10. Kapitel. König Josia und die neue Ordnung. (621-608.)

[271] Charakter des aufgefundenen deuteronomischen Gesetzbuches. Die historischen Partien. Die Liebe zu Gott zum ersten Mal ausgesprochen. Verpönung jedes fremden Kultus. Das Opferwesen. Die Abgabe an die Ahroniden. Das Zehntengesetz. Neben dem Opfer das Gebet. Die Feste. Das Gerichtswesen, das Strafrecht, das Zeugenverhör. Das Königsgesetz und das Kriegsgesetz. Rücksicht auf die Besitzlosen. Das Erlaßjahr und Verfall der Schuld. Unterschied von Priestern und Laien aufgehoben. Stellung der Propheten zu den Priestern. Auswahl der Stämme für Segen und Fluch. Das Lied des Geschickes. Strafandrohung. König Josia, betroffen von der Strafandrohung dieses Buches, sendet zur Prophetin Hulda. Das Bündniß zur Befolgung der Gesetze. Beseitigung des Götzendienstes. Das feierliche Pascha-Fest und der Pascha-Psalm. Kriegsunternehmungen von Kyaxares, Nabopolassar und Necho. Josia's Kriegszug gegen Necho und Tod.


Die Rolle oder das Gesetzbuch, welches der Hohepriester Chilkija durch Schaphan dem Könige überbringen ließ, giebt sich als ein letztes Vermächtniß des gesetzgebenden Propheten Mose aus, das er dem von ihm erzogenen Volke vor seinem Scheiden an's Herz gelegt hat. Es hat eine geschichtliche Einleitung und einen geschichtlichen Nachtrag; es führt nämlich die Geschichte bis zu Mose's Tode und noch darüber hinaus. Es nennt sich selbst die zweite Lehre oder das zweite Gesetzbuch Mischnch-Thora, Deuteronomium1. Ist das Buch uralt? Oder ist es erst kurz vor seinem Auffinden geschrieben worden? Müßige Fragen! Wenn auch nicht uralt, so kommt ihm kein Gesetzbuch der schriftkundigen Völker an Alter gleich, wie es auch alle Gesetzsammlungen an Erhabenheit und Schönheit übertrifft. Ein Gesetzbuch mit gewinnender Herzlichkeit und milder Innigkeit ist gewiß eine seltene Erscheinung. Die Gesetze pflegen sonst kalt, strenge und barsch zu sprechen und zugleich [271] einen drohenden Finger zu zeigen, »du sollst oder sollst nicht, oder du unterliegst einer strengen Strafe«. So spricht die unter Josia aufgefundene Gesetzgebung – man nennt sie die deuteronomische – nicht2. Sie ermahnt, warnt und bittet förmlich, dieses zu thun und jenes, zu lassen, sie droht nicht, sondern weist auf die unheilvollen Folgen der Uebertretung hin. Sie redet die Sprache eines liebevollen Vaters, welcher seinem Sohne große Ziele steckt und ihn warnt, nicht durch eigene Schuld seine große Zukunft zu verscherzen und dadurch in Verachtung und Schmach zu gerathen. Ein angenehm fächelnder Hauch weht aus dem deuteronomischen Gesetzbuche. Die Gebote (Mizwot), Satzungen (Chukkim), und Bestimmungen (Mischpatim) sind mit geschichtlichen Erinnerungen und herzlichen Ermahnungen in erhebender poetischer Sprache wie mit Blumengewinden umschlossen.

Bei der Vergegenwärtigung der älteren Geschichte führt das deuteronomische Gesetzbuch den Faden der Geschichte nicht der Zeitreihe nach vor, sondern wählt außer der Ordnung solche Begebenheiten heraus, welche zur Bekräftigung wichtiger Lehren als thatsächliche Beweismittel dienen sollen. An die Erinnerung an solche wichtige Vorgänge in dem Leben des israelitischen Volkes knüpft es Ermahnung oder Warnung an; die Geschichte der Vorzeit soll die Lehrerin des spätgeborenen Geschlechtes sein. Vier Gedanken will das deuteronomische Gesetzbuch ganz besonders eingeprägt wissen: die Erhabenheit Gottes, die Berufsgröße des israelitischen Volkes, den tiefen Stand des lebenden Geschlechtes unter seinem Berufe und endlich die Vergegenwärtigung der Folgen dieses ungelösten Gegensatzes. Den Gott Israels stellt es dar als hocherhaben über alle Wesen, der mit den von den Völkern als Gottheit verehrten Wesen keinen Vergleich zulasse: »Dir ist augenscheinlich gezeigt worden, daß Ihwh allein Gott ist im Himmel oben und auf Erden unten, es giebt sonst keinen«3. Auf die Einzigkeit und Ausschließlichkeit dieses Gottes legt das deuteronomische Buch ein besonderes Gewicht. »Höre Israel, Ihwh ist unser Gott, Ihwh ist einzig«4. Dieser Gott hat Israel mit besonderer Fürsorge in vergangenen Zeiten geleitet, »wie ein Vater seinen Sohn trägt«5.


»Wie ein Adler überwacht sein Nest,

Schwebt über seine Jungen,

[272] Seine Flügel ausbreitet,

Sie nimmt und auf seinen Schwingen trägt,

So hat Gott allein es geleitet,

Und bei ihm war nicht ein Gott der Fremde«6.


Zweck dieser Auserwählung und fürsorglichen Leitung sei gewesen, daß Israel ein heiliges Volk sein solle7. – Das deuteronomische Buch will ferner dem lebenden Geschlecht zum Bewußtsein bringen, daß das Volk bisher weit hinter den von ihm gehegten Erwartungen zurückgeblieben sei, und daß es die gnadenvolle Rettung Gottes nicht im Geringsten verdiene. Widerspenstig, widersprechend und hartnäckig sei es von seinen Anfängen an gewesen bis auf den heutigen Tag, habe immer noch kein Auge zu sehen, kein Ohr zu hören, kein Herz zu merken8. Endlich solle auch den unverbesserlichen Geschlechtern durch seinen Geschichtsgang vor Augen geführt werden, daß auf den Abfall von seinem Gotte stets Strafe gefolgt sei. Denn Gott sei zwar ein Gott der Treue, der sein Wort und seine Gnade für die ihn Liebenden und seine Gesetze Befolgenden bis in's tausendste Geschlecht bewahre, aber seinen Feinden vergelte, in's Angesicht vergelte9.

Wie eine neue Offenbarung oder wie eine neue Erkenntniß klingt es aus dem ermahnenden Bestandtheile des deuteronomischen Gesetzbuches heraus. Es giebt sich selbst als Etwas Neues, als ein neues Bündniß aus, das Gott kurz vor Mose's Tode und vor dem Einzuge in's gelobte Land im Lande Moab am Jordan geschlossen, verschieden von dem ersten Bündniß am Horeb10. Als wenn das erste Geschlecht, das in ägyptischer Sklaverei aufgewachsen war, nicht fähig gewesen wäre, die höhere Lehre zu begreifen, ist sie erst dem von Mose erzogenen nachfolgenden Geschlechte offenbart worden. Das sinaïtische Zehnwort ist so einfach und gemeinverständlich, daß auch Sklavenseelen, wenn sie nicht thierisch abgestumpft sind, es verstehen können. Aber die Vertiefung in den höheren Begriff von Gott und von der Verehrung desselben, wie er sich im Geschichtsgang des Volkes Israels kund gegeben, konnte den gestern noch an die Sklavenkette Geschmiedeten nicht zugemuthet werden. Dazu wurden erst ihre Söhne und Enkel für reif gehalten Diesen prägte Mose kurz vor seinem Hingange in der deuteronomischen Schrift den Begriff der Liebe zu Gott ein: »Ihwh ist einzig, und du sollst Ihwh, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen, mit [273] deinem ganzen Wesen und mit deiner ganzen Kraft lieben«11. »Was verlangt, o Israel, dein Gott von dir? Nichts weiter als ihn zu verehren, in seinen Wegen zu wandeln, ihn zu lieben, ihn anzubeten mit ganzem Herzen und ganzem Wesen«12. Bei allen Völkern der Erde war die Frömmigkeit eine Tochter der Furcht; der Schauer vor dem Unsichtbar-Gewaltigen, dem räthselhaften Wesen in den Wolken oder in den schauerlichen Plätzen hat die Kniee sinken gemocht, und die Mittel der Gottesverehrung: Altäre, Tempel, Opfer, Riten dienten nur dazu, die Uebermächtigen versöhnlich und freundlich zu stimmen. Der Abstand zwischen dem Göttlichen und dem Menschen wurde nach Himmelsfernen gedacht. Das deuteronomische Gesetzbuch offenbarte zuerst die Liebe zu Gott, als Beweggrund zur Frömmigkeit und Sittlichkeit, und es brachte dadurch den Menschen der Gottheit näher, viel näher. Es machte das Menschenherz zum Tempel, in dem das göttliche Wesen verehrt sein will, und gestaltete sein Verhältniß zu ihm zu einem innigen, wie das des Sohnes zum Vater. Der Mensch braucht nicht mehr vor der Gottheit wie der Sklave vor seinem finstern Herrn zu zittern, sondern er darf sich ihm in kindlicher Freudigkeit nahen. Diese hehre Erkenntniß von der Liebe zu Gott ist eine stetige Wiederholung in der deuterono mischen Schrift13. Das Gesetz ermahnt, diese Erkenntniß von der ausschließlichen Einheit, Größe, Erhabenheit und Vorsehung Gottes sich in's Herz zu prägen, sie sich stets gegenwärtig zu halten, sie den Kindern lehrend einzuschärfen, auch sie äußerlich kenntlich zu machen, sie als Zeichen an die Hand zu binden, als Stirnbinde am Kopf zu tragen und endlich sie an die Pfosten des Hauses und an die Eingänge der Städte aufzuzeichnen14. Beherzigt das Volk diese hehre Erkenntniß von seinem Gotte, so wird es ihn zum Vorbilde nehmen, Gerechtigkeit und Erbarmen üben, sich gleich ihm der Verlassenen, der Waisen und Wittwen annehmen und auch den Fremdling lieben. Die höhere Tugend, die liebevolle Behandlung der Schwachen und der Fremden, ist ebenfalls eine stetige Ermahnung dieser unvergleichlichen Gesetzgebung15. Die Selbstsucht, die Herzensverhärtung, die Verstocktheit werden aus Liebe zu Gott von selbst schwinden, das Volk werde dadurch die Vorhaut seines Herzens beschneiden und seinen harten Nacken beugen16.

[274] Diese hohe Erkenntniß und diese gehobene Gesinnung sollen sich durch Bethätigung von Gesetzesvorschriften verwirklichen. Die Gesetze bilden den Mittelpunkt des deuteronomischen Buches. Vor Allem dringt es auf Beseitigung und vollständige Vertilgung des Götzenthums und alles dessen, was damit zusammenhängt; es führt zum Bewußtsein, daß dieses nicht bloß verwerflich, sondern auch albern und kindisch sei. Es schickt daher die Lehre von der Erhabenheit Gottes voraus, daß er keine Gestalt haben könne, und daß er, selbst als er sich am Horeb dem ganzen Volke offenbart hat, in keinerlei Gestalt sich versichtbart habe, sondern nur eine Stimme habe vernehmen lassen17. Wie ungereimt erscheint es daher, von Gott sich ein Bild zu machen, eine männliche oder weibliche Gestalt – nach Art der Phönicier – oder gar sich die Gottheit unter einer Thiergestalt vorzustellen – nach Art der Aegypter – und selbst die Gestirne des Himmels als göttliche Wesen anzubeten – nach Art der Assyrer und Babylonier?18 Diese falsche Vorstellung von Aftergottheiten führe zu den empörendsten Frevelthaten; die Verehrer dieser Götzen verbrennen sogar ihre Söhne und Töchter zu Ehren und zur Versöhnung derselben19. Das deuteronomische Gesetz warnt nachdrücklich vor dieser gräulichen Verirrung, hebt hervor, daß sie Gott ein Gräuel sei, und daß es eine Fälschung sei, Kinderopfer als gesetzliche Vorschrift anzudichten: »Ihr sollt zum Gesetze nichts hinzuthun und nichts davon abnehmen«20. Da das Götzenthum jeder Art ein Hohn auf den Gott Israels ist, so prägt das Gesetz ein, alle Stätten für Götzencultus zu beseitigen, Altäre, Spitzsäulen, heilige Bäume, Bildnisse von Holz und Silber zu zerstören21. Weiter verfügt das Gesetz, daß ein Prophet oder Träumer, welcher die Menge zum Götzendienst verführen sollte, selbst wenn er ein Zeichen gäbe und Etwas voraus verkündete, das eingetroffen ist, mit dem Tode bestraft werden sollte, »weil er von dem Gott Israels abwendig machen wollte«. Dieselbe Strafe sollte auch die nächsten Verwandten oder Herzensfreunde treffen, welche zur Betheiligung am Dienste fremder Götter näherer oder fernerer Völker überreden sollten. Ohne Schonung sollten solche Verführer dem Tode durch Steinigung überliefert werden22. Eine Stadt, deren Bevölkerung [275] sich zum Götzendienste verleiten ließe, solle sammt ihrem Gute verbrannt werden23. – Mit den kanaanitischen Völkerschaften sollen die Israeliten kein Ehebündniß eingehen und überhaupt kein Bündniß schließen, weil diese es darauf anlegen, zu ihrem Götzendienste zu verleiten24. Dagegen dürfen Idumäer und Aegypter in die Gottesgemeinde wenigstens im dritten Geschlechte aufgenommen werden, jene als Stammverwandte und diese aus Dankbarkeit, weil die Israeliten Fremdlinge in deren Landen waren. Eingewanderte Ammoniter und Moabiter sollten nicht einmal im zehnten Geschlechte zugelassen werden, weil sie sich lieblos gegen Israel gezeigt hatten25.

Mit derselben Wichtigkeit, wie die Beseitigung des falschen Götterthums wird die Weise des Gottesdienstes, besonders die Verehrung des ureigenen Gottes, in dieser Gesetzgebung behandelt. Hierbei fällt der verhältnißmäßig geringe Werth, welcher auf die Opfer gelegt wird, auf. Allerdings bestimmt die deuteronomische Gesetzgebung, daß nur an einem bestimmten Orte, den Gott auserwählen werde, geopfert werden dürfe, erkennt also den Opferdienst als berechtigt und gottgefällig an. Allein sie will ihn außerordentlich beschränkt wissen. Außerhalb der den Mittelpunkt bildenden Stätte soll gar nicht geopfert werden. Fleisch braucht außerhalb derselben nicht nach hergebrachter Sitte opfermäßig geweiht oder in Weihe genossen zu werden, sondern darf schlechthin, von Reinen mit Unreinen vermischt, verzehrt werden26. Dadurch würde den Privatcultusstätten und Höhen der Boden entzogen werden. Denn nur darum, weil das Herkommen bestimmt hatte, daß Fleisch von zahmen Thieren nur opfermäßig zubereitet werden müßte, und weil es zu unbequem war, mit jedem Lamm oder Rind zum Haupttempel zu wallen, waren die Privataltäre ein unentbehrliches Bedürfniß geworden und zu einem Ansehen gelangt, von dem sich das Volk nicht lossagen konnte. Die Strenge des Königs Chiskija gegen die »Anhöhen« vermochte sie nicht zu beseitigen. Diese Höhen mit Altären waren aber zugleich der fruchtbare Boden für das Wuchern des Götzenthumes. Das deuteronomische Gesetz wollte also das Volk von den Cultusstätten entwöhnen. Auch das Opferwesen im Central-Tempel wollte diese Gesetzgebung beschränkt wissen. Nur der Zehnte, die erstgeborenen Thiere und die Gelübdeopfer sollten in dessen Räumen opfermäßig genossen werden. »Wenn du unterlässest, Opfer zu geloben, so wird keine Sünde an dir sein. [276] Nur den Ausspruch deiner Lippen sollst du erfüllen«27. In diesem Punkte geht die deuteronomische Gesetzgebung weit über die frühere hinaus. Der Zehnte, die Erstgeborenen und die Erstlinge brauchten nicht den Ahroniden übergeben zu werden, sondern der Eigenthümer sollte sie selbst im Mittelorte verzehren dürfen. Nur darauf wird Gewicht gelegt, daß die Leviten und auch die Waisen, Wittwen und Fremdlinge, welche keinen Bodenbesitz haben, und besonders die Sklaven und Sklavinnen zu den Opfermahlen zugezogen werden sollen; sie sollen dadurch als Glieder der opfernden Familie betrachtet werden28. Die Abgaben an die Nachkommen Ahron's sind in dieser Gesetzgebung überhaupt verringert. Nur ein winziger Theil von der Getreide-, Wein- und Oel-Ernte, ferner Etwas von der Wollschur und endlich einige Stücke von den Opfern werden ihnen zugedacht29. Der Getreide-Zehnte dagegen oder der Zehnte vom Zehnten ist ihnen entzogen und den Eigenthümern überlassen, sie, wie schon angegeben, im Mittelorte mit Hinzuziehung der Besitzlosen zu verzehren. Nur je das dritte Jahr, also zweimal in jeder Jahreswoche, soll der Zehnte nicht vom Eigenthümer zu eigenem Gebrauche verwendet, sondern auch Andern zugewandt werden, nicht bloß den Leviten, sondern auch Allen, welche des Bodenbesitzes entbehrten, auch dem Fremdling, der Waise und der Wittwe30.

Beim Tempelbesuch wird Gewicht auf das lebendige Wort gelegt. Es soll Dank und Gebet an den Spender des Segens ausgesprochen werden. So oft ein Bodeneigenthümer mit den Erstlingsfrüchten zum Tempel wallt, soll er vor dem Altar eine Art Bekenntniß aussprechen und, in Rückerinnerung an die Befreiung aus Aegypten und an die Besitzergreifung des Landes, Dank dafür aussprechen31. Und je das dritte Jahr, das Jahr der Zehntenlieferung an die Leviten, Fremdlinge und Waisen, soll ein solcher vor dem Altar bekennen, daß er seine Pflichten mit dem, was ihm Gott gespendet, gewissenhaft erfüllt und von seinem Eigenthum den Bedürftigen gespendet habe, und soll nicht bloß für sich, sondern für das Allgemeine ein Gebet aussprechen: »Blicke [277] aus deiner heiligen Stätte vom Himmel und segne Israel und das Land, das du uns geschenkt, wie Du unseren Vorfahren zugeschworen ein Land überfließend von Milch und Honig«32.

Die drei Wallfahrten zum Tempel erklärt das deuteronomische Gesetz als Freudenfeste, das Fest der ungesäuerten Brode, das Wochenfest und das Hüttenfest. An denselben sollen die Gelübde-Opfer dargebracht und deren Fleisch verzehrt werden. An den Freuden des Mahles sollen wiederum die Besitzlosen theilnehmen: »Du sollst eingedenk sein, daß du einst Sklave in Aegypten warst«, darum sollen die Unglücklichen zur Freude zugezogen werden. Für das dem Feste der ungesäuerten Brode vorangehende Pascha wird eingeschärft, daß es ja nicht anderswo als in dem erwählten Orte gefeiert werden solle33. Zwei Abweichungen von früheren Gesetzen enthält das Gesetz über das Pascha, daß das Opfer nicht bloß von Kleinvieh, sondern auch von Rindern genommen, und daß es nicht bloß gebraten, sondern auch gekocht gegessen werden dürfe34.

Das Gerichtswesen wird in der deuteronomischen Gesetzgebung mit großer Wichtigkeit behandelt. In allen Städten sollen Richter und auch Schreiber (Schoterim) eingesetzt werden, die Einen zum Aussprechen und die Andern zur Vollstreckung des Urtheils. Die Richter sollen das Recht und nichts als das Recht im Auge haben, keine Rücksicht nehmen und sich vor Bestechung hüten35. Es wird vorausgeschickt, daß Mose selbst weise, einsichtsvolle und ausgezeichnete Männer als Richter ausgewählt und ihnen eingeschärft hat: »Ihr sollt den Streit zwischen Einem und dem Andern, auch zwischen einem Stammesgenossen und Fremden, richten, den Geringsten wie den Angesehensten anhören, vor Niemandem Scheu haben; denn das Recht ist Gottes; das Schwierige soll mir vorgelegt werden«36. Wenn die Richter in den Städten in der Entscheidung einer Streitsache über Todschlag, Eigenthumssache oder Verletzung zweifelhaft sein sollten, so sollen sie sie vor das Obergericht, das aus levitischen Priestern oder andern Richtern besteht, in dem auserwählten Mittelorte, bringen. Die Entscheidung dieses Gerichtshofes soll unwiderruflich sein: »Du sollst von dem, was sie entschieden haben, weder rechts noch links abgehen«. Wer gegen den Ausspruch des Priesters oder Richters an der Spitze desselben sich auflehnt, soll mit dem Tode bestraft werden37. Ein Todesurtheil soll aber nur [278] durch übereinstimmendes Zeugniß zweier oder dreier Zeugen gefällt werden. Die Aussage eines einzigen Zeugen soll kein Gewicht haben38. Die Zeugen sollen gründlich und umständlich ausgeforscht werden, ob die Anklage gegen einen Angeschuldigten auch wahr und begründet ist39. Die Richter sollen darauf halten, daß nicht unschuldiges Blut vergossen werde und die Schuld nicht ungeahndet bleibe. Sechs Zufluchtsstätten sollen zum Schutze für fahrlässige Mörder bestimmt werden; Mose selbst, die Wichtigkeit derselben erkennend, habe im jenseitigen Lande drei ausgewählt; »wenn die Grenzen deines Landes sich ausdehnen werden, so sollen noch drei Asylstätten zu den sechs hinzugefügt werden«40. Der absichtliche Mörder soll aber schonungslos selbst aus der Zufluchtsstadt gezogen und dem Tode überliefert werden41. Todesstrafe setzt das deuteronomische Gesetz außer auf Mord, Götzendienst und Menschenhandel, auch auf Ehebruch und erwiesene Unzucht einer Braut im Hause des Vaters: »Denn sie hat eine Verworfenheit begangen, Unzucht im Hause ihres Vaters zu treiben, und du sollst das Böse aus deiner Mitte hinweg räumen«42. Todesstrafe ist ferner verhängt über einen ungehorsamen, widerspenstigen Sohn, welcher trotz der Erziehung seiner Eltern auf ihre Stimme nicht hört und sich der Völlerei und der Ausschweifung ergiebt43. Eine große Strenge schreibt diese Gesetzgebung noch gegen einen überführten falschen Zeugen vor: »Ihm soll gethan werden, was er Böses gegen seinen Nächsten ausgesonnen hat« ohne Schonung, Leben um Leben, Auge um Auge, Fuß um Fuß, Hand um Hand44. Die Gesetzgebung will auch im Verbrecher das Menschliche nicht entwürdigt wissen. Der Leichnam eines zum Tode Verurtheilten, der an einem Baume aufgehängt wurde, soll nicht über Nacht an demselben bleiben, sondern noch an demselben Tage abgenommen und begraben werden45. Hat der Richter Jemanden zur Geißelstrafe verurtheilt, so soll ihm nur eine gewisse Anzahl Streiche: »vierzig« zugewendet werden, nicht mehr, »damit dein Bruder nicht (durch zu viele Streiche und Wunden) vor deinen Augen entwürdigt werde«46. Züchtigung durch Geißelhiebe soll über einen Verläumder verhängt werden, wenn er zum Beispiel seine heimgeführte Frau fälschlich der [279] Unzucht beschuldigt und einen bösen Leumund gegen eine Tochter Israels verbreitet hat47.

Die deuteronomische Gesetzgebung spricht auch vom Königthum und will es durch Beschränkungen unschädlich machen: »Du darfst dir einen König einsetzen, wie alle Völker rings um dich her; einem solchen sollst du gehorchen«. Aber er muß von Gott erwählt, d.h. von einem Propheten bestätigt sein. »Du sollst über dich nicht einen Fremden setzen, der nicht dein Stammverwandter ist«. Der König soll nicht viele Rosse halten und nicht mit Aegypten in Verbindung treten, um von dort Rosse einzuführen. Er soll ferner nicht viele Weiber halten, damit sein Herz nicht ihnen nachhange und von Gott weiche. Er soll sich endlich nicht Silber und Gold anhäufen. Sein Herz soll sich überhaupt nicht hochmüthig über seine Brüder erheben, und er soll stets das Gesetz zur Richtschnur nehmen. Er soll nicht über dem Gesetze stehen, sondern ihm, wie jeder seiner Unterthanen gehorchen. Dann wird seine Regierung von Dauer sein48. Auch ein eigenes Kriegsgesetz enthält dieses Grundbuch. Bei der Bekämpfung der eingeborenen kanaanitischen Völkerschaften soll keine Seele am Leben gelassen werden, »damit sie euch nicht lehren, ihre Gräuel nachzuahmen«. Dagegen sollen bei der Belagerung von Städten außerhalb des Landes den Bewohnern erst Friedensbedingungen gestellt werden. Wenn sie darauf eingehen, so sollen sie nur tributpflichtig gemacht, sonst aber verschont werden. Wenn sie aber den angebotenen Frieden ausschlagen, und die Stadt erobert wird, so sollen alle erwachsene Mannschaft, die Krieger, dem Schwerte überliefert, Weiber und Unmündige dagegen verschont werden49. Bei Belagerung einer Stadt sollen die Fruchtbäume verschont und nicht einmal zur Benutzung für das Einschließen zerstört werden50. Vom Kriegsdienst und überhaupt von jeder persönlichen Staatsleistung soll jeder Jüngstverheirathete ein Jahr frei sein, »damit er seine Frau erfreuen könne«51. Dem versammelten kriegsbereiten Heere sollen die Herolde zurufen: »Wer ein neues Haus gebaut oder einen neuen Weinberg gepflanzt oder sich mit einer Braut verlobt hat, soll das Heer verlassen, damit nicht, wenn ein solcher im Kriege fiele, ein anderer dessen liebgewordenen frischen Besitz antrete. Auch den Furchtsamen und Feiglingen soll es freistehen aus dem Heere zu scheiden, damit sie nicht durch ihre Feigheit die Krieger anstecken52. Das Kriegslager [280] soll reinlich gehalten und nicht durch Unflath besudelt werden. »Denn Gott (die Bundeslade) zieht mit in dein Lager, darum soll es heilig sein und nicht etwas Schandbares darin gesehen werden«53.

Vor Allem ist die deuteronomische Gesetzgebung auf das Wohl der Hilflosen bedacht und will die milde Gesinnung der Brüderlichkeit für sie den Gemüthern einflößen, ihnen ist ihre besondere Sorgfalt zugewendet. Nicht nur der Zehnte sollte ihnen zugewiesen werden, sondern auch ein Theil der Ernte. Die Früchte des Oelbaumes und des Weinstockes sollen nicht vollständig abgenommen werden, sondern ein Rest soll für Fremdlinge, Waisen und Wittwen bleiben. Ist eine Garbe im Felde vergessen worden, so soll sie nicht wieder aufgehoben werden, sondern denselben gehören: »Du sollst eingedenk sein, daß du ein hilfloser Sklave in Aegypten warst; darum befehle ich dir, solches zu thun«54. Vermiethet sich ein Armer, sei es ein Stammesgenosse oder ein Fremdling, zu Tagelohn, so soll ihm der Lohn nicht vorenthalten, sondern noch vor Sonnenuntergang ausgezahlt werden: »Denn er ist arm und sehnt sich darnach«55. Das Erlaßjahrgesetz ist in dieser Gesetzgebung erweitert. Im siebenten Jahre soll jede Schuld erlöschen und der Gläubiger nicht berechtigt sein, sie von dem armen Bundesgenossen einzuziehen. Nur auf den Ausländer, der nicht im Lande angesiedelt ist, soll das Gesetz nicht angewendet werden56. Darum soll aber der Wohlhabende beim Herannahen des siebenten Jahres nicht engherzig sein, dem Verarmten nicht unter die Arme greifen zu wollen, um das Darlehn nicht einzubüßen. »Du sollst dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht verschließen vor deinem dürftigen Bruder, sondern leihen sollst du ihm nach Maßgabe seines Bedürfnisses«57. Von dem Darlehen soll der Gläubiger keinen Zins nehmen58. Wenn innerhalb der sieben Jahre die Schuld nicht gezahlt wird, so soll der Gläubiger nicht in dessen Haus eindringen zu pfänden, sondern der Schuldner soll es – auf Entscheid des Richters – ihm im Freien [281] selbst übergeben. Ist das Pfand ein Kleidungsstück, so soll der Gläubiger es dem armen Schuldner bei Sonnenuntergang zurückerstatten59. Eine Mühle oder ein Mühlstein darf gar nicht gepfändet werden, denn das hieße das Leben pfänden60. Einer Wittwe soll der Anzug nicht gepfändet werden61. Wenn der hebräische Sklave im siebenten Jahr zur Freiheit entlassen wird, soll er nicht leer ausziehen, sondern der bisherige Herr soll ihm mitgeben von seiner Herde, seiner Tenne und seiner Kelter: »Du sollst eingedenk sein, daß du selbst Sklave in Aegypten warst«62. Auch sonst schärft diese Gesetzgebung Milde, Menschlichkeit und Mitleid ein. Ein Sklave, der vom Nachbarlande Zuflucht im Lande Israel genommen und sich vor seinem Herrn gerettet hat, soll nicht ausgeliefert werden. »Er soll bei dir bleiben und sich eine Stadt zum Aufenthalte auswählen, und du sollst ihn nicht bedrücken«63. Selbst gegen den Feind soll Mitleid geübt werden. »Wenn Jemand eine schöne Kriegsgefangene heimbringt, um sie zu ehelichen, muß er ihr einen Monat Frist gestatten, um die Ihrigen zu betrauern, und erst nach Beendigung ihrer Trauerzeit soll sie geehelicht werden. Falls der Herr kein Gefallen mehr an ihr findet, darf er sie nicht als Sklavin verkaufen, sondern soll ihr die Freiheit geben64. Der Besitzer soll nicht starr und engherzig auf seinem Eigenthum bestehen. Einem Wanderer soll es gestattet sein, von dem Weinstock einige Trauben und vom Felde einige Aehren zum augenblicklichen Genusse abzupflücken. Nur soll er weder Trauben in seiner Tasche mitnehmen, noch die Sichel für das Abmähen von Getreide eines Fremden gebrauchen65. Beim Ausheben eines Vogelnestes soll der Vogelsteller nicht Mutter sammt Küchlein und Eiern nehmen, sondern soll selbst im Thiere das Muttergefühl schonen66.

[282] Bemerkenswerth ist noch, daß diese Gesetzgebung manche Bestimmung, welche in der älteren lediglich für die ahronidischen Priester vorgeschrieben ist, auf das ganze Volk ausdehnt und sie auch für die Laien verbindlich macht. Einleitend wird dabei vorausgeschickt, daß das ganze Volk heilig sein soll, daß demnach der Unterschied zwischen Priester und Volk wegfallen soll. Wenn früher lediglich den Ahroniden untersagt war, beim Schmerze um den Tod eines nahen Verwandten sich Einschnitte am Körper oder eine Glatze am Haupte zu machen, so soll nach dem deuteronomischen Gesetz das ganze Volk diese heidnischen Trauerzeichen der Verzweiflung unterlassen: »Ihr seid (alle) Kinder eures Gottes, ihr sollt euch nicht verwunden und keine Kahle an der Stirn machen um einen Todten. Denn ein heiliges Volk bist du deinem Gotte und dich hat er auserwählt, ihm ein Eigenthumsvolk zu sein von allen Völkern auf Erden«67.

Nach den alten Bestimmungen war es lediglich den Ahroniden verboten, Fleisch von einem gefallenen oder zerrissenen Thiere zu genießen, den Laien dagegen war dessen Genuß nicht an sich untersagt, sondern nur insofern dadurch die für das Opfern erforderliche Reinheit getrübt würde. Das deuteronomische Gesetz dagegen verbietet auch den Laien den Genuß solchen Fleisches, weil auch sie eine höhere Heiligkeit erstreben und sich an Aas, sowie an unreinen Thieren und Vögeln nicht verunreinigen sollen68. Das deuteronomische Gesetz geht darauf aus, [283] den Unterschied zwischen Priestern und Laien aufzuheben. Beachtenswerther ist das Gesetz, das von den Propheten handelt, es legt diesen eine höhere Wichtigkeit bei und stellt sie fast über die Priester. Alles, was ein Prophet im Namen Gottes verkündet, soll befolgt werden. Ein falscher Prophet dagegen, welcher Etwas verkündet, was ihm Gott nicht eingegeben, oder wenn er im Namen fremder Götter spricht, soll dem Tode verfallen. »Wenn du aber denken wirst: Wie können wir wissen, wenn ein Prophet nicht Gottes Eingebung verkündet? Wenn der Prophet im Namen Gottes spricht und dasselbe trifft nicht ein, dann hat derselbe in Frechheit aus eigenem Antrieb gesprochen, du sollst keine Scheu vor ihm haben«69.

Die Beachtung und sorgsame Befolgung aller dieser Gesetze und Vorschriften wird von Mose dem Volke mit besonderem Nachdruck empfohlen. Denn sie bilden »den Ruhm Israels, seine Weisheit und Einsicht in den Augen der Völker«. Diese werden sprechen, wenn sie davon hören werden: »gewiß, das Volk ist weise und einsichtsvoll. Denn giebt es noch irgendwo ein Volk, das solche gerechte Satzungen und Vorschriften hätte, wie diese Lehre«?70. Die Befolgung oder Uebertretung dieser Lehre sei nicht etwas Gleichgültiges, vielmehr hänge der Bestand des Volkes auf seinem Boden davon ab71. Glück und Unglück, Segen und Fluch, Leben und Tod der ganzen Nation sei aus's engste mit der Beachtung oder Vernachlässigung dieser Gesetze verknüpft72. Es sei auch so leicht, die Gesetze zu befolgen und dadurch das Leben zu gewinnen. Es ist nicht außerordentlich und liegt nicht fern. »Es ist nicht im Himmel, daß du sprächst, ›wer stiege für uns zum Himmel und brächte es uns, damit wir es hören und befolgen‹. Und nicht jenseit des Meeres ist es, daß du sprächest: ›wer führe uns über's Meer, es uns zu holen‹, sondern es ist dir nah, in deinem Mund und in deinem Herzen, es zu befolgen«73. Mose selbst habe diese Gesetze niedergeschrieben und sie den Ahroniden für Israel übergeben74. Er habe zugleich angeordnet, daß eine beglaubigte Abschrift davon in das Heiligthum neben die Bundeslade niedergelegt werde. [284] Die Leviten sollen besonders darüber wachen75. Beim Uebergang über den Jordan sollen diese Gesetze auf überkalkte Steine geschrieben und diese am Berge Ebal bei Sichem aufgestellt werden76. In jedem siebenten Jahre, beim Ausgang des Erlaßjahres soll dieses Gesetz dem ganzen zum Hüttenfeste versammelten Volke, den Männern, Frauen, Kindern und Fremdlingen vorgelesen werden, damit sie sämmtlich lernen sollen, den Herrn zu verehren und zu lieben und diese Gesetze zu befolgen77. Jeder König in Israel soll bei seiner Thronbesteigung sich eine Abschrift dieses Gesetzes anfertigen lassen, es soll stets in seiner Nähe bleiben, und er soll stets darin lesen78.

Mit Recht wird dieses aufgefundene Gesetzbuch, der letzte Ausfluß der sinaitischen Lehre, als etwas Hohes und Seltenes gerühmt. Die Veröffentlichung desselben bildet einen Wendepunkt nicht bloß in der Geschichte des israelitischen Volkes, sondern auch in der aller Culturvölker. Der Inhalt dieser Gesetze, die Form, in die sie gekleidet sind, die herzliche, väterliche Sprache, die darin herrscht, die Vorschrift, daß sie zu gewissen Zeiten vorgelesen und dem ganzen Volke, auch den Frauen und Fremdlingen, bekannt gemacht werden sollten, Alles das wurde von tief eingreifender Bedeutung. Giebt es noch eine solche Lehre, welche von hocherhabener und lauterer Gotteserkenntniß und von idealer Sittlichkeit erfüllt wäre? Und diese Lehre sollte nicht in einem engen Kreise verbleiben, sondern Gemeingut des ganzen Volkes und auch der ihm zugeneigten Fremdlinge werden. Wiewohl sie auch manche Bestimmungen enthält, welche sich auf Tempel, Opfer, öffentliche Reinheit und Riten beziehen, so legt sie doch auf Gerechtigkeit, Milde, Sittlichkeit und Keuschheit und ganz besonders auf innerliche Frömmigkeit das größte Gewicht. Beim Einzug in das Land sollten die Priester[285] und Leviten bei Sichem Segen und Glück über diejenigen verkünden, welche diese Lehre befolgen, und Flüche und Unglück über diejenigen herabbeschwören, welche sie übertreten würden. Der Segen soll vom Berge Gerisim und der Fluch vom Berge Ebal aus gesprochen werden. Die zwölf Stämme sollen sich derart theilen, daß sechs für den Segen dem Berg Gerisim und die übrigen sechs für den Fluch dem Ebal zugewendet sein sollten79. Flüche sollen über zwölferlei Uebertietungen ausgesprochen werden, und diese betreffen lediglich die Verkennung der reinen Gotteslehre und Nichtachtung der Gesetze der Gerechtigkeit, der Milde und der Keuschheit.

»Verflucht der Mann, welcher heimlich ein Bildniß, den Gräuel Ihwh's, das Werk eines Künstlers machen und im Geheimen aufstellen wird. Verflucht, wer Vater und Mutter geringschätzt, wer die Grenze seines Nachbars verrückt, wer einen Blinden auf dem Wege irre leitet, wer Unzucht mit seiner Schwester, Stiefmutter oder thierische Geilheit treibt, wer seinen Nächsten heimlich erschlägt, verflucht der Richter, der das Recht des Fremdlings, der Wittwe und der Waise beugt, der heimlich Bestechung nimmt, um einen Unschuldigen zu verurtheilen, verflucht, wer nicht die Bestimmung dieser Lehre erfüllt.«

Mose habe vorausgesehen, erzählt das Buch ferner, daß trotz seiner Warnungen und Ermahnungen das Volk die Lehre dennoch übertreten werde, und in Folge dessen werde »am Ende der Tage« großes Unglück über dasselbe hereinbrechen. Das Volk werde aber die Wirkung des Ungehorsams verkennen und die Schuld seinem Gotte aufbürden. In dieser Voraussicht habe er ein Lied vorgetragen und befohlen, es auswendig zu lernen. In diesem Liede ist ausgesprochen, daß das Volk in Folge glücklicher Tage ausschreiten und sich Ungöttern, welche seine Vorfahren nicht gekannt, zuwenden, und daß ein verworfenes Volk, ein Unvolk, es züchtigen werde. Dann werde es zur Einsicht gelangen, da seine selbstgewählten Götter ihm nicht helfen werden, daß Gott allein, der es so wunderbar geleitet und mit Glück überhäuft habe, tödte und lebendig mache, verwunde und heile, und daß er es rächen und den befleckten Boden seines Landes sühnen werde80.

Erschütternd ist die in dieser Rolle enthaltene Strafandrohung81, für Nichtbeachtung der Gesetze. Sie reißt den Schleier von der verhüllenden Zukunft weg, und zeigt die grauenhaften Schrecknisse, welche das Volk und seinen König erwarten, wenn sie auf dem bisherigen [286] Wege verharren sollten. Alle Plagen, welche das Menschenleben zur Verzweiflung bringen können, sind in diesem düsteren Bilde in ergreifender Leibhaftigkeit geschildert, Mißwachs, Hungersnoth, Wassermangel und Pest auf der einen, Demüthigung, Erniedrigung, drückende Sklaverei und Schmach auf der anderen Seite und durch die körperlichen und seelischen Leiden Gebrochenheit des Herzens, Wahnsinn und Stumpfsinn. »Gott wird über dich ein Volk aus der Ferne, von der Erden Ende bringen, das rasch wie der Adler fliegt, ein Volk, dessen Sprache du nicht verstehst, ein freches, herzverhärtetes Volk, das dir alles rauben und deine festen und hohen Städte – auf die du vertraust – belagern wird. In der Noth der Belagerung, wirst du das Fleisch deiner eigenen Kinder verzehren. Die zarteste und weichste Frau, die nicht gewohnt ist, vor Verzärtelung den Fuß auf die Erde zu setzen, wird sich an dem Fleisch ihres Neugeborenen sättigen und es ihren übrigen Kindern mißgönnen. Gott wird dich unter allen Völkern von einem Ende zum andern zerstreuen; dort wirst du Götter von Holz und Stein anbeten, und unter den Völkern keine Ruhe haben, sondern stets ein zitterndes Herz, Seelenschmerz und Verzweiflung haben. Des Morgens wirst du vor Angst sprechen: ›o wäre es doch schon Abend!« und des Abends: ›wäre es doch schon Morgen!« Auch dein König, den du dir aufstellen wirst, wird mit dir in Gefangenschaft zu einem dir unbekannten Volke geführt werden.«

Dieses eigenartige Gesetzbuch mit seinen herzgewinnenden Ermahnungen und seinem düstern Fernblick, welches der Hohepriester Chilkija gefunden und dem Listenführer Schaphan vorgelesen und übergeben hatte (o. S. 270), brachte dieser eilig zum König Josia und las ihm Stellen daraus vor. Betroffen und erschüttert von der Strafandrohung, niedergeschmettert von dem Schuldbewußtsein, daß er solche Uebertretungen, wie sie in der aufgefundenen Rolle deutlich angegeben sind, bisher geduldet hatte, zerriß der König vor Schmerz sein Gewand. Bangigkeit bemächtigte sich seines Herzens, daß die Strafen in Erfüllung gehen könnten, welche darin über Bundesbruch verhängt werden. Selbst rathlos, ließ Josia den Hohenpriester Chilkija kommen, um mit ihm Raths zu pflegen. Auf dessen Empfehlung sandte der König ihn selbst und einige seiner Beamten und auch Achikam, Sohn Schaphans, einen Anhänger der Prophetenpartei, zu einer Frau, welche wegen ihrer prophetischen Begabung berühmt war, um sie wegen der Zukunft zu befragen82. Jeremia wurde wahrscheinlich wegen seiner [287] Jugend und noch nicht anerkannten Bewährtheit übergangen, aber auch der Prophet Zephanja wurde aus unbekannten Gründen nicht befragt. Diese Frau, an die sich der König gewendet hatte, war die Prophetin Hulda, Gattin eines königlichen Beamten, des Gewänderaufsehers Schallum, aus einer alten Familie. Sie ließ den König durch seine Abgesandten beruhigen, daß das verkündete Unglück über Volk und König nicht in seinen Tagen hereinbrechen werde, weil er den Schmerz der Reue empfunden. Nur dürfe es nicht bei der Reue bleiben, sondern er solle zur That schreiten und alle Gräuel des Götzendienstes und alle Laster und Ungerechtigkeiten aufhören machen.

Beruhigt über das Geschick des Volkes während seiner Regierung betrieb der König Josia die Verbesserung der Sitten und Zustände mit außerordentlichem Eifer. Dabei nahm er das aufgefundene Gesetzbuch zur Richtschnur und verfuhr noch viel strenger und gründlicher als Chiskija mit der Aufräumung des Götzenthums. Er berief zunächst in den Tempel die Aeltesten des Volkes aus der Hauptstadt und vom Lande und auch das ganze Volk der Hauptstadt, Priester und Propheten, selbst die niedriggestellten Holzhauer und Wasserschöpfer des Tempels, und ließ vor Allem den Inhalt des aufgefundenen Gesetzbuches vorlesen. Er selbst stand während der Vorlesung auf einer Säulenkanzel, welche im Tempel für die Könige angebracht war. Zum ersten Male wurde das ganze Volk Juda mit seinen Verbindlichkeiten, seinen Erwartungen und Aussichten bei Befolgung oder Mißachtung seiner Gesetze bekannt gemacht. Der König schlug vor, ein förmliches Bündniß zu schließen, daß sämmtliche Anwesende sich verpflichten mögen, alle diese vernommenen Gesetze und Vorschriften mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu erfüllen83. Die Förmlichkeit des Bündnisses bestand wohl darin, daß ein junges Rind in Stücke zerlegt wurde, durch welche der König, die Großen und Priester hindurchschritten. Dabei wurden die Worte laut gerufen: »Verflucht derjenige, welcher die Worte dieses Bündnisses übertreten sollte.« Sämmtliche Anwesende riefen dabei: »Amen«!84. Der König beauftragte darauf den Hohenpriester Chilkija, den Priester zweiten Ranges, welcher die Ordnung im Tempel zu überwachen hatte85, und die levitischen Thorwärter des Tempels, ihn [288] von dem Unflath der verschiedenen Götzenculte zu säubern. So wurde das schandbare Astartenbild, welches Manasse in den Tempel gestellt hatte, die Altäre und die Zellen für die Unzucht der Tempeldirnen, die dazu gehörten, ferner alle Geräthschaften zum Cultus des Baal und der Astarte, die Sonnenrosse am Eingang zum Tempel, endlich die Altäre für den Gestirndienst, Alles wurde beseitigt, zerstört, im Thale Kidron verbrannt und die Asche auf die Gräber der niederen Volksklasse gestreut. Die Stätte im Thale Hinnom, wo die Kinder geopfert wurden, ließ Josia verunreinigen. Die seit Salomo bestehenden Cultusstätten auf dem Oelberg, die Chiskija noch für die Ausländer bestehen ließ, wurden durch Menschengebeine und Unrath verunreinigt, ebenso die Altäre im Eingange der Stadt für den Cultus der Böcke86. Dann wurden sämmtliche Höhenaltäre im Lande aufgehoben. Diese Säuberung erstreckte sich bis Bethel, wo die eingewanderten Chuthäer und der Rest der Israeliten ihr Heiligthum hatten, und auch bis zu den Städten, die einst zu Samaria gehörten87. Die Priester der Götzen und der Höhenaltäre wurden abgesetzt; die von levitischer Abstammung mußten in Jerusalem weilen, um überwacht werden zu können, durften aber nicht opfern, erhielten indessen ihren Antheil von den Abgaben an die Ahroniden. Die sremdländischen Priester, welche bei den fremden Culten fungirt hatten, wurden ganz und gar entfernt und wahrscheinlich des Landes verwiesen88. Eine grausame Ausnahme machte Josia mit den israelitischen Priestern in Bethel, welche noch den von Jerobeam eingeführten Cultus des Stierbildes fortgesetzt und zur Verirrung der Israeliten Anlaß gegeben hatten. Diese Priester ließ er auf den dort befindlichen Altären tödten und die Altäre selbst durch Menschengebeine entweihen89. Weil von Bethel aus die Verkennung und Verkümmerung der uralten Gotteserkenntniß ausgegangen [289] war, gab der König hier ein abschreckendes Beispiel. Die weniger schuldigen Enkel mußten, wie so oft, für die schuldvollen Vorfahren büßen. Das war das Ende des Stiercultus von Bethel. Der König selbst leitete die Entweihung der Afterheiligthümer von Bethel90. So räumte er mit den verschiedenen Götzenthümern, welche in verschiedenen Zeiten auf israelitischem Boden eingeführt worden waren und fortgewuchert hatten, vollständig auf, ganz nach der Vorschrift des deuteronomischen Gesetzes. Auch die Bauchredner, Orakelverkündiger und falschen Wahrsager vertrieb Josia91.

Im Frühlingsmonate desselben Jahres (621) rief Josia das ganze Volk zusammen, das Paschafest nach Vorschrift des Gesetzes in Jerusalem gemeinschaftlich zu begehen. Es stellte sich jetzt, nicht wie zu Chiskija's Zeit, gezwungener Weise dazu ein, sondern betheiligte sich freiwillig dabei. Hatte es ja feierlich gelobt und sich durch ein Bündniß verpflichtet, fortan nach dem Gesetze zu handeln. Auch die gemischte Bevölkerung, welche in Sichem, Schilo und Samaria angesiedelt war scheint sich an diesem Feste betheiligt und seit der Zeit den Tempel von Jerusalem von Zeit zu Zeit aufgesucht zu haben, da ihre Heiligthümer zerstört waren92. Erhebende Psalmen mit Begleitung von Saitenspiel und Gesang aus dem Munde der Leviten machten dieses zum ersten Male in Zahl und Gemeinschaft des Volkes und mit willigem Sinne begangene Fest ganz besonders feierlich93. Ein Psalm, welcher dabei gesungen wurde, scheint sich noch erhalten zu haben. Der Chor der levitischen Sänger forderte die Ahroniden auf, an diesem Feste den Gott Jakob's zu preisen, erinnerte an die Bedrückung und die Befreiung aus Aegypten und an die Offenbarung am Sinai, knüpfte daran die Mahnung, von den fremden Göttern endlich ganz und gar abzustehen, spielte auf die Verbannung eines Volkstheiles an und verhieß glückliche Tage für die Nachachtung des sinaitischen Gesetzes.


»Preiset Gott, unsere Macht,

Jauchzet dem Gott Jakob's,

Erhebet Gesang und lasset tönen die Pauke,

Die liebliche Harfe sammt der Laute!

Stoßet in diesem Monat in die Posaune,

Am Vollmond für den Tag unseres Festes.

Denn ein Gesetz ist es für Israel,

Eine Satzung von Jakob's Gott,

Als Mahnung hat er es eingesetzt in [Juda und] Joseph,

Als er gegen das Land Aegypten auszog.

[290] Damals hörte ich eine Sprache,

Die ich nicht kannte.

Ich habe von der Last seine Schulter entzogen,

Seine Hände sollten von dem Tragkorb (?) lassen.

In der Noth riefst du, und ich erlöste dich,

Ich erhörte dich in der Donnerwolte,

Ich prüfte dich am Haderwasser.

Höre mein Volk, ich will dich warnen.

Israel, wenn du auf mich hören wolltest –

Es sei nicht in deiner Mitte ein anderer Gott,

Du sollst nicht anbeten einen Götzen der Fremde,

Ich, Ihwh, bin dein Gott,

Der dich aus dem Lande Aegypten geführt –

Dann möge dein Mund noch so viel wünschen,

Ich will es erfüllen.

Mein Volk hörte aber nicht auf meine Stimme,

Israel stimmte mir nicht zu,

Da vertrieb ich es in seiner Herzenshärtigkeit,

Mögen sie nach ihren Anschlägen gehen.

Wenn mein Volk auf mich hören,

Wenn Israel in meinen Wegen wandeln wollte,

Um ein weniges würde ich seine Feinde demüthigen

Und gegen seine Dränger meine Hand kehren.

Gottes Feinde würden ihm huldigen,

Und er würde ihm Hülfe für immer sein;

Würde es vom Fett des Weizens genießen lassen,

Und vom Seim des Honigs es sättigen«94.


[291] So wichtig erschien dem treuen Theil des Volkes Josia's thatkräftiges Einschreiten gegen das Götzenthum, daß die Prophetenpartei von dieser Zeit an eine neue Zeitrechnung zu zählen anfing95. Gewiß war zu diesem Feste in Jerusalem eine gehobene Stimmung. Die Anhänger der uralten Lehre, die Prophetenpartei, die treugebliebenen Leviten und Dulder sahen ihre Wünsche, wie sie kaum zu hoffen wagten, denn doch verwirklicht. Das entsetzliche Götzenthum mit seinen gräuelhaften Folgen, das sieben Jahrzehnte verwirrend und entsittlichend bestanden hatte, war mit einem Male verschwunden. Der König war dafür mit Thatkraft eingetreten. Auch die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich wohl gebessert. Auf Freilassung der hebräischen Sklaven, welche sechs Jahre im Dienstverhältnisse waren, hat wohl Josia bestanden, da auch dieses Gesetz in der Lehre, die er sich zur Richtschnur genommen hatte, eingeschärft wird96. Auch unparteiische Richter hat er wohl eingesetzt, welche den Armen und Hilflosen gegen die Gewaltigen Recht verschaffen sollten97. Auch einen obersten Gerichtshof scheint er in Jerusalem geschaffen zu haben, zu dessen Mitgliedern er wohl die treugebliebenen Priester und Leviten und die eifrigen Beförderer seiner Reform berufen hat, da ein solcher einer späteren Zeit als Muster vorgeschwebt hat98. Er mag auch kundige Leviten mit dem aufgefundenen Gesetzbuch in Städte und Dörfer ausgesendet haben, das unwissende Volk zu belehren99. Eine wichtige Neuerung soll Josia eingeführt haben. Die Bundeslade, welche bis dahin stets als Schutzmittel in den Krieg mitgeführt und von den Leviten getragen worden war, sollte nicht mehr dazu gebraucht werden, sondern ihrem Zwecke dienen, Mittelpunkt [292] des Tempels zu sein um im Allerheiligsten zu bleiben100. An die Seite der Bundeslade mag er nach Vorschrift das deuteronomische Gesetzbuch, das der König zur Richtschnur genommen, gelegt haben. Die Geschichtsquelle giebt Josia das Zeugniß, daß kein König vor ihm gleich ihm so aufrichtig zu Ihwh zurückgekehrt sei, um die Lehre Mose's zu erfüllen101. Auch die Großen, welche bis dahin Anhänger der fremden Unsitte waren, mögen sich in die Reform gefunden haben, in der Hoffnung, daß dadurch die politische Schwäche, in der sich Juda gegenüber dem mächtig auftretenden Aegypten befand, sich bessern werde. In der That scheint sich Josia auch politisch zur Thatkraft aufgerafft zu haben; er faßte Muth, Aegypten gegenüber Selbstständigkeit zu zeigen.

Jeremia hatte bei seinem ersten prophetischen Auftreten eine Zeit allgemeiner Zerstörung und Verwüstung verkündet, und daß auf diese ein Neubau folgen werde. Diese Wendung begann in Josia's letzten Jahren. Das Weltreich Assyrien, das so viele Völker und Länder unterjocht hatte, sollte dem völligen Untergange entgegengehen und an dessen Stelle sollten neue Großstaaten entstehen. Medien und Babylonien, die nächsten Vasallenländer Ninive's, vergalten ihm die Unthaten, die es an seinen Untergebenen mit Uebermuth verübt hatte. Nachdem der medische König Kyaxares die sein Land überfluthenden Scythen (o. S. 261) durch Gewalt und List theils vermindert, theils zu seinen Söldnern gemacht hatte, gerieth er in Krieg mit dem Nachbarlande im Westen, mit Lydien, welches vermöge seines Reichthums und seiner Küstenlage ebenfalls den Traum hegte, eine Großmacht zu werden. Fünf Jahre führte Kyaxares Krieg mit Alyattes, König von Lydien (614-610). Assyrien war bereits so geschwächt, daß es das selbstständige Auftreten seiner ehemaligen Vasallen ruhig ansehen mußte. Auch Nabopolassar von Babylonien (regierte 625-605), ein unternehmender König, hatte das letzte Band, das sein Land noch mit Assyrien verknüpfte, zerrissen und es ebenfalls unabhängig gemacht. Cilicien, das früher von Ninive aus beherrscht wurde, war ebenfalls ein selbstständiges Land geworden und hatte einen eigenen König Syennesis. Die zunehmende Schwäche des assyrischen Reiches wollte auch Aegypten benutzen, um zunächst an ihm Rache für die ihm so oft zugefügten Unbilden zu nehmen. Hier gelangte ein kühner König zur Regierung, Necho (Nekos, Nekaü), Sohn Psammetich's, welcher die ehemalige Macht Aegyptens wiederherstellen wollte. Zu gleicher Zeit traten also damals mehrere hochstrebende Fürsten auf, die ernstlich [293] daran gingen, Assyriens Weltherrschaft an sich zu bringen. Necho, noch kriegerischer und unternehmender als sein Vater, der den verschütteten Verbindungskanal zwischen dem Mittelmeer, dem Nil und dem rothen Meer wieder schiffbar machen ließ – wobei 120 000 Arbeiter in der Sandwüste umgekommen sein sollen – der zuerst Afrika umschiffen ließ durch eine phönicische Flotte, welche vom rothen Meere auslief und durch die Säulen des Herkules (zwischen Spanien und Afrika) durch das Mittelmeer im dritten Jahre zurückkehrte – Necho rüstete ein zahlreiches Heer zu einem großen Kriege aus, um die Libanongegend bis zum Euphrat zu erobern und auch Assyrien zu demüthigen. Da seine Nebenbuhler Kyaxares und Alyattes in einem langwierigen Kriege einander erschöpft hatten, gedachte Necho mit Leichtigkeit die syrischen Länder und vielleicht auch Assyrien mit Aegypten vereinigen zu können. Indessen hatten die beiden Könige Frieden mit einander geschlossen. Eine Sonnenfinsterniß, welche den Tag (30. Sept. 610) gerade während der Schlacht zwischen den medischen und lydischen Heeren verdunkelte, hatte Beide in hohem Grade erschreckt; dadurch waren beide Könige zum Friedensschlusse geneigt; die Vermittelung desselben hatten Nabopolassar und Syennesis übernommen. Nach Beendigung dieses Krieges schloß Kyaxares mit Alyattes und Nabopolassar ein enges dreifaches Bündniß, das durch die Verehelichung von des lydischen Königs Tochter mit Kyaxares' Sohn und der Tochter des medischen Königs mit Nabopolassar's Sohn, Nebukadnezar, befestigt wurde. Dieses Bündniß war gegen Assyrien gerichtet, das damals von einem den Lüsten ergebenen und verwerflichen König Sardanapal (Sarakus?) beherrscht wurde. Zu gleicher Zeit zogen die drei mächtigsten Könige der damaligen Zeit (608) zu ausgedehnten Eroberungen aus, Kyaxares und Nabopolassar gemeinschaftlich gegen Ninive, und Necho gegen die Euphratländer.

Nachdem der Letztere die befestigte philistäische Stadt Gaza mit Sturm genommen hatte102, zog er längs der Niederung an der Küste des Mittelmeeres entlang und gedachte durch die Ebene Jesreel zum Jordan zu gelangen, diesen zu überschreiten und dann über Damaskus auf dem kürzesten Wege zum Euphrat zu kommen. Diesem Durchzuge durch das ehemalige israelitische Gebiet stellte sich Josia hindernd entgegen. Sei es, daß er eine Machtvergrößerung Aegyptens für den Bestand seines Königreiches fürchtete, oder daß ihn Nabopolassar für sich gewonnen hatte, eine feindliche Haltung gegen Necho anzunehmen, genug er sammelte eine Schaar und zog Necho entgegen. Er vertraute [294] wohl auf die Hilfe Gottes, dessen Gesetz er mit so vielem Eifer in Juda eingeführt hatte. Kaum hatte Necho mit seinem Heere die Mitte der Ebene Jesreel erreicht, als er bei Megiddo auf ein judäisches Heer stieß, welches ihm den Weg verlegen wollte. Der ägyptische König soll ihm zwar versichert haben, daß sein Kriegszug nicht dem judäischen Lande, sondern entfernten Landstrichen gelten solle. Nichts desto weniger bestand Josia auf einer Entscheidung durch die Waffen. Diese fiel höchst unglücklich für ihn aus. Sein Heer wurde geschlagen und er selbst tödtlich verwundet (608). In Eile brachten die Diener den vielgeliebten sterbenden König nach Jerusalem. Hier angekommen, hauchte er seinen Geist aus. Laute Trauer erhob sich in der Hauptstadt beim Anblick seiner Leiche. Als man sie im Garten Uzza, in dem neuen Grabgewölbe der letzten judäischen Könige beisetzte, riefen Männer und Frauen um die Wette weinend und klagend: »O Herr, o Glanz!« – Alljährlich wurde an dem Tage, an dem der letzte vortreffliche König aus dem Hause David's von Pfeilen durchbohrt zusammengebrochen war, ein Klagelied wiederholt, welches Jeremia bei dieser Gelegenheit gedichtet hatte103. Aufrichtiger ist kein gefallener König beweint worden als Josia. Die unglückliche Schlacht bei Megiddo in der Ebene Jesreel war ein Wendepunkt für Juda's Geschichtsgang104.


Fußnoten

1 Deuteronomium 17, 18. Josua 8, 32. [Aus den angeführten beiden Stellen ist die Behauptung des Textes nicht zu erweisen.] S. Note 6.


2 [Daß unter Josia nur das Deuteronomium aufgefunden worden sei, ist weder erwiesen, noch erweisbar, vgl. Th. A. Fischer, Lex Mosaica (Gütersloh, 1898) S. 399 ff., Schall, Ed., Die Staatsverfassung der Juden auf Grund des Alten Testamentes (Leipzig 1896, 8) S. 47 ff.]


3 Deuteronomium 4, 35. 39; 3, 24.


4 Das. 6, 4.


5 Das. 1, 31.


6 Deut. 32, 11-12.


7 Das. 14, 2; 26, 19.


8 Das. 9, 24; 29, 3.


9 Das. 7, 9 fg.


10 Das. 1, 5; 28, 69.


11 Deut. 6, 4-5.


12 Das. 10, 12.

13 Das. 11, 1. 13 22; 13, 4; 19. 9; 30, 6. 16. 20; vergl. Josua 22, 5; 23, 11.


14 Das. 6, 4-8; 11, 18 fg.


15 Das. 10, 17-19; 16, 11. 24, 19. 21-22.


16 Das. 10, 16; 30, 6.


17 Deut. 4, 12-15.


18 Das. V. 16-19.


19 Das. 12, 31.


20 Das. 13, 1. Dieses bezieht sich entschieden auf den vorhergehenden Vers von Kinderopfern, ebenso 4, 2 mit dem Nachsatze von der Geschichte bei Baal-Peor.


21 Damit beginnt diese Gesetzessammlung 12, 1 fg. Es ist aber auch an andern Stellen darauf Bezug genommen 7, 5. 25.


22 Das. 13, 2 fg.


23 Deut. 13, 13 fg.


24 Das. 7, 3.


25 Das. 23, 5 fg.


26 Das. 12, 15. 21 fg. 15, 22.


27 Deut. 23, 22-24 [Vom »Geloben von Opfern« ist im Text nicht die Rede, vgl. auch Oettli z. St.].


28 Das. 12, 12. 18; 14, 27; 16, 11. 14. In Bezug auf den Zehnten vom Vieh, vergl. Leviticus 27, 33 mit Deuteron. 12, 17-18; von Getreide Numeri 18, 21 fg., 26 mit Deuteron. 14, 22 fg. In Bezug auf Erstgeborene Numeri das. 17 fg. mit Deuteron. 15, 19 fg. In Bezug auf Erstlinge Numeri das. 12-13 mit Deuteron. 26, 2. 11.


29 Deut. 18. 3-5.


30 Das. 14, 28-29; 26, 1-15.


31 Das. 26, 2-11.


32 Deut. 26, 12-15.


33 Das. 16, 1-17.


34 Das. V. 2. 7.


35 Das. 16, 18-20.


36 Das. 1, 15-17.


37 Das. 17, 8-13.


38 Deut. 17, 6; 19, 15.


39 Das. 13, 15; 17, 4; 19, 18,


40 Das. 4, 41 fg.; 19, 1 fg.; Josua 20, 2 fg.

41 Deut. 19, 11 fg.


42 Das. 22, 21.


43 Das. 21, 18-21.


44 Das. 19, 16 fg.


45 Das. 21, 22-23.


46 Das. 25, 1-3.


47 Deut. 22, 18-19.


48 Das. 17, 14-20.


49 Das. 20, 10-18.


50 Das. 20, 19-20.


51 Das. 24, 5.


52 Das. 20, 5-9.


53 Deut. 23, 10-15. Die Identificirung der Bundeslade mit Gott folgt auch aus Numeri 10, 35-36.


54 Deuteron 24, 19-22.


55 Das. 24, 14-15.


56 Das. 15, 1-3. ירכנ ist hier und 23, 20 der Ausländer, verschieden von רג, dem Eingewanderten oder Fremdling, der sich im Lande angesiedelt hat. Dieser wird durchgängig gleich dem ירכנ, dem Stammesgenossen, behandelt und auch für ihn gilt das Schuldenerlaßgesetz. Der ירכנ hingegen ist z.B. der Phönicier, der sich nur vorübergehend im Lande aufhält; vergl. das. 14, 21 ירכנל רכמ וא הננתת רגל


57 Das. 15, 7-11.


58 Das. 23, 20.


59 Deut. 24, 10 fg.


60 Das. 24, 6.


61 Das. V. 17.


62 Das. 15, 12 fg. Man hat es auffallend gefunden, daß das deuteronomische Gesetz nicht auch vom Unterlassen der Feldarbeit im siebenten Jahre spricht und hat aus dem Verschweigen falsche Schlüsse gezogen. Allein es handelt bloß von der Milde gegen Personen, aber nicht von Sachen. So spricht es auch nicht bei der Aufzählung der Feste von dem des siebenten Neumondes und vom Versöhnungstag, weil diese nicht Wallfeste sein sollen und nicht freudig begangen werden. Die drei Feste werden nur deswegen herausgehoben, um daran die Mahnung zu knüpfen, daß die Leoiten, Fremounge A. an der Freude Theil haben sollen. Aus dem Verschweigen mancher Bestimmungen der älteren Gesetzgebung folgt nicht das Ignoriren derselben im Deuteronomium.

63 Das. 23, 16-17.


64 Das. 21, 10-14.


65 Das. 23, 25-26.


66 Das. 22, 6-7.


67 Deut. 14, 1-2. Leviticus 21, 5-6 ist dieses Verbot ausdrücklich nur für die Ahroniden vorgeschrieben und zwar mit dem Motiv, weil sie heilig sein und sich dem Schmerze nicht hingeben und namentlich nicht ihre Körper verstümmeln sollen. Wenn das Gesetz das. 19, 27-28 scheinbar eine allgemeine Fassung hat, so kann es dennoch nur unter dieser Beschränkung gemeint sein [Der unbefangene Leser merkt davon nichts. Vgl. Strack zur Stelle]. Im Deuteronomium dagegen wird die unbeschränkte Geltung für Alle durch das Motiv ausdrücklich hervorgehoben. Bertheau konnte sich mit der Gruppierung der Gesetze Lev. Kap. 19 nicht zurecht finden, mußte mehrere Bestimmungen V. 5-8 zusammenziehen und dann wieder Gleichartiges V. 13 fg. trennen, um die Zehnzahl herauszubringen. Scheidet man Vo. 27-28 aus, so geben 2-22 eine Gruppe, und 23-36 eine andere Gruppe mit der Zehnzahl.


68 Wenn man nicht einen zu grellen Widerspruch zwischen Ezechiel's gesetzlicher Bestimmung (44, 31) םינהכה ולכאי אל... הפרטו הלבנ לכ und dem uralten Gesetze (Exod. 22, 30) הדשב רשבו יל ןויהת שדק ישנאו ולכאת אל הפרט annehmen will, so muß man sich schon zu der Ausgleichung bequemen, daß auch dieses Gesetz lod. g. ich für die Ahroniden gelten sollte. [Vgl. dagegen Ibn Esra zu Lev. 22, 8 und Strack zu Ex. 22, 30.] שדק ישנא ist hier gleich שדק ירש Jes. 43, 28 oder םישדקמ Ezechiel 9, 6. Daß der Genuß von Aas reiner Thiere für Laien nach dem uralten Gesetz erlaubt war, ist deutlich Levit. 22, 8 angegeben und geht auch aus Levit. 11, 39-40 hervor, wenn man es mit der Formulirung des Gesetzes das. V. 41 fg. vergleicht. Hier wird der Genuß schlechthin verboten, dort aber ist nur angegeben, daß der Genuß von Aas levitisch verunreinige und untauglich für das Opfern an dem Tage mache. Erst das Deuteron. 14, 21 verallgemeinert dieses Gesetz הלבנ לכ ולכאת אל und motiviert es durch התא שדק םע יכ.


69 Deut. 18, 18 fg.


70 Das. 4, 6-8.


71 Das. 32, 46-47.


72 Das. 11, 26-28; 30, 15 fg.


73 Das. 30, 11-14.


74 Das. 31, 9.


75 Deut. 31, 25-26.

76 Das. 27, 2-8. Josua 8, 32.


77 Das. 31, 10-13.


78 Es ist nicht zu verkennen, daß der Auswahl der Stämme für Segen und Fluch Deuteron. 27, 12-13 eine Absicht zu Grunde liegt. Für den Fluch sind aufgezeichnet die jenseitigen zwei Stämme Rëuben und Gad und die allernördlichsten Stämme Ascher, Sebulon, Naphtali und auch Dan, worunter die nördlichen Daniten am Fuße des Hermon in der Stadt Dan und Umgegend zu verstehen sind. Diese wohnten inmitten der heidnischen Völker, nahmen ihre götzendienerischen und unsittlichen Gebräuche an und verloren sich unter den benachbarten Moabitern, Ammonitern oder Kanaanitern. Als Stämme des Segens werden bezeichnet: Simon, Levi, Juda, Isaschar, Joseph (nämlich Ephraim und Manasse) und endlich Benjamin. Es sind die diesseitigen Stämme, welche die Mitte und den Süden bewohnten und nicht Nachbarn der heidnischen Völker waren. Ueber die Stellung, welche die Stämme einnehmen sollten, vergl. Josua 8, 33.


79 Ibn Esra bemerkt richtig, daß diese 12 Flüche (Das. 27, 15 fg.) gegen heimliche, nicht zur Cognition gelangende Uebertretungen ausgesprochen sind.


80 Deut, 31, 14-22, 29-30; 32, 1-44.

81 Das. 28 15 fg.


82 Könige II, 22, 10 fg. Es ist zwar das. nicht angegeben, daß Hulda zur Beseitigung des Götzendienstes ermahnt habe, aber es ist selbstverständlich.


83 Könige. II, 23, 1 fg.


84 Folgt aus Jeremia 34, 18 fg. und das. 11, 2-5.


85 Kön. das. 23. 4. Statt הנשמה ינהכ muß wohl gelesen werden הנשמה ןהכ wie Könige II 25, 18, Jerem. 52, 24 [So auch Benzinger zu II Kön. 23, 4.]. Der das. erwähnte הנשמה ןהכ הינפצ ist ohne Zweifel derselbe, welcher Jeremia 29, 26. 29 genannt wird ןב הינפצ ןהכה הישעמ. Dieser war an die Stelle seines Vorgängers Jojada eingesetzt 'ה תיבב דיקפ תויהל (LXX Sing. ἐπιστάτƞς), also hatte der הנשמ ןהכ die Aufsicht über den Tempel wie später der תיבה רה שיא oder στρατƞγὸς τοῠ ἱεροῠ.


86 Könige das. 23, 4-8 (vgl. o. S. 259), 1, 10-14.


87 Könige das. 23, 15-19.


88 Das. V. 5 heißt es םירמכה תא תיבשהו, darunter sind selbstverständlich die fremden Priester zu verstehen. תיבשהו will entschieden nur aussagen, daß Josia sie aufhören gemacht, gestört hat, zu fungiren. Daß sie getödtet worden wären, liegt in dem Verbum keineswegs. Das Targum giebt es richtig durch ליטב. Die syr. Version hat zwar dafür auch ולטק, es ist aber augenscheinlich ein Fehler für ולטב. Auch in LXX ist ein Corruptel. Statt κατέκαυσε τοὺς Χωμαρίμ muß gelesen werden κατέπαυσε.


89 Das. V. 20 auch Könige I, 13, 2. Unter תומב ינהכ לא תיב können nur Priester von israelitischer Abstammung verstanden sein, wenn man bedenkt, daß nach der Deportation der Zehnstämme nur solche in Bethel fungirten, welche ein assyrischer König für die fremden Colonisten aus der Verbannung hatte kommen lassen, s.o. S. 257. Josia verfuhr also strenger gegen diese als gegen die ausländischen םירמכ.


90 Folgt aus den Schlußworten das. 23, 20 בשיו םלשורי.


91 Könige das. 23, 24.


92 Folgt aus Jeremia 41, 5 und Esra 4, 2.


93 Könige das. 23, 22-23; Chronik II, 35, 15. 17-19.


94 Psalm 81. Daß es ein Festpsalm, und zwar zur Erinnerung an den Auszug aus Aegypten ist, haben die Ausleger erkannt. Sie haben aber übersehen, daß auch die Erinnerung an die Gesetzgebung am Sinai darin vorkommt. Die ersten zwei Worte des Dekalogs sind V. 11-12a unzweideutig wiederholt, wenn auch in anderer Ordnung. Darauf weist schon im Eingang V. 6b hin עמשא יתעדי אל תפש. An die Beachtung dieser Worte ist das Wohlergehen Israels geknüpft. V. 9b יל עמשת םא לארשי ist als Einleitung zu V. 11 b בהרה והאלמאו ןיפ zu verstehen So hat der Ps. einen unverkennbaren Zusammenhang, und es ist unbegreiflich, wie Olshausen ihn als aus zwei heterogenen Partien zusammengesetzt ansehen konnte. In diesem Festpsalm ist der didaktische Zweck nicht zu verkennen. Dieser ist in V. 12-17 deutlich gegeben. Da die Befreiung aus Aegypten ganz besonders betont wird, so kann unter dem »Fest« nur das Paschafest gemeint sein, das in späterer Zeit ebenso wie das Hüttenfest גה genannt wird. הסכב bedeutet hier wie Sprüche 7, 20 אסכ םויל nach dem Syrischen »Vollmond« wie auch Aquila zu Sprüche übersetzt: ἡμέρα πανσελἠνου. Die Ausleger haben sich nur an dem Worte שדחב gestoßen und einen Widerspruch darin gefunden, allein שדחה ist wie הנשד, הלילד Demonstrativ. אוה V. 5 bezieht sich auf das vorhergehende גח: das Fest ist zum Gesetz eingesetzt für Jakob vom Gotte Jakobs und zugleich als Warnung und Belehrung Es spricht also alles dafür, daß dieser Psalm ein Festlied für das Pascha sein sollte. Die Abfassungszeit ist nicht so unbestimmbar gehalten, wie die Ausleger angeben. V. 13 םבל תורירשב והחלשאו deutet das Exil eines Theils des Volkes an, und das Wort תורירש erinnert an Parallelen aus Jeremia und Deuteronomium; kurz der Psalm ist nach allen Seiten erklärt, wenn man zum Hintergrund desselben an das feierliche Pascha zu Josia's Zeit denkt. Er ist ein Widerhall der damaligen Stimmung, als das Götzenthum officiell abgethan war, aber noch manche stille Anhänger hatte. Im Einzelnen ist zu bemerken תודע u. דיעה bedeutet nicht bloß Zeugniß, sondern auch »Warnung«, »Belehrung«. ףסוהי, V. 6, ist eine abstruse Form, sie läßt das ursprüngliche הד]והיב ףסוי[ו ahnen. V. 13 םתע יהיו ist trotz aller künstlichen Erklärung der Ausleger unverständlich. Man muß sich wohl entschließen zu lesen םתע[ושי] יהיו.


95 Folgt aus Ezechiel 1, 1 der mit einer eigenen Jahresberechnung anfängt, הנש םישלשב יהיו, die dem fünften Jahre seit Jojachins Exil entspricht. Dieses Jahr ist nun gerade das dreißigste seit Josia's Reform. Mit Recht nehmen daher das Targum und Hieronymus an, daß die 30 Jahre nach diesem Faktum gezählt seien (vergl. Frankel-Graetz, Monatsschrift, Ig. 1874. S. 517. [Vgl. was Bertholet zu Ezech. 1, 1 dagegen vorbringt.]


96 Vgl. das Beispiel Zedekija's, Jeremia 34, 8 fs.


97 Folgt aus Jeremia 22, 15-16.


98 Vgl. Chronik II, 19, 8 fg.


99 Vgl. das. 17, 7 fg


100 Das. 35, 3. Vgl. Monatsschr. Ig. 1874, S. 437.


101 Könige II, 23, 25.


102 Herodot II, 159; Jeremia 47, 1; Kadytis bei dem Ersteren ist Gaza.


103 Könige II, 23, 29-30a. Chronik II, 35, 20-26. Nach Ezra Apocryphus wurde Josia noch lebend nach Jerusalem gebracht (1, 28-29). Der Anfang eines Klageliedes auf einen König begann mit הדה יוהו ןודא יוה Jeremia 22, 18. Daß um Josia lange getrauert wurde, folgt aus Jeremia das. V. 10.


104 Nach Könige das. לע רושא ךלמ לע הכנ הערפ הלע תרפ רהנ geht mit Entschiedenheit hervor, daß Necho gegen Assyrien zu Felde zu ziehen gedachte. Dasselbe sagt auch der Text Chronik das. V. 21, wenn man die ursprüngliche L.-A. wiederherstellt, statt des unverständlichen: יתמחלמ תיב לא םא יכ םויה התא ךילע אל. Statt התא haben LXX ἥκω und Peschito ךילע אוה אל אנא אתא, also אבא, Das Uebrige giebt Ezra Apocryphus durch ἐπὶ γὰρ Εὐφράτου ὁ πόλεμός μου d.h. אל יתמחלמ תרפ לא םא יכ אבא ךילע [Anders Schrader-Winckler, S. 277]. Die Localität Megiddo ist durchaus die bekannte Stadt in der Ebene Jesreel (gegen Movers Annahme), höchst wahrscheinlich meinte auch Herodot diese Schlacht II, 159): Καὶ Συρὶοισι πεζῇ ὁ Νεκὼς συμβαλὼν ἐν Μαγδόλῳ ἐνίκƞσε [Vgl. jedoch Schrader-Winckler, S. 105].



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1902, Band 2.1, S. 296.
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