II. Hosea II. und Zacharia I.

[396] Es ist durchaus nicht zu verkennen, daß der Styl in den ersten drei Kapiteln Hosea's gerade so grundverschieden ist von dem der übrigen Kapitel, wie die letzten sechs Kapitel Zacharia's von den ersten acht abstechen. In der ersten Partie Hosea's meistens Symbolik, in der zweiten keine Spur davon; in der ersten eine fortlaufende ruhige Diction, in der zweiten lauter Sprünge und Aphorismen [Vgl. dagegen Kuenen's Bemerkungen a.a.O. S. 324, Nr. 13 und König, Einl. in das A. T. (Bonn 1893), S. 310]. Diese Styldifferenz hat die Ausleger darauf geführt, zwei Theile in Hosea's Schrift anzunehmen; das genügt aber keineswegs. Beide Theile können unmöglich einem und demselben Autor angehören, und ein Prophet, der noch zur Zeit Jerobeam's II. gesprochen hat, kann kaum ein halbes Jahrhundert später noch gelebt haben [Vgl. dagegen Kuenen a.a.O. Nr. 12]. Deutliche Anspielungen in der zweiten Partie führen nämlich auf die Zeit kurz vor dem Untergang des Zehnstämmereiches. Die Ueberschrift giebt an, daß Hosea noch zur Zeit Hiskija's gesprochen habe. Das kann richtig sein, nur nicht derselbe Hosea, sondern ein Anderer, der vielleicht denselben Namen geführt hat, und darum sind vielleicht die Blätter beider zusammengelegt worden. So wie man mindestens zwei Zacharia, einen älteren und einen jüngeren, annimmt, ebenso berechtigt ist man, zwei Hosea zu unterscheiden. Allerdings liegt für die Annahme zweier Propheten, Namens Zacharia, eine Andeutung vor. Der jüngere nachexilische Zacharia wird als אודע רב הירכז bezeichnet (Esra 5, 1 [und 6, 14]), dagegen wird ein älterer zur Zeit Jesaia's und Achas והיכרבי ןב הירכז genannt (Jesaia 8, 2). Da dieser neben dem Hohenpriester Uria als »bewährter Zeuge« (ןמאנ דע) bezeichnet wird, so war er höchst wahrscheinlich ein Prophet. So ist es erklärlich, daß die Sammlung des prophetischen Buches Zacharia in der Ueberschrift den Verf. nennt: ודע ןב היכרב ןב הירכז (auch Zach. 1, 4), obwohl er an der andern Stelle nur Sohn Iddo's genannt wird. Weil beide Schriften, die des Ben-Berechja und die des Ben-Iddo in eine Sammlung gebracht wurden, so entstand der Irrthum, als wenn sie einem einzigen Propheten Zacharia angehörten und dieser ein Sohn Berechja's und Enkel Iddo's gewesen wäre [So bereits bei Knobel, Prophetismus der Hebräer (Breslau 1837) II, 173 f., dem von den neueren Exegeten z.B. auch Kuenen (a.a.O. S. 407) folgt]. Für zweierlei Hosea fehlt aber eine solche Andeutung.

Nichts desto weniger muß man eben so gut zwei Propheten Hosea, wie zwei Propheten Zacharia annehmen. Der jüngere Hosea, und der ältere Zacharia waren Zeitgenossen. Die Ausleger konnten nicht übersehen, daß Hosea II. oder, wie sie es nennen, der zweite Theil Hosea eine anarchische Zeit voraussetzt, wie sie erst nach Jerobeam II. eingetreten ist. Dasselbe gilt von Zacharia I, [396] denn daß die Partie Zach. K. 9. 10. 11 und 13, 7-9 zusammengehören und ein einziges Stück bilden, braucht nicht mehr bewiesen zu werden. Den Schluß von K. 9 setzt 10, 1-2 fort. An diese Verse schließen sich die folgenden Verse bezüglich der Hirten oder Fürsten (םיער) an, und die Drohung gegen die gewissenlosen Hirten wird 11, 3 fg. bis zu Ende fortgesetzt. Nun wird in diesem Stücke geradezu der Untergang dreier Hirten oder Fürsten in einem Monat im Zehnstämmereich erwähnt (11, 8): דחא חריב םיערה תשלש תא דחכאו. Es kommt nun darauf an, zu constatiren, welche Könige darunter gemeint sein können. Ewalds Hypothese, daß es sich auf den rasch auf einander folgenden Untergang des letzten Jehuiden Zacharia, seines, einen Monat regierenden, Mörders Schallum und eines gewissen Kobal-Am bezöge (nach Könige II. 15, 10 f.g) ist unhaltbar, da םעלבק unmöglich ein Personenname sein kann, sondern ein Localname ist (vgl. o. S. 90, 2 [und die Bemerkung dazu. Vgl. auch König, S. 369 ff.]). Dagegen werden deutlich drei Personennamen in der Erzählung von Pekach's Verschwörung gegen Pekachja (K. das. 15, 25) genannt. ...חקפ (היחקפ לע) וילע רשקיו שיא םישמח ומעו היראד תאו בגרא תא ...ןורמשב ודכיו ושילש. Der Passus ist zwar dunkel, vielleicht lückenhaft. Aber so viel ist gewiß, daß תא hier nur Akkusativbedeutung haben kann, weil das Präpositionale gleich darauf durch םע gegeben ist. Der Vers sagt also aus, daß Pekach nicht bloß Pekachja, sondern auch einen Argob und Arjeh getödtet hat [dies. Auffassung hat LXX Luc. z. St. In den Emendationes macht jedoch der Vf. einen anderen Vorschlag. Vgl. übrigens auch die Bemerkungen von Klostermann und Benzinger z. St.]. Von diesem Factum scheint Zacharia zu sprechen: »Ich ließ vernichten drei Hirten in einem Monate.« Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, als Zacharia unter dem thörichten, gewissenlosen König (11, 15 fg. 13, 7 fg.) keinen anderen als Pekach gemeint haben kann. Mit Recht setzen daher mehrere Ausleger Bertheau, Credner und Andere diese Reden Zacharia's in die Zeit Pekach's. V. 10, 16 יכנא הנה ץראב הער םיקמ will keineswegs das Auftreten des thörichten Hirten für die Zukunft andeuten, sondern ist lediglich ein Referat des Propheten, über das, was Gott ihm schon früher verkündet hatte, wie 11, 4 fg an die Hand giebt. V. 11, 14 spielt auf die beginnende feindselige Haltung des Zehnstämmereiches gegen Juda an לארשי ןיבו הדוהי ןיב הוחאר תא רפהל15, was eben nur unter Pekach vorgekommen ist, der gegen Juda Krieg geführt hat. Vergl. darüber Frankel-Graetz Monatsschrift, Jahrgang 1874, S. 486 fg., wo erwiesen ist, daß Zacharia noch vor der Invasion des Tiglat-Pileser gesprochen haben muß, also noch nicht zur Zeit Achas, sondern noch zur Zeit Jotham's. Das Exil eines Theils der Israeliten in Assyrien, worauf dieses Stück hinweist (10, 10-11), bezieht sich auf Phul's Invasion und theilweise Deportation der Israeliten. Es folgt also daraus, daß der ältere Zacharia zwei Reden gehalten hat: die eine (Kap. 9-10) tröstend nach Phul's Invasion, und die andere (Kap. 11 und 13, V. 7-9) kurz vor Tiglat-Pileser's Einfall zur Zeit Pekach's.

[397] Hosea II. setzt aber den Untergang vieler israelitischer Könige voraus (7, 7), ולפנ םהיכלמ לכ, setzt ferner voraus, daß es zu der Zeit gar keinen König gegeben hat (10, 3; 13, 11) יתרבעב חקאו יפאב ךלמ ךל ןתא (auch 10, 7b) םימ ינפ לע ףצקכ הכלמ, setzt endlich voraus, daß öfter Könige und Führer eingesetzt und abgesetzt wurden (8, 3): יתעדי אלו ורישה ינממ אלו וכילמד םה; (8, 10): םירש ךלמ אשממ טעמ ולחיו. wo LXX eine richtigere L.-A. durchscheinen lassen: κοπάσουσι μικρὸν τὸ χρίειν βασιλέα καὶ ἄρχοντας d.h. ךלמ חשממ טעמ ואליו םירשו. Dieses Alles kann nur in dem Interregnum nach Pekach's Tod vorgekommen sein (vergl. Bd. I. S. 473). Dieselbe Zeit setzt der Umstand voraus, daß das Zehnstämmereich bald um die Gunst Assyriens und bald um die Aegyptens buhlte (5, 12; 7, 11; 10, 6; 12, 2). Dieses Buhlen kann nur um die Zeit zwischen Tiglat-Pileser und Salmanassar stattgefunden haben. Hosea II., jüngerer Zeitgenosse Zacharia's, war also der letzte Prophet des Zehnstämmereichs. Selbstverständlich war er auch Zeitgenosse Jesaia's.

Man muß aber noch einen dritten Zacharia annehmen. Denn die Kapitel 12, 13 (minus V. 7-9) und 14 differiren stylistisch durchweg von den Partieen, die dem älteren Zacharia, so wie von denen, welche dem jüngeren angehören. Sie enthalten weder Symbolik, noch Anspielung auf den restaurirten Tempel, wie in den Reden des Letzteren, noch Anspielung auf Ephraim, wie in denen des Ersteren. Die drei Kapitel beschäftigen sich lediglich mit Juda und setzen Aegypten als Feind desselben voraus (14, 18-19). Daß diese Kapitel zusammengehören und nicht zerstückelt werden dürfen, liegt klar am Tage, wenn man 12, 2: םגו םלשורי לע רוצמב היהי הדוהי לע mit 14, 14 vergleicht םגו םלשוריב םחלת הדוהי. Beide Verse setzen voraus, daß auf dem Lande eine feindselige Stimmung gegen Jerusalem herrschte. Auf der andern Seite sah die Hauptstadt verächtlich auf die Landbevölkerung Juda's herab (12, 7). Da Ephraim und Samaria darin nicht mehr vorkommen, so kann diese dritte Partie in Zacharia nur nach dem Untergang des Zehnstämmereichs gesprochen sein. Und da Aegypten als der Hauptfeind Juda's darin erscheint, und die Herrschaft des Götzenthums und der falschen Propheten vorausgesetzt werden (13, 2 fg.), so gehört sie der Zeit nach Josia's Tode und während Jojakims Mißregierung an [So auch mit guten Gründen und unter gründlicher Abweisung späterer Ansetzungen König a.a.O. S. 373 ff.]. Der Hauptinhalt dieser Prophezeiung ist, daß die feindlichen Völker, weiche Jerusalem bedrängen, sich zuletzt zu Gott bekennen werden; Aegypten wird besonders namhaft gemacht. Diese Partie hat die entschiedenste Aehnlichkeit mit Jes. 19, V 16 fg., auch formell sind sie einander ähnlich. Das Zacharianische Stück hat in den 41 Versen zwölfmal [siebzehnmal!] den Ausdruck: אודה םויב, und das Jesaianische Stück hat in den 10 Versen denselben Ausdruck 5 [6!] mal, während in den vorangehenden Versen derselbe nicht ein einziges mal [vgl. jedoch 9, 16. 11, 11] vorkommt. Wie grundverschieden sind auch die letzten 10 Verse von den vorangehenden 16! Hier echte Jesaianische Poesie und Ironie gegen Aegypten und dort nicht einmal eine Spur von Parallelismus, sondern leichte Prosa und eine günstige Prophezeiung für Aegypten, daß es sich zu Gott bekehren werde. Diese Vergleichung führt darauf, daß diese 10 Verse in Jesaia zu den 3 Kapiteln in Zacharia gehören [Vgl. dagegen Luzzatto z. St. Auch Kuenen a.a.O. S 67 ff. hält die Authentie von Jes. 19, 16-25 für wahrscheinlicher als ihre Unechtheit]. Man vergleiche Jesaia 19, 22: אפרו ףגנ םירצמ תא 'ה ףגנו mit Zacharia 14, 18: םאו תא 'ה ףגי רשא הפגמה היהת םהילע...הלעת אל םירצמ תחפשמ םיוגה16. [398] Reiht man die jesaianischen Verse an die Zacharianischen, so geben beide einen harmonischen Zusammenhang, und zwar muß man jene an den Schluß von diesen anreihen. Sie heben nämlich die Bekehrung Aegyptens hervor. Schon Jesaia V. 17 deutet diese Bekehrung an, wenn man das Wort אגחל recht versteht. Es kann nur von גח = גגח deriviren. אגחל bedeutet »zum Festwallort«. דחפי וילא bedeutet: Aegypten wird zu ihm, dem Orte, eilen [S. die zweifellos richtige Interpretation des Satzes bei Luzzatto z. St.] אגחל in dieser Partie ist die Parallele zur andern תוכסד גח תא גחל. Zacharia 12, 10 spielt auf ein Factum an, das uns unbekannt ist, schwerlich auf den Tod des Propheten Urija, nach Bunsen. ילא וטיבהו muß wohl emendirt werden in ילא [eli] und das darauffolgende תא scheint das Trümmerstück eines Wortes zu sein [Einen anderen Vorschlag macht der Vf. in den Emendationes].


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1902, Band 2.1, S. 396-399.
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