empfahl der Papst noch durch den Protektor Portugals mildes Verfahren gegen die Scheinchristen, ferner, daß nicht der finstere Bischof von Lamego, sondern der milder gesinnte Bischof von Ceuta. Diogo de Silva, zum Generalinqusitior ernannt werden, und endlich, daß der Familie des Duarte de Paz gestattet werden sollte, unangefochten Portugal zu verlassen. Don Joãos Freude über den endlich erfüllten Wunsch seines Herzens war so groß, daß er auch auf diese Bedingungen einging.75 Doch war dieses Zugeständnis nur Schein; in Wirklichkeit sollte dieselbe Strenge gegen die portugiesischen Marranen angewendet werden wie gegen die spanischen. Die Ermahnung, welche die Inquisitoren erließen, daß jedermann verpflichtet sei, judaisierende Handlungen oder Äußerungen der Scheinchristen bei Strafe der Exkommunikation oder einer noch schärferen anzugeben,76 unterschied sich in nichts von der, welche der erste kannibalische Großinquisitor von Spanien, Torquemada, erlassen hatte. Im November desselben Jahres begannen die Bluttribunale ihre die Menschheit schändende Tätigkeit, nachdem die dreißig Tage der sogenannten Gnadenfrist vorüber waren. Die Anstrengungen, welche die Marranen unter Mithilfe des Infanten Don Luis77 machten, noch einen Zeitraum [255] von einem Jahre zur Besinnung zu erhalten, führten zu nichts. Die portugiesische Inquisition verfuhr fast noch grausamer als die spanische, einerseits, weil ihre Einführung soviel Mühe gekostet hatte, und die Gemüter dadurch erbittert waren, anderseits, weil die Standhaftigkeit der portugiesischen Marranen größer war als die der spanischen, und endlich, weil das gemeine Volk Partei für die Inquisition und gegen die Neuchristen nahm. Sogar ein eigenes Zeichen legte ihnen João III. auf, um sie von alten Christen zu unterscheiden.

Sie gaben sich indessen noch nicht sobald gefangen, wandten vielmehr noch allen Eifer an, um die Bulle zurücknehmen zu lassen. Die feinsten Intrigen wurden wieder am päpstlichen Hofe gesponnen: Duarte de Paz entwickelte wieder seine diplomatische Schlauheit. Die Marranen erhoben Klagen über die grausame Behandlung von seiten der Bluttribunale, daß die Richter sich nicht an die päpstlichen Instruktionen hielten. Ganz besonders beklagten sie sich, daß ihnen noch immer die Freiheit, auszuwandern und ihre Liegenschaften zu verkaufen, untersagt würde.

In einer Denkschrift an den Papst wagten sie fast eine drohende Sprache zu führen: »Wenn Ihre Heiligkeit die Bitten und Tränen des hebräischen Geschlechtes verachten, oder, was wir nicht hoffen, verweigern dem Übel abzuhelfen, wie es dem Stellvertreter Christi geziemt, so protestieren wir vor Gott, und mit Klagen und Seufzern, die weithin ertönen, werden wir im Angesicht des Universums protestieren, daß, da wir keinen Ort finden, wo uns die christliche Herde aufnahm, verfolgt am Leben, an der Ehre, in den Kindern, welche unser Blut sind, und bis an unsere Seligkeit, wir zwar versuchen werden, uns vom Judentum fern zu halten, bis daß, wenn die Tyrannei nicht aufhören sollte, wir das tun werden, an welches keiner von uns sonst denken würde, d.h. wir werden zur Religion Moses zurückkehren und das Christentum verleugnen, welches man uns gewaltsamerweise zwingt, anzunehmen. Wir rufen feierlich aus, daß wir Opfer sind, bei dem Rechte, welches diese Tatsache uns gibt, ein Recht, von Eurer Heiligkeit anerkannt. Das Vaterland verlassend, werden wir Schutz suchen bei minder grausamen Völkern!«78

Der aus Portugal zurückgekehrte Nuntius della Rovere, welcher den Stand der Dinge und die Persönlichkeiten durch langjährige Beobachtungen kannte, wußte den Papst zu überzeugen, daß die Gewährung der Inquisition ein Fehler war, und da Paul III. nur dem augenblicklichen Drucke nachgegeben hatte, so erfolgte bald darauf eine Umstimmung und sogar Reue über den getanen Schritt. Er ging soweit, die von ihm erlassene Bulle von neuem einer Kommission [256] zur Prüfung zu unterwerfen, ob sie nicht ungesetzlich bewilligt sei, und in diese Kommission wurde wieder der den Marranen günstige Kardinal Ghinucci gewählt und ein gleichgesinnter Kardinal Jacobaccio. Diese zwei wußten den dritten, den ehrlichen, aber beschränkten Kardinal Simoneta, so sehr gegen die Inquisition einzunehmen, daß er den Papst bat, das von ihm selbst angerichtete Übel – er hatte die Bewilligungsbulle ausgearbeitet – durch Widerruf wieder gut zu machen. Ein neuer Nuntius wurde nach Portugal geschickt, Geronimo Ricenati Capodiferro, der gewissermaßen Vollmacht hatte, alle Handlungen der Inquisition gegen die Marranen zu vereiteln, diese zu schützen und namentlich ihre Auswanderung aus Portugal zu erleichtern. In der Instruktion, die der Papst ihm übergab, herrschte ein Ton der Erbitterung gegen den König, die fanatische Partei und die Inquisitoren.79 Dem Nuntius schickte der Papst ein Breve nach (vom August 1537), wodurch er jedermann ermächtigte und gewissermaßen ermunterte, den angeklagten Marranen Schutz und Beistand zu leihen – gerade das, was in Portugal als Mitschuld und Teilnahme an der Ketzerei galt.80 Capodiferro machte den weitesten Gebrauch von seinen Befugnissen; er warf sich zum Retter der Unglücklichen auf – allerdings für Geld – sprach diejenigen frei, welche das Tribunal verurteilt hatte, und beförderte ihre Flucht außer Landes.81 So liefen lauter Klagen an den päpstlichn Hof ein, Klagen des Königs über den Skandal und die Beförderung von seiten des Nuntius. Es mag in der Tat dem König wunderlich vorgekommen sein. Er hatte endlich eine Bulle, ein Tribunal, einen Großinquisitor mit Kollegen und den ganzen Apparat der Menschenschlächterei zur Ehre Gottes, und doch hatte er wiederum so gut wie nichts. Denn Capodiferro machte deren ganze Tätigkeit unwirksam und eitel, und der Generalinquisitor de Silva, eben wegen seiner Milde gewählt, brachte mit Rücksicht auf den Nuntius nicht viel Brandopfer.

Ein Zufall mischte indessen das Spiel wieder zugunsten des Königs und der Partei der Fanatiker. Man las eines Tages (Februar 1539) in Lissabon einen an der Tür der Kathedrale und anderer Kirchen angehefteten Zettel des Inhalts, der Messias sei noch nicht gekommen, Jesus sei nicht der Messias gewesen, das Christentum sei eine Lüge. Ganz Portugal war natürlich über eine solche Lästerung entrüstet, und eine strenge Untersuchung wurde angestellt, um den Täter zu ermitteln. Der König setzte einen Preis von 10000 Crusados (Dukaten) auf dessen Entdeckung aus. Aber auch Capodiferro setzte dafür 5000 Crusados aus, weil er mit vielen andern der Meinung war, es sei ein von den Feinden der Marranen geführter Schlag, um den König [257] noch mehr zu fanatisieren, und den Nuntius in Verlegenheit zu bringen. Um jeden Verdacht abzuwenden, ließen die Neuchristen an denselben Plätzen anschlagen: »Ich, der Verfasser, bin weder Spanier, noch Portugiese, sondern ein Engländer, und wenn ihr den Preis auf 20000 erhöht, werdet ihr meinen Namen doch nicht erfahren.« Dennoch wurde der Urheber in der Person eines Marranen Emanuel de Costa entdeckt.82 Er wurde vor die Inquisition geladen, gestand alles ein, wurde dann vom Zivilgericht auf die Folter gespannt, um Mitschuldige anzugeben und zuletzt – nachdem ihm beide Hände abgehauen worden waren – auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Marranen sahen schlimme Zeiten voraus und viele derselben entflohen.83 In der Tat ergriff nun der König die Gelegenheit, die Inquisition strenger und blutiger auftreten zu lassen und dem Nuntius sein Spiel zu verderben. Der bisherige Großinquisitor Diogo de Silva, der sich auch bei diesem Vorfalle lässig benommen hatte, wurde beseitigt und dafür der siebenundzwanzigjährige Bruder des Königs, Don Henrique, ernannt (Juni 1539), ein entschieden fanatischer Feind der Marranen. Der Hof fürchtete natürlich den Zorn der päpstlichen Kurie, weil damit den ausdrücklichen Bestimmungen des Papstes zuwider gehandelt wurde, und sandte daher einen festen, rücksichtslosen Gesandten, Pedro Mascarenhas, nach Rom, der die schwache Seite der Kardinäle und päpstlichen Nepoten kannte und die Marranen an Bestechungen überbot.84 Die wütendsten Fanatiker wurden sofort zu Inquisitoren ernannt – zum größten Ärger des Nuntius und des Papstes. João Soares, den der Papst selbst beurteilte: »Er ist ein Mönch von wenig Wissen, aber von großer Kühnheit und äußerstem Ehrgeize. Seine Gesinnungen sind die allerschlechtesten, und er ist ein öffentlicher Feind des apostolischen Stuhles, dessen er sich noch rühmt,«85 dieser wurde zum unumschränkten Herrn über das Leben der Scheinchristen gemacht und mit ihm zugleich ein anderer, Doktor Mello, ein Erzfeind der Judenchristen.

Der portugiesische Hof hatte endlich Mut gefaßt, kräftig vorzugehen, anstatt bloß zu protestieren und zu verschleppen. Mit jedem Tage verschlimmerte sich der Stand der Angelegenheiten für die Marranen. Der Papst blieb zwar in der Verhandlung mit dem portugiesischen Gesandten in drei Punkten unbeugsam fest, daß der Infant Don Henrique nicht Großinquisitor bleiben dürfe, daß den der Ketzerei angeklagten Marranen die Namen der Zeugen, d.h. der Ankläger, genannt werden müßten, und daß endlich ihnen nach dem Urteilsspruch die Berufung an die Instanz der päpstlichen Kurie gestattet [258] werden solle.86 Paul III. ließ sogar eine neue Bulle ausarbeiten (12. Oktober 1539) – eine Ergänzung zu der drei Jahre vorher erlassenen – die durchweg günstig für die Neuchristen lautete und die Inquisition vollständig gelähmt hätte.87 Allein sie blieb ebenfalls toter Buchstabe. Der Bote, welcher ihre schnelle Besorgung in die Hände der Scheinchristen nach Portugal befördern sollte – versteht sich, auch ein Marrane – verzögerte seine Reise so sehr, daß der Nuntius bereits Lissabon oder gar Portugal verlassen hatte. Es ruht sogar der Verdacht auf ihm, daß er geflissentlich zeitiger als nötig war, seinen Posten verließ, um nicht in die Lage zu kommen, diese Ergänzungsbulle (vom Oktober 1539) verkünden und ausführen zu müssen Denn auch Capodiferro war, wie sein Vorgänger della Rovere, zuletzt mit den Marranen in Spannung und Mißstimmung geraten, weil sie seine übertriebenen Geldforderungen nicht befriedigen konnten oder mochten,88 obwohl beide 30000 Dukaten Juden- oder Marranengelder aus Portugal mitgebracht hatten.89 Möglich, daß er vom Papste selbst die Weisung erhalten hatte, diese günstige Bulle nicht offiziell werden zu lassen; sie war vielleicht nur darauf berechnet, die Marranen zu täuschen. Denn trotz aller Zerwürfnisse mit dem portugiesischen Hofe wollte der kluge Paul III. – so gut er es auch innerlich und aus Interesse mit den Marranen meinte – es nicht aufs äußerste treiben und mit dem König brechen und schonte daher dessen Empfindlichkeit.

So blieb denn der erbittertste Feind der Marranen, Don Henrique, tatsächlich, wenn auch nicht vom Papste anerkannt, Großinquisitor von Portugal, und damit hatte die Zeit der Milde für die Marranen ein Ende. Mehr als früher wurden seit der Zeit Scheiterhaufen für die hartnäckigen Ketzer angezündet, und es fielen seitdem mehr Schlachtopfer zu zehn bis vierzig jährlich, ohne daß ihrer Berufung an den Papst Folge gegeben wurde.90 Die Kerker füllten sich mitangeklagten und verdächtigen Marranen.91

Grausig ist die Schilderung des zeitgenössischen Dichters Samuel Usque von den Martern der portugiesischen Inquisition, die er selbst als Jüngling erlebt hat. »Ihr Eintreffen störte den Juden die Ruhe ihres Geistes, erfüllte ihre Seele mit Schmerz und Trauer, zog sie aus der Behaglichkeit ihres Hauses und brachte sie in dunkle Kerker, wo sie unter Pein und Seufzern lebten. Da wirft sie (die Inquisition) die Schlinge um sie und schleift sie zum Feuer; da verhängt sie, daß sie ihre Söhne töten, ihre Gatten verbrennen, ihre[259] Brüder des Lebens beraubt sehen müssen, ihre Kinder zu Waisen gemacht, ihre Witwen vermehrt, die Reichen verarmt, die Mächtigen heruntergebracht, Edelgeborene in Straßenräuber verwandelt, zurückgezogene und keusche Frauen schandbare und schimpfliche Stätten bevölkern aus Armut und Verlassenheit, die sie über sie bringt. Sie hat eine große Zahl verbrannt, nicht einzelne, sondern je dreißig und dreißig, je fünfzig und fünzig zusammen. Und nicht genug, dieselben verbrannt und vertilgt zu haben, bringt sie das christliche Volk dahin, daß es sich dessen rühmt und sich freut, meine Glieder (die Söhne Jakobs) auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu sehen, den es mit auf dem Rücken weit herbeigeschleppten Holzstücken anschürt und anzündet. Die widerwillig Getauften schleichen umher voll von Furcht vor diesem wilden Tiere (der Inquisition), daß sie auf den Straßen ihre Augen überall hinwenden, ob es sie nicht ergreift. Mit unsicherem Herzen gehen sie umher, zitternd wie ein Blatt vom Baume und bleiben entsetzt stehen, aus Furcht, sich von ihm gefesselt zu sehen. Jeder Stoß dieses Tieres beunruhigt sie, und sie empfinden ihn, als wenn er ihr Innerstes träfe; denn in diesem Unglücke sind sie alle zum Leiden ein einziger Körper. Mit Angst bringen sie den Bissen in den Mund an ihrem Tische, und die Stunde, welche für alle Wesen Ruhe bringt, beunruhigt und erschreckt sie noch mehr. Die Freuden und Feste der Hochzeiten und Geburten verwandeln sich ihnen in Trauer und Seelenunruhe. Endlich läßt sie jeder Augenblick tausend tödliche Übel kosten. Denn es genügt nicht, sich durch äußere Zeichen als Christen zu erkennen zu geben. – Das Feuer zehrt an ihrem Leibe. Unzählig sind die Arten ihrer Marter.92

[260] Ist diese Schilderung übertrieben? Hat vielleicht die Phantasie des Dichters geringe Leiden allzu empfindlich zu Märtyrerschmerzen vergrößert? Ein Kardinalskollegium, welches das Verfahren der portugiesischen Inquisition gegen die Marranen offiziell zu untersuchen hatte, bestätigte diese Schilderung Wort für Wort urkundlich. »Wenn ein Scheinchrist angeklagt wird – manchmal durch falsche Zeugnisse – so schleppen ihn die Inquisitoren in ein finsteres Loch, wo ihm nicht gestattet wird, Himmel und Erde zu sehen und am wenigsten mit den Seinigen zu sprechen, daß sie ihm beistehen könnten. Sie beschuldigen ihn auf dunkle Zeugnisse hin und geben ihm weder Ort noch Zeit an, in denen er das, wessen er angeklagt wird, begangen haben solle. Später geben sie ihm einen Sachwalter, der öfter, anstatt ihn zu verteidigen, ihn zum Gang zum Richtplatz verhilft. Gesteht ein Unglücklicher ein, wahrhaft gläubiger Christ zu sein, und leugnet fest die ihm zur Last gelegten Vergehungen, so verdammen sie ihn zu den Flammen und konfiszieren seine Güter. Wenn er beichtet, diese oder jene Handlung getan zu haben, aber ohne Absicht, so behandeln sie ihn auf dieselbe Weise unter dem Vorwande, daß er hartnäckig seine bösen Absichten verleugne. Trifft es sich, daß er offen das Angeschuldigte eingesteht, so bringen sie ihn in die äußerste Dürftigkeit und verdammen ihn zu ewiger Kerkernacht. Und das nennen sie gegen den Schuldigen mit Barmherzigkeit und christlicher Milde verfahren! Selbst der, dem es gelingt, seine Unschuld sonnenklar zu beweisen, wird zu einer Geldstrafe verurteilt, damit man nicht sage, sie hätten ihn ohne Grund verhaftet. Die in Gewahrsam gehaltenen Angeklagten werden durch allerlei Marterwerkzeuge gepeinigt, die ihnen aufgebürdeten Anschuldigungen zu gestehen. Viele von ihnen sterben im Kerker, und die in Freiheit Gesetzten bleiben, sie und die Ihrigen, mit der Brandmarkung ewiger Schande entehrt.«93

Je grausiger und blutiger die Inquisition verfuhr, desto mehr klammerten sich die portugiesischen Scheinchristen an den letzten Hoffnungsanker, der ihnen noch geblieben war, an den Papst und ihre anderen Gönner, um, wenn auch nicht das Bluttribunal ganz zu beseitigen. [261] doch seine fluchwürdige Tätigkeit einigermaßen zu hemmen. Sie hatten einen neuen Vertreter und Sachwalter gefunden, der ehrlicher und nachdrücklicher für sie tätig zu sein verhieß. Duarte de Paz konnten sie nicht länger als solchen gelten lassen; er hatte sich zu eigennützig und habgierig erwiesen und sie am Ende durch seine übertriebenen Versprechungen und allzu kecke Schlauheit mehr in Verlegenheit gebracht als gefördert. Leidenschaftlich wie dieser Mann war, schleuderte er aus Rachegefühl wegen seiner Entsetzung blutige Anklagen gegen die Marranen bei dem portugiesischen Hof und dem Papst, heuchelte sogar Gläubigkeit und Zerknirschung, um seinen verräterischen Enthüllungen mehr Gewicht zu geben. Aber seine Ausbrüche schadeten ihm hier wie dort. Verdrießlich über das Mißlingen seiner Rache bekannte er sich, um den König von Portugal zu kränken, zuletzt offen zum Judentum und soll gar Türke geworden sein.94 Sein Nachfolger Diogo Antonio hatte sich auch nicht bewährt, und so wählten die portugiesischen Marranen (1540) als dritten Sachwalter Diogo Fernandes Neto, der auch glücklicher operierte. Gelder wurden ihm natürlich zur Verfügung gestellt, und sie gingen durch die Hand des Marranen Diogo Mendes und seiner edlen Schwägerin Doña Gracia Mendesia in Flandern.95 Neto hatte einen kräftigen Beistand gewonnen an dem Kardinal Parisio, der schon früher eine Schutzschrift für die Marranen veröffentlicht hatte, »daß sie durch Zwang zum Christentum geführt, nicht als Glieder der Kirche betrachtet und behandelt werden dürften.«96 Die Überhebung des Infanten Henrique hatte ihnen noch zwei Bundesgenossen zugeführt, welche viel beim Papste Paul III. galten und voller Haß gegen den portugiesischen Hof waren. Miguel de Silva, Bischof von Viseu, aus einer altadeligen Familie, wurde vom portugiesischen Hof wegen des Kardinalshutes, den er erhalten sollte und erhalten hatte, aus Neid so sehr verfolgt, daß er nach Rom entfliehen mußte, dort auch keine Sicherheit fand und aus Erbitterung ein eifriger Parteigänger der Marranen wurde. Dasselbe tat ein beliebter Arzt Ayres Vas, welcher von der Inquisition wegen Astrologie verfolgt, nur mit Not nach Rom entkommen war und dort der Liebling des Papstes wurde,97 welcher gleich mehreren Kardinälen an die Trefflichkeit dieser Afterwissenschaft glaubte.98 Beide arbeiteten gegen den Hof. Es handelte sich für die [262] Marranen zunächst darum, daß wieder ein apostolischer Nuntius nach Portugal gesandt werde, welcher wie Capodiferro dort den päpstlichen Stuhl vertreten, der Grausamkeit der Inquisition Halt gebieten und die Auswanderung der Marranen begünstigen sollte. Der portugiesische Hof verweigerte aber standhaft, einen solchen anzunehmen, weil es nur Brauch war, in außerordentlichen Fällen einen Nuntius auf kurze Zeit an den Hof zu senden, aber nicht einen ständigen Gesandten. Der König klagte, der Nuntius würde sämtliche geistliche Befugnisse an sich reißen und den geistlichen und weltlichen Ämtern des Landes alle Macht und alles Ansehen rauben. Außerdem hatten die beiden letzten Nuntien geradezu die Marranen begünstigt. Um so mehr bestanden die Neuchristen auf Absendung eines Vertreters des apostolischen Stuhles. Sie boten dem Papste dafür 8000 bis 10000 Dukaten und verpflichteten sich, dem Nuntius monatlich 250 Dukaten zu seiner Repräsentation zu geben.99 Diese Unsummen, welche der Papst, einige Kardinäle und ihre Kreaturen erhielten, gingen durch die Hand des Diogo Mendes und seiner Schwägerin in Flandern, welche wie Schutzengel für ihre Leidensgenossen sorgten.100 Nach langen vergeblichen leidenschaftlichen Verhandlungen, wobei der portugiesische Gesandte Christovam de Sousa dem Papste die gröbsten Schmähungen wegen Käuflichkeit der Kurie ins Gesicht schleuderte, wurde ein Nuntius nach Portugal abgeordnet in der Person des Bischofs Luis Lippomano. Aber João III. gab Befehl, ihn nicht sein Land betreten zu lassen. Er mußte daher einige Zeit an der portugiesischen Grenze gewissermaßen umherirren, bis es beinahe zum Bruch zwischen dem Hofe von Lissabon und dem Papste gekommen wäre.101

Der Kampf zwischen dem portugiesischen Hofe und dem apostolischen Stuhle entbrannte nämlich von neuem oder eigentlich noch heftiger, da der prinzliche Großinquisitor nicht nur fanatisch, sondern auch halsstarrig war, während ihm noch immer die päpstliche Bestätigung fehlte. Es war ein Kampf auf Tod und Leben nicht der Ringer, sondern der Unglücklichen, welche bei aller Selbstüberwindung sich mit dem Christentum nicht befreunden und versöhnen konnten und doch nicht den Mut hatten, Opfer für das Judentum zu bringen, weder von ihrer Überzeugung, noch von ihrem Mammon und ihrer Stellung lassen mochten.

Wie konnten sie Liebe zu einer Religion gewinnen, deren Diener, Welt- und Klostergeistliche, den scheußlichsten Lastern offen fröhnten? Die Klöster waren in Portugal damals Schandhäuser. Nonnen gebaren [263] innerhalb der Klostermauern Söhne und Töchter und behielten sie bei sich bis zu ihrer Mannbarkeit. Die Töchter wurden wieder Nonnen und die Söhne Geistliche. Eine Nonne von einer Äbtissin geboren, wurde von dem Nonnenkapitel zur Nachfolgerin in derselben Würde gewählt und hatte einen Liebhaber.102 Der König von Portugal kannte diese allgemeine Verworfenheit, konnte sie aber nicht hindern, die Geistlichkeit war mächtiger als er.103 Den Marranen blieben solche Schandtaten nicht verborgen, und sie sollten sich zu einer solchen Religion bekennen? Je grausamer die Inquisition gegen sie verfuhr, desto teurer wurde ihnen die Religion ihrer Väter.104

Um den Papst oder doch seine Umgebung gegen die Marranen einzunehmen, ließ der Infant und Großinquisitor Henrique ein Sündenregister der Neuchristen zusammenstellen und sandte es nach Rom (10. Februar 1542). Ein Schuhmacher aus Senbal, Lodovico Diaz, habe sich zum Messias aufgeworfen und viele Marranen zu seinem Glauben betört, darunter sogar den Leibarzt des Don Alfonso, des Bruders des Infanten-Großinquisitors. Es sei eine geheime Synagoge entdeckt worden mit Marranen, die zum Gebet versammelt gewesen. Die Synagoge sei freilich zerstört und die Beter dem Scheiterhaufen überliefert worden. Ein Arzt in Lissabon habe sich nicht gescheut, von Haus zu Haus den Marranen das Judentum zu predigen und ihre Knaben zu beschneiden. In Coimbra habe ein Marrane eine eigene Schule unterhalten und seine Schüler hebräisch gelehrt. Die Frechheit derselben sei so weit gegangen, daß sie sogar einen geborenen Christen zum Judentum bekehrt hätten.105 Dies sollte zugleich eine Rechtfertigung sein für die zuletzt geschehene massenhafte Verurteilung der Marranen.

Zwei ungünstige Umstände entwaffneten den Papst und die Gönner der Marranen, tatkräftig für sie einzutreten, eine ganz niederträchtige Fälschung und der zunehmende Fanatismus in der Umgebung Pauls III. (1542). Ein Richter legte dem König zwei Bündel Briefe vor, welche angeblich aus Flandern gekommen und an zwei Marranen adressiert waren. Sie waren meistens in Chiffreschrift geschrieben; nur der Name des »Mannes von Viseu« (des die Marranen begünstigenden und vom König mit bitterm Haß verfolgten Miguel de Silva) und der Name des Agenten für die Marranen in Rom, Fernandes Neto, waren deutlich zu lesen. In diesen Briefen sollen die [264] Marranen in Rom und Flandern in Chiffreschrift ihre geheimen Umtriebe zur Verhinderung der Inquisition niedergelegt haben. Mit diesen Briefen machte der portugiesische Hof großes Wesen, legte die Entzifferung dem Kaiser Karl und dem Papste vor, daß die geheimen Schliche der Marranen und ihrer Gönner nun entdeckt seien. Es war aber eine grobe Fälschung.106 Außerdem hatte der Papst sich eine Bulle abzwingen lassen, welche in Rom die Inquisition gegen Protestanten und Ketzer einführte. Unter den Anhängern der Reformation und den Gegnern der katholischen Kirche waren auch Unitarier, welche die Dreieinigkeit als Götzentum betrachteten und verwarfen; sie galten als Judaisierende. Die Inquisition in Rom war auch gegen sie gerichtet. Warum nicht auch gegen Marranen, d.h. judaisierende Apostaten? Ketzer sind Ketzer.107 Diese Konsequenz lag zu nahe, als daß die fanatischkirchliche Partei in Rom sie nicht hätte ziehen sollen. Die Marranen ließen indes, um ihren Gegnern in Rom und allerwärts die Waffen zu entwinden und die verlogenen Angaben und Berichte des portugiesischen Hofes ein für allemal gründlich zu widerlegen, eine umfangreiche Denkschrift ausarbeiten (1544)108, worin sie ihr trübes Geschick von der Zeit der Könige João II. und Manoel, die sie durch Elend aller Art zum Christentum gebracht, bis auf die jüngste Zeit durch Urkunden belegen und auseinandersetzen – ein ewiges Schanddenkmal für den Stand der Kirche in jener Zeit.

Diese Denkschrift schildert mit ergreifenden Worten die Pein, welche die Marranen täglich und stündlich zu erdulden hatten, daß sie ihr ganzes Leben, auch die, welche nicht in Kerkern schmachteten, und im Anblick der für ihr Geschlecht errichteten Scheiterhaufen in Todesangst lebten. Denn die portugiesische Bevölkerung, roher als die spanische, nahm Partei für die Inquisition, empfand Schadenfreude an der Peinigung der Neuchristen und lieferte durch Angeberei Opfer über Opfer. Einige Einzelheiten in der Denkschrift sind denkwürdig.

Sobald die Inquisition – gegen den Willen des päpstlichen Stuhles – ihre fluchwürdige Arbeit begonnen hatte, wurden in Lamego sämtliche Marranen der Stadt, ein jeder kenntlich an einem körperlichen Gebrechen, an dem Pranger in grotesker Gestalt abgebildet und mit der Bezeichnung »Hunde und Verfluchte« gebrandmarkt. Dabei wurde ein Schreiben verbreitet mit dem Inhalt: »Danken wir Gott für die Gnade, daß wir in unseren Tagen Rache sehen werden an diesem hündischen, ketzerischen und ungläubigen Geschlechte. Alle müssen wir einen Lobgesang für diese Wohltat anstimmen. Schonet nur das Holz, [265] damit es uns nicht für das Opfer fehle.«109 In Porto haben einige Mönche an der Tür der Neuchristen das Geschick eines jeden derselben im voraus bezeichnet.110

Die Bevölkerung arbeitete solchergestalt der Inquisition in die Hand. Diese wählte meistens ihre Werkzeuge aus der verworfensten Volksklasse. Ein des Mordes beschuldigter Wicht Francisco Gil erhielt den Auftrag, Neuchristen zur Anklage aufzusuchen. Seine Methode, solche zu ermitteln, war einfach. So oft er in eine Stadt kam, veranstaltete er ein Kirchenfest für irgend einen Heiligen. Sämtliche Marranen besuchten um so eifriger die Kirche, um nicht durch Versäumnis Anlaß zur Anschuldigung zu geben. War die Kirche voll von Besuchern, so ließ Gil die Türen schließen und forderte die Altchristen unter Androhung der Exkommunikation auf, sich von den Neuchristen zu trennen und anzugeben, was sie von deren ketzerischen Übungen wüßten. Die solchergestalt ermittelten Marranen führte er in Fesseln in die für sie bestimmten Kerker, mißhandelte und beraubte sie unterwegs.111 Die Verließe, in denen er sie unterbrachte, waren enge Löcher von kaum acht Handbreiten im Umfange, schmutzig, dunkel, vollgepfropft.112

Die von dem Infanten-Großinquisitor ausgewählten Ketzermeister waren durchweg wilde Fanatiker, Menschen von rohen Sitten, welche nicht die Besserung der Sünder, sondern deren Tod wünschten. Der Ketzerrichter Manuel de Almador, den seine Standesgenossen »die Geißel für die Geistlichen« nannten,113 bezeichnete im voraus, sobald die Neuchristen ihm zugeführt waren, den Platz, wo der Scheiterhaufen für sie errichtet werden sollte, und bestimmte im voraus mit höllischer Ausführlichkeit, welche von ihnen verbrannt werden sollten.114 Als Zeugen wurden meistens Individuen aus der Volkshefe aufgestellt, welche im voraus sich auf die Flammen des Scheiterhaufens freuten, oder Dienstboten der Marranen wurden aufgefordert, gegen ihren Herrn zu zeugen.115

In der Stadt Porto waren neun Zeugen vorausbestimmt, welche stets belastend gegen die Angeklagten aussagen sollten, darunter ein öffentliches Frauenzimmer, welche bis zum unzüchtigen Verkehr mit Sklaven herabgesunken war.116 Aber noch empörendere Mittel wendeten die Inquisitoren an, die, aus dem Dominikanerorden gewählt,117 gewissermaßen die Niederlage ihrer Ordensgenossen in dem Reuchlinschen Streit (o. S. 164) an den Juden mit christlichem Bekenntnis rächen wollten. Ein Ehepaar, Simon Alvares, war mit einem sechsjährigen [266] Töchterchen im Inquisitionskerker in Coimbra. Die Eltern sollten als schuldig befunden und verbrannt werden; es waren aber keine Zeugnisse gegen sie aufzutreiben. Was tat der Ketzerrichter? Er ließ das Töchterchen auf sein Zimmer bringen, stellte es vor ein Gefäß mit Kohlen und bedrohte es, sein Händchen auf den Kohlen zu ver brennen, wenn es nicht aussage, daß es gesehen habe, wie die Eltern ein Kruzifix geohrfeigt hätten. Das Kind sagte das Verlangte aus, und die Eltern wurden verurteilt.118 Ein andermal sollte ebenfalls ein Ehepaar verurteilt werden, dem eine christliche Dienerin bei der Verhaftung gefolgt war. Diese wurde gedrängt, Zeugnis gegen ihre Herren auszusagen. Da sie aber nur Günstiges für sie angab, so wurde sie eingesperrt und bald durch Strafe, bald durch Schmeicheleien zum Lügen aufgefordert. Da alles nichts half, so ließ der Inquisitor sie so lange an Kopf und Seiten schlagen, bis das Blut floß. Als die Unglückliche unter Schmerzensgeschrei etwas herausstotterte, ließ er es als nachteiliges Zeugnis gegen ihre Herren unterschreiben.119 Dieser Unmensch hieß Bernardode Santa-Cruz und war Bischof. Wenn dieses Ungeheuer bei guter Laune war, ließ er eingekerkerte marranische Frauen und Jungfrauen zu sich kommen, erlaubte sich ihnen gegenüber schlüpfrige Scherze, und betastete sie in unanständiger Weise.120

Selbstverständlich haben die teuflischen Dominikaner-Ketzerrichter die Folter angewendet, um von den Unglücklichen neue Namen von Schuldigen zu erpressen. Von der Tortur befreite weder die Ehrwürdigkeit des Alters von Matronen, noch die Schönheit und Jugend blühender Mädchen. Bei der Folterung weiblicher Angeklagter, deren Körper halb entblößt wurden, fügten die Höllensöhne zur Grausamkeit noch schlüpferige Redewendungen hinzu, welche die Opfer erröten machten.121

Der Bischof Balthasar Limpo von Porto war frei von solchen Unflätigkeiten. Er galt als ein streng sittlicher Kirchendiener, und seine rücksichtslose Grobheit wurde als Gradheit angesehen. Auf den Konzilien, deren Mitglied er war, brandmarkte er die Unzüchtigkeit des römischen Hofes und der Geistlichkeit mit unfeinen Worten. Aber die Marranen, die in seine Hände fielen, hatten noch mehr von ihm wegen seiner Reizbarkeit und seines Jähzornes zu dulden. Er hatte einen Streit mit den Marranen in Porto anläßlich der Bebauung eines Platzes, wo eine Synagoge gestanden hatte, mit einer Kirche. Dieser Streit reizte seine Gallsucht so sehr, daß er aus Rachsucht keinen [267] der ihm als verdächtig zugeführten Neuchristen verschonte. Trotz seiner Sittenstrenge war er nicht wählerisch in der Verwendung seiner Helfer. Der Ankläger in seinem Inquisitionsgericht war ein sittenloser Geselle und nur wegen seiner Herz- und Rücksichtslosigkeit von ihm gewählt. Der Schließer seines Inquisitionskerkers war ein Verworfener, welcher während der Haft eine marranische Frau und deren Tochter zugleich verführte.122

Die haarsträubendsten Unmenschlichkeiten beging die Inquisition in der Hauptstadt Lissabon, wo zahlreiche Marranen wohnten. Hier fehlte es an Platz, die Menge der zur Untersuchungshaft Eingezogenen einzukerkern. Hier galt es aber vorzubeugen, daß nicht ein Sonnenstrahl zu den Eingekerkerten dringe und nicht ein Laut von ihnen nach außen hörbar werde, damit die Grausamkeit nicht zu den Ohren des in der Hauptstadt residierenden Hofes gelangen könne. Der Großinquisitor von Lissabon, João de Mello, war an Grausamkeit und Haß gegen die Marranen Lucero in Spanien (o. S. 207) gleich. Erbarmen kannte sein Steinherz nicht. Das erste Scheiterhaufenschauspiel in Lissabon schilderte dieser Unmensch selbst dem König mit einer Gemütsruhe und einer Behaglichkeit, die nur durch die von allen Seiten genährte Glaubenswut auf der pyrenäischen Halbinsel begreiflich wird. De Mello schrieb dem König: »Etwa hundert Verurteilte bildeten den prächtigen Zug. Der Laienrichter führte sie in Begleitung der Klerisei von zwei Kirchspielen. An dem Richtplatz angekommen, sang man die Hymne: veni creator spiritus. Ein Mönch bestieg die Kanzel, die Predigt war kurz, weil die Tagesarbeit viel Zeit erforderte. Die Verurteilungen wurden verlesen, zuerst derjenigen zur Verbannung und zeitlicher Haft, dann derjenigen zu ewigem Kerker und endlich derer, die zum Tode verurteilt waren. Es waren zwanzig. Sieben Frauen und zwölf Männer wurden an den Pfahl gebunden und lebendig verbrannt. Nur eine Frau wurde wegen überzeugend reumütigen Bekenntnisses begnadigt.«

Der entmenschte Ketzerrichter de Mello machte die Bemerkung, daß der Himmel an dem Tage der Menschenbrandopfer voller Glanz gegen die stürmischen Tage vorher war, als wenn der Himmel zu dem Bluttribunal gnädig gelächelt hätte. Er fügte noch hinzu, daß noch eine Menge solcher Sünder in den Kerkern läge, welche nächstens zu einem neuen Scheiterhaufen geschleppt werden sollten. Der König war seiner Diener wert, er hatte seine Freude an dem Tod der Sünder.123

Ein Umstand machte auf den gefühllosen Mello einen tiefen Eindruck. Die Schlachtopfer stießen beim Anblick der Flammen nicht [268] einen Laut aus und vergossen keine Träne, sondern nahmen Abschied voneinander, Eltern von ihren Kindern, Frauen von ihren Männern, Bruder vom Bruder, als wenn sie gewärtig wären, einander bald wiederzusehen. Die Väter erteilten den Kindern in der letzten Stunde den Segen, und die Eheleute gaben einander den Abschiedskuß.124

João de Mello pflegte auch von Zeit zu Zeit mit seinen Schergen und Familiaren die Schiffe zu überfallen, welche auslaufen sollten. Und wehe den Marranen, welche betroffen wurden, die Flucht ergreifen zu wollen. Sie wurden sofort verhaftet und in die dunkeln Kerker gebracht, wenn auch nicht die mindeste Schuld an ihnen haftete.125

Der Papst übersandte diese die Untaten der Inquisition brandmarkende Denkschrift seinem Nuntius in Lissabon, um sie dem König und dem Infanten General-Inquisitor vorzulegen. Sie sollte wenigstens dazu beitragen, eine Milderung in der Bestrafung eintreten zu lassen. Aber weder der eine noch der andere haben sie des Lesens gewürdigt, sondern sie wurde den Inquisitoren vorgelegt, ihre Meinung darüber zu äußern. Diese leugneten entweder die von ihnen begangenen Ungeheuerlichkeiten oder sie beschönigten sie unter dem Vorwande, daß die Reinheit des christlichen Glaubens nur dadurch erhalten werden könnte.126 So war auch dieses Mittel fehlgeschlagen.

Die gegenseitigen Anklagen des Papstes gegen die Unmenschlichkeit der Inquisitoren und des Hofes gegen die Begünstigung der Marranen von seiten der Kurie führten nicht zum Ziele. Der Nuntius Lipomano in Lissabon unterstützte nämlich die Neuchristen nicht tatkräftig genug, ließ sie vielmehr anklagen, einsperren, verurteilen, verbrennen und ihre Güter konfiszieren.

Zum wiederholten Male versuchte der päpstliche Stuhl der Unmenschlichkeit der Inquisition durch Sendung eines andern Nuntius Einhalt zu tun, um sie erst dann zu bestätigen, wenn der Papst sich von dem Stande der Dinge an Ort und Stelle volle Überzeugung durch denselben verschafft haben werde. Indessen vermochte auch dieser nicht viel durchzusetzen. Anfangs verweigerte ihm der portugiesische Hof den Eintritt ins Land, und als er endlich nach mehreren Unterhandlungen eingelassen wurde, (September 1545), fand er den König außerordentlich starrsinnig und zu keinem Zugeständnis geneigt. Dem [269] Papste wie den Marranen lag zuletzt, als sie einsahen, daß die einmal ins Leben gerufene Inquisition ihre fluchwürdige Tätigkeit nicht einstellte, viel daran, zwei Zugeständnisse wenigstens zu erzielen, daß den Neuchristen das Auswandern aus Portugal unverwehrt bleiben und daß den bereits Angeklagten und Eingesperrten eine allgemeine Absolution (Perdaõ) erteilt werden sollte, wenn sie ihr judaisierendes Bekenntnis eingestehen und versprechen wollten, für die Zukunft gute Christen bleiben zu wollen. Aber gerade in diesen Punkten wollten der König und die Dominikaner nicht nachgeben.

Paul III. war gelähmt. So sehr er auch einen Schauder vor den Grausamkeiten der portugiesischen Inquisition empfand und so sehr er auch die bedeutenden Summen brauchte, welche die Marranen ihm spendeten, um seine Politik in Italien und seinen Krieg gegen die Protestanten durchsetzen zu können, so durfte er doch nicht allzu schroff gegen den Hof von Lissabon auftreten. Er lag selbst in den Banden der katholischen Fanatiker. Loyola und Caraffa waren die Herren in Rom, der Papst nur ihr Diener. Zudem sollte das tridentinische Konzil zustande kommen, um die Glaubensnorm festzustellen, wodurch die Protestanten gedemütigt und zur Ohnmacht gebracht werden sollten. Dazu brauchte Paul III. fanatisch eifrige Mitglieder, um den Lauen die Stange zu halten. Solche Konzilsmitglieder konnte nur Spanien und Portugal stellen. In Portugal fanden die Jesuiten die freundlichste Aufnahme. So war denn der Papst gezwungen, milde gegen den portugiesischen Hof aufzutreten und sich aufs Bitten zu verlegen, wo er hätte befehlen sollen.

Anderseits konnte auch der König seinen Willen nicht durchsetzen. So lange der Papst die Inquisition nicht als vollberechtigt anerkannt hatte, konnte er sie ganz und gar aufheben und die Anklagen wegen Judaisierens vor den apostolischen Stuhl berufen. João III. wußte auch, daß einige Kardinäle ihren Unwillen über die Untaten des Glaubensgerichtes laut ausgesprochen hatten. »Was wollen die Inquisitoren? Wollen sie Menschenfleisch?«127 sprachen sie offen. Auch fürchtete er, daß der Papst die Inquisitionsfrage dem Konzil vorlegen und daß dieses ein Verdammungsurteil darüber sprechen würde. Darum entschloß er sich zu einem Schritte, den er seinem Hochmut abringen mußte. Er berief vier angesehene Marranen128 und trug ihnen auf, eine Denkschrift auszuarbeiten, um ihre Meinung über die Mittel anzugeben, wie die Beruhigung der Gemüter herbeigeführt werden könne. Diese vier Personen sprachen mit Freimut, so lange nicht eine allgemeine Absolution erteilt und so lange anonyme Zeugnisse und Aussagen von niedrigem Gesindel und unter der Tortur oder sonstwie[270] durch Zwang erpreßt, gegen Angeklagte nicht für ungültig erklärt und die Grausamkeit der Inquisition eingeschränkt werden würde, könne keine Beruhigung eintreten, und die Flucht der Marranen außer Landes würde fortdauern. Sie bemerkten auch, daß die Neuchristen in Spanien glimpflicher behandelt würden. Dort dürften sie nicht beschimpft und verhöhnt werden. Das war aber zu viel von diesem durch Glaubenswut verdummten König verlangt, der lieber sein Land in Verarmung und Entvölkerung verfallen ließ, als daß er Milde hätte walten lassen.

Er sandte einen seiner würdigen Vertreter zum Konzil, den Bischof Balthasar Limpo, jenen jähzornigen und ungehobelten Marranenmörder (o. S. 267), welcher sich herausnehmen durfte, gegen den Papst eine Sprache zu führen, die ihm hätte klar machen können, daß er nicht mehr Herr im eigenen Hause war. Dieser verlangte ungestüm von Paul III., daß er endlich die Inquisition gegen die rückfälligen Neuchristen im vollen Umfange gut heißen solle, und tadelte dessen Parteinahme für sie. Er bemerkt ganz richtig: »Als Christen und unter christlichem Namen verlassen sie heimlich Portugal und nehmen ihre Kinder mit, welche von ihnen selbst zur Taufe geführt worden waren; kommen sie nach Italien, geben sie sich für Juden aus, leben nach jüdischen Satzungen und lassen ihre Kinder beschneiden. Das geschieht vor den Augen des Papstes und des Konzils, in den Mauern Roms und Bolognas, das geschieht, weil seine Heiligkeit den Ketzern ein Privilegium gegeben hat, daß niemand sie selbst in Ancona des Glaubens wegen beunruhigen darf. Unter solchen Umständen ist es unmöglich, daß der König ihnen freien Abzug aus dem Lande gestatten kann. Verlangt das Se. Heiligkeit etwa, damit die Auswanderer sich als Juden in seinen Staaten niederlassen und die Kurie dergestalt Vorteile von ihnen ziehen kann? Statt die Errichtung der Inquisition in Portugal zu verhindern, wäre es längst die Pflicht Sr. Heiligkeit gewesen, sie in dem eigenen Gebiete einzuführen.129«. Auf eine solche Standrede hätte der Papst nur antworten können, wenn er ein reines Gewissen gehabt, und das Christentum tatsächlich als Religion der Milde und Menschlichkeit gepredigt hätte. Da er aber den wahnbetörten Fanatismus brauchte, um den Protestantismus hartnäckig zu bekämpfen, und beim Ausbruch des schmalkaldischen Krieges die mörderische Kreuzesbulle erließ, worin den Katholiken im Namen des Statthalters Christi zugerufen wurde: »Schlaget die Protestanten tot!« so mußte er einem Limpo gegenüber verstummen. Er war in den eigenen Schlingen gefangen. Eins noch wollte Paul III. retten, die freie Auswanderung der Marranen aus Portugal; unter dieser Bedingung wollte [271] er dem portugiesischen Hofe in allem nachgeben. Die Neuchristen, welche das Land verlassen wollten, sollten nur eine Bürgschaft stellen, daß sie nicht in das Gebiet der Ungläubigen nach Afrika oder der Türkei auswandern würden. Auch darauf gab der Bischof Limpo eine schlagende Entgegnung. »Ist etwa ein Unterschied, ob diese Ketzer sich unter die Herrschaft der Ungläubigen oder nach Italien begeben? Sie lassen sich in Ancona, Ferrara oder Venedig beschneiden und gehen von da nach der Türkei. Sie besitzen ja päpstliche Privilegien, so daß niemand sie fragen darf, ob sie vielleicht Juden sind! Erkennungszeichen tragen sie nicht, und so können sie frank und frei gehen, wohin sie wollen, ihre Zeremonien beobachten, die Synagogen besuchen. O, wie viele von denen besuchen diese nicht jetzt schon, die in Portugal in ihrer Jugend getauft, zum Tode verurteilt oder in effigie verbrannt sind! Räumt man ihnen die freie Auswanderung ein, so brauchen sie nur den Fuß in das Land der Ungläubigen zu setzen und können sich offen zum Judentum bekennen. Nie wird der König einen solchen Zustand dulden, kein Theologe, was sage ich, kein einfacher Christ kann ihm dazu raten. Statt daß Se. Heiligkeit sich bemüht, die geheimen Juden in Sicherheit zu bringen, möge er lieber die Inquisitionstribunale in seinen Staaten vermehren und nicht bloß die lutherischen Ketzer, sondern ebenso gut die jüdischen bestrafen, welche in Italien Schutz und Zuflucht suchen.«130

Paul III. war noch durch einen andern Umstand zur Nachgiebigkeit gezwungen. Durch den Sieg Karls V. über die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg (April 1547), wollte dieser sich zum Herrn über das Papsttum machen und eine Kirchenordnung eingeführt wissen, welche auch den Protestanten zusagen sollte. Die spanischen Mitglieder auf der Kirchenversammlung von Trient hatten von ihrem König die Weisung, seinen Plan durchzusetzen. Das war aber eine Kriegserklärung gegen den Papst. Demzufolge verlegte er das Konzil nach Bologna. Dadurch mußte er mit dem Kaiser brechen, und um nicht ganz vereinzelt diesem Mächtigen gegenüber zu stehen, war er genötigt, Portugal, sowie die katholischen Mittelstaaten für sich zu gewinnen. Um daher Portugal zu versöhnen, sandte er dahin einen besonderen Kommissarius mit Bullen und Breven versehen. Die den Marranen günstigen Kardinäle und darunter des Papstes Enkel, Farnese und Santafiore waren durch Jahrgehälter von dem Hofe gewonnen worden,131 und billigten ihrerseits des Papstes Beschlüsse. Immerhin waren diese unter den obwaltenden Umständen in der versengenden Glut des Fanatismus, der damals als Reaktion gegen die bisherige Lauheit in der Kirche um sich zu greifen begann, noch milde genug. [272] Vor allem aber sollten die der Ketzerei und des sogenannten Rückfalles angeklagten Neuchristen in Portugal für den Augenblick nicht verurteilt werden, im Gegenteil Verzeihung erhalten und erst in Zukunft verantwortlich gemacht werden. Auch dann sollten die ersten zehn Jahre die Güter der Rückfälligen nicht angetastet werden, sondern ihren Erben verbleiben. Auch sollten innerhalb eines Jahres die verurteilten Marranen nicht dem weltlichen Arm, d.h. dem Feuertode übergeben werden.132 In der Beschränkung der Auswanderung der Marranen hatte Paul III. doch nachgegeben. Es war das wichtigste Interesse für den König.

Infolge der den Neuchristen vom Papste erteilten allgemeinen Absolution wurden die Kerker der Inquisition in Lissabon, Evora und anderen Städten geöffnet und achtzehnhundert in Freiheit gesetzt (Juli 1547)133. Bald darauf wurden sämtliche Marranen zusammenberufen und mußten ihr Judaisieren abschwören, aber nicht, wie es der Papst bedungen hatte, in aller Stille, nur vor einem Notar, sondern das Reuebekenntnis wurde auf einem weiten Platze vor einer Kirche im Beisein einer großen Volksversammlung abgenommen.134 Erst von diesem Augenblick an wurden sie als volle Christen angesehen und sollten bei etwaiger Übertretung als Ketzer bestraft werden dürfen. Der Papst hatte aber in einem Breve dem König ans Herz gelegt, daß die Tribunale auch gegen solche in Zukunft mit Milde verfahren sollten, da sie doch nur aus Gewohnheit jüdische Gebräuche beobachteten. So hatte dieser Papst bis zu seinem Lebensende die Marranen in Schutz genommen. Nichtsdestoweniger fielen sie dem tragischen Geschick zum Opfer. Es war ein himmelschreiendes Unrecht, von ihnen ein aufrichtiges katholisches Bekenntnis zu verlangen und sie beim Ertappen bei judaisierenden Gebräuchen zu verurteilen, sie, die mit ihrem ganzen Wesen dagegen protestierten. Von der andern Seite konnte aber auch der Staat nicht zugeben, daß eine ganze Klasse der Bevölkerung, die äußerlich zur Kirche gehörte, die Freiheit erhalten sollte, sie gewissermaßen zu verhöhnen. Die Gerechtigkeit hätte allerdings gefordert, daß den Marranen die Wahl gelassen werden sollte, auszuwandern oder sich aufrichtig zur Kirche zu bekennen. Allein das konnte der Hof nicht zugeben, ohne den Staat zu ruinieren. Denn die Marranen jüdischer Abkunft bildeten den nützlichsten Teil der städtischen Bevölkerung. Ihre Kapitalien und ihr ausgebreiteter Großhandel vermehrten die Staatseinnahmen, machten überhaupt Geld flüssig und verwerteten die aus den indischen und afrikanischen Kolonien einlaufenden Rohprodukte; [273] ohne sie würde der Reichtum des Landes totes Kapital geblieben oder ganz wertlos gewesen sein. Die Marranen waren auch fast die einzigen Handwerker und beförderten die Industrie.135 So konnte sie der Staat nicht missen, und darum gedachte der König sie durch den Schrecken der Inquisition zu guten Christen zu machen, um den von ihnen erwachsenden Nutzen dauernd und sicher zu behalten. Aber es war vergebliche Mühe. Alljährlich fielen Opfer auf dem Scheiterhaufen, ohne daß die Überlebenden dadurch gläubiger geworden wären. So konnte sich der portugiesische Hof der Inquisition nicht so erfreuen wie der spanische. Denn in Portugal wurden die Neuchristen trotz ihres Bekenntnisses immer noch nicht als echte Christen angesehen, auf welche die Strafe der Ketzerei von der Inquisition kanonisch-gesetzlich anwendbar wäre. Nach Pauls III. Tod (November 1549) wurde Julius III. noch angegangen, den Marranen Absolution zu erteilen. Selbst die folgenden Päpste, welche die reaktionäre und verfolgungssüchtige Strömung begünstigten und förderten, haben die Inquisition für die portugiesischen Neuchristen mehr als vollendete Tatsache denn als gesetzliche Institution bestehen lassen. Darum hat noch ein halbes Jahrhundert später ein Papst (Clemens VIII.) die Justizmörderei der Inquisition gemißbilligt und abermals eine allgemeine Amnestie für die verurteilten Marranen erlassen.136

Die spanischen Marranen, auch diejenigen, welche durch ihren kirchlichen Eifer den Argwohn der Inquisition zu entwaffnen wußten, waren ebenso wenig frei von Anfechtungen, besonders diejenigen, welche vermöge ihrer ererbten Anlagen, durch Fleiß, Ausdauer, Lernbegier, Verstand und Strebsamkeit höhere weltliche und geistliche Bildung erlangt hatten. Gerade die vorsichtigsten unter ihnen strebten nach höheren Kirchenwürden oder traten in einen Mönchsorden, um durch die Kutte oder die Stola geschützt zu sein. Aber gerade deswegen wurden sie von ihren altchristlichen Mitbewerbern beneidet und gehaßt. An der Hauptkathedrale in Toledo waren die meisten Erzpriester und Kanoniker Geistliche von jüdischer Abkunft und bezogen [274] reiche Präbenden. Darob war der Erzbischof von Toledo, Juan Martinez Siliceo (Guijarro) ergrimmt, zumal diese ihn durch boshafte Äußerungen und beleidigende Pasquille gereizt hatten. Vergebens hatte er Gesuche an den Papst Paulus III. gerichtet, Marranen zur Bekleidung von Kirchenämtern für unwürdig zu erklären. Er hatte zu diesem Zweck eine feindselige Schrift über die »Probe der Reinheit« von jüdischem Blut veröffentlicht, d.h. daß nur Altchristen zu Kirchenwürden zugelassen werden sollten, worin er die Neuchristen samt und sonders als Feinde Christi darstellte, weswegen eben die Inquisition mit Recht jahraus jahrein solche zum Scheiterhaufen verurteile. Um die Altchristen von den aus jüdischer Abstammung unterscheiden zu können oder vielmehr diese zu brandmarken, gab er ein genealogisches Gedenkbuch heraus, welches ein Geheimschreiber der Inquisition verfaßt hatte (bezeichnet als das grüne Buch von Aragonien.)137 In diesem Buche waren mehr als hundert Familien namhaft gemacht, die von Juden abstammten, welche bei dem blutigen Gemetzel von 1391 oder bei der Massentaufe von 1412 bis 1414 zum Christentum bekehrt worden waren und sich mit Alt- und Neuchristen vermischt und verschwägert hatten. Dieser Geheimschreiber hatte auch nicht den Zweck seiner Ausarbeitung der genealogischen Verzweigung der Marranen verschwiegen, sondern es geradeheraus gesagt, damit die Altchristen sich hüteten, mit den Marranen zu verkehren, »denn es ist ein frevelhaftes, falsches, ungläubiges und verderbtes Geschlecht. Es ist von einem Weinstock, der immer wächst und trägt, und je mehr man ihn ausgehöhlt, benetzt und beschnitten hat, desto bitterer schmeckt seine Frucht«. Unter den gebrandmarkten marranischen Familien sind auch aufgezählt die Santa Maria, die Verwandten des Salomo von Burgos,138 die Santa Fé, Nachkommen des Josua Lorqui,139 und die de la Caballeria,140 welche in Wort und Schrift einen tödlichen Haß gegen ihre Stammgenossen gezeigt hatten.

Der Erzbischof Siliceo hatte also einen Anhaltspunkt, die Unreinen vor den Reinen zu kennzeichnen und zu ächten. Da aber alle seine Mühen, den Marranen den Zutritt zu Kirchenwürden zu verschließen, ohne Erfolg waren, beging er eine niederträchtige Falschmünzerei, welche augenscheinlich machen sollte, wie sämtliche Marranen nicht bloß falsche Christen, sondern nur darauf bedacht wären, die Kirche zu schänden und das Christentum zu verderben. Siliceo verfaßte selbst oder ließ einen Briefwechsel verfassen zwischen einem angesehenen Juden in Spanien und einem Rabbiner in Konstantinopel. Der erstere hätte sich zur Zeit, als den Juden in Spanien die Wahl zwischen Auswanderung und Taufe gestellt war, mit einer Klage und Anfrage an den letzteren [275] gewendet, was in dieser Not zu tun sei. »Der König von Spanien will uns zum Christentum bekehren, uns Leben und Vermögen nehmen, die Synagogen zerstören und noch andere Qual erdulden lassen.« Die Antwort aus Konstantinopel hätte darauf im Namen aller angesehenen Rabbinen gelautet: »Der König will euch zum Christentum bekehren, tut es, da ihr nichts dagegen tun könnt, aber bleibt im Herzen dem Judentum treu. Er nimmt euch euer Vermögen! Lasset eure Söhne Kaufleute werden, um die Christen um ihr Vermögen (durch Schlauheit) zu bringen. Lasset eure Söhne Ärzte und Apotheker werden, um den Christen das Leben zu nehmen. Lasset eure Söhne Geistliche, Kanoniker und Theologen werden, damit sie Religion und Kirche zerstören. Macht eure Söhne zu Advokaten und Notaren, damit sie sich an den Christen rächen können. Befolgt ja unsern Rat, ihr werdet aus Erfahrung sehen, daß ihr euch dadurch aus der Niedrigkeit zur hohen Stellung erheben werdet.« Bei diesem gefälschten Briefwechsel beging Siliceo noch ein Bubenstück. Er nannte den Namen des angesehenen Juden, welcher angeblich die Anfrage nach Konstantinopel gerichtet hat, Chamorro. Es lag eine für seine Zeit erkennbare Niedertracht darin. Mose Chamorro hatte mit seiner Frau die Taufe genommen und den Familiennamen Clemente angenommen. Ihr Sohn Felipe Clemente war vom König Fernando zum Protonotar des königlichen Kabinetts ernannt worden. Sein Sohn Miguel Velasquez Clemente hatte dieselbe Stellung eingenommen. Durch den gefälschten Briefwechsel sollte erwiesen werden, daß der Großvater dieser am Hofe geachteten Familie, welcher in Konstantinopel um Rat gefragt, nur widerwillig sich bekehrt habe und daß seine Nachkommen auf Verderben der Christenheit sännen. Diesen Briefwechsel wollte Siliceo in einem Archiv von Toledo gefunden haben. Er beeilte sich, ihn dem Papste Paul III. vorzulegen, um diesen endlich zu überzeugen, wie gefährlich die Neuchristen der Kirche seien, und besonders, daß sie von Kirchenämtern ferngehalten werden müßten. Der Papst, entweder durch den Briefwechsel getäuscht, oder um das quälerische Gesuch des Erzbischofs los zu werden, verordnete kurz vor seinem Tode durch ein Breve, daß an der Kathedrale von Toledo kein Marrane mit irgend einem Amt belehnt werden solle.141 Seitdem mußte, wer sich um eine Stelle an einer Kapelle dieser Kirche bewarb, eine ebenso strenge Ahnenprobe ablegen, daß er von altchristlicher Abkunft sei, wie für die Mitgliedschaft bei der Inquisition. So wurden die Marranen auch in Spanien gedemütigt und stets an ihren Ursprung gemahnt. Und da sollten sie kirchlichtreue Christen werden?


Fußnoten

1 Vergl. über die Identität von Salomo Molcho und Diogo Pires, Note 5.


2 In dem ersten ausführlichen Schreiben Molchos, Note 5.


3 Vergl. dieselbe Note.


4 תושרד oder ראופמה רפס, gedruckt Salonichi 1529.


5 Siehe Note 5.


6 Siehe Note 5.


7 Bei Herculano a.a.O. I p. 210 fg.


8 Bei Heine, in Schmidts Zeitschr. für Gesch. 1848 S. 160 u. Herculano das. 209 fg. Der letztere las nur von der Befreiung einer einzigen Marranin, Heine dagegen von der mehrerer Frauen.


9 Note 5.


10 Italienische Information in Note 6 und Herculano das. p. 221.


11 Herculano das. p. 227; Imanuel Aboab, Nomologia p. 294; Italien. Information Note 6.


12 Herculano p. 224 fg. Die Sentenz Coutinhos ist in Schmidts Zeitschr. a.a.O. S. 178 von G. Heine als Anhang mitgeteilt.


13 Über alles Folgende s. Note 5.


14 Siehe Note 5.


15 Der portugiesische Gesandte Bras Neto berichtete an den König, daß Pires Zutritt bei Papst und Kardinälen hätte (Herculano p. 235). Dann referiert Herculano (238 f.), daß gegen die Zulassung der Inquisition sich entschieden ausgesprochen hätten: o Cardeal Egidio et Jeronymo de Ghinucci.


16 Vergl. Note 5.


17 Außer der Nachricht von ihm in Molchos Sendschreiben kommt von ihm ein Responsum vor in Mose Isserles Respp. Nr. 56. Daraus geht hervor, daß Chalfon noch 1550 am Leben war.


18 Nächst der Nachricht über die Überschwemmung in Rom bei Muratori: Annali d'Italia X p. 240 (vergl. Frankels Monatsschrift Jahrg. 1856 S. 205, 241 ff., 250) berichtet darüber der zeitgenössische portugiesische Chronikschreiber: Coronyca dos Reis de Portugal in Colleção de libros ineditos V p. 355, wo zugleich die Nachricht über das Erdbeben in Portugal und die Kometerscheinung, die Molcho im Voraus verkündete, vorkommt. Die Überschwemmung in Rom wird hier auf einen Sabbat 8. Oktober 1530 angesetzt und das Erdbeben 26. Jan. 1531. Foi grande terramoto in iste regno de Portugal; tremeo a terra tres vezes; antes de tremer a terra huma estrella de pessar foi nisto cometa corer de ponente contra levante con raios do foguo grandes, que parecia, que abria o ceo.


19 Herculano a.a.O. I. p. 223.


20 Vergl. Note 5.


21 Inhalt des Briefes des Gesandten Bras Neto an João III. vom 11. Juni 1531 bei Herculano das. p. 233 fg.


22 Note 5.


23 Sendschreiben bei Joseph Kohen p. 94 b.


24 Joseph Kohen p. 91 a.


25 Bei Herculano das. S. 239.


26 Die Bulle bei Herculano das. S. 240.


27 Das. II S. 40 fg.


28 Herculano das. I, p. 251 fg. Bei Heine a.a.O. S. 102.


29 Herculano I, 259 Samuel Usque tribulaçaõ III. Nr. 30.


30 Usque das. Nr. 31. Das war die Quelle für Joseph Kohen in Emek ha-Bacha p. 91. Zunz scheint die Urquelle nicht gekannt zu haben, und darum wußte er aus dem Eigennamen איופ הליד ןאוי nichts zu machen. Dieser Raubritter war gewiß kein Franzose und am allerwenigsten ein Foix, sondern ein Italiener. In dem Memoriale, welches die Marranen einige Jahre später dem Papste überreichten, klagten sie: et in quamplurium fuga talia contra ipsos (novos christianos) pluries comprehensos perpetrata sunt, quod mirandum profecto, quod non ad Turcarum dominia, sed ad diabolorum domos non transferrentur. Bei Herculano das. I p. 259 Note.


31 Dem Schriftzug in seinem Namen המלש gab Molcho in der Verlängerung des ל nach oben die Figur einer geteilten Fahne. Revue d. Et. j. XVI 32 f. In der Beschreibung zur Übergabe seines Sendschreibens an Abraham Treves in Ferrara, in welchem dieser Namenszug vorkommt, bemerkte er: יבהאל יתתנ קתעהה הז יתירב תא תוכזל שבירט המלש ןב שיבורט םהרבא 'ר יתירב לעב ךרדב יתויהב הראריפ הפ ימתוחב םותח ... םלועל םהרבא תא ונימיב הרהמב יתוחילש ףוס תוארל ינכזי אוה . 'ה ךרד


32 Mutians Brief an den Kurfürsten Friedrich von Sachsen in Tenzel Supplementum historiae Gothanae II 75: et meris adjuvantibus Judaeis ... principales et illustres familias opprimere.

33 Dr. Eck Verlesung eines Judenbüchleins im Anfange.


34 Schaab, Geschichte der Juden von Mainz 123 nach Schunk vom Jahre 1525. Vgl. über das Schicksal der Juden während des Bauernkrieges Alfred Stern in Geigers jüd. Zeitschr. VIII. Jahrg. 1870 57.


35 Eli Scheid aus Aktenstücken in Revue d. Et. j. XIII 251, Joselins Tagebuch das. XVI Nr. 11. Daselbst muß gelesen werden: די םירהל אלש לוק וזירכהש םידוהיה דגנ statt des sinnlosen די םירהל ןילמ לוק. Der Passus הנידמו ריע לכל םיבר ירוית ובתכנ bedeutet: die Führer der Bauern haben für die Juden sauve-Conduite ausgestellt.


36 Scheid a.a.O.


37 Joselins Tagebuch a.a.O. Nr. 14-15 vom Jahr 1538.


38 Das. und Revue II 273 vom Jahre 1531.


39 Tageb. das. Nr. 16 vom Jahre 1531. Das Erbauungsbuch hat den Titel שדקה ךרד.


40 Tagebuch Nr. 17 vom Jahre 1532.


41 Vergl. Frankel, Monatsschrift 1856 S. 260. Josselmanns Tagebuch gibt an, daß Molcho in Bologra verbrannt worden wäre. Es ist aber ein Irrtum.

42 Schwerlich ist der, bei Herculano III p. 12 erwähnte »Jude von Çapato«, welcher in Evora 1541 mit dem messianischen Schuhmacher Luis Dias und anderen verbrannt wurde, identisch mit D. Rëubeni. Die Stelle lautet: tambem sahio o Judeo de Çapato, que veio da India a Portugal a manifestar-se aos seus, dizendo les que era o Messias promettido e que vinha do Eufrates, onde todos os Judeos o crêrão. D. Rëubeni kam nicht vom Euphrat, und da er in dem Kerker von Llarena war, in Spanien, konnte er nicht in Portugal gerichtet worden sein.


43 Joseph Kohen Emek ha-Bacha p. 100


44 S. Note 5.


45 In seiner Chronik ed. Amsterd. p. 96.


46 Dieselbe Note 5.


47 Herculano, die beste Quelle für die Einführung der Inquisition in Portugal, welche durch die Notizen von Aboab (in dessen Nomologia), von G. Heine und von Kunstmann (Münchner Gelehrte Anzeigen 1845) bereichert und ergänzt werden kann, hat zuerst das Intrigenspiel des Duarte de Paz aus einer geheimen Korrespondenz ans Licht gezogen (I p. 269 f.u.a.a.O.). Aber Herculano tut ihm wahrscheinlich Unrecht, wenn er ihn als Verräter an seinen Stammesgenossen und Klienten schildert (p. 281 f.). Die geheime Korrespondenz Duarte de Paz' mit dem König und das Vertrauen des Königs auf ihn, woraus die Verräterei gefolgert werden kann, können ebensogut eine Intrige gewesen sein, um den Hof irre zu führen. Daß er den König hintergangen hat, beweist die Tatsache, daß er später von Meuchelmördern, die von João oder seinen Kreaturen gemietet waren, verwundet wurde. Tatsache ist auch, daß die Marranen ihm bis zuletzt vertraut und ihm nur Eigennutz vorgeworfen haben, und daß João später, trotz der verräterischen Briefe an ihn, den Sendling des Christusordens entkleiden wollte (das. II. p. 95). Noch im Jahre 1536 war der König so aufgebracht auf ihn, daß er nur ungern die Amnestie für dessen Familie bewilligte, »wegen der Schuld dieses Menschen, pelas culpas desse hommem« (das. II. p. 169). De Paz hat allerdings eine verräterische Anklage gegen die Marranen geschleudert 1539 (das. p. 263 fg); aber sie entsprang aus einem Rachegefühl, weil diese ihm zuletzt einen anderen Vertreter substituiert haben. Er hat auch später sich wieder zum Judentum bekannt; aber daß er zuletzt Türke geworden sei, ist wohl nur Verleumdung oder Vermutung (das. II. 268 Note).


48 Herculano das. I. p. 276 fg.


49 Das. p. 283 Note 3.


50 Das. 275 fg. 277, 279 fg. Herculano konnte sich die plötzlich eingetretene Gleichgültigkeit gegen die Inquisition am portugiesischen Hofe nicht erkären. Auch die Minister waren nicht dafür. Das Faktum kann nur durch die politische Parteistellung erklärt werden.


51 Das. p. 281 fg. Herculano fand im Archive dessen Schreiben vom 4. Nov. 1532 und noch andere aus späterer Zeit an den König in Chiffreschrift.


52 Der König schreibt noch 1536 an Pucci: e pera verdes a vertude que ha nelle (em Duarte de Paz) vos envio com esta carta as proprias cartas que elle las deu ao arcebispo do Funchal pera me enviar, porque me descubria alguns de sua gente e dos principaes, que da cá se queriam fugir, pera serem presos e se proceder contra ells, e o que n'isso se offerecia fazer e as provisões minhas que pera isso me queria. Herculano das. II. p. 55 Note.


53 Bei Herculano das. II. p. 5 fg.


54 Memorial bei Herculano das. II p. 20 Note: Rex (Johannes) credens, ut dicebatur, Clementem de hujusmodi negotiis non informatum, pecunia tantum motum veniam praedictam concessisse. – Kopie das. p. 24: He fama nestes Reynos que por peita grossa de dinheiro que se deo em sua corte, se negoceam estas provisões contra tão santa ... obra. Vergl. auch das. S. 65 Note.


55 Herculano p. 21 fg.


56 Das. p. 21-66.


57 S. Imanuel Aboab, Nomologia p. 292.


58 Sadolet Epistolae L. XII Nr. 5: ad Cardinalem Alexandrum Farnesium von 1539: Qui potest videre amore religionis in suis provinciis Luteranos persequi, qui in iisdem provinciis tantopere sustinet Judaeos? Immovero auget, condecorat, honestat? Nulli enim unquam ullo a pontifice Christiani gratiis, privilegiis, concessionibus donati sunt quod per hosce annos a Paulo III. pontifice honoribus, praerogativis, beneficiis non aucti solum, sed armati sunt Judaei.


59 De Pomis de medico Hebraeo p. 70: ... Paulus III praesertim qui Jacob Mantini praesentia usus omni fere in tempore fuit. Vergl. darüber die Bibliographen über Mantin.


60 Alessandro d'Ancona, studii nelle sacre rappresentazioni, Florenz 1877; Revue d. Et. j. IX, 81 Note 3.


61 Privilegium des Herzogs von Savoyen Revue d. Et. j. V, 223, s.w.u ... perche per le lettere Apostoliche.. del Papa Giulio terzo in confirmatione d'altre lettere simili di Papa Paulo terzo, suo predecessore, si vede che loro santità concedono a Portughesi et Spagnuoli che possano venir, star et habitar. ... nella città d' Ancona et altre terre suddite alla Chiesa Romana. ... con proibitione espressa che contra di lor non si possi do inquisitore ... in esser chiamati ne citati in giudicio per causa de apostasia o sia apocrisia. ...


62 Herculano, origem da Inquisição II p. 69 ff.


63 Das. II p. 86: Auditor Camerae (Ghinucci) est suspectissimus in ista causa, tum quia fuit advocatus praedictis conversis, tum quia scripsit pro eis et consilium fecit stampare.


64 Bei Herculano p. 97.


65 Das. p. 141 fg. Die Zahl der damals Befreiten gibt Imanuel Aboab Nomologia p. 293 an.


66 Herculano das. p. 87.


67 Das. 151 f.


68 Bei Herculano p. 152 N.


69 Joseph Kohen, Emek ha-Bacha p. 101. Der bescheidene Historiker verschwieg seinen Anteil an der Sammlung zur Auslösung der Gefangenen. Vergl. Revue d. Et. XVI, 37.


70 O. S. Reichstagsabschiede von 1530, 1548, 1551.


71 Dekrete vom 18. Mai 1530, an ganz Deutschland und eins für Elsaß, dann wieder eins vom 24. Mai 1541, Urkunden bei Limnaeus, jus publicum imperii Romani, additamenta I, p. 301 f.


72 Herculano a.a.O. II, p. 153 fg. vergl. Note 6. Diese für den Ursprung der Inquisition in Portugal wichtige Nachricht findet sich nur bei E. Aboab Nomologia p. 293:.. se resolvió el Rey Don Juan, que passando aquel tiempo por Roma Carlos V., victorioso de los Turcos por aver ganado a Tunez y a la Goleta, aviendo de triumphar, pidiesse esta gracia a pontifice, de que el Rey de Portugal pudiesse meter la inquisicion en suos Reynos, como era costumbre de aquellos que triumphavan pedir al papa lo que masles agravada. Weder Herculano, welcher die Verhandlung Karls mit dem Papste berichtet (a.a.O. II, p. 153 fg. 162) noch G. Heine, welcher dieselben Urkunden benutzt hat, wissen von diesem Motive.


73 S. Note 6 Ende.


74 Herculano a.a.O. II. p. 163 fg. Das Datum ist das., wie oben, angegeben, bei G. Heine dagegen falsch, 26. Juli, das war vielmehr der Tag der Publizierung in Portugal.


75 Das. p 169.


76 Das. p. 171 fg. Monitorio vom 18. August 1536.

77 Das. II p. 177 fg. Die zwei marranischen Vertreter, welche mit Don Luis und dem Könige darüber unterhandelten, hießen Jorge Leão und Nuno Henriques.


78 Herculano das. II. 181 fg.


79 Herculano II p. 185-191.


80 Das. p. 195 fg.


81 Das. p. 201 fg.


82 S. Note 6.


83 Herculano das. II, p. 207 Note.


84 Herculano das. II, p. 211 fg.


85 Das. p. 220.


86 Herculano p. 252.


87 Das. p. 254 fg.


88 Das. p. 269 fg.


89 Das. p. 322.


90 Informazioni Note 6. Herculano das. p. 303 Note.


91 Herculano das. p. 325.


92 Samuel Usque Consolação III. Nr. 30. Das Jahr für Anfang der Inquisition ist dabei angegeben: 5291 = 1531, aber nicht ganz genau. Wenn Hefele, der Biograph des Kardinals Ximenes, diese von einem Zeitgenossen, wahrscheinlich von einem Opfer der Inquisition ausgegangene Schilderung der Ungeheuerlichkeiten der Inquisition gekannt hätte, oder vielmehr wenn er nicht von der Tendenz besessen gewesen wäre, diese Schandflecken an der Kirche reinzuwaschen und sie in die Farbe der Unschuld zu verwandeln, so hätte er nicht schreiben können, daß die Grausamkeiten dieses Ketzertribunals nur in historischen Romanen oder romantischen Historien existierten. Hefele beschuldigt Llorente der Übertreibung; aber die jüdischen Blutzeugen des XVI. und XVII. Jahrhunderts, die als halbe Leichen der Inquisition entgangen waren, schildern die raffinierte Unmenschlichkeit derselben noch viel eindringlicher. Der neueste Geschichtsschreiber der portugiesischen Inquisition, A. Herculano, hat die haarsträubende Grausamkeit derselben ebenso wie Llorente aus laut redenden Archiven kennen gelernt. Er schreibt in der Einl. zu seinem höchst interessanten Werke Origem da Inquisição em Portugal: »Wir könnten eine Geschichte der Inquisition schreiben, dieses Dramas der Gräueltaten, welches sich über zwei Jahrhunderte hinzieht. Die Archive des schrecklichen Tribunals sind hier fast unberührt. Nahe an 40000 Prozesse sind noch geblieben, um Zeugnis von fürchterlichen Szenen, von beispiellosen Abscheulichkeiten, von langen Todeskämpfen abzulegen.« Enthält das Lissaboner Archiv auch lauter historische Romane über die Inquisition? Viele Züge haarsträubender Grausamkeit der portugiesischen Inquisition haben die Marranen in einem Promemoria für die Kurie zusammengestellt. Memoriae porrectum a noviter conversis regni Portugalliae continens narrativam rerum gestarum circa eos a regibus et inquisitorr. illius regni spatio 48 annorum, mit 44 appendices. Aus diesem Memoriale, das Herculano in der Bibliothek zu Ajuda in den Symmicta Lusitana entdeckt hat, hat er die Geschichte der Inquisition und das Martyrologium der Marranen dargestellt. Dieses Werk müßte gedruckt werden, um die katholischen Schönfärber zu beschämen.


93 Herculano das. II. S. 40 fg.


94 Herculano p. 263-68. S. oben S. 245, Anm. 1.


95 Das. p. 321 und Note 6.


96 Das. Imanuel Aboab, Nomologia p. 262 zitiert Parisios Schrift in Gemeinschaft mit Alsatio: consilia pro Christianis noviter conversis.


97 Herculano das. II. p. 340. Ayres Vas war schwerlich Marrane, s. das. p. 221. Note 2.


98 Das. p. 221.

99 Herculano II, 321. Der Papst gestand selbst zu, daß de Moute auf Kosten der Marranen unterhalten wurde. Das. 327.


100 Das. 321.


101 Das. III, 13, bei Heine in Schmidts Zeitschr. 1848, 167 f.


102 Herculano III 40 f.


103 Das.


104 Aus den Prozeßakten der Inquisition entnahm Herculano, daß viele Schlachtopfer der Inquisition tatsächlich judaisiert, d.h. jüdische Riten beobachtet haben, das. p. 83: que muitas das victimas da Inquisição effectivamente judaizado.


105 Das. III, 12. Bei Heine a.a.O. 168, s. Note 6.


106 Herculano das. 56 f.


107 Die römische Inquisition ließ daraufhin den Agenten der Marranen Fernandes Neto als judaisierenden Ketzer einkerkern, das. 85, 92.


108 Vergl. w. unten.


109 Herculano das. III 123 f.


110 Das. 124.


111 Das. 128 f. und 266.


112 Das. 135.


113 Das. 134.


114 Das. 137.


115 Das. 267 f.


116 Das. 165.


117 Das. 158.


118 Herculano, 145.


119 Das.


120 Das. 149.


121 Das. 184: ponunt illas (uxores et virgines) ad torturam septem vel octo quolibet die, et unus dicit: »oh quae facies Judaeae«, alius, »et qui oculi«, alter vero: qualia pectora et manus!«


122 Herculano, 161-171.


123 Das. 158 f.


124 Herculano, 190: de nenha cousa estou taõ espantado como dar nosso senhor tanta paciencia en fraqueza humana, que vissem os filhos levar seus pais a queimar, et as molheras seus maridos, e huns irmaõs aos outros, et que nõo ouvesse persoa que fallasse, nem chorasse, nem fizesse nenhum otro movimento, senaõ despedirem se huns dos otros com suas benções, como que se partissem pera tornar ao outro dia.


125 Das. 197.


126 Das. 235.


127 Herculano III 263.


128 Das. 265 f.


129 Herculano das. 313 f.


130 Herculano 316 f.


131 Das. III. 228, 291.


132 Herculano III. 323.


133 Imanuel Aboab Nomologia p 293: Y no queriendo aun abdicer el Rey, hizo el Nuncio (Monte Peliciano) fixar el perdon en las puertas de las iglesias Cathedrales, y el mismo hizo abrir las carceres de donde salieron mil y ochocientos presos.


134 Herculano das. 324, 336.


135 Don João selbst erklärt dem Papste: em cuja conservação (dos Christãos- novos) no reino o estado altamente interessava por exercerem, a bem dizer exclusivamente a industria fabril e o commercio, bei Herculano a.a.O. II, p. 30. Das. p. 275: os Christãos-novos constituiam uma grande parte de nação, e parte mais util que todo o resto do povo. Por ellos, pelos seus cabedaes, o commercio, a industria e as rendas publicas cresciam de dia para dia. das. III 95: Perdia diariamente subditos activos industriosos, opulentos.


136 Clemens VIII. erließ eine nova absolutio et venia generalis für die Marranen wegen ungerechter Behandlung von Seiten der Inquisition am 23. Aug. 1604, welche 16. Januar 1605 publiziert wurde, Bullarium ed. Cocquelines T. V. pars III, constit. Nr. 342.


137 S. Band VIII3 S. 150 N.


138 Das. VIII3 S. 79 f.


139 Das. S. 113.


140 Das. S. 150.


141 Vergl. über diesen gefälschten Briefwechsel und seinen Hintergrund Revue des Etudes juives T. XIX. S. 106 fg.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1907, Band 9, S. 277.
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