1. Schischak's (Scheschenk) Zug gegen Juda.

[384] Als Champollion der Jüngere zuerst 1828-29 in einem Saale zu Karnak in Bas-Relief einen König mit Namen קנשש (Scheschenk) entdeckte und dabei unter vielen anderen Figuren von Gefangenen eine bemerkte, welche in einem Schilde den Namen ךלמהדוי und mit dem Zusatz Kah (Land), also »König des Landes Juda«, las1, war die Freude der Forscher groß. Scheschenk der Hieroglyphen ist nichts anderes als der קשיש der Bibel und der Sesonchis oder Sesonchosis der Manethonischen 22ten Dynastie. Durch hieroglyphische Inschriften und Figuren schien nicht nur die biblische Relation von dem Kriegszuge Schischak's gegen Juda bestätigt, sondern auch das Porträt des Königs Rehabeam erhalten. Denn die Figur des Gefangenen mit dem Namen Judh-Malk konnte doch wohl nichts anderes als der König des Landes Juda sein. Diese Entdeckung ging als Faktum in die betreffenden Geschichtsbücher über. Hinterher zeigte es sich indeß als eine halbe Täuschung; die Inschrift kann nämlich nicht »König von Juda« bedeuten, folglich können diese Inschriften und Figuren nicht auf die biblische Relation Licht werfen. Bunsen behauptete noch 1856: die Inschrift bedeute Juda König, ja auch noch 1860 Buntschli (in Herzog Real-Encyel. XII. 599 [selbst noch Ebers bei Riehm-Bäthgen s.v. Sisak]), während schon Brugsch diese Auffassung als einen Irrthum bezeichnet und nachgewiesen hat, daß es vielmehr den Namen einer Stadt bezeichnen müsse (Geographische Inschr. ägypt. Denkmäler II, vom Jahre 1858 S. 62 fg. und histoire d'Égypte 227 vom Jahre 1859 [So auch W. Max Müller, Asien und Europa nach altägyptischen Denkmälern, S. 167]). Sonderbar genug ist es, wie man so lange diesen Irrthum conserviren konnte, da doch das Wort Kah, welches »Land« und »Ort« bezeichnet, darauf hätte führen müssen, daß Judh Malk Kah unmöglich weder Königreich Juda, noch Juda König, noch sonst etwas dergleichen bedeuten kann (Vergl. über den Zwang, der dieser Inschrift angethan wurde, Rosselini, monumenti dell' Egitto IV, p. 158, Note). Sämmtliche Halbfiguren haben ganz dieselbe Physiognomie ohne einen individuellen Zug. Folglich kann die 29te Figur ebensowenig den gefangenen König Rehabeam darstellen, wie die übrigen 155 Halbfiguren. Endlich wurde doch Rehabeam nach der biblischen Relation nicht in Gefangenschaft geführt, sondern blieb auf seinem Throne. Wie kann er als Gefangener vorgeführt worden sein? Alle diese Einwürfe haben die Aegyptologen nicht beachtet. Bunsen giebt noch das Bild des Gefangenen mit dem Schild (Aegypten IV, S. 268) mit der Angabe »Juda vor Sisak« und will damit noch andeuten, daß die Figur Juda den König Rehabeam darstelle. Kurz, aus den Figuren und Inschriften ohne Zuhilfenahme der biblischen Relation würde man durchaus [384] nicht erfahren, auf welche Begebenheiten sie sich beziehen. Die Inschriften im Anfang sind, wie alle ägyptischen auf anderen Monumenten, nichtssagend, größtentheils Lobhudeleien auf den König. Man liest nur heraus Ammon – Scheschenk und Allgemeines über Siege, die dieser errungen. Das Wesentlichste ist in der Anrede des Gottes enthalten. Ammon redet Scheschenk an (nach Brugsch's Uebersetzung): »Ich habe gewährt, daß die Völker des Nordens zu dir kommen, sich vor dir niederzuwerfen! und daß die des Südens der Größe deines Namens unterworfen wurden. Ihre Könige warfen sich auf ihren Bauch, denn sie sind in ihren Thälern niedergeworfen worden. Wären ihrer noch so viele, so wären sie doch nichts gewesen. Das Unglück traf sie, und sie waren, als wären sie nicht geboren worden.« Diese Anrede giebt auch nicht einen einzigen individuellen Zug und keine Andeutung, welche Völker Scheschenk besiegt hat, und welche unter den Völkern des Nordens und des Südens zu verstehen sind. Zur Orientirung möge vorausgeschickt werden, daß auf dem Scheschenk-Denkmal im Ganzen 156 Halbfiguren mit Schildern abgebildet sind, die sämmtlich durch eine Linie um den Hals als Gefangene dargestellt sind. Zuerst wegen Rauminangeis 5 Reihen zu je 13, zusammen 65, dann bei erweitertem Rande 4 Reihen zu je 17, zusammen 68 und endlich eine letzte Reihe von 23. Die Schilder der letzten Reihe sind völlig leer von Inschriften. Champollion, Rosselini, Bunsen und andere Aegyptologen hatten von den 133 lesbaren Inschriften nur drei dechiffrirt, nämlich: Mahanma oder Mahnoma-Kah, ferner Baithuaren oder Baitharona-Kah und Maktaa oder Maktaû-Kah. Diese wurden von denselben entziffert als Machanaim, Bethoron und Megiddo. Aus diesen zwei Namen, Megiddo und Machanaim, wurde gefolgert, daß Schischat nicht bloß gegen Juda, sondern auch gegen Israel Krieg geführt und nicht bloß diesseits, sondern auch jenseits des Jordans Städte unterworfen habe. Das verstößt aber gegen den Wortlaut der biblischen Erzählung, daß Schischak nur Rehabeam besiegt und nur feste Städte Judäa's unterworfen hat. Im weiteren Verlauf entzifferte Brugsch noch mehr Städtenamen in den Schildern (geogr. Inschr. a.a. O, S. 59 fg.) und bemühte sich per fas et nefas entsprechende Localnamen aus der Bibel dafür zu setzen, nämlich Lbata = Rabbith?; Taankau = Taanach; Snmaa = Schunem; Batsnraa = ןאש תיב; Lhabaa = Rehob; Hapulmaa = Hopharaim(?); Adlma = Ado raim; Qbaana = Gibeon; Qadmt = Kedemoth; Ajuln = Ajalon; Arna = Eglon; Balma = Jibleam; Zadptl = לאותפ דצ oder רותפ דצ??; Bat-Almat = תמלע; Sauka = Socho; Battapu = חותפ תיב? Abalaa = Abel: Admaa = םודא und noch andere Unmöglichkeiten. Den Namen Judhmalk erklärte Brugsch als Stadtnamen, was auch nach dem Vorangeschickten nicht anders sein kann. Aber welchem hebräisch-geographischen Namen diese Hieroglyphe entsprechen soll, ist ihm selbst räthselhaft geblieben, am meisten die Deutung des Judhmalk. Er bemerkt darüber S. 63: »Will man das ägyptische h hinter Jud als den hebräischen Artikel ansehen, und nicht zu Jud ziehen, so würde der Name des Ortes ךלמה דוהי, im anderen Falle ךלמ הדוהי gelautet haben. Findet sich nun eine solche Ortsbenennung vor? In der alten palästinensischen Geographie nicht; dagegen ist zu bemerken, daß einzelne Ortschaften im heutigen Lande den gewiß aus dem Alterthume her überkommenen Namen Jehudijeh, gewöhnlich mit dem Artikel el-Jehudijeh, führen.«

Nach Brugsch's Auslegung müßte man annehmen, daß Schischak's Eroberung sehr weit im Norden und bis jenseits des Jordans gereicht habe. Gegen diese Annahme sprach sich mit Recht ganz entschieden Blau aus (Zeitschrift d.D. M. [385] Gesell. Jahrg. 1861, S. 233 fg.). »Soll die Gedenktafel Scheschenk's einen historischen Commentar zu der hebräischen Ueberlieferung enthalten, so sind zwei Dinge zur Beglaubigung ihres Werthes erforderlich: 1. Daß der Zug, von welchem Scheschenk berichtet, eben sich als ein Zug gegen das Reich Juda und Jerusalem kennzeichne, und eine Besetzung israelitischer Gebietstheile, wenn nicht als untergeordnetes Mittel zu jenem Zwecke, überhaupt nicht erwähne, und 2. daß die Hauptfestungen Juda's in der ägyptischen Aufzählung einen Platz gefunden haben, aus dem ersichtlich wird, daß ihre Einnahme auch für Scheschenk die strategische Hauptsache war.« Blau widerlegt auch Brugsch's Hypothese, daß die Reihenfolge der Schilder einer geographischen Ordnung folge. Ob aber Blau's Annahme richtig ist, daß sie eine historisch-strategische Reihe bezeichnen, daß »während der Expedition von Zeit zu Zeit die Berichte der einzelnen Heerführer ... an das Hauptquartier des Königs erstattet und aus diesen später nach Schluß des Feldzuges und der Rückkehr« die Zusammenstellung in Karnak gemacht wurde, hat er nicht streng bewiesen. Wichtiger ist die Ermittelung der Namen der Städte und Burgen aus den Hieroglyphen in Uebereinstimmung mit den in der Bibel vorkommenden Namen und zwar der Städte Juda's, die Blau vollständiger als seine Vorgänger enträthselt hat. Als sicher kann wohl die Enträthselung folgender Namen gelten, Scheschenk hat diese also eingenommen und sie gehören zu den הדוהיל רשא תורצמ ירע (Chronik II. 12, 4) oder wohl richtiger תורצב ירע.


1. Schischak's (Scheschenk) Zug gegen Juda


Lbata (Schild 13) entsprechend תואבל

Qbaana d.h. ןעבק (Schild 23) entsprechend ןועבג

Bathuaren (Schild 24) entsprechend ןורוח תיב

Ajuln (Schild 26) entsprechend ןוליא

Mkdau ודכמ (Schild 27) entsprechend הדקמ [vielmehr ודגמ nach Müller]

Kaqalj (Schild 37) entsprechend הליעק

Sauka (Schild 38) entsprechend יכוס [vgl. noch Müller, S. 161].

Batzaab רבצ תב (Schild 45) entsprechend רוצ תיב

Admaa (Schild 56) entsprechend םימדא [vgl. Müller, S. 168, Edumia in Ostephraim?]

Zaqapaa (Schild 80) entsprechend הקפא

Ashatata (Schild 93) entsprechend דורשא

Aldaata (Schild 108) entsprechend דרע

Zweifelhaft bleiben

Taankau (Schild 14) entsprechend ןכת oder םיקנע? [nach Müller ךנעת]

Mahanma (Schild 22) entsprechend ןד הנחמ

Qadtma (Schild 23) entsprechend םיתדע [nach Müller םיתירק]

Adil (Schild 28) entsprechend דול

Judh (Juth) Malk (Schild 29) entsprechend דוהי [nach Müller ךלמה די]

Ngbalj (Schild 74) entsprechend ןירביג תיב, hat zur vorexilischen Zeit nicht existirt.

Addmaa (Schild 79) entsprechend םלדע

Jurhm (Schild 112) entsprechend וחירי [nach Müller, 168 etwa לא םחרי]

Trtmaa (Schild 121) entsprechend םחל תיב – תרפא.


[386] Jerusalem soll im letzten Schild (133) angedeutet sein, von dem nur noch die Hieroglyphen Jura zu lesen sind. Uebrigens, da die Inschrift oberhalb der Figuren angiebt, daß Scheschenk Völker des Nordens und Südens unterworfen hat, so ist es vielleicht gar vergebliche Mühe, in den Inschriften der Schilder lauter Namen judäischer Städte zu suchen. Können nicht auch Städtenamen anderer von Scheschenk eroberter Länder aufgeführt sein? [Vgl. jetzt M. Müller, Asien u. Europa nach altägyptischen Denkmälern, 1893, S. 166-172].


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1902, Band 2.1, S. 384-387.
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