Abraham Diego Texeira und Manuel Isaak Texeira.

[425] Es wird gewöhnlich angenommen, daß ein Jude portugiesisch-marranischer Abkunft namens Texeira in Hamburg eine große Rolle spielte und Resident der Königin Christine von Schweden war. Hauptquelle dafür ist Mémoires concernant Christine, reine de Suède (anonym, aber von J. Arkenholz). Kayserling hat eine Biographie Texeiras geschrieben (in J. Wertheimers Jahrbuch für 1860-1861), aber es ist manches daran zu berichtigen und zu ergänzen. Vor allem muß man zwei dieses Namens auseinanderhalten, Vater und Sohn. Der Vater, Diego Texeira de Mattos, hat für die Juden von Friedrich III. von Dänemark Freiheiten erwirkt, Urkunde d.d. 19. Januar 1657 (bei Kœnen, Geschiedenis der Joden in Nederland, p. 430) [425] Er stand ferner in Beziehung zur Königin Christine und erhielt ein Privilegium von Kaiser Ferdinand III. Die Königin von Schweden schrieb über ihn an den Kaiser Leopold I. 1660 (bei Arkenholz III, p. 228): E degno di tal riflessione il buon servizio, che mi rende da molti anni Diego Theixera ed Emanuel suo figliuolo nelle occorrenze di mei interessi. Il sudetto Diego, come vestra majestà potrà ... vedere nell' anesso memoriale, vien disturbato per gli atti della Cancellaria Imperiale dal possesso della grazia fattagli già nell' expressa causa dalla felice memoria dell' Imperatore Padre di v.m. procuratogli dal conte Montecuculi. Von diesem Diego Texeira schreibt J. Wolf im Nachtrage zu Wertheims Jahrbuch S. 13: »Die Familie Texeira hatte ursprünglich das Prädikat Sampayo und Dom, und zwar war es ein portugiesischer Adelstitel. Philipp IV. von Spanien bestimmte, daß das Wappen der Sampayo auch in das Wappenregister von Spanien aufgenommen werde (3. März 1643), und galt diese Begünstigung dem Vater des Don Manuel, Don Diego, königlichem Residenten in Flandern.« Es war ohne Zweifel Diego, von dem Schuppius erzählt, er sei in Hamburg in einem fürstlichen Wagen mit Livreebedienten gefahren, woran dieser Fromme soviel Ärgernis genommen (Schudt, Merkw. I, S. 275): »Vermutlich dieses Manuel Texeira Vater« (der alte Texeira). Diego Texeira muß demnach zwischen 1643 und 1660 zum Judentume zurückgekehrt sein. Es geschah im Alter von 70 Jahren, wie Schudt (das. S. 144) berichtet: »Wie sich denn des reichen hamburgischen Juden Texeira Vater, ein Mann von 70 Jahren, noch erst beschneiden ließ und darüber fast gestorben wäre.« Wie aus dem zitierten Schreiben Christinens an den Kaiser hervorgeht, hatte die kaiserliche Kanzlei Diego und seinem Sohne einen Paß versagt, wahrscheinlich weil sie, oberflächlich betrachtet, Relapsi waren. Die schwedische Königin bat daher, daß der Kaiser ihnen gestatten möge, überallhin zu reisen: e sia loro lecito di caminare liberamente ove gli occorrerà per tutto l'Imperio. Wenn berichtet wird, daß Christine nach ihrer Abdankung in Hamburg in Texeiras Haus eingekehrt ist, und daß der spanische Gesandte Pimentel, derselbe, der sie zum Katholizismus gebracht hat, ihn derselben empfohlen hat, so gilt das von Diego Texeira (Arkenholz I, p. 450, IV, p. 264): qu'elle (la reine) s'y logea chez le riche juif Texeira.

Erst vom Jahre 1661 tritt Manuel Texeira, der Sohn, mit ihr in Verbindung; das. (II, p. 61 f.) ist der Vertrag mitgeteilt, den er mit ihr geschlossen hat, um ihr Vorschüsse auf ihre von Schweden zu beziehende Apanage zu machen. Das. p. 87 f. beklagt sie sich 1663 über den Senat in Hamburg, daß er es an schuldigem Respekt gegen M. Texeira fehlen lasse. Hier nennt sie ihn ihren Residenten. J'ai été fort surprise d'apprendre le procédé dont vous avez usé envers mon Résident le Don Manoel Texeira. Il est mon Ministre. Je n'exige de vous que le respect qui m'est dû en la personne de mon ministre. Der Senat hatte ihm nämlich das Ehrenwort abgenommen, Hamburg nicht ohne seine Einwilligung zu verlassen. Diese Streitsache hängt wahrscheinlich mit dem Synagogenbau in Hamburg zusammen, den die Geistlichkeit verhindern wollte. Texeira mag nun gedroht haben, im Falle, daß dem Bau Hindernisse in den Weg gelegt würden, die Stadt zu verlassen und seine Reichtümer anders wohin zu tragen (s. Reils, Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte II, S. 410 f.). So oft also von einem [426] Residenten Texeira die Rede ist, so kann kein anderer darunter verstanden werden, als Manuel Texeira. Aber diesen Namen führte er nur bei Christen, es war sein aus Spanien oder Portugal mitgebrachter Name. Als Jude hieß er Isaak Texeira, auch Isaak Senjor Texeira. Wir haben diesen Namen in dem Sendschreiben der Wiener Gemeinde an ihn gefunden. Der hebräische Übersetzer von Manasse Ben-Israels לארשי הוקמ bemerkt über ihn (p. 56 b): עודי םגו ק"קב ל"ז אריישיט קחצי ןודאו רשהל היה רשא לודגה דובכהמ אדיווש ךלמה יקסע לכ ואצי ויפ לעש גרובמאה (soll wohl heißen: אדיווש הכלמה). De Barrios nennt ihn bald Manuel Teyxeyra, Residente de la inclita Reyna de Suecia en Hamburg, bald á la muy noble señora Doña Hester Senior Teixeyra, dignissima consorte del señor Ishak Senjor Teixeyra, Residente de la Reyna de Suecia. Bei der Feier der Verbindung seiner Tochter Sara mit Abr. Suasso nennt er ihn ebenfalls Ishac Senior Texeira. [Auch auf seinem Grabstein heißt er Yshack Haim Çeñor Teixeira. Vgl. Kaufmann, Die letzte Vertreibung der Juden aus Wien und Nieder-Österreich, S. 129 f., 133 f.]. Jehuda Leon dedizierte seine Psalmenübersetzung All illustr. Señor Ishac Senior Teixeyra, Residente ... de la Reyna de Suecia. In dieser Dedikation nennt er: Abraham Senior Teixeyra su dignissimo padre Diego hat demnach den jüdischen Namen Abraham angenommen. Man hat gar keinen Anhaltspunkt dafür, zwei Residenten der Königin Christine in Hamburg anzunehmen, sondern Manuel oder Isaak Texeira war es allein, sein Vater war nicht Resident.

Die Beziehungen M. Texeiras zu Christine waren vielerlei Art. Er war ihr Bankier, Ratgeber und Vertrauter. Sie wechselte Briefe mit ihm über die europäische haute politique, weil sie ihn für klug und zuverlässig hielt. Das alles ist bei Arkenholz nachzulesen. Bei ihrer zweiten Rückkehr aus Rom, als sie wieder auf die schwedische Krone spekulierte, wohnte sie im Hause ihres Residenten vom August 1666 bis April 1667, worüber die protestantischen Zionswächter ein Zetergeschrei erhoben. (Schudt I, d. 374). Auch die Kurfürstin von Sachsen hat in seinem Hause gewohnt. (Respp. Sasportas Nr. 78, Texeiras Schreiben): םג הנסכאתנו המע העידי יל רשא אינוסקאס... לש תיסכודל יתבתכ יתיבב (Schudt das.). – Was er für seine Stammesgenossen getan, ist nicht besonders bekannt. Eine talmudische Jesiba hat er unterhalten und wohl Sasportas dabei angestellt. Bei dem Hilferuf der Wiener Gemeinde wendete er sich an seine einflußreichen christlichen Bekannten, die Ausweisung zu hintertreiben, an spanische Granden (דרפס ילודגל) – merkwürdig, ein abtrünniger Marrane, ein Jude gewordener Edelmann, stand noch mit dem hohen spanischen Adel in Verbindung! – an den Grafen Montecuculi – ידנוק ילוקוקיטנומ – österreichischen Gesandten in Schweden, bei Christine in Gunst, der den Texeiras Gunst erwiesen hat – und endlich an den Kardinal Azzolino (ונילוזא לאנידרק), einen Intimus Christinens. Daß er sich bei der schwedischen Exkönigin für die Juden Wiens verwendet hat, versteht sich von selbst. Nebenher sei noch bemerkt, daß Christine Manuel Texeiras Sohn, ebenfalls Diego genannt, zu ihrem Edelmann, Gentil-hombre, gemacht hat (de Barrios). Sein zweiter Sohn hieß Benjamin, und beide haben Hamburg mit Holland vertauscht (Arkenholz II, p. 230, Note).


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1897], Band 10, S. 425-428.
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