5) Molchos Reisen in der Türkei und Italien und seine Tätigkeit mit David Rëubeni bis zu ihrem letzten Gange.

[524] Aus dem Eingange zu Molchos Predigten (auch unter dem Titel ראופמה 'ס) geht hervor, daß er in Salonichi gewesen ist, und zwar noch vor 1526, [524] dem Druckjahre dieses Werkchens (das im Jahre 'ף'רט = 5289 = 1529 in Salonichi erschien). Es heißt daselbst: ןעמל חולשל ינממ םישרודה יקינולאשב םיבשויה םיבהאנה יערו יחא שורד הזיא םהל. Dort wurde er mit dem Kabbalisten Joseph Taytasak bekannt, an den er eben das ausgezogene Sendschreiben (I) von Monastir aus gerichtet hat. Dasselbe bezeugt ein Passus in seinem zweiten Sendschreiben, worin er das erste erwähnt (bei Joseph Kohen); 'ררהמל ואיריטשנינומ ריעמ יתבתכ רשא הארמה ןינע ינממ לאש םש יתויהב יכ (קסטיט .l) הסטיט ףסוי. Im Verlaufe erzählt er, daß Jakob Mantin seine erste Vision, die er Taytasak mitteilt, als Anklagepunkt gegen ihn, ins Lateinische übersetzt und einigen Kardinälen übergeben habe: קסטיט ףסוי ר"מכ לא יתחלש רשא הנושארה הארמ ןושלל (ןיטנאמ בקעי) הקיתעהו ותא אוה בונג ונממ קתעהה םינמשח המכל התוא הארהו ירצונ. – Molcho hatte auch Bekanntschaft mit Joseph Karo, wahrscheinlich als dieser noch in Adrianopel wohnte. Bekanntlich war der Verfasser des Schulchan Aruch noch vor 1522 von Nikopol nach Adrianopel und von da nach Salonichi übergesiedelt, wo er noch 1533 war (Conforte p. 35 a). In Safet war er vor 1538, als Jakob Berab daselbst die Ordination einführte (o. S. 283). Karo hatte kabbalistische Visionen, die er niedergeschrieben hat, und die nebst seinen späteren Visionen in Salonichi und Safet in dem mystischen Werke םירשמ דיגמ unvollständig gesammelt sind.22 Daß er noch während seines Aufenthaltes in Adrianopel kabbalistische Träume hatte, beweist ein Passus das. (p. 50 eigentlich p. 70): ךרפס ןקתל יקינאלאשל תכלל הצרת ןכל םדוק םא םש בשיתת אלש אלא השע (ףסוי תיב). Hier lernte Karo, wie es scheint, Salomo Molcho kennen. Doch zuerst muß ich Belege für ihre Bekanntschaft beibringen, ein wichtiges Moment für die Entwicklungsgeschichte des kabbalistischen und rabbinischen Judentums. Maggid p. 65 a verkündet Karo ein spiritus familiaris oder die personifizierte Mischna: ץראב אדקותיאל ךכזאו יחבדמ לע אתלועל קוסיתו איסהופב ימש אשדקל םיברב לארשי .לארשי לכ יניע היב הרהנאל ךליד ארוביח רמגמל ךכזאו .... ךליד ךרובחמ ןובאשי םיליכשמו םינובנו םימכח םימע לכ אהד אשדקל הכזת יאמלו תקיבדא יאמ יזח קופו .. ףסוי תיב ירקאד חשממ חשמתאד וכלמ ירקתאד הכז יריחב המלש ךכ םיברב ימש תא קלתסת ימנ יכהו יחבדמ לע אוערל קילסו האלע תובר. Der Sinn dieses Unsinns ist [525] so wie Salomo gewürdigt wurde, Molcho, d.h. königlich genannt, von oben gesalbt und als Ganzopfer auf dem Altar, als Märtyrer, geopfert zu werden, ebenso werde auch er, Joseph Karo, die Krone des Märtyrertums erringen. Dieser Passus ist nach Molchos Tod, nach 1532 und vor 1542, vor Vollendung des Werkes ףסוי תיב, geschrieben. Wir haben daraus gewonnen, daß überall wo im Maggid יריחב המלש oder ידידי המלש vorkommt, Molcho darunter verstanden ist. Aus p. 69 a daselbst geht hervor, daß Karo mit Molcho in steter Verbindung war und von ihm Kabbalistisches gelernt hat: יאמו רמאק ריפש אל .. יריחב המלש ךל ףילואד. Dann heißt es weiter: ךמק ארעאו היתלחדל אברקמל ךל רהנא יכה רתבו היל אתעדומשאד ךל הוה וכזו היל עדנה יא יזחמל יריחב המלש הילע (kitvat תבתכ .l) יתבתכ ףואו יתי לחדמל הינמ תפילואו אשידק אירבח והנה ורעתאד דע לזאד אתבר אתרק איההל ןובט דיבע ךליד ודעתאד ךב ילת אתוכז יאהו ןודירמל בתכמל. Vergl. noch daselbst p. 4 a, p. 9 b, p. 21 b. Daraus folgt, daß Karo es sich zum hohen Verdienste angerechnet hat, Molcho erkannt, auf ihn und seine Bedeutung aufmerksam gemacht und ihn einer großen Stadt empfohlen zu haben. Diese große Stadt könnte wohl Salonichi gewesen sein. Dann müßte Molcho zuerst in Adrianopel und dann erst in Salonichi gewesen sein und seine Reisen in der europäischen Türkei in Kreuz- und Querzügen gemacht haben. In Monastir war er auch, wie wir gesehen, aber zweifelhaft, ob im Anfang oder am Ende seiner Reise in der Türkei. Aus einer anderen Stelle folgt, daß Karo den Wunsch hatte, sich mit Molcho in Palästina zu vereinigen (p. 25 b): המלש םע םש דחיתהלו לארשי ץראל תולעל ךכזא יכ ףרשיל ךכזא ךכ דחאו דמלתו דומלתו םירבחה םעו ידידי [vetilmod utelammed]. Das. (p. 3 b zitiert Karo einen Passus aus einem Werke Molchos: יאמד עדנמל ךל אלה יאה רמאקד תמלענ ארפסב ידידי המלש אקידצ יאה קדקדמד .(קדקד האי הימש ט"ש אמיכח

Daß Molcho in Palästina war, geht aus seinem zweiten Sendschreiben aus Italien (Ende) hervor, das sicherlich dahin gerichtet ist, wahrscheinlich nach Safet. Dort soll er eine Geliebte gehabt haben (Schalschelet). Wie lange er in der Türkei und Palästina geweilt hat, läßt sich nur ungenau bestimmen. Einige dreißig Tage vor Adar (Januar oder Februar 1530) war er bereits in Rom (II. Sendschreiben bei Joseph Kohen). Vorher hatte er sich längere Zeit in Ancona und Pesaro aufgehalten. Er ist also im Laufe von 1529 in Italien angekommen. Wahrscheinlich kam er direkt dahin von Palästina, wo er wohl seine Predigten, spätestens 1529, verfaßt hat. Da er während seines Aufenthaltes in Portugal sich schwerlich viel mit Kabbala beschäftigt hat, so muß er sie nach seiner Flucht in der Türkei gründlicher erlernt haben. Seine Auswanderung aus Portugal hat noch im Laufe des Jahres 1525 stattgefunden (o. S. 524), und er konnte die Kabbala während der Jahre 1525 bis 1528 gelernt haben. Kenntnis des Hebräischen brachte er wohl aus Portugal mit.

Von Palästina war er, wie sich gezeigt, nach Ancona gekommen, wo er einige Zeit geweilt, und von da begab er sich über Pesaro nach Rom. Dort weilte er kaum länger als ein Jahr, denn Adar 1531 (שדחב 'ם'י'ר'מ'א יתעמש יכ תנשב רשע םינש) hatte er es schon verlassen. Erst im Laufe des Jahres 1530 kam er wieder mit David Rëubeni zusammen und hatte die richtige Einsicht von dessen Charlatanerie. In Rom predigte er jeden Sabbat (zweites Sendschreiben und portugiesischer Bericht, o. S. 513). Im Verlaufe des Jahres 1530 wurde er mit dem Papste Clemens VII. bekannt und erhielt von ihm einen Sicherheitsbrief (ינוצרכ תושעל תושרו חכ ןתונ אוה ךיא ... רויפיפאה ןוחטב, das. und die portugiesische Quelle VI). Vor der Überschwemmung in Rom, die er dem Papste vorausverkündet haben will, also vor 8. Oktober 1530, verließ Molcho [526] Rom und hielt sich in Venedig einige Zeit auf, um ein neues kabbalistisches Werk zu drucken. Nach der Überschwemmung kam er wieder nach Rom und war noch daselbst nach dem Erdbeben in Portugal, 31. Januar 1531, als die Nachricht davon in Italien eingetroffen war, also noch während des Februar. Erst zwischen 18. Februar und 18. März, d.h. im Adar desselben Jahres, muß er wegen gehäufter Anklagen gegen ihn Rom verlassen haben. Sein zweites Sendschreiben stammt aus dieser Zeit. In dieser Zeit war sein Ruf bereits so weit verbreitet, daß man im Orient, Polen und anderen Ländern messianische Hoffnungen an ihn knüpfte (dasselbe Sendschreiben und Quelle III). Seit dieser Zeit, vom Februar bis März 1531 und bis zu seiner Reise nach Regensburg zum Kaiser Karl, Sommer 1532, haben wir keine direkten Nachrichten über ihn. Er reiste damals zum ersten Male gemeinschaftlich mit Rëubeni. Seine Abwesenheit von Rom hatte zur Folge, daß die Gegner der Marranen das Übergewicht bei der Kurie errangen, namentlich nach dem Tode seines Gönners Lorenzo Pucci, und sie setzten die Bulle des Papstes Clemens vom 17. Sept. 1531 cum ad nihil magis zur Einführung der Inquisition in Portugal durch.

Über die Reise Molchos und Davids nach Regensburg zu Karl V., den Feuertod des ersteren und die Einkerkerung des letzteren ist zu dem, in den jüdischen und christlichen Quellen Gegebenen nichts weiter hinzuzufügen, als daß die Nachricht, sie hätten den Kaiser zum Judentum bekehren wollen, eine Fabel ist. Das richtige Motiv ihrer Reise zum Kaiser gibt Josselmann Roßheim an, der mit ihnen gleichzeitig in Regensburg war, um, wie öfter, Schutz für seine verfolgten Glaubensgenossen zu suchen, sie aber nicht gesprochen, vielmehr Regensburg verlassen hat, um den Verdacht abzuwenden, als habe er mit ihnen die Hand im Spiele. Molcho wollte vom Kaiser die Zustimmung erlangen, die Juden zu einem Kriegszuge gegen die Türkei zu bewaffnen (Tagebuch in Revue des Etudes, XVI, p. 91, Nr. 17): ןתואב .... ב'צר תנשב תועדב אקלומ המלש 'ר הנוכמה קדצ רג זעול שיאה אב םימיה תאצל םידוהיה לכ ארקל אבש ורמאב רסיקה ררועל תוינוציח וריהזהל וינפל תרגא יתבתכ ... יעמשכו ... רגוהה דגנ המחלמל ידכ קרופשניגער ריעה ןמ יתקלסו ... רסיקה בל ררועל אלש ותכאלמב ותא ידי רסיקה רמאי אלש. Das Richtige wird wohl gewesen sein, nicht sämtliche Juden zu einem Kriegszug zu führen, sondern die Marranen in Spanien und Portugal. Dazu sollte Karl die Erlaubnis geben, d.h. ihre Auswanderung aus den Ländern der Inquisition zu gestatten. Dieser Plan war gar nicht so abenteuerlich. Es war eine vernünftige Modifikation des Planes von David Rëubeni, von den christlichen Fürsten Kanonen zu verlangen, um die Mohammedaner in Arabien zu bekriegen. Von David Rëubeni spricht Josselmann nicht, sondern erwähnt nur zum Schluß, daß der Kaiser Salomo Molcho bei der ersten Unterredung in Fesseln schlagen und in Bologna verbrennen ließ. Widmannstadt und Joseph Kohen dagegen geben an, daß er in Mantua verbrannt worden sei. Der letztere und die portugiesische Quelle (o. S. 54 f.) referieren, daß David in Spanien eingekerkert wurde.

Die Schwärmerei für Molcho hörte mit seinem Tode nicht auf. Aus einer Spielerei des Kabbalisten Joseph de Arli sehen wir, wie viele Hoffnungen die Kabbalisten wenigstens auf ihn setzten, und daß sie ihre messianischen Erwartungen zugleich an die Luthersche Reformation knüpften. Aus einem Manuskript in der Almanzischen Bibliothek teilt nämlich Luzzatto (Maskir V, p. 45) ein Anagramm von Joseph de Arli mit, d.h. eine kabbalistische Prophezeiung aus zwei Jesaianischen Versen, wobei jeder Buchstabe als Wort ergänzt wird: הלענל תואירטמג ילראמ ףסוי . ר"רהמכ. Der erste Vers rückwärts gedeutet:

תיב איבת םידורמ םיינעו ךמחל בערל סורפ אלה (Jesaias 58, 7) wird [527] folgendermaßen ergänzt: ונתעוש'י היה'ת םיב'ר םיקח'ו תות'ד ד'י ינפ'מ לופ'ת ץרא'ב וש'י תנומ'א תע'ב הקז'ח ותלשמ'מ י'כ .םירש'ו םימ'ע דג'נ שדח'י .. 'מ . םינוש'מ .. 'פ תע'ר . הלוג'י הרי'ס הסשמ'ל המו'ר זו'ע לכ'ב .חצנ'ל סרוה חצנל םילילא.23, 24

Der andere Vers geradwärts gedeutet:

קוחרמ ךינב איבהל הנושארב שישרת תוינאו ווקי םייא יל יכ ךראפ יכ לארשי שודקלו ךיהלא היהי םשל םתא םבהזו םפסכ (das. 60, 9): אר'י דח'י זנכש'א היה'י (רוטי)'ל ררועת'י רשא'כ ף'א ויהלא'ו וירמוכ'ו יתוכלמ'ו יטנימיל'ק הזב'י .. 'מ [jare] םימ'ש ולג'י ותוט'ש . עש'ר תולפ'ת לב'ת .גרה'ו השע'י תומק'נ ריע'ה תואלמ'ל ותסיר'ה יעג'נ איבה'ו חל'ש רש'א ,תיעיב'ר הנש'ב הממו'ר תוכל'מ רת'כ ויד'י ונת'נ תע'ב םיסולכו'א ד'י אינולו'ב תומחל'מ תדוק'פ . דרפ'ס בבל'כ רסי'ק ןוצר'ו קש'ח . (?המור) הר'מ לגלג'ת ז'א . תודמע'מ ילובל'ב . םיכופ'ה . תור'ז תיער'ו תוינ'א ''ה . ףרשנ'י ךלשו'ה ילארש'י . וכלו'מ תפיר'ש םוקנ'ל תשוד'ק ליצה'ל ינייבצ'ו ינוצר'כ והואשנ'י םיטבש'ה תרשע'ל לארשי'ל הל'א םיז'ר . ואנו'ש טיב'י המל'ש תנומת'ו . ותומ'ד .םל'כ תאופ'ר םיהל'א דק'פ תועוש'י . םל'כ25

Diese kabbalistisch-anagrammatische Spielerei ist nach Molchos Tod, nach 1532, aufgestellt worden. חיעיברה הנשב, im vierten Jahre, scheint anzugeben, daß nach Verlauf von vier Jahren seit der Krönung des Kaisers Karl in Bologna die messianische Parusie Molchos eintreffen sollte. Diese Krönung hat bekanntlich Papst Clemens widerwillig vollziehen müssen. Darauf spielt die Deutung an. Die Krönung fand statt 22. und 24. Febr. 1530, also im Jahre 1534. Das Stück wäre demnach 1533 oder 34 geschrieben. Der Verf. wird genannt ילראמ ףסוי, oder auch ילרא, Luzzatto das. auch ילרד d.h. de Arli, oder ילרא שיא (in einem Briefe von ihm, Maskir IV, p. 98 Note). Nach einer Nachricht Leon de Modenas (Ari Noham, p. 75) war dieser Joseph ungehalten über den Druck des Sohar von Mantua und richtete ein satirisches Sendschreiben an den ersten Herausgeber, Emanuel de Benevent: אוה :ליחחמה םושרה בתכה ולראמ ףסוי 'ר ול בתכ רשא (לאונמע) אתלת יפנאב ירמאתמד אתלמ לכ ... לאונמע ךצרא כחר אלמ .אשיב אנשיל םישמ הב תיל


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1907, Band 9, S. 524-528.
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