2. Kapitel. Die Mendelssohnsche Epoche. (Fortsetzung.) (1779-1786.)

[38] Die Mendelssohnsche Pentateuchübersetzung. Salomo Dubno. Elisa Reimarus. Ezechiel Landau, Raphael Kohen, Hirsch Janow und Pinchas Hurwitz. Der Bann gegen die Pentateuchübersetzung. Mendelssohns Verhalten dagegen. Wirkung der Übersetzung. Montesquieu. Stellung der Juden in England. Voltaire und die Juden. Isaak Pinto und Rodrigues Pereira. Flugschriften für und gegen die Juden. Die Juden von Elsaß und Metz. Bedrohte Lage der Elsässer Juden durch einen judenfeindlichen Erzschelm. Ihre Denkschrift. Dohm und Mendelssohn. Dohms Schutzschrift für die Juden. Kaiser Josephs Erlaß zugunsten der Juden. Diez, Johannes v. Müller, Hartmann, Michaelis. Mendelssohns »Rettung der Juden« und »Jerusalem«. Wessely. Sein Sendschreiben an die österreichischen Gemeinden zugunsten der Bildung. Seine Verketzerung. Mendelssohns Tod.


Wie Mendelssohn, ohne es zu wissen und zu wollen, Lessing zum Schaffen eines Ideals angeregt und durch ihn die Vorurteile gegen Juden bannen geholfen hatte, so hat er in derselben Zeit ebenso absichtslos die geistige Befreiung seiner Stammesgenossen herbeigeführt, von der sich ihre Wiedergeburt datiert. Die Bibel, namentlich der Pentateuch, das alles in allem der Juden, war ihnen, obwohl ihn sehr viele auswendig konnten, so fremd geworden, wie nur je ein unverständliches Buch. Die rabbinischen und die kabbalistischen Ausleger hatten den einfachen biblischen Wortsinn so entstellt, daß sie alles darin erblickten, nur nicht das Richtige und Wahre seines Inhaltes.

Im zarten Kindesalter brachten die polnischen Schulmeister – andere gab es nicht – mit der Zuchtrute und mit zornigen Gebärden der jüdischen Jugend bei, die ungereimtesten Verkehrtheiten in diesem heiligen Buche zu erblicken, verdolmetschten es in ihrer häßlichen Mischsprache und verquickten den Text so eng mit ihrer Übersetzung, daß es schien, als wenn Mose im Kauderwelsch der polnischen Juden gesprochen hätte.

[38] Die Vernachlässigung alles profanen Wissens, die mit jedem Jahrhundert zunahm, brachte es dahin, daß jede Albernheit und Abgeschmacktheit, ja selbst jede Lästerung in die Schriftverse hineingedeutelt wurde. So war gerade das, was ein Labsal für die Seelen hätte sein sollen, in ein Gift verwandelt. Am tiefsten empfand Mendelssohn diese Verkennung und Entstellung des Bibelwortes, er der zu der lichten Erkenntnis gekommen war, daß die heilige Schrift nicht das enthalte, »was Juden und Christen darin zu finden glaubten«, und daß eine einfache, geschmackvolle Übersetzung ein wichtiger Schritt zur Hebung der Kultur unter den Juden werden dürfte. Aber in seiner Bescheidenheit und Scheu, öffentlich aufzutreten, fiel es ihm nicht ein, dieses Erziehungsmittel für seine Stammesgenossen anzuwenden. Nur für seine Kinder arbeitete er eine Übersetzung des Pentateuchs aus, um ihnen eine gediegene Erziehung zu geben und ihnen das Gotteswort in unentstellter Form zuzuführen, unbekümmert darum, wie er sich äußerte, »ob sie noch ferner gezwungen sein würden, in Sachsen-Gotha bei jeder Durchreise ihren jüdischen Kopf mit einem Würfelspiel zu verzollen oder irgendeinem kleinen Satrapen das Märchen von den drei Ringen zu erzählen.« Erst auf das Drängen eines Mannes, dessen Wort Gewicht bei Mendelssohn hatte, entschloß er sich, seine Übersetzung des Pentateuchs in deutscher Sprache (mit jüdisch-deutschen Lettern) für jüdische Leser zu veröffentlichen1. Es kostete ihn aber Überwindung, seinen Namen dabei zu nennen2.

Er kannte sein jüdisches Publikum zu gut, um nicht zu wissen, daß die Übersetzung, wie vorzüglich sie auch immer ausfallen mochte, wenig Beifall finden würde, wenn sie nicht mit einer hebräischen Erklärung verbrämt sein würde. Was galt damals für den verderbten Geschmack jüdischer Leser ein Buch ohne Kommentar? Seit undenklichen Zeiten, seitdem die Kommentare und Superkommentare aufkamen, waren sie viel mehr beliebt, als der schönste Text. Mendelssohn gewann daher einen unterrichteten Polen, Salomo Dubno (geb. 1734, starb 1813)3, der, eine rühmliche Ausnahme unter seinen Landsleuten, hebräische Grammatik gründlich verstand, die Ausarbeitung[39] eines fortlaufenden Kommentars zu übernehmen. So wurde das Werk in Angriff genommen, zunächst durch Sammeln von Unterschriften der Abnehmer, ohne das damals kein Buch in die Welt gesetzt werden konnte. Hier zeigte sich's, daß Mendelssohn bereits unter seinen Stammesgenossen, in und außerhalb Deutschlands, so viele Anhänger und Verehrer zählte, daß sein Unternehmen mit Freude begrüßt wurde, welches die Schmach der Unwissenheit in ihrer eigenen Welt, und der Sprachverderbnis von ihnen abtun sollte. Am meisten Teilnehmer fanden sich in Berlin und in Mendelssohns Geburtsstadt Dessau, wo man ihn zu achten gezwungen und stolz auf ihn war; aber auch in Frankfurt a. M., Königsberg, Kopenhagen, wo sich durch die Milde der dänischen Herrscher eine starke jüdische Gemeinde gebildet hatte, ferner in Wien und Prag fanden sich Abnehmer, weniger in Hamburg-Altona. Auch aus Polen liefen Bestellungen auf die verdeutschte Thora Mendelssohns ein4, meistens aus Wilna, wo damals der halbfreisinnige Elia Wilna und die wahnsinnige Verkehrtheit der Neuchaßidäer die Rückkehr zur heiligen Schrift beliebt ge macht hatten. Als Zeichen der Zeit kann es gelten, daß sich auch Christen dabei beteiligten, Professoren, Pastoren, Hofprediger, Konsistorialräte, Hofräte und Exzellenzen. Allerdings waren Mendelssohns christliche Freunde außerordentlich rührig, sein Werk zu fördern. Seine und Lessings edle Freundin Elisa Reimarus sammelte selbst Unterschriften dazu5.

So sehr Mendelssohns Bewunderer bei der Nachricht über eine Pentateuchübersetzung von seiner Hand in einen Freudenrausch gerieten, ebenso sehr waren die starren Anhänger des Alten und Überkommenen betrübt darüber. Sie fühlten lebhaft, ohne daß sie sich es klar denken konnten, daß die alte Zeit, die naive Gläubigkeit, welche unbesehen alles als Ausfluß einer göttlichen Quelle betrachtet, damit zu Grabe getragen werden würde.

Sobald eine Probe der Übersetzung6 in die Öffentlichkeit trat, waren die Rabbiner alten Schlages dagegen eingenommen und sannen darauf, den Feind vom Hause Jakob fernzuhalten. Zu diesen Gegnern gehörten Männer, die nicht bloß vermöge ihrer rabbinischen Gelehrsamkeit [40] und ihres Scharfsinns, sondern auch vermöge ihrer lautern Gesinnung dem Judentum Ehre machten. Es waren namentlich drei Polen7 von Geburt, die für die Wandlung der Zeit ebensowenig Verständnis hatten, wie für Formenschönheit und Sprachreinheit. Der eine von ihnen, Ezechiel Landau (seit 1752 Oberrabbiner von Prag, starb 1793) genoß in seiner Gemeinde und außerhalb derselben große Verehrung. Er war klug und überlegt und lernte mit der Zeit mit dem Strome schwimmen. Der andere, Raphael Kohen, Rießers Großvater (geb. 1722, starb 1803), aus Polen eingewandert und von Posen zum Rabbinate der Drei-Gemeinden (Hamburg, Altona, Wandsbeck) berufen, war ein standhafter und charaktervoller Mann, ohne Falsch und jeglichen Hintergedanken, der als Richter ohne Ansehen der Person Recht sprach und das Recht als die Stütze des Thrones Gottes betrachtete8. Der dritte und jüngste war Hirsch Janow, wegen seines Tiefsinns in talmudischen Diskussionen der »Scharfsinnige« (Charif) zubenannt (geb. 1750, starb 1785)9, Schwiegersohn Raphael Kohens. Sein scharfer Kopf umspannte ebenso die verwickelten Lehrsätze der Mathematik wie die des Talmuds. Nachdem sein Schwiegervater den Ruf nach Hamburg-Altona angenommen hatte, wurde der sechsundzwanzigjährige Hirsch Charif zum Rabbiner von Posen erwählt, aber gleich darauf nach Fürth berufen. Er war ganz Selbstlosigkeit. Das geringe Einkommen von der verarmten Posener Gemeinde verwendete er für Unglückliche; er gab mit herzgewinnender Milde, ohne viel zu fragen, ob die Empfänger Strenggläubige oder Ungläubige waren, während er selbst darbte. Er machte Schulden, um Dürftige aus dem Elend zu reißen. Er war ein tiefer Denker, der Gelegenheit hatte, die Menschen von der schlechtesten Seite kennen zu lernen. Salomon Maimon nannte diesen Rabbiner von Posen und Fürth »einen göttlichen Mann«, was aus diesem Munde nicht als Übertreibung angesehen werden kann. Zu diesen drei Rabbinen kann man noch einen vierten gleichgesinnten zählen, Pinchas ha-Levi Hurwitz (geb. 1740, starb 1802), Rabbiner von Frankfurt a.M., ebenfalls ein Pole und gar aus der chaßidäischen Schule hervorgegangen10. Sie und ihre Gesinnungsgenossen, welche das [41] Lesen eines deutschen Buches für eine schwere Sünde hielten, waren eigentlich in ihrem Rechte, sich der Neuerung zu widersetzen. Sie sahen voraus, daß die jüdische Jugend aus der Mendelssohnschen Übersetzung viel mehr die deutsche Sprache als das Verständnis der Thora lernen werde, daß jene immer mehr zur Hauptsache werden, die Beschäftigung mit der heiligen Schrift dagegen zur bedeutungslosen Nebensache herabsinken, und das Talmudstudium vollends verdrängt werden würde. Wenn auch Mendelssohn von der religiösen Seite gut beleumundet war, so waren es seine Umgebung und seine Anhänger nicht. Unlautere Menschen, welche mit dem Judentum gebrochen hatten, nannten sich mit Dünkel Mendelssohnianer, waren bei der Beförderung des Absatzes für die Übersetzung rührig und brachten sie dadurch bei den Strengfrommen in Verdacht. Außerdem hatte Mendelssohn aus Bescheidenheit eine kleine Unbesonnenheit begangen. Der Rabbiner Hirschel Lewin (Löbel, geb. 1721, starb 1800)11 von Berlin und das ganze Rabbinat hatten das Unternehmen amtlich gebilligt und belobt, daß Mendelssohn ein verdienstliches, gottgefälliges Werk befördere. Hirschel, obwohl aus der Familie der Eiferer Chacham Zewi und Jakob Emden, war milden Sinnes und hatte sich in der Jugend mit neuhebräischer Poesie und Grammatik beschäftigt; die mit Aufklärung geschwängerte Luft von Berlin war dem religiösen Übereifer nicht sehr zuträglich. Als einst der damals noch aus Stockfrommen zusammengesetzte jüdische Vorstand das Komödiespielen im Hause einer reichen Jüdin verboten hatte und das schöne Kind Henriette de Lemos12 (später Henriette Herz) plötzlich in der Sitzung der ernsten Männer erschienen war und gefleht hatte, ihr doch das unschuldige Vergnügen nicht zu stören (sie hatte sich auf eine Rolle vorbereitet), schmolz das Eis der Stockfrommen augenblicklich, und sie gestatteten die Aufführung. So etwas konnte damals nur in Berlin hingehen. Aber eben weil die Berliner Judenheit auswärts bereits anrüchig war, hätte die Zustimmung ihres Rabbiners die Mendelssohnsche Übersetzung nicht decken können. Dazu kam, daß Mendelssohn eine unüberwindliche Scheu davor hatte, sich in der[42] Stilmanier solcher Approbationsschreiben Weihrauchwolken ins Gesicht blasen zu lassen, und darum Hirschels günstige Zensur nicht veröffentlichen ließ. Gerade diese Bescheidenheit aber wurde ihm von manchen als Hochmut ausgelegt, als dünke er sich erhaben über die Rabbinen und wolle sich von ihnen kein Zeugnis über seine Rechtgläubigkeit erteilen lassen. Genug, wer einen Makel an dem Übersetzungswerke finden wollte, brauchte nicht viel zu suchen.

Wie es scheint, war Raphael Kohen, ein Mann von raschem Wesen, am eifrigsten gegen die Verdeutschung der Bibel eingenommen. Aber da Mendelssohn in Hamburg von seiten seiner Frau Verwandte und überhaupt Verehrer hatte, so konnte daselbst nichts gegen ihn unternommen werden, und ebensowenig in Prag, wo es unter den Juden bereits Freidenker gab. Darum wurde Fürth als der geeignetste Ort angesehen, von wo aus (wohl Juni 1779) die Bannstrahlen gegen »Mose Dessaus deutschen Pentateuch« geschleudert wurden. Allen denen, welche treu zum Judentum hielten, wurde bei Strafe der Acht verboten, sich dieser Übersetzung zu bedienen.

Indessen wurde der Kampf, der zwischen den Alten und Neuen ausbrach, mit ziemlicher Gelassenheit geführt und hat keine hochgehende Bewegung erzeugt. Hätte Jakob Emden damals noch gelebt, so wäre sein Eifer heftiger aufgeschäumt und hätte mehr Unruhe erzeugt. Mendelssohn war überhaupt zu uneigennützig, zu milde und philosophisch ruhig, um bei der Nachricht von dem Banne gegen sein Unternehmen in Harnisch zu geraten oder seine christlichen Freunde in hoher Stellung für seinen Zweck auszubeuten und seine Gegner stumm zu machen. Er war auf Widerstand gefaßt. »Sobald ich Herrn Dubno nachgegeben, meine Übersetzung drucken zu lassen, nahm ich meine Seele in die Hände, richtete mein Auge auf die Berge und gab meinen Rücken den Schlägen preis.« Er sah das Spiel der menschlichen Leidenschaften und des übertriebenen Eifers für die Religion als eine Naturerscheinung an, welche ein ruhiges Beobachten verlangt. Er wollte sich diese ruhige Beobachtung durch äußere Dinge, durch Drohungen und Verbote, überhaupt durch Eingriffe der weltlichen Macht nicht stören lassen. »Vielleicht, daß eine kleine Gärung zum Besten der Sache, die mir eigentlich am Herzen liegt, dienlich ist.« Er meinte, wenn seine Übersetzung ohne Widerstand aufgenommen worden wäre, dann wäre sie im Grunde überflüssig. »Je mehr sich die sogenannten Weisen der Zeit widersetzen, desto nötiger ist sie. Ich habe sie anfangs nur für den gemeinen Mann angelegt, finde aber, daß sie für Rabbiner noch viel notwendiger ist.« Von seiten der Gegner ist aber nichts Nachdrückliches [43] geschehen, um die ihnen so gefahrbringend scheinende Übersetzung zu unter drücken und den Urheber derselben zu brandmarken. Nur in einigen polnischen Städten, wie in Posen, Lissa und Wilna wurde sie verboten und soll öffentlich den Flammen übergeben worden sein13. Nur von seiten des rücksichtslos festen Rabbiners Raphael Kohen war eine Aufregung zu befürchten. Er schien indes abzuwarten, bis das Ganze vorliegen würde, um Beweise für die Verdammungswürdigkeit desselben haben zu können. Darum sah sich Mendelssohn zeitig nach Beihilfe um, um seinen Eifer zu lähmen. Er drang daher in seinen Freund August v. Hennigs, dänischen Staatsrat und Schwager seiner vertrauten Freundin Elisa Reimarus, dahin zu wirken, daß der König von Dänemark und einige Hofleute auf das Werk zeichnen möchten; das würde den Eiferer stutzig machen. Hennigs, ein Mann von rascher Tat, wandte sich, um Mendelssohns Wunsch zu erfüllen, sofort an den dänischen Minister v. Guldberg. Zu seinem und Mendelssohns Erstaunen fiel die Antwort ernüchternd und verletzend aus, der König und seine erlauchten Brüder wären bereit, sich als Abnehmer dabei zu beteiligen, wenn der Minister die Versicherung geben könnte, daß in der Übersetzung nichts gegen die Hoheit und Wahrheit der heiligen Schrift enthalten sei, damit die Juden nicht hinterher beweisen könnten, »daß Mose Mendelssohn ein Anhänger der (berüchtigten) Religion von Berlin sei«.

Die »Berliner Religion«, das war damals der Schrecken der Frommen in der Kirche und Synagoge, und man kann nicht sagen, daß es eine Gespensterfurcht war. Um diesen über Religion spöttelnden Hinkfuß fernzuhalten, wollten eben die eifervollen Rabbiner jeden Zugang zu den Häusern der Juden vermauern. Nicht bloß die Folgezeit, sondern die allernächste Zeit bewies es, daß die Rabbiner durchaus nicht Gespensterseher waren. Mendelssohn erkannte in seiner harmlosen Frömmigkeit den Feind nicht, obwohl er in seinem eigenen Hause aus- und einging. Endlich erfolgte von seiten Raphael Kohens der Bann über die Mendelssohnsche Pentateuchübersetzung (17. Juli)14; er wurde über alle diejenigen Juden verhängt, welche sie lesen würden. Der Verfasser wurde nicht in den Bann getan, sei es aus Rücksicht auf seine Bedeutung, sei es aus Schwäche und Halbheit. Indessen, ehe dieser Streich geführt wurde, hatte Mendelssohn die Folgen schon abgewendet. Er wußte v. Hennigs zu überzeugen, daß er ohne Gewissensbisse die Unterzeichnung des Königs für die Pentateuchübersetzung [44] erwirken dürfe, und dieser setzte es auch durch. An der Spitze der Abnehmer stand der Name des Königs Christian von Dänemark und des Kronprinzen verzeichnet. Dadurch war Raphael Kohen gehindert, die Verdammung und Vernichtung des von ihm verketzerten Werkes mit Nachdruck zu betreiben.

Die Gegner spielten indessen Mendelssohn einen Streich, um die Vollendung der Übersetzung zu hintertreiben. Sie wußten ihm Salomo Dubno, seine rechte Hand, abwendig zu machen. Dubnos Jugendlehrer, Naphtali Herz, Rabbiner von Dubno, war damals nach Berlin gekommen, und von Raphael Kohen und Ezechiel Landau auf die Gefährlichkeit der Mendelssohnschen Übersetzung für den Bestand des Judentums aufmerksam gemacht, nahm dieser seinem Jünger das Wort ab, mit dem Mendelssohnschen Kreise zu brechen. Wie der Derwisch im »Nathan« ließ darauf Salomo Dubno plötzlich Ehrenstelle und den wohlverdienten Lohn für seine Arbeit im Stich und floh nach der Wüste Polen. Dadurch geriet Mendelssohn in arge Verlegenheit. Um sein Wort einzulösen und das Werk nicht ins Stocken geraten zu lassen, mußte er selbst Hand an den Pentateuchkommentar legen, fühlte sich aber so sehr davon angestrengt, daß er Helfer suchen mußte. In Wessely fand er allerdings einen gesinnungsgenössischen Mitarbeiter; aber auch dieser mochte nicht die ganze Last der Arbeit übernehmen, und so war Mendelssohn gezwungen, einen Teil derselben dem Erzieher seines Sohnes, Herz Homberg, und einem andern jungen Mann, Aaron Jaroslaw aus Breslau, zu übertragen. Ersterer war ihm selbst nicht ganz genehm. Er wußte, daß Homberg in seinem Innern mit dem Judentum entzweit war und das heilige Werk nicht in Mendelssohns Sinne, in heiliger Gesinnung verrichten würde. Aber es blieb ihm keine Wahl. Durch Hombergs Beteiligung daran geriet die Übersetzung (vollendet erst 1783) bei den Frommen noch mehr in Mißkredit; sie wollten sie aus den jüdischen Häusern verbannt wissen.

Diese Strenge reizte wiederum anderseits noch mehr. Die verbotene Frucht schmeckte süß. Die Talmudjünger griffen hinter dem Rücken ihrer die neue Strömung verkennenden Meister nach der deutschen Übersetzung und lernten im Versteck daraus zugleich das Elementare und Erhabenste, die deutsche Sprache und Religionsphilosophie, hebräische Grammatik und Poesie. Sie gewannen dadurch eine neue Weltanschauung. Der hebräische Kommentar diente ihnen als Leitfaden und eröffnete ihnen das Verständnis. Wie wenn sie von einem Zauberstab berührt worden wären, wuchsen dieser Jüngerschar, diesen [45] ausgemergelten Gestalten des dumpfen Talmudlehrhauses, die Geistesflügel, mit denen sie sich über die düstere Gegenwart erhoben und einen Flug himmelwärts nahmen. Eine unstillbare Sehnsucht nach Wissen bemächtigte sich ihrer; kein noch so dunkles Gebiet blieb ihnen seitdem verschlossen. Die Geistesschärfe, das rasche Begreifen, das tiefe Eindringen, die diesen Jünglingen die Beschäftigung mit dem Talmud in einem so hohen Grade verliehen hatte, machten es ihnen leicht, sich in der ihnen neu erschlossenen Welt zu orientieren. Tausende von Talmudjüngern aus den verschiedenen großen Lehrhäusern, aus Hamburg, Prag, Nikolsburg, Frankfurt a.M., Fürth und gar erst aus Polen wurden lauter junge, kleine Mendelssohne, viele von ihnen sprachgewandte, tiefe Denker. Mit ihnen verjüngte sich das Judentum. Alle jene Männer, welche zu Ende des achtzehnten und im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nach vielen Richtungen hin öffentlich wirkten, waren bis zu einer gewissen Zeit einseitige Talmudisten und mußten erst von Mendelssohns Geiste angehaucht werden, um Träger und Beförderer der Kultur unter den Juden zu werden. In der kürzesten Zeit trat ein zahlreiches Geschlecht jüdischer Schriftsteller auf, welche in einem klaren, sei es hebräischen oder deutschen Stil über Gegenstände schrieben, von denen sie kurz vorher keine Ahnung gehabt hatten. Die Mendelssohnsche Übersetzung hatte eine wahrhafte Wiedergeburt der Juden mit raschen Schritten angebahnt. Sie haben sich viel rascher in der europäischen Gesittung zurecht gefunden, als die Deutschen, und – was nicht übersehen werden darf – die talmudische Geschultheit erleichterte ihnen das Verständnis. Diese Verdolmetschung (nächst dem Pentateuch auch der Psalmen) hat viel mehr Gutes als die Lutherische geschaffen, weil sie nicht der Verknöcherung, sondern der Belebung des Geistes diente. Die innere Befreiung der Juden datiert, wie gesagt, von dieser Übersetzung an.

Auch die Anfänge der äußeren Befreiung der Juden von tausendjähriger harter Knechtschaft knüpften sich an Mendelssohns Namen, und zwar, ebenso wie seine Tätigkeit für die innere Befreiung, unbeabsichtigt, ohne Stürmerei oder Berechnung von seiner Seite. Es nimmt sich daher wie ein Wunder aus, ohne den allergeringsten wunderbaren Vorgang. Er verschaffte den Juden zwei Vorkämpfer, wie sie sie eifriger und wärmer nicht wünschen konnten, Lessing und Dohm. Seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurde die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt auf die Juden ohne ihr Hinzutun reger gemacht. Zu allererst hatte Montesquieu15, der zuerst in den [46] tiefen Grund der Gesetze eindrang und ihren Geist offenbarte, seine gewichtige Stimme gegen die barbarische Behandlung der Juden erhoben. In seinem vielgelesenen und zum Nachdenken anregenden »Geist der Gesetze« hatte er den Nachteil, welchen die Mißhandlung der Juden den Staaten gebracht hat, mit überzeugenden Gründen nachgewiesen und die Grausamkeit der Inquisition mit unverlöschlichen Zeichen gebrandmarkt. Der verhallende Schmerzensschrei eines gequälten Marranen beim Anblick eines Scheiterhaufens für ein judaisierendes Mädchen von achtzehn Jahren in Lissabon hatte Montesquieu wieder erweckt und das Echo in ganz Europa verhallen lassen. »Ihr Christen beklagt euch, daß der Kaiser von China alle Christen in seinem Staate bei langsamem Feuer braten läßt. Ihr verfahrt noch schlimmer gegen die Juden, weil sie nicht alles glauben, was ihr glaubet. Wenn jemand von unsern Nachkommen es jemals wagen sollte zu sagen, daß die Völker von Europa gebildet gewesen seien, so wird man euer Beispiel anführen, daß sie Barbaren waren. Die Vorstellung, die man von euch haben wird, muß euer Zeitalter beflecken und Haß über alle eure Zeitgenossen verbreiten«16. Montesquieu hatte die Rechtstitel, welche die Menschlichkeit verloren hatte, wieder aufgefunden. Aber wie schwer war es, diese Titel in ihrem ganzen Umfange auch für die Juden zur Anerkennung zu bringen!

Zwei Vorgänge haben die Juden, ihr Wesen, ihre Gegenwart und ihre Vergangenheit in die Öffentlichkeit gezogen, der Versuch, ihnen in England eine gesetzliche Stellung einzuräumen, und Voltaires Ausfälle gegen sie. In England, wo sie sich seit einem Jahrhundert sozusagen eingeschlichen hatten (B. X3, S. 112 ff.), machten sie, besonders in der Hauptstadt, eine abgeschlossene Genossenschaft aus, ohne durch ein ausdrückliches Gesetz geduldet oder anerkannt zu sein. Sie galten lediglich als Fremde, als Spanier, Portugiesen, Holländer oder Deutsche, und mußten auch eine Fremdensteuer (alien duty) leisten. Indessen nahmen die Behörden, namentlich die Richter, Rücksicht auf ihr jüdisches Bekenntnis und luden z.B. jüdische Zeugen nicht am Sabbat vor. Nachdem die in den amerikanischen Kolonien Englands angesiedelten Juden naturalisiert worden waren, wurde dem Parlament eine Bill von Kaufleuten und Fabrikanten, allerdings von Juden und ihren Freunden, eingereicht, sie auch in England als Eingeborene zu behandeln, ohne daß sie nach der gesetzlichen Bestimmung genötigt sein sollten, zur Erlangung des Bürgerrechts das Abendmahl [47] zu nehmen. Der Minister Pelham unterstützte das Gesuch und betonten den Vorteil, der dem Land durch die bedeutenden Kapitalien der portugiesischen Juden und durch ihre warme Anhänglichkeit an England erwachsen würde. Von den Gegnern wurden aber teils selbstsüchtige, teils religiöse Vorurteile dagegen geltend gemacht17. Die Juden würden, mit den Bürgern gleichgestellt, den ganzen Reichtum des Landes an sich ziehen, sämtliche Ländereien erwerben und die Christen enterben; diese würden ihre Sklaven sein, und die Juden würden ihre Herrscher und ihre eigenen Könige wählen. Die dumme Bibelgläubigkeit sagte, sie müßten nach dem Spruch der christlichen Prophezeiungen ohne Vaterland bleiben, bis sie in das Land ihrer Väter eingesammelt werden würden. Überraschend genug wurde die Bill doch vom Oberhause genehmigt, daß alle Juden, welche ununterbrochen drei Jahre in England oder Irland ihren Aufenthalt hätten, naturalisiert sein sollten; nur dürften sie kein weltliches oder geistliches Amt bekleiden und nicht das Wahlrecht für das Parlament ausüben. Die Lords und Bischöfe waren also nicht gegen die Juden eingenommen. Auch die Mehrheit des Unterhauses stimmte der Bill zu, und der König Georg II. erhob sie zum Gesetz (Märrz 1753). Wa der Beschluß der drei Gesetzesfaktoren wirklich der Ausdruck der Volksmajorität? Das wurde sofort zweifelhaft. Denn alsbald ertönten von den Kanzeln, aus den Zünften und Schankhäusern Verwünschungen gegen das Ministerium, welches die Naturalisation der Juden durchgesetzt hatte. Unsere Zeit wird es kaum glaublich finden, daß die Londoner Kaufmannschaft von dem Zuzug der jüdischen Kapitalisten den Ruin ihres Geschäftes befürchtet hat. Ein Geistlicher, der Dekan Tucker, welcher sich der Juden angenommen und das Naturalisationsgesetz verteidigt hatte, wurde von der Opposition im Parlamente, in Zeitungen und Flugschriften geschmäht, und sein Bild nebst seiner Schutzschrift [48] zugunsten der Juden wurde in Bristol verbrannt. Zum Verdrusse der Bessergesinnten hatte das Ministerium die Schwäche, dem aus Brotneid und fanatischer Unduldsamkeit entsprungenen Schrei des Pöbels nachzugeben und sein eigenes Werk aufzuheben (1754), »weil dadurch das Mißvergnügen erregt und die Gemüter vieler königlichen Untertanen beunruhigt worden sind«. Da selbst die heftigsten Feinde des Gesetzes den Juden Englands nichts Böses nachsagen konnten, diese vielmehr vermöge ihrer ohne Wucher erworbenen Reichtümer und ihrer edelen Haltung den Engländern selbst imponierten, so nahm die öffentliche Meinung warm Partei für sie und ihre bürgerliche Gleichstellung, und wenn diese auch für den Augenblick vereitelt wurde, so hatte das Fehlschlagen doch keine ungünstige Wirkung für sie.

Der zweite Vorgang, obwohl er nur von einer vereinzelten Persönlichkeit angeregt war, machte fast noch mehr von sich reden, als die Parlamentsverhandlungen in England in betreff der Juden. Diese Persönlichkeit war Arouet de Voltaire, im achtzehnten Jahrhundert der König im Reiche der Literatur, der mit seinem dämonischen Lachen die noch immer hochragende Feste des Mittelalters wie ein Kartenhaus umblies. Er, der an keine Vorsehung und keinen sittlichen Fortschritt der Menschheit glaubte, war selbst ein mächtiges Werkzeug der geschichtlichen Triebkraft, um den Fortschritt anzubahnen. Voltaire, in seinen Schriften ein überwältigender Zauberer, ein Weiser, und in seinem Leben ein Tor, ein Sklave niedriger Leidenschaften, hatte mit den Juden angebunden und sie und ihre Vergangenheit dem Hohne preisgegeben. Seine feindliche Haltung gegen sie entsprang einer persönlichen Verstimmung und Reizbarkeit. Während seines Aufenthaltes in London will er bei dem Bankerott eines jüdischen Kapitalisten Medina von 25000 Frank, die er ihm geliehen hatte, 80 Prozent verloren haben. Man darf ihm nicht immer aufs Wort glauben. »Medina sagte mir, daß er keine Schuld an dem Bankerott habe, daß er unglücklich sei, daß er niemals ein Sohn des Belial gewesen. Er rührte mich, ich umarmte ihn, wir lobten Gott zusammen, und ich verlor mein Geld. Ich habe niemals die jüdische Nation gehaßt, ich hasse niemanden«18.

Aber er, ein schmutziger Harpagus, der am Gelde klebte, haßte gerade wegen dieses, gleichviel bedeutenden oder geringen Verlustes nicht bloß diesen Juden, sondern alle auf dem ganzen Erdenrunde. Ein zweiter Vorfall reizte ihn noch mehr gegen sie. Als Voltaire in [49] Berlin und Potsdam Hofdichter, Korrektor und Kammerherr des Königs Friedrich war, der dieses dämonische Genie zugleich bewunderte und verabscheute, übertrug er einem jüdischen Juwelier Hirsch oder Hirschel (1750) einen schmutzigen Auftrag, den er später auf Anraten eines brotneidischen Geldmenschen, Ephraim Veitel, rückgängig machen wollte. Dadurch kam es zu Reibungen zwischen Voltaire und Hirsch und zuletzt zu einem Vergleiche, den aber jener ebenfalls wortbrüchig aufheben wollte. Kurz Voltaire beging eine Reihe der häßlichsten Schelmenstreiche gegen seinen jüdischen Unterhändler, betrog ihn um Diamanten, mißhandelte ihn, log, fälschte Schriftstücke, und tat dabei, als wäre er der Betrogene. Es kam daher zu einem verwickelten Prozeß. König Friedrich, welcher Einsicht von den Akten und einer, angeblich von Hirsch, im Grunde von Voltaires Feinden verfaßten Anklageschrift genommen hatte, war äußerst erzürnt über den dichterischen und philosophischen Schelm, kam nicht mit ihm zusammen, war entschlossen, ihn aus Preußen zu verbannen und schrieb gegen ihn ein Lustspiel in französischen Versen: »Tantalus im Prozeß«. Voltaires Händel mit einem preußischen Juden machten Aufsehen und boten der Schadenfreude seiner Gegner reichen Stoff.

Rachegefühl war neben Geiz ein hervorragender Zug in seinem Charakter; es war, wie gesagt, Voltaire zu wenig, sich an dem einzelnen Juden zu rächen, der zu seiner Demütigung beigetragen hatte, die ganze jüdische Nation sollte seinen Haß empfinden. So oft er Gelegenheit hatte, von Judentum oder Juden zu sprechen, begeiferte er mit seiner unflätigen Satire gleichzeitig das jüdische Altertum und die Juden der Gegenwart. Es paßte auch zu seiner Kampfesart. Das Christentum, das er gründlich haßte und verachtete, konnte er nicht gar zu offen angreifen, ohne sich schwerer Strafe auszusetzen. So diente ihm das Judentum, der Erzeuger des Christentums, zur Zielscheibe, gegen die er seine leichtbeschwingten, zierlichen, aber umso giftiger wirkenden Pfeile schleuderte. In einem Artikel hatte er besonders seine Galle über Juden und Judentum ausgegossen.

Diese parteiische und oberflächliche Beurteilung der Juden, dieses Stabbrechen über ein ganzes Volk und eine tausendjährige Geschichte empörte viele wahrheitsliebende Männer; aber niemand wagte es, mit einem so gefürchteten Gegner wie Voltaire anzubinden. Es gehörte eine Art Wagnis dazu, und diesem unterzog sich ein gebildeter Jude, Isaak Pinto, mehr aus einer Art kluger Berechnung, als aus Unwillen über diese bodenlose Verunglimpfung. Pinto (geb. in Bordeaux [50] 1715, starb in Amsterdam 1787)19 von portugiesich-marranischem Geschlecht, reich, gebildet, edel und uneigennützig in seinen eigenen Verhältnissen, litt an einem verzeihlichen Egoismus, an Genossenschaftsegoismus. Er war von Bordeaux nach Amsterdam übergesiedelt, hatte nicht nur der portugiesischen Gemeinde wesentliche Dienste geleistet, sondern auch dem holländischen Staate bedeutende Summen vorgeschossen und nahm daher eine ehrenvolle Stellung ein. Er nahm nach wie vor innigen Anteil an der Gemeinde, wo seine Wiege gestanden und sprang ihr mit Rat und Tat bei. Aber sein Herz schlug nur für die portugiesischen Juden, seine Stammes-und Sprachgenossen, war dagegen gleichgültig und kalt gegen die Juden deutscher und polnischer Zunge; er sah auf sie mit jenem verächtlichen Stolz herab, wie vornehme Christen auf niedrige Juden. Gesinnungsadel und Rassenhochmut waren in Pinto innig vermischt. Bei unangenehmen Händeln, in welche sich die portugiesische Gemeinde von Bordeaux verwickelt hatte, zeigte er zugleich warmen Eifer nach der einen und Gemütshärte nach der andern Seite. In dieser blühenden Handelsstadt hatte sich nämlich seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts20 eine Gemeinde von flüchtigen Marranen gebildet, welche dem Kerker und Scheiterhaufen der portugiesischen und spanischen Inquisition entronnen waren. Diese Flüchtlinge hatten bedeutende Kapitalien und Unternehmungsgeist mitgebracht und dadurch Aufenthaltsrecht und Privilegien erhalten, allerdings lediglich unter dem Namen Neuchristen oder portugiesische Kaufleute. Eine Zeitlang mußten sie sich der Heuchelei unterziehen, ihre Ehen in den Kirchen einsegnen zu lassen. Ihre Zahl nahm allmählich zu; in zwei Jahrhunderten (1550-1750) war die Gemeinde von Bordeaux auf 200 Familien oder 500 Köpfe gestiegen. Die meisten portugiesischen Juden oder Neuchristen von Bordeaux unterhielten bedeutende Bankhäuser oder betrieben Waffenfabriken, rüsteten Schiffe aus oder unternahmen überseeische Geschäfte in französischen Kolonien. Mit dieser Bedeutung als Kauf- und Schiffsherren verbanden sie eine gediegene Ehrenhaftigkeit, tadellose Redlichkeit in Geschäften, Freigebigkeit gegen Juden und Nichtjuden und eine edele Haltung, die sie aus der pyrenäischen Halbinsel, ihrem Rabenmutterland, mitgebracht hatten. Dadurch erlangten sie Achtung und Auszeichnung unter den christlichen Bewohnern von Bordeaux, und der französische Hof sowie die hohen [51] Beamten drückten nach und nach die Augen zu und erkannten sie als Juden an21. Die bedeutende Handelsstadt zog auch deutsche Juden aus dem Elsaß und französische Juden aus dem unter päpstlicher Herrschaft stehenden Gebiete Avignon an, welche sich durch Geldopfer das Aufenthaltsrecht verschafften. Darauf waren die portugiesischen Juden eifersüchtig; sie fürchteten mit diesen wenig gebildeten, dem Kleinhandel oder Geldgeschäften ergebenen Religionsgenossen auf eine Stufe gestellt zu werden und dadurch um ihr ehrenvolles Ansehen zu kommen. Von diesem selbstsüchtigen Trieb geleitet, gaben sie sich die größte Mühe, die zugewanderten deutschen und avignonensischen Juden aus der Stadt weisen zu lassen, mit Berufung auf das alte Edikt, daß Juden in Frankreich nicht wohnen dürften. Aber die Ausgewiesenen wußten sich den Schutz einflußreicher Hofleute zu verschaffen und Erlaubnis zu weiterem Aufenthalt durchzusetzen. Durch die Nachsicht der Behörden hatten sich bereits 152 fremde Juden in Bordeaux angesammelt, von denen einige bei Hofe oder in der Stadt beliebt waren. Das war den Portugiesen ein Dorn im Auge, und um dem Zuzug Fremder entgegenzuwirken, vereinbarten sie (1760) ein Gemeindestatut untereinander von der engherzigsten Art gegen ihre anderweitigen Glaubensgenossen. Sie brandmarkten von vornherein alle fremden Juden nichtportugiesischen Ursprungs als Landstreicher und Bettler, die ihnen, den Reichen, zur Last fielen. Sie verleumdeten sie, daß sie durchweg ein ehrloses, betrügerisches Gewerbe betrieben und nahmen solchergestalt die Bürgerschaft und die Behörden gegen sie ein. Laut ihrem Statut sollte es den portugiesischen Juden oder ihrem Vorstand anheimgestellt bleiben, solche fremde Juden oder »Landstreicher« innerhalb dreier Tage aus der Stadt bringen zu lassen. Dieses harte und herzlose Statut mußte zunächst vom König (Ludwig XV.) bestätigt werden. Es war nicht allzuschwer bei diesem von Weibern und Höflingen beherrschten König auch das Unmenschlichste durchzusetzen. Ein Freund und Stammesgenosse Isaak Pintos übernahm die Sorge, dieses Statut vom Hofe genehmigen zu lassen.

Es war Rodrigues (Jakob) Pereira (geb. in Spanien 1715, starb in Paris 1780)22, Großvater der bedeutenden Unternehmer [52] Emile und Isaak Pereire in Paris). Ein begabter und edler Mann, ein Künstler eigener Art, hatte er einen bedeutenden Namen erlangt. Er war darauf gekommen, eine Zeichensprache für Taubstumme zu erfinden und diese Unglücklichen ein Mittel für ihre Gedankenäußerungen zu lehren. Er hatte noch als Marrane in Spanien Taubstumme unterrichtet. Liebe zur Religion seiner Ahnen oder Haß gegen die blutdürstige katholische Kirche, hatten ihn bewogen, das Land der Inquisition zu verlassen (um 1740) und mit Mutter und Schwester nach Bordeaux auszuwandern. Hier hatte er, noch vor dem Abt de l'Epée, die Theorie des Unterrichts für Taubgeborene in einer eigens dazu angelegten Schule so sehr bewährt, daß der König ihm eine Belohnung zukommen ließ, und die ersten Männer der Wissenschaft (d'Alembert, Buffon, Diderot, Rousseau) ihm Lobeserhebungen spendeten. Pereira wurde später königlicher Dolmetscher und Mitglied der königlichen Gesellschaft für Wissenschaften in London. Die portugiesische Gemeinde von Bordeaux hatte ihn zu ihrem Sachwalter23 in Paris ernannt, um durch ihn ihre Beschwerden erledigen zu lassen und ihre Wünsche durchzusetzen. Dieser von Mitleid für Unglückliche bewegte Mann gab sich ebenfalls aus Genossenschaftsegoismus dazu her, seine deutschen und avignonensischen Religionsgenossen unglücklich zu machen. Den Auftrag, den er erhalten hatte, jenes harte Statut von Ludwig XV. genehmigen zu lassen, führte er allzu gewissenhaft aus. Aber in der zerfahrenen Regierungsweise dieses Königs und Hofes lag zwischen Befehl und Handhabung von Gesetzen eine weite Kluft. Die höheren Beamten konnten jedes Gesetz umgehen oder hinausschieben. Die Ausweisung der Juden deutscher und avignonensischer Abstammung in Bordeaux lag in den Händen des Gouverneurs, Herzogs von Richelieu. Diesen wußte Isaak Pinto, da er mit ihm befreundet war, zu gewinnen. Richelieu erließ einen dringlichen Befehl (November 1761), daß sämtliche fremde Juden innerhalb vierzehn Tagen aus Bordeaux ausgewiesen werden sollten. Eine schonende Ausnahme wurde nur gemacht zugunsten zweier alter Männer und Frauen, welche den Mühsalen der Vertreibung erlegen wären, und eines um die Stadt verdienten Mannes (Jakob de Perpignan). Alle übrigen wurden ins Elend gestoßen, das ihrer um so gewisser wartete, als es den Juden verboten war, sich irgendwo in Frankreich niederzulassen, und die Landstriche und Städte, wo solche wohnten, keine neuen Zuzügler aufnahmen. Welch ein Abstand zwischen dem deutschen [53] Juden Moses Mendelssohn und den portugiesischen Isaak Pinto und Rodrigues Pereira, die man damals als gleichwürdig nebeneinander stellte! Jener fand keine Ruhe, bis er vermöge seines Einflusses seinen unglücklichen Stammesgenossen Hilfe brachte oder wenigstens Trost spendete. Den Juden in der Schweiz, welche nur in zwei kleinen Städten geduldet wurden und dort auch so geknechtet werden sollten, daß sie hätten aussterben müssen, verschaffte Mendelssohn eine, wenn auch geringe Erleichterung vermittelst seines Gegners Lavater. Aus Dresden sollten mehrere hundert Juden verbannt werden, weil sie nicht imstande waren, die ihnen aufgelegte Personensteuer zu leisten. Durch seine Vermittlung bei einem seiner vielen christlichen Verehrer, dem Kabinettsrat von Ferber, erhielten die Unglücklichen die Erlaubnis, in Dresden zu bleiben. Einem des Diebstahls ungerechterweise verdächtigten und in Leipzig eingekerkerten talmudisch gelehrten Juden, der sich flehend an ihn gewendet hatte, ließ Mendelssohn klugerweise einen Trostbrief im Kerker zukommen, wodurch jener die Freiheit erlangte. Isaak Pinto und Jakob Pereira dagegen wendeten allen Eifer an, um Stammes- und Religionsgenossen ausweisen zu lassen, gerade das, was Mendelssohn für die Juden als härteste Strafe betrachtete24, »gleichsam als Vertilgung von dem Erdboden Gottes, auf welchem das Vorurteil sie von jeder Grenze mit gewaffneter Hand zurückweist«.

Das harte Verfahren der portugiesischen Juden gegen ihre Brüder in Bordeaux hatte Aufsehen gemacht. Wenn Juden nicht in Frankreich weilen durften, warum wurden denn die portugiesisch redenden geduldet? Die letzteren sahen sich daher genötigt, sich in ein günstigeres Licht zu stellen, und forderten Isaak Pinto, der schon öffentlich aufgetreten war und literarische Bildung besaß, durch Pereira auf, eine Art Verteidigungsschrift für sie auszuarbeiten und auf den weiten Abstand zwischen den jüdischen Bekennern portugiesischer Zunge und denen aus anderen Gegenden aufmerksam zu machen. Pinto ließ sich dazu gebrauchen oder vielmehr folgte seinem eigenen Antriebe und knüpfte zu diesem Zwecke an Voltaires Verunglimpfung des Judentums und der Juden Betrachtungen (Réflexions 1762) an. Er sagte diesem gesinnungslosen Ehrenräuber, daß das Laster, einzelne zu verleumden, gesteigert erscheint, wenn die Verleumdung eine ganze Nation trifft, und den höchsten Grad erreicht, sobald sie sich gegen die ohnehin von allen Geschmähten richtet, sie sämtlich für [54] das Vergehen einzelner verantwortlich machen zu wollen, sie, die infolge ihrer Zerstreuung den Charakter der Landesbewohner angenommen haben. Ein englischer Jude gleiche so wenig seinem Religionsgenossen von Konstantinopel, wie dieser einem chinesischen Mandarinen; ein Jude von Bordeaux und einer von Metz scheinen zwei ganz verschiedene Wesen zu sein. Nichtsdestoweniger habe sie Voltaire in Bausch und Bogen verdammt und eine ebenso abscheuliche, wie unwahre Schilderung von ihnen entworfen. Er, der sich berufen fühle, die Vorurteile auszurotten, habe gerade seine Feder dem blindesten Vorurteile geliehen. Er will sie zwar nicht verbrannt wissen, aber eine große Zahl von Juden würde sich lieber verbrennen lassen, als solchen Verleumdungen ausgesetzt zu sein. »Die Juden sind nicht unwissender, nicht barbarischer, nicht abergläubischer als die übrigen Nationen, und die Anschuldigung des Geizes verdienen sie am allerwenigsten.« Voltaire sei den Juden, der Wahrheit, seinem Jahrhunderte und besonders der Nachwelt Genugtuung schuldig, welche sich auf dessen Autorität berufen würde, um gegen ein allzu unglückliches Volk zu wüten und es zu zerschmettern.

Indessen war es, wie schon gesagt, Pinto nicht so sehr darum zu tun, die Gesamtjudenheit gegen Voltaires rachsüchtige Anschuldigungen zu rechtfertigen, als vielmehr nur seine engeren Stammesgenossen, die portugiesischen oder sephardischen Juden in ein günstigeres Licht zu stellen. Zu diesem Zwecke höhlte er eine förmliche Kluft zwischen ihnen und den anderssprachigen, namentlich deutschen und polnischen Juden aus. Er behauptete mit großer Übertreibung, daß, falls ein sephardischer Jude in England oder Holland eine deutsche Jüdin heimführen würde, er von den Seinigen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden und nicht einmal auf ihrem Begräbnisplatz eine Ruhestätte finden würde. Das käme daher, daß die portugiesischen Juden von den edelsten Familien des Stammes Juda ihre Abkunft herleiteten, und diese Abstammung sei für sie von jeher in Spanien und Portugal ein Antrieb zu großen Tugenden und ein Schutz vor Laster und Niedrigkeit gewesen. Man finde daher bei ihnen keines der Verbrechen oder Vergehen, deren sie Voltaire beschuldige; sie hätten nie gewuchert, sich nicht an den Christen bereichert. Im Gegenteil, den Staaten, die sie aufgenommen, hätten sie Reichtümer zugeführt, besonders Holland. Die deutschen und polnischen Juden dagegen gab Pinto so ziemlich preis. Er entschuldigte allerdings ihr nicht sehr ehrenhaftes Gewerbe und ihr verächtliches Auftreten mit den gehäuften Leiden, der Knechtung und Demütigung, die sie erduldet [55] hätten und noch erduldeten. – Von der jüdischen Vergangenheit hatte Pinto selbst keine rechte Vorstellung, um deren Lichtseiten gegen Voltaires grau in grau gemalte Schattenseiten hervortreten lassen zu können. – Er erlangte übrigens, was er gewünscht hatte. Voltaire machte in einem Antwortschreiben ihm und den portugiesischen Juden Komplimente, gestand ein, daß er Unrecht getan habe, auch über diese den Stab zu brechen, fuhr aber nichtsdestoweniger fort, das ganze jüdische Altertum zu begeifern.

Pintos Schutzschrift machte ein gewisses Aufsehen. Die öffentlichen Blätter, französische und englische, beurteilten sie günstig und nahmen sich der Juden gegen Voltaires Verdammungsurteil an. Sie tadelten aber auch Pintos Verfahren, daß er zu parteiisch für die portugiesischen und gegen die deutschen und polnischen Juden aufgetreten war und sie wegen des Benehmens einzelner in Bausch und Bogen, fast wie Voltaire, verurteilt hatte. Ein katholischer Priester (Professor) nahm sich unter jüdischer Maske des geschmähten hebräischen Altertums an. Er richtete (nach damaligem Brauch, jüdische, chinesische, persische Briefe zu schreiben) ebenfalls »jüdische Briefe« angeblich von portugiesischen und deutschen Juden an Voltaire, die gut gemeint, aber schlecht gehalten sind. Sie wurden viel gelesen und trugen dazu bei, für die Juden und ihre Sache die öffentliche Meinung gegen Voltaires Gehässigkeiten zu gewinnen. Sie verfehlten auch nicht, ihm vorzuhalten, daß er wegen Geldverlustes bei einzelnen Juden den ganzen Stamm mit seinem Zorn verfolge25. Auch diese für die Juden günstige Flugschrift, weil in der damals beliebten französischen Sprache geschrieben, wurde vielfach gelesen, besprochen und fand einen günstigen Widerhall in den Gemütern.

Das Großtun der portugiesischen Juden rief aber auch eine gewisse Feindseligkeit gegen sie hervor. Es erschien (1767) in Frankreich eine aufreizende Schrift: »Gesuch der Kaufmannszünfte gegen die Zulassung der Juden zu deren Gerechtsamen«, welche besonders gegen die Portugiesen von Bordeaux gerichtet war. Es wurde ihnen vorgeworfen, daß sie ihre alten Privilegien, auf die sie sich so sehr steiften, gewissermaßen gefälscht hätten. Denn die sie begünstigenden Urkunden von Heinrich II. und den folgenden französischen Königen hätten nicht [56] ihnen, sondern lediglich Neuchristen gegolten, welche, aus Portugal eingewandert, sich in Guienne niedergelassen hätten. Sie aber wären Juden, und als solche dürften sie in Frankreich, das sie seit mehreren Jahrhunderten ausgewiesen habe, gar nicht geduldet werden. Gelegentlich wurden auch gegen sie die alten Anschuldigungen vom Gottesmorde, von Hostienschändung und von systematischem Christenhasse aufgewärmt. So wurden die portugiesischen Juden gemahnt, daß sie zu voreilig sich von den übrigen Juden losgesagt und sich eine unnahbare Ausnahmestellung beigelegt haben. Der Geist der Unduldsamkeit, der lange noch nicht gebannt war, betrachtete sie doch noch immer als eins mit ihren anderweitigen Religionsgenossen. Diese Schmähschrift wurde in mehreren Zeitungen abgedruckt. Da die Juden aber bereits Männer von Bildung in ihrer Mitte hatten, so konnten sie die gegen sie geschleuderten Gehässigkeiten zurückweisen. Rodrigues Pereira erließ ein Sendschreiben (4. September 1767)26, um sie, besonders seine eigenen Stammesgenossen, gegen die Angriffe in Schutz zu neh men. Ein anderer Jude schrieb eine Apologie (1769)27 unter dem Titel »Briefe eines Lords«, worin er sie im allgemeinen rechtfertigte und ihre Verdienste um die europäischen Staaten hervorhob. Hollands und Englands Handel habe erst mit dem Eintreffen der Juden zu blühen begonnen. Frankreich habe diese rührige und verständige Menschenklasse noch besonders nötig, weil der Ehrgeiz seiner Bewohner nur auf kriegerisches Getöse und Ämterjägerei gerichtet sei und für den Reichtum des Landes keinen Sinn habe.

Aber am allermeisten ist die Teilnahme für die Juden und die Erhebung derselben aus ihrem Sklavenstande durch eine Verfolgung angeregt worden, welche humane Denker damals schon für überraschend und unerwartet hielten, die sich aber in der Mitte der christlichen Völker noch oft genug wiederholt hat. Diese Verfolgung hat von beiden Seiten die Leidenschaft entzündet und die Tatkraft geweckt. In keinem[57] Teil von Europa war vielleicht der Druck und die Schmach der Juden größer als in der französisch gewordenen deutschen Provinz Elsaß, wozu man auch Metz rechnen kann. Alle Ursachen des verbissenen Judenhasses, kirchliche Unduldsamkeit, Rassenantipathie, Adelswillkür, Habsucht, zünftiger Brotneid und Roheit vereinigten sich gegen die Juden im Elsaß, um ihr Dasein im Jahrhundert der Aufklärung zu einer stetigen Höllenpein zu machen, die noch dazu so kleinlicher Natur war, daß sie nicht einmal zu heldenmütigem Aufbäumen aufstacheln konnte. Die deutsche Bevölkerung dieser Provinz hat, wie die Deutschen überhaupt, am zähesten den Judenhaß behauptet, während Franzosen, Holländer, Engländer und Italiener, die zivilisierten Völker, ihn bereits halb und halb aufgegeben hatten, weil jene an der von Frankreich ausgegangenen Zivilisation gar keinen Anteil hatten und überhaupt in mittelalterlicher Roheit steckten. Adel und Bürgerstand im Elsaß hatten kein Ohr für die Stimme der Menschlichkeit, die in der französischen Literatur so beredt sprach, und gingen nicht um ein Jota von ihren verbrieften Rechten über die Juden ab, welche sie ihnen fast als eine einträgliche Horde Leibeigener zu eigen gaben. Im Elsaß weilten etwa 3-4000 jüdische Familien (15-20000 Seelen). Es stand aber den Edelleuten frei, neue aufzunehmen oder auch alte Familien auszuweisen. In Metz dagegen hatten es die Kaufleute durchgesetzt, daß die Juden sich nicht über die Zahl von 480 Familien vermehren durften. Diese Bestimmung hatte dieselben Konsequenzen wie in Österreich und Preußen, daß die jüngern Söhne zum Zölibat oder zum Exil aus dem väterlichen Hause, und die Töchter dazu verurteilt waren, alte Jungfern zu werden. Ja, es war hier noch schlimmer als in Österreich und anderswo, weil das deutsche Zopfbürgertum diese pharaonische Gesetzes strenge überwachte und die französischen Beamten umlauerte, wenn sie Nachsicht gegen die Unglücklichen üben wollten. Es verstand sich von selbst, daß die Juden von Elsaß und Metz in Ghettos eingesperrt waren und nur ausnahmsweise durch die übrigen Stadtteile gehen durften. Steuern mußten sie dafür in fast unerschwinglichem Umfange leisten.

Ludwig XIV. hatte einen Teil der Einkünfte von den Metzer Juden an den Herzog von Brancas und an die Gräfin de Fontaine geschenkt. Diesen mußten sie jährlich 20000 Livres zahlen; außerdem noch Kopfsteuer, Handelssteuer, Häusersteuer, Abgaben an eine Kirche, ein Hospital, Kriegssteuer, und wie alle diese Lasten noch betitelt waren.

Im Elsaß mußten sie Schutzgeld an den König, Abgaben an den Bischof von Straßburg, an den Grafen von Hagenau, außerdem noch [58] Wohnungssteuer an die Edelleute, in deren feudalen Gebieten sie wohnten, und Kriegssteuer zahlen. Das Ansiedlungsrecht ging hier nicht einmal auf den ältesten Sohn über, sondern mußte vom Edelmann erkauft werden, als wenn der eingeborene Jude ein fremder Schutzflehender wäre. Sie konnten hier auch ausgewiesen werden, wenn es dem Edelmann beliebte, ihnen den Schutz zu entziehen. Sie mußten daher durch reiche Geschenke zu Neujahr und bei anderen Gelegenheiten nicht bloß die gute Stimmung des Edelmanns, sondern auch die seiner Beamten erhalten28. Und wovon sollten sie alle diese Steuern erschwingen und noch dazu ihre Synagogen und Schulen unterhalten?

Fast jedes Gewerk und jeder Handel war ihnen im Elsaß untersagt; sie durften gesetzlich nur Viehhandel und Gold- und Silberarbeit betreiben. In Metz durften sie nur solches Vieh schlachten, das zu ihrem eigenen Gebrauche bestimmt war, und die rituellen Schlächter mußten Buch über das geschlachtete Vieh führen. Wollten sie außer ihrer engen Provinz Reisen machen, mußten sie Leibzoll zahlen und sich Paßscherereien unterwerfen. In der Hauptstadt der Provinz, in Straßburg, durfte kein Jude über Nacht bleiben. Was blieb ihnen anderes übrig, als sich die zu ihrer elenden Existenz unerläßlichen Gelder auf ungesetzlichem Wege durch Wucher zu verschaffen? Sie, d.h. die Geldbesitzer, machten den kleinen Handwerkern, Ackerbauern und Winzern Vorschüsse, auf die Gefahr hin, sie einzubüßen und ließen sich dafür hohe Zinsen zahlen oder wendeten andere Schliche an. Dies machte sie nur noch verhaßter, und die einreißende Verarmung des Volkes wurde ihnen zur Last gelegt; das war die Quelle ihrer unsäglichen Leiden. Sie waren in der traurigen Lage, andere und sich selbst unglücklich machen zu müssen.

Diese elende Lage der elsässischen Juden suchte ein gewissenloser Mensch zu seinem Vorteil auszubeuten und brachte sie bis hart an die Grenze blutiger Verfolgung. Ein Gerichtsschreiber, nicht ohne Kopf und literarische Bildung, Namens Hell29, von Hause aus arm [59] und nach einer hohen Stellung lüstern, bekannt mit den Schlichen der jüdischen Wucherer, lernte eigens die hebräische Sprache, um ohne Furcht vor Entdeckung dieselben brandschatzen zu können. Er ließ ihnen Drohbriefe in hebräischer Sprache zukommen, daß sie wegen Wuchers und Betruges unfehlbar angeklagt werden würden, wenn sie ihm nicht eine bestimmte Summe zukommen ließen. Dieser gewissenlose Gerichtsschreiber wurde später Landrichter für einige elsässische Edelleute, und dadurch waren ihm die Juden vollends preisgegeben. Diejenigen, welche seine immer gesteigerten Wünsche nicht befriedigten, wurden angeklagt, mißhandelt und verurteilt. Indessen kamen seine Ungerechtigkeiten zum Teil ans Licht; er wurde beargwohnt, und dieses reizte ihn gegen sämtliche Juden des Elsaß. Er faßte daher einen Plan, den Fanatismus gegen sie aufzustacheln. Er wies den Schuldnern den Weg, wie sie sich der drückenden Schulden an die jüdischen Geldmänner entledigen könnten, wenn sie sich falscher Quittungen über bereits geleistete Zahlung bedienen würden. Einige seiner Kreaturen durchzogen Elsaß und schrieben solche Quittungen. Die gewissenhaften Schuldner wurden durch Geistliche beschwichtigt, die ihnen die Beraubung der Juden als gottgefällige Handlung ans Herz legten. Die Ängstlichen wurden durch einen eigens dazu abgerichteten Betrüger beruhigt, welcher Orden und Kreuze, angeblich im Namen des Königs, an diejenigen austeilte, welche falsche Quittungen annehmen, vorzeigen und gegen die Juden wegen Bedrückung und Betruges klagbar auftreten wollten. Es entstand eine drohende Gärung gegen die Juden im Elsaß, die nahe daran war, in Tätlichkeiten überzugehen. Es vereinigten sich die unglücklichen Schuldner mit Schurken und Geistlichen, um den schwachen König Ludwig XVI. zu bestürmen, allen Wirren durch die Vertreibung der Juden aus dem Elsaß ein Ende zu machen. Um sein Werk zu krönen, versuchte der gewissenlose Landrichter die bösen Geister gegen die Juden des Elsaß noch mehr zu entfesseln. Er verfaßte eine giftige Schrift gegen sie (1779) »Bemerkungen eines Elsässers über die gegenwärtigen Händel der Juden des Elsaß«, worin er alle lügenhaften Anschuldigungen gegen die Juden von den ältesten Zeiten an zusammenstellte, um ein grauenhaftes Bild von ihnen zu entwerfen und sie dem Hasse [60] und der Vertilgung zu weihen. Er gab in dieser Schrift zu, daß Quittungen gefälscht worden seien; aber dies sei eine Folge der Ratschlüsse der Vorsehung, der allein die Rache zustehe. Sie habe dadurch Jesu Kreuzestod, den Gottesmord, rächen wollen. Dieser Landrichter hatte es auf Ausrottung oder wenigstens Ausweisung der Juden abgesehen. Indessen war der Geist der Duldung bereits erstarkt genug, um solche Arglist nicht durchgreifen zu lassen. Seine gemeinen Schliche wurden aufgedeckt, und er wurde auf Befehl des Königs verhaftet und später aus dem Elsaß entfernt. Ein Dekret des Königs befahl (Mai 1780), daß Prozesse wegen Wuchers nicht mehr vor dem Landgerichte der Edelleute, sondern von dem Oberrat oder Staatsrat (conseil souverain) des Elsaß entschieden werden sollten30.

Eine Folge dieser Vorgänge war, daß die elsässischen Juden sich endlich aufrafften, es auszusprechen wagten, daß ihre Lage unerträglich sei, und vor dem Thron des milden Königs Ludwig XVI. eine Abhilfe erflehten. Ihre Vertreter (Cerf Beer?) arbeiteten eine Denkschrift für den Staatsrat über die gegen sie bestehenden unmenschlichen Gesetze aus31 und machten Vorschläge zur Verbesserung ihrer Lage. Sie fühlten aber, daß diese Denkschrift der Art abgefaßt sein müßte, daß sie auch auf die öffentliche Meinung wirken könnte, die damals schon eben so mächtig wie der König war. Aber in ihrer Mitte befand sich kein Mann von Geist und Fähigkeit, eine anziehende Darstellung auszuarbeiten.

[61] An wen konnten sie sich anders wenden, als an Mendelssohn, auf den damals bereits die europäischen Juden als auf ihren starken Vorkämpfer und Helfer in der Not blickten? Ihm sandten daher die Elsässer Juden oder vielleicht Cerf Beer, welcher mit Mendelssohn in Verkehr stand, das nötige Material zu und baten ihn, ihrer Schutzschrift die rechte Feile und eine eindringliche Form zu geben. Mendelssohn hatte zwar keine Muße und vielleicht auch keine Geschicklichkeit dazu. Aber er hatte glücklicherweise zur selben Zeit einen neuen Freund und Bewunderer gefunden, der vermöge seiner Kenntnisse und seines Amtes am besten imstande war, eine solche Denkschrift zu gliedern. Christian Wilhelm Dohm (geb. 1751, starb 1820) war kurz vorher wegen seiner gründlichen Geschichtskenntnisse von Friedrich dem Großen mit dem Titel Kriegsrat am Archiv angestellt worden. Wie alle strebsamen Jünglinge und Männer damaliger Zeit, welche Berlin berührten, hatte auch Dohm den jüdischen Philosophen, der damals bereits auf der Höhe seines Ruhmes stand, aufgesucht und wie alle, die in Mendelssohns Kreis kamen, sich von seiner geistvollen, milden Persönlichkeit und weisen Gesinnung angezogen gefühlt. Er gehörte während seines Aufenthaltes in Berlin zu den regelmäßigen Besuchern des Mendelssohnschen Hauses, welche an seinem Mußetage, am Sonnabend, sich um ihn zu sammeln pflegten. Jeder gebildete Christ, der in Mendelssohns Nähe kam, ließ von selbst, von seinem Wesen angenehm berührt, seine Vorurteile gegen Juden fallen und empfand ein aus Bewunderung und Mitleid gemischtes Gefühl für einen Volksstamm, der so viel Leiden durchgemacht und eine solche Persönlichkeit aus seiner Mitte erzeugt hatte. Dohm hatte ohnehin bereits die angeborene und anerzogene Antipathie gegen Juden abgelegt. Seine Teilnahme für die Menschen beruhte nicht auf dem schwanken Grunde der christlichen Liebe, sondern auf dem festen Boden der humanen Bildung des achtzehnten Jahrhunderts und umfaßte auch diesen unglücklichen Volksstamm. Er hatte bereits einen weiten Plan gefaßt, die »Geschichte der jüdischen Nation seit der Zerstörung ihres eigenen Staates« zum Gegenstand seines Studiums zu machen. Dohm gedachte den Männern der Staatswissenschaft und den Staatslenkern vor Augen zu führen, daß die elende Verfassung, in der die Juden zurzeit in den meisten Staaten Europas lebten, ein Rest der zugleich unpolitischen und unmenschlichen Vorurteile der finsteren Jahrhunderte sei, unwürdig in unseren Tagen fortzudauern32.

[62] Dohm zeigte sich daher bald bereit, mit Mendelssohn gemeinschaftlich die Denkschrift für die Elsässer Juden in eine ansprechende Form zu bringen33. Bei der Ausarbeitung derselben ging ihm indes der Gedanke auf, nicht bloß für diese einzelnen, sondern für die deutschen Juden überhaupt, welche unter demselben Druck und derselben Schmach litten, eine Schutzschrift der Öffentlichkeit zu übergeben. So entstand seine unvergeßliche Schrift: »Über die bürgerliche Verbesserung der Juden« (vollendet August 1781), welche zuerst das schwere Joch von dem Nacken der Juden nehmen half. Dohm hat damit, so wie Lessing mit seinem Nathan, die große Schuld, welche gerade das deutsche Volk an der Knechtung und Entwürdigung der Juden hatte, teilweise gesühnt. Reuchlins schüchterne Stimme für eine bessere Behandlung der Juden (Bd. IX4, S. 97 ff.) wurde von dem betäubenden theologischen Geräusch der lutherischen Reformation in Deutschland erstickt. John Tolands lautere Forderung für sie machte keinen Eindruck, weil sie von einem Ketzer ausgegangen war, Dohms Schutzschrift dagegen hatte keinerlei geistlichen Beigeschmack, wandte sich vielmehr an nüchterne, erleuchtete Staatsmänner und betonte nachdrücklich den politischen Nutzen. Gewiß, der edle Menschenfreund, welcher zuerst der Emanzipation der Negerrasse das Wort redete, hatte weit weniger Schwierigkeit zu überwinden, als Dohm mit seinem Bestreben für die Befreiung der Juden. Denn gerade diejenigen Umstände, welche zu ihren Gunsten sprechen sollten, ihre Verständigkeit und Rührigkeit, ihre Mittlerschaft für eine reine Lehre über Gott und Sittlichkeit an die christlichen Völker und ihr alter Adel, diese Umstände gereichten ihnen zum entschiedensten Nachteil. Ihr verständiges und geschäftiges Wesen wurde ihnen als Schlauheit und Beutesucht, das Pochen auf den Ursprung ihrer Lehre als Anmaßung und Unglaube und ihr alter Adel als Hochmut ausgelegt. Es kann daher nicht überschätzt werden, welch ein Heldenmut dazu erforderlich war, trotz der vielfachen Vorurteile und Gehässigkeiten gegen die Juden unter allen Klassen der christlichen Gesellschaft, ihnen das Wort zu reden.

Dohm ließ bei seiner Apologie, wie schon angedeutet, den religiösen Gesichtspunkt außer Augen und betonte lediglich die politische und volkswirtschaftliche Seite der Frage. Er ging davon aus, daß die Überzeugung überall durchgedrungen sei, daß das Wohl der Staaten auf der fortschreitenden Zunahme der Bevölkerung beruhe. Daher [63] wendeten manche Regierungen große Summen an, um neue Bürger aus fremden Ländern herbeizuziehen. Nur in betreff der Juden würde eine Ausnahme gemacht. »Fast in allen Teilen von Europa zielen die Gesetze und die ganze Verfassung des Staates dahin ab, so viel wie möglich zu verhindern, daß die Zahl jener unglücklichen, asiatischen Flüchtlinge vermehrt werde. Der Aufenthalt wird ihnen entweder ganz versagt oder nur um einen gewissen Preis für eine kurze Zeit gewährt. Eine große Menge Juden findet daher die Tore aller Städte für sich verschlossen, wird von allen Grenzen unmenschlich zurückgewiesen, und ihr bleibt nichts übrig, als zu verhungern oder durch Verbrechen sich des Hungers zu erwehren. Jede Zunftwürde sich entehrt glauben, wenn sie einen Juden zu ihrem Genossen aufnähme; daher ist der Hebräer fast in allen Ländern von den Handwerken und mechanischen Künsten ausgeschlossen. Nur seltenen Genies bleibt bei so vielen niederdrückenden Umständen noch Mut und Heiterkeit, sich zu den schönen Künsten und Wissenschaften zu erheben. Und auch diese seltenen Menschen, die darin eine hohe Stufe erreichen, sowie die, welche durch untadelhafte Rechtschaffenheit der Menschheit Ehre machen, können nur bei wenigen Achtung erwerben; bei dem Haufen machen auch die ausgezeichnetsten Verdienste des Geistes und Herzens den Fehler nie verzeihlich – ›Jude zu sein‹.« Welche Gründe können wohl die Regierungen der europäischen Staaten bewogen haben, so einstimmig in dieser Haltung gegen die jüdische Nation zu sein, fragte Dohm. Sollten wohl fleißige und gute Bürger dem Staate weniger nützlich sein, weil sie aus Asien abstammen, sich durch Bart, Beschneidung und eigene Gottesverehrung auszeichnen? Ja, wenn diese jüdische Religionsform schädliche Grundsätze enthielte, dann wäre die Ausschließung und Verachtung gerechtfertigt; aber dem ist nicht so. »Nur der Pöbel, der sich selbst für erlaubt hält, einen Juden zu hintergehen, gibt ihm schuld, daß er nach seinem Gesetze fremde Glaubensgenossen betrügen dürfe, und nur verfolgende Priester haben Märchen von den Vorurteilen der Juden gesammelt, die nur ihre eigenen beweisen. Das Hauptbuch der Juden, das Gesetz Mosis, wird auch von Christen mit Ehrfurcht betrachtet«34.

Die Regierungen müßten sich bemühen, die allgemeine Aufklärung der Juden und ihre von der Religion unabhängige Sittlichkeit zu fördern. Der Jude ist noch mehr Mensch als Jude. Würde er den Staat nicht lieben, wenn dieser dasselbe Maß für ihn wie für die Bekenner [64] einer anderen Religion hätte?35 Sind doch auch die Quäker und Mennoniten, obwohl sie Krieg und Eidesleistung scheuen und sich durch die Tracht von anderen trennen, gute und nützliche Bürger! Die Juden waren im römischen Reiche bei ausgedehnter Freiheit gute Untertanen36. Man sagt aber, der Charakter und Geist der jetzigen Juden sei so unglücklich gebildet, daß sie nicht in die bürgerliche Gesellschaft mit völlig gleichen Rechten aufgenommen werden könnten. Den Haß, womit die Vorfahren Jesum verfolgt hätten, hegten sie noch gegen dessen sämtliche Bekenner; sie seien daher schädliche Menschen. Allein hierbei nimmt man durch ein fehlerhaftes Schließen die Wirkung für die Ursache. Diese vorausgesetzte Verderbtheit der Juden zugegeben, sei sie doch nur eine notwendige und natürliche Folge ihrer drückenden Verhältnisse37.

Wie kann man Tugend von den Juden erwarten, wenn man ihnen keine zutraut? Wie ihnen Vergehen vorwerfen, die man sie zu begehen zwingt, da man ihnen keinen schuldlosen Erwerb gestattet, sie mit Abgaben erdrückt? – »Denkt euch selbst einmal, ihr Weisen und Edlen, recht lebhaft in eine Lage hinein, wo euch Laster zur Notwendigkeit gemacht wäre, und seht wie eure Tugend wanken wird. Nehmt noch weg, was Erziehung und feineres Gefühl in euch gebildet haben, verlöscht die große Empfindung der Ehre – und seht wie sie schwindet.38 Ein Fehler der Regierungen war es, daß sie die Trennung der Religion zu mildern und in die Brust des Israeliten wie Christen das Gefühl des Bürgers anzufachen nicht gewußt haben. Wir haben zu den ungeselligen Gesinnungen beider Parteien das Meiste beigetragen39.

Dohm warf darauf einen Rückblick auf die Geschichte der Juden in Europa, wie sie in den ersten Jahrhunderten im römischen Reiche das volle Bürgerrecht genossen haben und also dessen würdig gewesen sein müssen, wie sie zuerst von den Byzantinern und dann von den germanischen Barbaren, besonders von den Westgoten in Spanien, zu Rechtlosen herabgedrückt worden sind40. Aus dem römischen Reiche brachten Juden mehr Kultur hinüber als die herrschenden Nationen besaßen; sie wurden nicht durch rohe Fehden verwildert, nicht durch [65] Mönchsphilosophie und Aberglauben aufgehalten. In Spanien war bei ihnen und den Arabern eine bedeutendere Kultur als in dem christlichen Europa41. Er geht dann die falschen Anschuldigungen und Verfolgungen der Juden während des Mittelalters durch, welche die Christen als grausame Barbaren, die Juden dagegen als verklärte Märtyrer erscheinen lassen.42 Nachdem er die Stellung der Juden in den verschiedenen Staaten beleuchtet hat, schloß er die Schilderung mit den Worten: »Diese der Menschlichkeit und der Politik gleich widersprechenden Grundsätze, welche das Gepräge der finstern Jahrhunderte, in denen sie entstanden, noch so merklich bezeichnet, sind der Aufklärung unserer Zeit unwürdig und verdienen schon längst nicht mehr befolgt zu werden. Unseren fest gegründeten Staaten müßte jeder Bürger willkommen sein, der die Gesetze beobachtet und durch seinen Fleiß den Reichtum des Staates vermehrt. ... Auch der Jude hat auf diesen Genuß, auf diese Liebe Anspruch. Seine Religion macht ihn derselben nicht unwürdig, da er bei der strengsten Befolgung derselben ein sehr guter Bürger sein kann. Wenn ihn die Bedrückung, in der er Jahrhunderte gelebt, sittlich verderbter gemacht hat, so wird eine gerechtere Behandlung ihn wieder bessern. Es ist möglich, daß manche Fehler so tief gewurzelt sind, daß sie erst in der dritten oder vierten Generation ganz verschwinden. Aber dies ist kein Grund, bei der jetzigen Reform nicht anzufangen, weil ohne sie die gebesserte Generation nie erscheinen würde.«43

Er führte endlich den Beweis von den Katholiken in Irland, die, durch unmenschliche Unterdrückung verdorben, durch eine milde Gesetzgebung sich wieder gehoben haben. Von den Juden sei ein noch viel besserer Erfolg zu erwarten, da sie bereits eingebürgert sind, Vermögen besitzen und mehrere von ihnen vorzügliche Geistesfähigkeit und Geschicklichkeiten zeigen. Sie besitzen besonders Klugheit, Scharfsinn, Fleiß, Betriebsamkeit und die biegsame Fähigkeit, sich in alle Lagen zu versetzen. Ihr Glück im Handel sei bekannt, und was ihnen als Betrug angerechnet werde, sei nur die Folge ihrer größeren Aufmerksamkeit und ihres Fleißes. Die meisten, die sich mit Wissenschaften und schönen Künsten beschäftigt haben – viele sind durch die drückende Lage daran verhindert –, haben es weit darin gebracht, wenn sie auch dem Publikum nicht gleich Mendelssohn und Pinto bekannt sind. »Ich wage es,« bemerkte der wahrheitsliebende Dohm, »selbst die [66] standhafte Anhänglichkeit an die ihren Vätern nach ihrem Glauben verliehene Lehre von der Gottheit, dem jüdischen Charakter als einen guten Zug anzurechnen. Was der Christ Blindheit und verstockte Hartnäckigkeit nennt, ist beim Juden standhafte Beharrlichkeit bei dem, was er einmal göttliches Gebot glaubt. Wer kann sich versagen, den Juden hochzuachten, den keine Martern bewegen können, zu essen, was er von Gott selbst sich verboten wähnt und den Nichtswürdigen zu verachten, der um des Vorteils willen. ... sich losreißt und den Glauben der Christen dadurch entweiht, daß er sich zu ihm bekennt, ohne innere Überzeugung seiner Wahrheit zu fühlen? Schon allein diese Anhänglichkeit an den uralten Glauben gibt dem Charakter der Juden eine Festigkeit, die auch zur Bildung ihrer Moralität überhaupt vorteilhaft ist. Ihre Armen fallen dem Staate nicht zur Last, und die ganze Gemeine nimmt sich ihrer an. Das häusliche Leben genießen sie mit mehr Simplizität. Sie sind meistens gute Ehemänner und Hausväter. ... Der Ehestand ist bei ihnen unbefleckter und die Vergehungen der Unkeuschheit, besonders die unnatürlichen Laster sind bei ihnen weit seltener. Sie sind dem Staate fast allenthalben, wenn sie nur nicht gar zu sehr gedrückt werden, ergeben, und sie haben oft in Gefahren einen Eifer bewiesen, den man von so wenig begünstigten Gliedern der Gesellschaft nicht erwarten sollte.«44

Das Schlußresultat der Dohmschen Beweisführung lautet: »Daß die Juden von der Natur gleiche Fähigkeit erhalten haben, glücklichere, bessere Menschen, nützlichere Glieder zu werden, daß nur die unseres Zeitalters unwürdige Bedrückung sie verderbt hat, und daß es der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, so wie der aufgeklärten Politik gemäß ist, diese Bedrückung aufzuheben und den Zustand der Juden zu ihrem eigenen und des Staates Wohl zu verbessern. Ich wage es sogar, demjenigen Staat Glück zu wünschen, der zuerst diese Grundsätze in Ausführung bringen wird. Er wird sich aus seinen eigenen Mitteln neue, treue und dankbare Untertanen bilden; er wird seine eigenen Juden zu guten Bürg rn machen.«45

Dohm gab auch die Mittel an die Hand, die Verbesserung der Juden anzubahnen, und seine neuen Vorschläge bildeten ein Programm für die Zukunft. Sie sollten vor allem ganz gleiche Rechte mit allen übrigen Untertanen haben. Ganz besonders sollte ihnen Freiheit der Beschäftigung und des Erwerbes eingeräumt und sie durch weise Vorkehrung von Handel und Wucher abgezogen und zum Betrieb von[67] Handwerken, zu Ackerbau, zu Künsten und Wissenschaften erzogen werden; aber dies alles ohne Zwang. Die sittliche Hebung der Juden sollte durch Gründung eigener guter oder durch Zulassung der Jugend zu christlichen Schulen, sowie durch Hebung des Geistes der Erwachsenen in den jüdischen Gotteshäusern gefördert werden. Aber auch den Christen müßte durch Predigten und andere wirksame Mittel eingeprägt werden, daß sie die Juden wie ihre Brüder und Mitmenschen betrachten und behandeln müßten. Es versteht sich von selbst, daß Dohm ihnen Freiheit in inneren, religiösen Angelegenheiten eingeräumt wissen wollte, freie Religionsübung, Anlegung von Synagogen, Anstellung von Lehrern, Versorgung ihrer Armen, allenfalls unter Bevormundung der Regierung. Sogar das Recht, widerspenstige Gemeindemitglieder aus der Gemeinschaft auszuschließen, sollte ihnen gewährt werden. Nur dürfte dieser Bann weder geschäftliche noch bürgerliche Nachteile, noch Geldstrafe für den Betroffenen nach sich ziehen; er sollte lediglich eine religiöse Wirkung haben. Auch die Fortdauer selbständiger Gerichtsbarkeit zwischen Juden untereinander vor dem Tribunal der Rabbinen befürwortete Dohm unter gewisser Beschränkung. Nur ein einziges Recht wollte er ihnen entzogen wissen, ihre Verwendung für öffentliche Ämter oder die Staatslaufbahn. Die Fähigkeit dazu, meinte er, fehlte dem damaligen Geschlecht noch vollends und würde sich auch bei den nächsten Generationen nicht so häufig zeigen. Ohnehin sei eher Überfüllung als Mangel an tauglichen Staatsdienern vorhanden. Daher sei es für den Augenblick sowohl für den Staat als für die Juden besser, wenn sie mehr in Werkstätten und hinter dem Pfluge als in Kanzleien arbeiteten46. So hoch konnte sich auch Dohm noch nicht versteigen, den Juden gar politische Rechte einzuräumen. Aber schon die nächste Zeit hat seine Bedenklichkeiten Lügen gestraft. Schließlich widerlegte Dohm die Einwürfe, welche man gegen die Erteilung von Freiheiten oder des einfachen Bürgerrechtes, oder richtiger, gegen die Lösung ihrer Sklavenbande geltend machen könnte und auch gemacht hat, die Einbuße der fürstlichen Kassen durch das Aufhören des Schutzgeldes und der Judensteuer; Nachteil, ja Aushungerung der Christen durch Vermehrung der Juden bei unbeschränkter Freiheit; Widerstreit zwischen dem Sonnabend und Sonntag oder zwischen Gewährung der Freiheit für die Juden, am Sonntag zu arbeiten, und der notwendigen Berücksichtigung [68] des christlichen Feiertags; Widerstreit zwischen der notwendigen Verpflichtung zum Kriegsdienste und dem Sabbat mit seiner Strenge47.

Dohm sah voraus, daß sein Emanzipationsprogramm für die Juden bei der Geistlichkeit und der Theologenzunft den heftigsten und hartnäckigsten Widerspruch finden werde. Er wendete sich daher an die »Weisheit der Regierungen«, es durchzuführen, welche damals für Verbesserung und Aufklärung viel geneigter waren als die Völker. Dohm war von dem Ernst und der Wichtigkeit seiner Aufgabe ganz erfüllt; er war sich bewußt, daß seine Vorschläge nicht bloß das Wohl der Juden, sondern auch das der Staaten begründen würden. Es ist nicht zu übersehen, daß Mendelssohn hinter ihm stand, und wenn er ihm auch nicht die Worte in die Feder diktiert hat, so hat er ihn doch mit seinem Geiste der Milde und Menschenliebe angehaucht und ihm über die Punkte, welche dem Christen und politischen Schriftsteller fremd und dunkel waren, Licht gegeben48. Mendelssohn ist daher, wenn auch nicht als der Vater, so doch als der Pate der Dohmschen Schrift anzusehen.

Hätte diese Schrift nicht in Deutschland großes Aufsehen machen sollen? Mußte die Forderung, die Juden gleichzustellen, den ehrsamen Christen nicht als ungeheuerlich vorkommen, als mutete man dem Adel zu, sich mit seinen Leibeigenen an ein und dieselbe Tafel zu setzen? Dohms Emanzipationsschrift wurde daher bald nach ihrem Erscheinen außerordentlich volkstümlich, wurde gelesen, besprochen, von vielen bekrittelt, widerlegt und nur von wenigen gebilligt. Das erste war, daß klatschsüchtige Kreise aussprengten, Dohm habe sich seine Feder von Juden mit einem sehr hohen Preise bezahlen lassen49, obwohl er eigentlich den Schutz für die armen Hausierer, die nirgends heimisch waren, erfleht hatte. Die einzigen Zeichen der Anerkennung, welche ihm Juden gaben, waren, daß die Berliner Gemeinde ihm zum Geburtstage ein silbernes Besteck schenkte, daß der Vorstand der Juden von Brasilien ihm ein Dankschreiben zuschickte50 und daß eine jüdische Familie in Breslau ihm zu Ehren den Namen Dohm51 annahm. Doch auch zugunsten der Juden machte Dohms Schrift einen tiefen [69] Eindruck. Ein günstiger Umstand kam ihm zugute. Das Glück begann den Juden zu lächeln, nachdem es ihnen so viele Jahrhunderte den Rücken gekehrt hatte. Kaum war die Schrift erschienen, so erließ Kaiser Joseph, der erste österreichische Regent, der sich einigermaßen von sittlichen und menschlichen Grundsätzen leiten ließ, nachdem er das kirchlich-katholische Joch gebrochen und den Protestanten ein Toleranzedikt gegeben hatte, eine Reihe von Gesetzen in betreff der Juden, die, wenn sie auch gewalttätiger Art waren, doch von aufrichtiger Menschenliebe zeugen.

Zunächst wurde ihnen (19. Oktober 1781) das Erlernen von Handwerken, Künsten, Wissenschaften und auch der Betrieb des Ackerbaues unter Beschränkungen gestattet. Die Pforten der Universitäten und Akademien, bisher ihnen verschlossen, öffneten sich für sie. Die Heranbildung der jüdischen Jugend lag diesem, die »philosophische Moral« fördernden Kaiser sehr am Herzen. Demgemäß dekretierte er die Anlegung von jüdischen Elementar- und höheren Schulen (Normalschulen) und machte auch den Erwachsenen das Erlernen der Landessprache zur zwingenden Notwendigkeit, indem fernerhin nur solche Schriftstücke Geltung haben sollten, welche in dieser Sprache ausgestellt wären. Zart beseitigte er aber den dabei möglichen Religionszwang für die Juden. Es sollte beim Unterricht alles für ihren Glauben Anstößige weggelassen werden52. Eine Verordnung verfügte (2. Nov. dess. J.), daß die Juden allenthalben als »Nebenmenschen« geachtet und alle Exzesse gegen sie vermieden werden sollten. Die Juden sollten sich aber auch allenthalben als rechtschaffene Bürger betragen und nicht aufgeblasen werden53. Auch den die Christen noch mehr als die Juden schändenden Leibzoll hob Joseph II. glorreichen Andenkens zu allererst auf; ferner schaffte er die doppelten Gerichtstaxen, die Passierscheine, die Nachtzettel und alle ähnlichen Bedrückungen, welche den Juden zum Auswürfling stempelten, ab; die Juden sollten den christlichen Einsassen gleichgehalten werden (19. Dez. d.J.)54. Völlige Einbürgerung der Juden hat zwar Joseph II. nicht beabsichtigt; im Gegenteil, es blieb ihnen nach wie vor verboten, in solchen Städten zu wohnen, von welchen die christliche Unduldsamkeit sie bisher ausgeschlossen hatte. Selbst in Wien sollten nur ausnahmsweise Juden für Schutzgeld (Toleranz) zugelassen werden, und dieser Schutz erstreckte [70] sich nicht auf die erwachsenen Söhne. Nicht einmal eine öffentliche Synagoge durften sie in Wien halten. Aber er hob doch manche Beschränkung auf, z.B. den Zwang, Bärte zu tragen, Sonn- und Feiertage vormittags nicht auszugehen, öffentliche Lustörter nicht zu besuchen. Den jüdischen Großhändlern, Honoratioren und ihren Söhnen gestattete der Kaiser sogar, einen Degen zu tragen (2. Jan. 1782)55. Er drang besonders auf freundliche Begegnung der Juden von seiten der Christen. Klopstock dichtete infolgedessen eine verherrlichende Ode auf Joseph II.:


»Wen faßt des Mitleids Schauer nicht, wenn er sieht,

Wie unser Pöbel Kanaans Volk entmenscht!

Und tut der's nicht, weil unsere Fürsten

Sie in zu eiserne Fesseln schmieden?

Du lösest ihnen, Retter, die rostige

Eng angelegte Fessel vom wunden Arm.

Sie fühlen's, glauben's kaum. So lange

Hat's um die Elenden hergeklirrt.«56


So war denn ein glücklicher Anfang gemacht. Die tausendjährige Schmach, welche die Lieblosigkeit der Kirche, die Gewinnsucht der Fürsten und die Dummheit der Völker auf den Stamm Juda gewälzt hatte, war in einem Lande wenigstens teilweise von ihnen genommen. Dadurch fanden Dohms Vorschläge eine weit bedeutendere Beachtung; sie wurden nicht als ideale Träume, sondern als politisch beachtenswerte Grundsätze angesehen. Gelehrte, Geistliche, Staatsmänner und Fürsten fingen an, sich mit der Judenfrage ernstlich zu beschäftigen. Jeder Denkende in und außerhalb Deutschlands nahm Stellung dafür oder dagegen. Vielfache Stimmungen und Stimmen wurden darüber laut, die sonderbarsten Vorschläge wurden gemacht. Ein Prediger, namens Schwager, schrieb: »Weit bin ich immer davon entfernt gewesen, eine unglückliche Nation zu hassen, weil sie Gott auf andere Weise verehrt als ich. Ich hab' es immer beklagt, daß wir die Juden durch ein drückendes politisches Joch zwingen, uns betrügen zu müssen. Denn wie sollen sie es anders machen, um leben zu können? woher anders ihre schweren Abgaben bestreiten?«57 Diez, Dohms liebenswürdiger Freund, einer der edlsten Männer jener Übergangszeit, später preußischer Gesandter am türkischen Hofe, glaubte, daß Dohm viel zu wenig für die Juden verlangt hätte: »Sie sagen sehr [71] wahr,« bemerkte er, »daß die itzige sittliche Verdorbenheit der Juden eine Folge des Druckes ist, worin sie leben. Aber zur Kolorierung des Gemäldes und zur Milderung der Vorwürfe gegen die Juden würde auch eine Schilderung der sittlichen Verdorbenheit der Christen sehr nützlich gewesen sein; diese ist gewiß nicht geringer als die jüdische und vielmehr deren Ursache«58. Johannes von Müller, der künstlerische Geschichtsschreiber der Schweizer, der tiefe Kenner der Geschichte überhaupt, der auch für die glorreiche jüdische Vergangenheit Bewunderung hegte, lobte Dohms Bestrebungen für die Juden und gab ihm aus den Schätzen seines Wissens neue Beweise an die Hand, wie die Juden im Mittelalter ungerecht und lieblos verfolgt wurden und daß sie nur durch unerträglichen Druck verkümmert sind. Er wünschte, daß Maimunis Schriften, »welcher der Luther der Juden gewesen ist«, in eine der europäischen Sprachen übersetzt würden59.

An Gegenschriften fehlte es natürlich auch nicht. Besonders bemerkbar machte sich eine in Prag erschienene Schmähschrift »Über die Unnützlichkeit der Juden im Königreich Böhmen und Mähren«, worin der Verfasser sich in gemeinen Schimpfworten gegen die Juden erging und alle Anschuldigungen gegen sie von Brunnenvergiftung, Aufruhr und lügenhaften Anlässen zur Vertreibung derselben wieder auffrischte. Die Schmähschrift war so aufreizend angelegt, daß Kaiser Joseph sie verbieten ließ (2. März 1782)60. Ein giftiger Gegner der Juden war in dieser Zeit Friedrich Traugott Hartmann. Warum? Weil er von einigen Trödeljuden um einige Groschen geprellt worden war61. Indessen gerade wegen ihrer Giftigkeit schadeten die Schriften den Juden weniger. Einen dichteren Schatten warfen auf die Juden die Träger der deutschen Schulweisheit, jene Zopfgelehrte, welche Religion, Kunst und Wissenschaft als eine Zunft sache ansahen, zu der kein Fremder zugelassen werden dürfe. Je mehr Gelehrsamkeit, desto mehr Wust, Dünkel und Unduldsamkeit. Ein Rezensent [72] der Dohmschen Schrift in einem vielgelesenen Blatte behauptete62 geradezu, die Juden seien unverbesserlich, und alle Reformvorschläge würden an ihrer moralischen Dickhäutigkeit abprallen. Beweis: »Ihre Vorfahren haben sich nach der Befreiung aus Ägypten doch wieder nach den Fleischtöpfen Ägyptens zurückgesehnt.« Darum sollte man die spätesten Nachkommen in ihrer Zwangsjacke und ihrer Schmach lassen oder gar nach Asien zurückwerfen. Unter den Deutschen haben von jeher die Gelehrten den grellsten Judenhaß gezeigt. Sie beharrten am festesten bei dem verjährten Wahn gegen die Juden63.

Diesen Wahn teilte oder überbot noch eine bedeutende wissenschaftliche Autorität jener Zeit in Deutschland, der bereits ergraute Göttinger Professor Johann David Michaelis (geb. 1717, starb 1791). Sein Blick war zwar durch Reisen und Umschau in der Welt erweitert, und er hatte sich von der Dumpfheit der lutherischen Theologie losgewunden. Michaelis war der erste Begründer der deutschen Rationalistenschule unter den Theologen, welche die Wunder der heiligen Schrift und auch ihre Erhabenheit in natürliche, kindische Vorgänge auflöste. Durch sein »Mosaisches Recht«, durch den Anbau der hebräischen Grammatik und der Schriftauslegung, namentlich durch sein Tasten nach dem richtigen Sinn im hebräischen Texte hatte er sich einen bedeutenden Namen erworben, obwohl seine ganze Gelehrsamkeit sich jetzt wie kindische Spielerei ausnimmt. Aber Michaelis hatte gerade das rechte Maß von Unglauben und Glauben, um die Juden einerseits als Träger der geoffenbarten Religion und einer wunderbaren Geschichte zu hassen und sie anderseits als Gegner des Christentums zu verachten. Ein bei der französischen Armee angestellter Jude hatte einst bei seiner Anwesenheit in Göttingen die Professoren trotz ihrer knechtischen Bücklinge, die sie jedem Franzosen in tiefer Demut machen zu müssen glaubten, kaum eines Gegengrußes gewürdigt. Das war Grund genug für Michaelis, die Juden samt und sonders zu verabscheuen und von ihnen zu behaupten, daß sie einen verächtlichen Charakter hätten; der größte Teil derselben werde unerträglich, sobald er zu Ehren komme; es gäbe zwar Ausnahmen, aber diese seien selten64. So hatte Michaelis bereits mehrere Jahrzehnte früher beim Erscheinen des Lessingschen Dramas »Der Jude« [73] behauptet, ein edler Jude sei eine poetische Unmöglichkeit (o. S. 37). Die Erfahrung hatte ihn zwar durch Mendelssohn und andere Charaktere Lügen gestraft; aber ein deutscher Professor darf sich nicht geirrt haben. Michaelis blieb dabei stehen, die Juden wären eine unverbesserliche Rasse. Die Hälfte aller Spitzbuben und Hehler wären in Deutschland Juden. Diese bildeten ungefähr 1/25 der Gesamtbevölkerung, folglich wäre ein Jude 25 mal lasterhafter als ein Deutscher! Bald verurteilte er die Juden von theologischem, bald von politischem Gesichtspunkte aus. Die Absicht der mosaischen Gesetze sei gewesen, die Juden als ein von anderen Völkern abgesondertes Volk zu erhalten und darum dürfe die Christenheit ihnen nicht die Fesseln lösen65. Sie sehnten sich nach dem gelobten Lande; darum –. Dies der Gottesgelehrte Michaelis. Der Politiker wiederum, die Juden vermehrten sich viel zahlreicher als die Christen, und durch die Einbürgerung der Juden würden die deutschen Bürger gar abnehmen und verdrängt werden66. Gute Soldaten könnten sie nie werden; ihr Gesetz, ihre Gewohnheit, alles stünde dem entgegen. Diese Behauptung zieht sich durch Michaelis' lange Abhandlung – doch dieses kann ihm als Kurzsichtigkeit verziehen werden. Aber unverzeihlich ist es, wenn er mit Eisenmenger behauptet, die Juden schwüren falsche Eide67. Man weiß nicht, ob man es als Gefühllosigkeit oder Bosheit auslegen soll, wenn Michaelis zu sagen wagte: »Mich dünkt, hier (in Deutschland) haben sie (die Juden) schon alles, was sie nur wünschen könnten, und ich weiß nicht, was er (Dohm) selbst noch hinzutun wollte. Medizin, Philosophie, Physik, Mathesis sind ihnen ja auf keine Weise verschlossen, – und angestellt sollen sie ja nicht werden.«68 Selbst weiter Schutzgeld von den Juden zu nehmen, nahm er in Schutz.

Man kann nicht sagen, daß Michaelis' judenfeindliche Abhandlung den Juden für den Augenblick geschadet hat; denn auch ohne diese würden sie die deutschen Fürsten und Völker nie eingebürgert haben, wenn der gebieterische Gang der Geschichte sie nicht dazu gezwungen hätte. Nicht einmal Friedrich der Große, den Dohm eigentlich bei Abfassung seiner Schrift im Auge hatte, gewährte ihnen die geringste Erleichterung. Ein Gesuch, das Ephraim Veitel der Regierung überreichte, daß die Juden mindestens zu Handwerken zugelassen werden möchten, blieb unbeachtet69. Aber in der Zukunft wurde [74] Michaelis als Autorität gegen die Juden angeführt. Nur insofern hatte die von Dohm angeregte Bewegung und die Stimmen für und wider gewirkt, daß sich eine öffentliche Meinung über die Judenfrage bildete, und diese wirkte nicht in Deutschland, sondern zunächst in Frankreich günstig für sie. Wunderbare Verkettung der geschichtlichen Vorgänge! Der giftige Elsässer Landrichter wollte die Juden im Elsaß vertilgt wissen und hat durch seine Bosheit gerade die Befreiung der Juden in Frankreich anbahnen geholfen.

Mendelssohn hatte sich auch bei dieser Bewegung wohlweislich im Hintergrunde gehalten; er wollte nicht den Schein auf sich laden, ein parteiischer Sachwalter seiner Religions- und Stammesgenossen zu sein. Er segnete das Hervorbrechen der Teilnahme an seinen unglücklichen Stammesgenossen: »Dank sei es der allgütigen Vorsehung, daß sie mich am Ende meiner Tage noch diesen glücklichen Zeitpunkt hat erleben lassen, in welchem die Rechte der Menschheit in ihrem wahren Umfange beherziget zu werden anfangen.« Indessen regten ihn doch zwei Punkte an, sein Schweigen zu brechen. Er fand, daß Dohm noch nicht genug Harpunen gegen das dickhäutige Ungetüm des Judenhasses geschleudert hatte. »Vernunft und Menschlichkeit erhoben ihre Stimme umsonst; denn grau gewordenes Vorurteil hat kein Gehör.« Dohm selbst schien ihm von dem allgemeinen Vorurteil nicht frei zu sein, indem er zugab, daß die Juden der Gegenwart verdorben, unbrauchbar, ja schädlich wären; darum eben gab er Mittel an die Hand, sie zu bessern. Aber Mendelssohn, der seine Volksgenossen besser kannte, konnte nicht finden, daß sie so sehr von einem moralischen Aussatz behaftet wären, wenigstens nicht in einem so weiten Abstand von den Christen derselben Klasse und desselben Gewerbes, wie die hochmütigen Christen in Selbstüberschätzung einander zugestanden. Sehr fein gab Mendelssohn nicht bloß den Göttinger Gelehrten Michaelis und Hartmann, sondern auch Dohm zu verstehen, daß sie die Judenfrage falsch angegriffen hätten. »Merkwürdig ist es, zu sehen, wie das Vorurteil die Gestalten aller Jahrhunderte annimmt, uns zu unterdrücken und unserer bürgerlichen Aufnahme Schwierigkeiten entgegenzusetzen. In jenen abergläubischen Zeiten waren es Heiligtümer, die wir aus Mutwillen schänden, Kruzifixe, die wir durchstechen und bluten machen, Kinder, die wir heimlich beschneiden und zur Augenweide zerfetzen, Christenblut, das wir zur Osterfeier brauchen, Brunnen, die wir vergiften usw., Unglaube, Verstocktheit, geheime Künste und Teufeleien, die uns vorgeworfen, um derentwillen wir gemartert, unseres [75] Vermögens beraubt, ins Elend gejagt, wo nicht gar hingerichtet worden sind.«

»Jetzt haben die Zeiten sich geändert, die Verleumdungen machen den erwünschten Eindruck nicht mehr. Jetzt ist es gerade Aberglaube und Dummheit, die uns vorgerückt werden, Mangel an moralischem Gefühle, Geschmack und feinen Sitten, Unfähigkeit zu Künsten, Wissenschaften und nützlichen Gewerben, hauptsächlich zu Diensten des Krieges und des Staates, unüberwindliche Neigung zu Betrug, Wucher, Gesetzlosigkeit, die an die Stelle jener gröbern Beschuldigungen getreten sind, uns von der Anzahl nützlicher Bürger auszuschließen und aus dem mütterlichen Schoße des Staates zu verstoßen. Vormals gab man sich um uns alle ersinnliche Mühe und machte mancherlei Vorkehrungen, uns nicht zu nützlichen Bürgern, sondern zu Christen zu machen, und da wir so hartnäckig und verstockt waren, uns nicht bekehren zu lassen, so war dieses Grundes genug, uns als eine unnütze Last der Erde zu betrachten und dem verworfenen Scheusale alle Greuel anzudichten, die es dem Hasse und der Verachtung aller Menschen bloßstellen konnten. Jetzt hat der Bekehrungseifer nachgelassen. Nun werden wir vollends vernachlässigt. Man fährt fort, uns von allen Künsten, Wissenschaften und anderen nützlichen Gewerben und Beschäftigungen der Menschen zu entfernen, versperrt uns alle Wege zur nützlichen Verbesserung und macht den Mangel an Kultur zum Grunde unserer ferneren Unterdrückung. Man bindet uns die Hände und macht uns zum Vorwurfe, daß wir sie nicht gebrauchen .... ... Indessen hat doch die Vernunft und der Forschergeist unseres Jahrhunderts noch bei weitem nicht alle Spuren der Barbarei in der Geschichte vertreten. Manche Legende der damaligen Zeit hat sich erhalten, weil noch niemandem eingefallen ist, sie in Zweifel zu ziehen. Manche sind mit so wichtigen Autoritäten belegt, daß nicht jeder die Stirn hat, sie geradezu für Legende und Verleumdung zu halten. Andere haben sich den Folgen nach noch immer erhalten, obgleich sie selbst schon lange nicht mehr geglaubt werden. Überhaupt ist die Verleumdung von so giftiger Art, daß sie immer einige Wirkung in den Gemütern zurückläßt, wenn auch ihre Unwahrheit entdeckt und allgemein anerkannt wird. In so mancher lieben Stadt Deutschlands wird noch jetzt kein Beschnittener, wenn er auch seinen Glauben verzollt hat, am hellen Tage ohne Bewachung gelassen, aus Beisorge, er möchte einem Christenkinde nachstellen oder die Brunnen vergiften. Des Nachts hingegen wird ihm unter aller Bewachung nicht getraut wegen seines bekannten Umganges mit den bösen Geistern.«

[76] Der zweite Punkt, der Mendelssohn in Dohms Schrift nicht gefiel, war der, daß sie die jüdische Religion so weit vom Staate anerkannt wissen wollte, daß dieser ihr das Ausschließungsrecht, eine Art Bann über ungefügige Mitglieder, einräumen sollte. Das schien ihm mit dem Begriffe einer lauteren Religion, wie er sie im Herzen trug, nicht vereinbar. Um von der falschen Fährte abzulenken, in welche Dohms gutgemeinte Schutzschrift hineinzuführen drohte, und zugleich der hartnäckigen Verkennung der Juden so viel als möglich zu steuern, ließ er von seinem jungen Freunde, dem Arzte Marcus Herz, eine Übersetzung aus dem englischen Original von Manasse Ben-Israels Verteidigungsschrift für die Juden gegen die vielfachen, lügenhaften Anschuldigungen (Bd. X3, S. 104) veranstalten und setzte ihr ein Vorwort voran, mit lichtvollen erwärmenden Gedanken (März 1782), »Rettung der Juden«, ein Anhang zu Dohms Schrift. Manasses Apologie war in einem wenig gelesenen Buche vergraben; Mendelssohn sorgte dafür, daß die darin enthaltenen Wahrheiten Gemeingut der gebildeten Kreise wurden und gab ihnen durch eine richtige Beleuchtung den rechten Nachdruck. In diesem Vorworte betonte er mit aller Schärfe seine Überzeugung, daß wohl die Kirche sich ein Strafrecht über ihre Mitglieder anmaßt; aber die Religion, die wahre, auf Vernunft und Menschenliebe gegründete Religion, »bedarf weder Arme noch Finger zu ihrem Gebrauche; sie ist lauter Geist und Herz. Sie weist auch den Sünder und Abtrünnigen nicht von ihren Pforten zurück«. »Ich finde, daß die Weisesten unserer Vorfahren auf keine Ausschließung von gottesdienstlichen Übungen Anspruch gemacht haben.« Der König Salomo flehte Gott an, er möge auch die Gebete der Götzendiener in seinem Tempel zu Jerusalem erhören. Während des Bestandes des zweiten Tempels nahmen die Priester Opfergaben von Heiden an. Möge man das Strafrecht für religiöse Vergehen noch so sehr einschränken, es wird immer bürgerliche Nachteile nach sich ziehen. »Noch ist es mit der Bruderliebe unter den Menschen nicht dahin gekommen, daß wir bei Einführung der Kirchenzucht so ganz über alle Furcht und Besorgnis dieser Art hinwegsehen könnten. Noch ist keine Geistlichkeit so aufgeklärt, daß ihr ein solches Recht, wenn es eins gibt, ohne Gefahr anvertraut werden könnte.« Mendelssohn verabscheute die Bannbefugnisse, ohne auch nur den ganzen Umfang des Nachteils zu kennen, welchen sie im Verlaufe der jüdischen Geschichte gebracht haben. Er beschwor daher die Rabbinen und Vorsteher, daß sie sich des Bannrechtes entäußern sollten. »Ach, meine Brüder, ihr habt das drückende Joch der Intoleranz [77] nur allzuhart gefühlt. ... alle Völker der Erde scheinen bisher von dem Wahn betört zu sein, daß sich die Religion nur durch eiserne Macht erhalten lasse ... Ihr ließet euch vielleicht verleiten, ebendasselbe zu glauben ... O, meine Brüder, folget dem Beispiel der Liebe, wie ihr bisher dem Beispiele des Hasses gefolgt seid!«

Mendelssohn stand bereits so hoch in der öffentlichen Meinung, daß jede neue Schrift, die seinen Namen trug, begierig gelesen wurde. Die Hauptgedanken des Vorwortes zu Manasse Ben-Israels Schutzschrift, daß die Religion keinerlei Recht über ihre Bekenner habe, keine Zwangsmittel anwenden dürfe, machte die Leser betroffen. Das war bis dahin innerhalb des Christentums niemandem eingefallen. Seit dem Tage ihrer Herrschaft hatte die Kirche die Halbgläubigen, die Ketzer und die Ungläubigen mit Bann und Interdikt, mit Feuer und Schwert, mit Kerker, Folter und Scheiterhaufen verfolgt. Der ganze Katholizismus beruhte auf Macht und Gewalt; die protestantische Kirche nahm die Kirchendisziplin mit von ihrer ältern Schwester herüber. Und nun behauptet ein Jude, die Religion sollte nur Milde und Liebe kennen und gebrauchen! Aufgeklärte christliche Geistliche, Teller, Spalding, Zollikofer, Büsching und andere befreundeten sich allmählich mit dem neuen Gedanken und zollten dem Erzeuger desselben öffentlichen Beifall. Strengkirchliche und harte Köpfe dagegen erblickten darin eine Zersetzung der Religion: »Dieses alles ist neu und hart. Die ersten Grundsätze werden weggeleugnet«, sagten sie. Auch jüdische Kreise hatten manches gegen Mendelssohns Ansicht auf dem Herzen70. Es schien besonders, als hätte Mendelssohn plötzlich mit dem Judentume gebrochen, das doch ein ganz ausgebildetes Strafrecht für religiöse Vergehungen und Übertretungen kennt. Christlicherseits wurde ihm in einer Schrift: »Das Forschen nach Licht und Recht«71 vorgehalten, daß er endlich die Maske habe fallen lassen; er habe sich der Religion der Liebe zugewendet und seiner angestammten Religion, welche Flüche und Strafen hat, den Rücken gekehrt. »Inwiefern können Sie, mein teurer Mendelssohn, bei dem Glauben Ihrer Väter verharren und durch Wegräumung seines Grundstockes das ganze Gebäude erschüttern, wenn sie das durch Mose gegebene, [78] auf göttlicher Offenbarung beruhende Kirchenrecht bestreiten? Vielleicht sind Sie jetzt dem Glauben der Christen näher getreten?« Der Verfasser, ein nicht sehr gläubiger Christ, war zwar vom Gegenteil überzeugt, wollte aber Mendelssohn reizen, sich noch schärfer gegen die Kirchengewalt des Christentums auszusprechen.

Zum zweiten Male war Mendelssohn gezwungen, aus seiner Zurückhaltung herauszutreten und sich über Religion auszusprechen. Er tat es in der Schrift »Jerusalem« oder »Über religiöse Macht und Judentum« (Frühjahr 1783), deren Gediegenheit nach Inhalt und Form ein Denkmal seines hohen Geistes ist. Viele seiner Gedanken haben spätere Denker als nicht stichhaltig beseitigt; manches hatte nur in Mendelssohns eigenartiger Anschauung Grund und Wert. Aber die Milde, welche über diese Schrift gehaucht ist, die Wärme seiner Überzeugung, der Freimut seiner Äußerung, der zugleich kindlich-naive und doch gedankentiefe Ideengang, die Anmut des Stiles, welche auch trockene Gegenstände genießbar macht, alles das gab dieser Schrift in den Augen der Zeitgenossen eine hohe Bedeutung und wird ihr stets einen Platz in der Literatur sichern. Für jene Zeit brachte sie eine eigene Überraschung hervor. Man glaubte, er habe infolge seiner Auffassung von Religion mit dem Judentume, wenn auch nicht gebrochen, so doch vieles an demselben für bedeutungslos erklärt, und es zeigte sich im Gegenteil, daß er so ganz Jude war und auch nicht ein Titelchen vom bestehenden Judentume, dem rabbinischen wie biblischen, aufgeben mochte, ja, daß er ihm gerade eine hohe Berechtigung sichern wollte. Das lag allerdings in der Eigenart seiner Denkweise.

Mendelssohn hat von seiner Jugendgläubigkeit an bis in seine Altersreife sich eine feste Überzeugung erhalten. Das Dasein eines persönlichen Gottes, der seine Milde und gerechte Vorsehung auf alle seine Kreaturen ausdehnt, die Unsterblichkeit der Seele, Lohn und Strafe jenseits, Sittengesetz und allgemeine Menschenliebe als gebieterische Vernunftgebote standen in seinem Innern so fest, daß sie durch keine noch so bündige philosophische Beweisführung vom Gegenteil erschüttert werden konnten. Nur dadurch vermöge der Mensch seine Glückseligkeit hienieden wie Seligkeit jenseits zu erlangen. Er konnte sich ein tugendhaftes Leben ohne den Begriff vom Dasein Gottes gar nicht denken. Ohne jene, von allen Religionen anerkannten Grundsätze sei Glückseligkeit ein Traum ... »Ohne Gott und Vorsehung und künftiges Leben ist Menschenliebe eine angeborene Schwachheit und Wohlwollen wenig mehr als eine Geckerei, die wir uns einander [79] einzuschwatzen suchen, damit der Tor sich placke, und der Kluge sich gütlich tue«72. Freigeisterei, ihm gleich Gottlosigkeit klingend, erregte ihm innern Schauder73. Die philosophische Spekulation hatte nur Wert in seinen Augen, insoweit sie diese seine religiös-sittlichen Überzeugungen unterstützte; sobald sie ihm Zweifel dagegen erregte, kehrte er ihr den Rücken. Er verlangte von der Matrone Philosophie Dach und Fach für sich und seine Familie, nicht Kartenhäuser und Luftschlösser74.

Diese tiefgewurzelte Überzeugung gab ihm eine von seinen Freunden angestaunte und bewunderte Lebensfreudigkeit. »Die Philosophie soll mich glücklicher machen, als ich ohne dieselbe sein würde, und dieser Bestimmung muß sie treu bleiben. So lange sie eine gute Gesellschafterin ist und mich auf eine angenehme Weise unterhält, bleibe ich bei ihr; sobald sie vornehme, frostige oder gar saure Gesichter macht und üble Launen bekommt, lasse ich sie allein und spiele mit meinen Kindern ... Ich wähle aus den Systemen der Weltweisen immer dasjenige, was mich glücklicher und zugleich besser machen kann. Eine Philosophie, die mich mißmutig, gegen andere Menschen oder gegen mich selbst gleichgültig, gegen Empfindungen des Schönen und Guten frostig machen will, ist nicht die meinige«75. Darum war ihm das Judentum so teuer, weil es diese religiös-sittlichen Grundlehren ohne Beimischung, Entstellung und namentlich ohne Vermenschlichung Gottes enthalte. Da die religiös-sittlichen Wahrheiten nach Mendelssohns Ansicht zur Glückseligkeit des Menschen ebenso notwendig sind, wie etwa die Luft zum Atmen, so seien diese Begriffe jedem Menschen auf jeder Kulturstufe angeboren und brauchten nicht erst offenbart zu werden. Insofern gäbe es keine geoffenbarte Religion, sondern die religiösen Wahrheiten seien ewiger Natur und ebenso, wie die mathematischen, selbstgewiß. Von der Göttlichkeit des Judentums, d.h. daß es von Gott dem größten Propheten am Sinaï offenbart worden sei, war er ebenso unerschütterlich überzeugt, und selbst die Wahrheit der durch den Talmud überlieferten mündlichen Auslegung stand für Mendelssohn fest. Die Gewißheit der sinaitischen Offenbarung beruhe auf der Autorität unverfälschter Überlieferung, wie jede geschichtliche [80] Tatsache, die jeden Zweifel ausschließt. Ewige Wahrheiten und geschichtliche Wahrheiten seien ihrer Quelle nach verschieden, dem Grade der Gewißheit nach aber gleichbedeutend76. Von dieser Überzeugung ausgehend, konnte Mendelssohn in seinem »Jerusalem« einige kühne Sätze aufstellen welche die hergebrachte, landläufige Vorstellung von Religion und ihrer Verbindlichkeit stracks auf den Kopf stellten.

Nach seiner Staatstheorie, die jedenfalls bündiger war als die Spinozas (Bd. X3, S. 164 f.), stehe der Obrigkeit nur über Handlungen, aber keineswegs über Gesinnungen und Meinungen Befugnis zu. Sie, die Obrigkeit, könne die dem Gesetze zuwiderlaufenden Handlungen bestrafen, aber sie habe keinerlei Recht, sich in das Teuerste des Menschen, in seine innere Überzeugung einzumischen. Noch weniger Recht habe die Kirche. Ihre ganze Macht bestehe lediglich im Lehren und Trösten. Kirchliches Züchtigen, Ausschließen, Verketzern oder gar Verfolgen und Verbrennen sei eine Anmaßung und Verirrung, die allerdings oft genug vorgekommen seien, aber sich auch genug gerächt hätten. Ein Hinüberspielen des Kirchlichen in die Rechtssphäre sei ganz undenkbar. Etwa Lehrämter, kirchliche Funktionen, die bezahlt werden? Aber es soll keine geistlichen Pfründen geben! Wenigstens erkenne das Judentum keine solchen an, sondern verlange, daß die Gotteslehre umsonst mitgeteilt werden soll, wie sie Mose vom Sinaï umsonst empfangen habe – das war ein Faustschlag ins Gesicht der kirchlichen Institute!

Das Judentum erkenne ebenfalls diese innere Freiheit religiöser Überzeugung an. Das uralte, echte Judentum enthalte darum auch keine bindenden Glaubensartikel, keine symbolischen Bücher, auf welche die Gläubigen vereidet und verpflichtet werden müßten. Das war abermals ein Satz, welcher kühn der christlichen Anschauung ins Gesicht schlug. Das Judentum schreibe überhaupt nicht Glauben vor, sondern Wissen und Erkennen; es ermahne zur Beherzigung der Lehren. Innerhalb dieser so verachteten Religionssphäre dürfe jeder denken, meinen und irren, wie ihm beliebe, ohne der Ketzerei zu verfallen. Ihr Strafrecht beginne erst, wenn die schlechte Gesinnung in augenfällige Handlung übergehe. Warum? Weil das Judentum nicht geoffenbarte Religion, sondern geoffenbarte Gesetzgebung sei. Seine erste Vorschrift lautet nicht: »Du sollst glauben oder nicht glauben,« sondern: »Du sollst tun oder nicht tun.« In der von Gott gegebenen Verfassung ist Staat und Religion eins. »Verhältnis des Menschen gegen die Gesellschaft und sein Verhältnis gegen [81] Gott trafen auf einen Punkt zusammen und konnten nie in Widerspruch geraten. Gott, der Schöpfer und Erhalter der Welt, war zugleich der König dieser Nation ... Das Bürgerliche hatte zugleich ein heiliges und religiöses Ansehen, Bürgerdienst war zugleich ein wahrer Gottesdienst.« »Jeder Frevel, d.h. jedes gesetzwidrige Tun wider das Ansehen Gottes, als des Gesetzgebers der Nation, war ein Verbrechen wider die Majestät, also ein Staatsverbrechen. Wer Gott lästerte, war ein Majestätsschänder, wer den Sabbat freventlich entheiligte, hob. ... einen Grundsatz der bürgerlichen Gesellschaft auf.« Nicht Unglauben, nicht falsche Lehre und Irrtum, sondern freventliches Vergehen wider die Grundsätze des Staates und der bürgerlichen Verfassung wurden gezüchtigt. Mit der Zerstörung des Tempels, d.h. mit dem Aufhören des Staates, habe alle Leib- und Lebensstrafe, ja auch Geldbuße aufgehört. »Die bürgerlichen Bande der Nation waren aufgelöst; religiöse Vergehungen waren keine Staatsverbrechen mehr, und die Religion als Religion kennt keine Strafen, als die der reuevolle Sünder sich freiwillig auferlegt.«

Denen gegenüber, welche ernstlich oder aus Neckerei ausgesprengt hatten, Mendelssohn sei mit dem Judentum zerfallen, betonte er zum Überfluß noch zwei Punkte, die eigentlich nicht zu seiner Untersuchung gehörten, daß das sogenannte Zeremonialgesetz des Judentums ebenfalls oder recht eigentlich göttlichen Ursprungs sei, und daß dessen Verbindlichkeit so lange fortdauere, »bis es dem Allerhöchsten gefallen werde, es ebenso laut und öffentlich abzuschaffen, wie er es geoffenbart hat«. Die Notwendigkeit der Zeremonialgesetze bewies er auf eine eigentümliche Weise. Die Verirrung des menschlichen Geistes habe jede unschuldige Sache und jede Erfindung in Götzendienst und Bilderverehrung entstellt, auch die Bilderschrift und die Buchstaben dazu mißbraucht. Darum habe der Gesetzgeber auf Sinaï geschriebene und ungeschriebene Gesetze, Vorschriften für Handlungen und Lebensregeln gegeben. »Sie leiten den forschenden Verstand auf göttliche Wahrheiten.« Das Zeremonialgesetz war das Band, welches Handlung mit Betrachtung, Leben mit Lehre verbinden, zwischen Lehrer und Schüler, Forscher und Unterweiser persönlichen Umgang, gesellige Verbindung veranlassen, zu Wetteifer und Nachfolge reizen und ermuntern sollte. Es sollte stets zum Nachdenken und sittlichen Handeln anleiten77.

[82] Ist das geoffenbarte Gesetz von Gott, dann dürfe sich allerdings der im Hause Jakob Geborene dessen nicht willkürlich entledigen. »Es ist uns erlaubt, über das Gesetz nachzudenken, seinen Geist zu erforschen, hier und da, wo der Gesetzgeber keinen Grund angegeben, einen Grund zu vermuten, der vielleicht an Zeit, Ort und Umstände gebunden gewesen, vielleicht mit Zeit, Ort und Umständen verändert werden kann – wenn es dem höchsten Gesetzgeber gefiele, uns seinen Willen darüber zu erkennen zu geben. ... So lange dieses nicht geschieht, kann uns unsere Vernünftelei nicht von dem strengen Gehorsam befreien, den wir dem Gesetze schuldig sind.« – Christliche Theologen machte er darauf aufmerksam, daß Jesus und Paulus die Verbindlichkeit der Zeremonialgesetze für die im Gesetze Geborenen zugegeben und zum Teil selbst betätigt hätten. Noch manches andere, was Mendelssohn auf dem Herzen hatte, brachte er im »Jerusalem« stets im Zusammenhang mit dem Hauptthema vor. Der Göttinger Professor Michaelis und seine Gesinnungsgenossen hatten den Juden die erlogene Anschuldigung entgegengeschleudert, daß sie die Eide gering achteten. Mendelssohn wies mit dem Finger darauf hin, daß unter den Christen nicht die niedrige Volksklasse, sondern hochgestellte Personen, Geistliche, akademische Lehrer, Würdenträger, sehr oft und öffentlich falsche Eide schwüren. Sie beschwören, bestimmt formulierte Glaubensartikel buchstäblich zu glauben, glauben aber im Augenblicke des Eides gar nicht mehr daran oder nicht in dieser Fassung oder kommen später auf andere, den Glaubensartikeln zuwiderlaufende Überzeugungen, ohne jedoch ihre Ämter niederzulegen oder die damit verbundenen Vorteile aufzugeben. Das sei die Frucht des Eingriffs des Staates und der Kirche in die innere Gesinnung des Menschen. »Zählet die Männer alle, die eure Lehrstühle und eure Kanzeln besteigen, und so manchen Satz, den sie bei der Übernehmung ihres Amtes beschworen, in Zweifel ziehen; die Bischöfe alle, die im Oberhause [83] sitzen, die wahrhaftig großen Männer alle, die in England Amt und Würde bekleiden und jene 39 Artikel, die sie beschworen, nicht mehr so unbedingt annehmen, als sie ihnen vorgelegt worden, zählet sie und sagt alsdann noch, man könne meiner unterdrückten Nation keine bürgerliche Freiheit einräumen, weil so viele unter ihnen die Eide gering achteten! – Ach! Gott bewahre mein Herz vor menschenfeindlichen Gedanken! Sie könnten bei dieser traurigen Betrachtung gar leicht überhand nehmen«78.

Der Erfolg dieser ausführlichen Schutzschrift war bedeutend größer als Mendelssohn erwarten konnte. Statt sich zu verteidigen, war er als Ankläger aufgetreten und hatte auf eine ebenso zarte, wie nachdrückliche Weise die häßlichen Geschwüre der Kirche und der christlichen Staatsverfassung aufgedeckt. Von zwei der stimmfähigsten Vertreter des Zeitgeistes wurden Urteile gefällt, die ihm und der Sache, die er verfocht, nur schmeichelhaft sein konnten. Kant, der bereits seine Denkergröße bekundet hatte, schrieb ihm, er habe Jerusalem, den Scharfsinn, die Feinheit und Klugheit seiner Ausarbeitung mit Bewunderung gelesen. »Ich halte dies Buch für die Verkündigung einer großen Reform, die nicht allein Ihre Nation, sondern auch andere treffen wird. Sie haben Ihre Religion mit einem solchen Grade von Gewissensfreiheit zu vereinigen gewußt, die man ihr gar nicht zugetraut hätte, und dergleichen sich keine andere rühmen kann. Sie haben zugleich die Notwendigkeit einer unbeschränkten Gewissensfreiheit in jeder Religion so gründlich und so hell vorgetragen, daß auch endlich die Kirche unserseits darauf wird denken müssen, wie sie alles, was das Gewissen belästigen und drücken kann, von der ihrigen absondern, welches endlich die Menschen in Ansehung der wesentlichen Religionspunkte vereinigen muß79.« Michaelis, der rationalistische Judenfeind, stand vor den kühnen Gedanken in »Jerusalem« wie verblüfft, verwirrt, beschämt. Das Judentum, auf das er so verächtlich herabblickte, erhob mit Siegesmiene das Haupt. Der Jude Mendelssohn, dem er nicht einen Heller anvertraut hätte, steht da als die verkörperlichte Gewissenhaftigkeit und Weisheit. Michaelis stotterte förmlich bei Beurteilung der so merkwürdigen Schrift80. Vielem mußte er zustimmen; manches wurmte ihn innerlich, ohne daß er es überzeugend abweisen konnte, [84] namentlich die beiden Punkte, daß ein theologisches Amt nicht besoldet werden dürfte, und daß aufgeklärte Protestanten es mit ihrem kirchlichen Amtseid auf die Glaubensartikel nicht so gewissenhaft nähmen. Was Michaelis dagegen einwendete, erscheint wahrhaft kindisch. So hat Mendelssohn immer ohne Selbstantrieb, nur durch Umstände gedrängt, das Judentum verherrlicht und die Schmach von seinem Volke abgeschüttelt. Inzwischen arbeitete ihm Dohm in die Hände. Er beleuchtete noch weiter das Judentum im günstigsten Sinne und widerlegte alle die aufrichtigen und gehässigen Einwürfe dagegen; es war ihm eine eigene, selbständige Angelegenheit geworden. Aber noch mehr als durch diese Schrift wirkte Dohm dadurch für die Juden, daß er Mirabeau, diesen Mann mit starken Schultern, welche eine neue Weltordnung tragen sollten, günstig für sie stimmte. Mirabeau löste Dohm ab.

In derselben Zeit und auf dieselbe Weise regte Mendelssohn abermals die innere Verjüngung der Juden an, welche mit der äußeren Befreiung zugleich angebahnt werden sollte, nämlich wieder auf indirekte Weise. Er, der aus Bescheidenheit und Klugheit nicht gern in den Vordergrund trat, hatte Dohm als Kämpfer für die eine Seite geweckt, und für die andere Seite schob er einen anderen Freund vor, der für diese Aufgabe wie geschaffen schien. Durch Mendelssohn wurde Wessely eine geschichtliche Persönlichkeit; er arbeitete mit allem Aufgebot seiner Kraft an der inneren Verbesserung der Juden und ergänzte die Mängel, welche Mendelssohns Natur anhafteten. – Hartwig (Hartog, Naphtali-Herz) Wessely (geb. in Kopenhagen 1725, starb in Hamburg 1805)81 war eine eigenartig angelegte Natur, die selten in diesem Gepräge und in dieser Mischung auftritt. Er stammte von einem Urahnen ab, welcher von dem Gemetzel der Kosaken in Bar (Südpolen), der einzige unter seinen Familienmitgliedern, verschont geblieben, nach Amsterdam entkommen und durch Fleiß und Glück zu Reichtum gelangt war. Sein Vater (Beer) wie sein Großvater (Mose), der von seinem Aufenthalt in Wesel den Namen Wessely angenommen hatte, waren wohlhabend und standen in hohem Ansehen bei den Königen von Dänemark. Sein Großvater hatte eine Gewehrfabrik im Holsteinschen gegründet und war Kommerzienrat und königlicher Resident geworden. Sein Vater leitete ebenfalls ein [85] großartiges Geschäft und verkehrte viel mit den sogenannten Großen. Dadurch kam er nach Kopenhagen, wo sich bereits eine portugiesische Gemeinde und auch einige deutsche Juden befanden. Der Jugendunterricht Hartwig Wesselys war der der meisten Knaben jener Zeit: mechanisch-hebräisches Lesen und mißverstandene Bibelübersetzung, um als neunjähriger Knabe in das Labyrinth des Talmuds geschleudert zu werden. Die Entfaltung der in ihm liegenden Keime förderte indes der Wander-Grammatiker Salomon Hanau (Hena, geb. in Hanau 1687, starb 1746)82. Diesem Manne, von den Stocktalmudisten wegen seiner Beschäftigung mit einer »müßigen« Wissenschaft, der hebräischen Sprachkunde, mit scheelen Augen angesehen und darum von Frankfurt bis Kopenhagen und von Amsterdam bis Fürth zu wandern gezwungen, kann man seine wirren und unerquicklichen Schriften dafür verzeihen, daß er imstande war, Wessely für die hebräische Sprache zu begeistern. Seine Mühe war nicht umsonst. Das Samenkorn, das Hanau ausgestreut hatte, trug tausendfache Früchte. Allerdings konnte er dem zehnjährigen Knaben nur die Formenlehre des hebräischen Sprachbaues beibringen; aber er hatte ihm eine so tiefe, schwärmerische Liebe dafür eingeflößt, daß Wessely sich selbständig darin vertiefen und mehr, viel mehr darin finden konnte, als ihm der Lehrer geboten hatte. Der Mittelpunkt seines inneren Lebens war seit der Zeit die heilige Schrift in der Ursprache; sie nach allen Seiten hin zu verstehen war seine Lebensaufgabe. Durch die vielfache Berührung seines Vaters im Geschäftsverkehr mit nichtjüdischen Kreisen erlangte Wessely auch einen Einblick in das wirkliche Leben und lernte auch anderweitige Wissensfächer, neuere Sprachen, Geographie, Geschichte, Reisebeschreibungen kennen. Diese dienten ihm aber lediglich als Hilfswissenschaften für sein Lieblingsstudium, die heilige Schrift, um mit diesen Mitteln tiefer in ihren Sinn und Geist eindringen zu können. Gleich Mendelssohn war Wessely sein eigener Lehrer. Frühzeitig entwickelte sich auch in ihm der Schönheitssinn, Geschmack und Gefühl für reine Sprache und Formen und ein Widerwille gegen Sprachvermischung und Kauderwelsch, welche unter den Juden deutscher Zunge heimisch waren. Wessely wandte sich daher schon als Jüngling von den deutschen und noch mehr von den sprachverderbenden Polen ab und schloß sich den Portugiesen an, welche die von ihren Vorfahren überlieferte reinere Aussprache des Hebräischen treu beibehalten hatten. Wessely glich auch darin Mendelssohn, [86] daß er sich zum sittlichen Charakter von strenger Gewissenhaftigkeit und erhöhtem Ehrgefühl ausbildete. Gedanke, Gesinnung, Wort und Tat waren auch bei ihm aus einem Gusse. Innige, reine Frömmigkeit und unbeugsame Anhänglichkeit an das Judentum waren auch ihm eigen. Nur hatte sein Naturell nicht die sanfte Geschmeidigkeit Mendelssohns. Er war vielmehr steif und pedantisch, war mehr Wortklauber und Silbenstecher als Denker und hatte keine richtige Vorstellung von dem Getriebe und Gesumme der weltbewegenden Kräfte. Wessely blieb sein Lebelang ein Phantast und erblickte die Vorgänge der wirklichen Welt nur durch gefärbte Gläser. Scheinbar hatte Wessely nach einer Seite hin einen Vorzug vor Mendelssohn, er war Dichter. Aber genau genommen, besaß er nur eine ungemeine Leichtigkeit und Fertigkeit, schöne, wohlklingende Verse von untadelhafter Sauberkeit, anmutiger Formenglätte und kunstgerechtem Gleichmaß zu machen. Er wendete fast alle bekannten Versmaße der europäischen Poesie, Sextinen, Oktaven, Sonette auf die hebräische Sprache an, und sie litt nicht unter dem Schnürmieder einer fremden, aufgezwungenen Tracht. Aber in das tiefe Geheimnis echter Poesie war Wessely keineswegs eingedrungen. Er besaß weder Phantasie, noch Lebendigkeit und Anschaulichkeit und noch weniger plastische Malerei und Schwung. Seine kunstgerecht gemeißelten Verse lassen kalt, regen weder die Phantasie zur Selbsttäuschung, noch den Geist zum Nachdenken an. Die Muse hat Wessely nicht geküßt, sondern nur von Ferne angelächelt und ihm nur ihr Spiel gezeigt. Er glaubte, weil er ihre Kunstgriffe erlauscht hatte, ein Dichter zu sein. Ein einziger Vers des unglücklichen Schwärmers Mose Chajjim Luzzatto wiegt die reichhaltige Gedichtsammlung Wesselys auf. Selbst Mendelssohn zeigte in seiner Prosa mehr Poesie, als jener in seinen Versen. Wessely war so ziemlich der hebräische Klopstock.

Eine phantastische Schrulle gab seinem Geiste Richtung und bestimmte auch seinen Lebensgang. Bei seiner Versenkung in die heilige Schrift und ihr Sprachgut vermißte er mit Bedauern manche Bücher, die nur mit ihren Titeln bezeichnet und angeführt werden. Vierundzwanzig Bücher der biblischen Literatur waren für Wessely viel zu wenig. Da stieß er auf eines der apokryphen Bücher, die sogenannte Weisheit Salomos, welches einen griechisch redenden Juden zum Verfasser hatte, der seine eigenen Worte dem weisen König in griechischer Form in den Mund gelegt hat (Bd. III, S. 335, 382). Wessely ließ sich von Titel und Einkleidung desselben so sehr täuschen, daß er es allen Ernstes nicht bloß für Salomos Geisteserzeugnis, sondern [87] auch für einen urhebräischen Weisheitsschatz ansah, obwohl das griechische Gepräge desselben nicht zu verkennen ist. Er besaß eben wenig Prüfungssinn und Unterscheidungsgabe. Mendelssohn hätte sich nicht davon täuschen lassen. Wessely machte sich sofort an die Übersetzung der »Salomonischen Weisheit« aus der deutschen Sprache (der zweiten oder dritten Hand) ins Hebräische und war von deren Gedankentiefe wie bezaubert. Da seine gelungene Übersetzung den Beifall seines verständigen Oheims fand, mit dem er sich öfter darüber unterredet hatte, so geriet er immer tiefer in die Selbsttäuschung. Bei dem Bestreben, den Inhalt dieses von ihm bewunderten Buches nach allen Seiten in eine angemessene hebräische Form zu gießen und ihm eine biblische Färbung zu geben, wurde er auf die feinen Unterscheidungen der sinnverwandten Wörter im hebräischen Sprachschatze (Synonyma) aufmerksam. Diese feinen Linien aufzusuchen, machte er fortan zu seiner Lebensaufgabe. Er forschte und fand im Wörtervorrat, im Bau, in den Formen und im Redegebrauch der hebräischen Sprache lauter Feinheiten, Beziehungen, Andeutungen und Winke. Wessely berauschte sich förmlich bei dieser Untersuchung; innere Offenbarungen überströmten ihn, und er glaubte dem hebräischen Urgeiste nahe zu sein. Hätte er tiefere, namentlich sprachvergleichende Kenntnisse besessen, oder wäre seinem Geiste klare philosophische Erkenntnis und feine Seelenkunde zu teil geworden, so hätte er bei seiner schwärmerischen Liebe und Hingebung für dieses Fach allerdings für das richtige Verständnis der biblischen Literatur außerordentliche Leistungen hervorbringen können. Allein Wessely hatte nur mittelmäßige Geistesanlagen und auch nur oberflächliche Kenntnisse, mehr Streben als Schöpferkraft und keinen ureignen Gedanken. Er bewegte sich in hergebrachten Bahnen. Zudem setzte sich seine Forschung selbst Schranken: nichts zu finden, was dem Judentum irgendwie Abbruch tun könnte. Seine Voraussetzung war, daß die heilige Schrift die allerhöchste Weisheit in sich schließe und in allen ihren einzelnen Teilen widerspiegele. Daher sind seine drei umfangreichen Werke83, auf die er seine Jugend- und Manneskraft verwandte, obwohl sie ihm einen Namen unter seinen Zeitgenossen machten, wertlos und unbrauchbar. Nur die Form dieser Werke, die Sprachgewandtheit, die er darin zeigte, und der wissenschaftliche Anstrich, den er ihnen gab, schützten sie, daß sie nicht zum Wust der Kommentarliteratur jener Zeit geworfen werden.

[88] Schlechte Geschäfte, die Wessely in Kopenhagen gemacht hatte, führten ihn nach Berlin, als wäre er berufen gewesen, in den Kreis der Stadt gezogen zu werden, von dem aus die Verjüngung des jüdischen Stammes erfolgen sollte. Mit Mendelssohn kam er (seit 1774) in innigen Verkehr und wurde von ihm zugezogen, den Kommentar zu einem Buche der Pentateuchübersetzung zu bearbeiten. Diese Arbeit trägt ebenfalls bei scheinbarer Tiefe den Stempel seines Geistes, Pedanterie und Phantasterei. – Von Kaiser Josephs Gesetzen zugunsten der Juden und besonders von ihrer Verpflichtung, Schulen anzulegen, war Wessely vollständig begeistert, und sah darin mit seinem Dämmerblicke das Hereinbrechen des goldenen Zeitalters für die Juden, während Mendelssohn mit seinem Scharfblicke sich von Anfang an nicht viel davon versprach: »Es ist vielleicht nur ein flüchtiger Einfall ohne Halt oder läuft, wie einige befürchten, auf eine Finanzabsicht hinaus,« so äußerte er sich84. Wessely aber stieß in die Posaune und dichtete einen feurigen Lobpsalm auf Kaiser Josephs Herrschergröße und Hochherzigkeit. Sobald er vernahm, daß die Stockfrommen in Wien, über den Befehl, Schulen anzulegen, als über einen Gewissenszwang trauerten, richtete er ein hebräisches Sendschreiben (März 1782) »Worte des Friedens und der Wahrheit«, an die österreichischen Gemeinden, um sie zu ermahnen, denselben als Wohltat zu begrüßen, sich dessen zu erfreuen und sogleich Gebrauch davon zu machen. Er setzte darin auseinander, daß es religiöse, selbst vom Talmud empfohlene Pflicht der Juden sei, sich allgemeine Bildung anzueignen, daß diese sogar der Kenntnis der Religion vorangehen müsse, daß sie nur dadurch die Schmach von sich abwälzen könnten, die so lange durch ihre Unwissenheit auf ihnen lastete. Ganz besonders betonte Wessely die Notwendigkeit, die barbarische Mischsprache aus der Mitte der Juden zu verbannen und auf Aneignung einer reinen und wohlklingenden Sprache bedacht zu sein. Er zeichnete in seinem Sendschreiben eine Art Lehrplan vor, wie die jüdische Jugend von Stufe zu Stufe, von den Elementargegenständen bis zum Talmudstudium hinauf, angeleitet werden sollte. Dieses Sendschreiben, mit vieler Wärme, eindringlicher Beredsamkeit und in schöner hebräischer Darstellung gehalten, hätte des Eindruckes nicht verfehlen können, wenn Wessely nicht in seiner phantastischen Art darin empfohlen hätte, daß die ganze jüdische Jugend, ohne Unterschied der Anlage und des [89] künftigen Berufes, nicht nur in Geschichte und Geographie, sondern auch in Naturwissenschaften, Astronomie und Religionsphilosophie unterrichtet werden müßte, weil man nur durch diese Vorkenntnisse zum vollen Verständnis der heiligen Schrift und des Judentums gelangen könnte.

Dieses Sendschreiben trug ihm zugleich süße und bittere Früchte ein. Die Triestiner Gemeinde, meistens aus italienischen und portugiesischen Juden bestehend, welche nicht gleich den deutschen die Bildung als ketzerisch verabscheuten, hatten sich an den Statthalter Grafen Zinzendorf gewendet, ihre Bereitwilligkeit, eine Normalschule zu gründen, erklärt, und gebeten, ihnen zu raten, auf welche Weise sie sich Schulbücher für den Religionsunterricht und die Sittenlehre verschaffen könnte. Zinzendorf wies sie auf Mendelssohn hin, dessen gefeierter Name bis dahin gedrungen war. Darauf richtete Joseph Chajjim Galaïgo im Namen der Triestiner Gemeinde ein Gesuch an den jüdischen Weisen von Berlin, seine Schriften für sie einzuschicken. Bei dieser Gelegenheit machte Mendelssohn die Triestiner auf seinen Freund Wessely und dessen Sendschreiben zur Empfehlung jüdischer Schulen aufmerksam, und diese knüpften Verbindungen mit Wessely an. So fanden seine mit so viel Wärme geschriebenen Worte sofort Beherzigung85.

Zur selben Zeit brach aber von den Stockfrommen ein Sturm gegen ihn los. Sie waren besonders über seine Begeisterung für Kaiser Josephs Reformen in hohem Grade erregt. Die unliebenswürdige Art, womit Fürsten die Freiheit zu geben pflegen, der Zwang, der den Juden auferlegt wurde, die natürliche Scheu, vom Hergebrachten zu lassen, die naheliegende Furcht, daß durch die Schulbildung und die teilweise Einbürgerung der Juden die Jugend vom Judentume abgeleitet werden würde, und daß die Lehrfächer der Normalschule das Talmudstudium verdrängen würden, alles dieses hatte die Rabbiner und Vertreter des Herkömmlichen gegen Kaiser Josephs reformierende Judengesetze eingenommen. Außerdem drängten sich Menschen von zweifelhafter Religiosität, wie Herz Homberg, vor, um an den neu zu begründenden Normalschulen eine Anstellung zu finden und die Jugend zu Neuerungen zu verführen. Es gab allerdings hier und da auch einsichtsvolle Männer, besonders in Prag, welche diese Gesetze als Wohltat begrüßten und hofften, daß die Juden sich nur dadurch dem entsittlichenden Elende entwinden können würden. Aber diese Minderzahl wurde von den Stockfrommen als Neuerer [90] und Leichtsinnige, denen keine Stimme zukäme, verschrieen. Die religiöse Naivität, welche von jedem Lufthauch den Einsturz des religiösen Gebäudes fürchtete, und die Gewinnsucht, welche sich von der Unwissenheit und der verkehrten Unterrichtsmethode in sprachverderbender Weise mästete, beide arbeiteten einander in die Hände, um die Gemeinden namentlich gegen die Schulreform einzunehmen86. Da verdarb ihnen Wessely mit einem Male das Spiel. Er, der bisher als frommgläubig verehrt wurde, redete der Neuerung das Wort. Noch mehr, in seiner unklugen Weise hatte er sich der talmudischen Sentenz bedient: »Ein Talmudist, der nicht Kenntnisse (allgemeine Bildung) besitzt, ist noch häßlicher als ein Aas.« Dieses Wort empörte die Stocktalmudisten außerordentlich. Offen durften die österreichischen Rabbinen nicht gegen Wessely auftreten, da er im Sinne des Kaisers geschrieben hatte. Sie scheinen daher einige polnische Rabbinen gegen ihn aufgestachelt zu haben, sein Sendschreiben zu verdammen und ihn selbst in den Bann zu tun87.

An der Spitze der bildungsscheuen Eiferer stand abermals Ezechiel Landau von Prag, der kurz vorher Mendelssohns deutsche Pentateuchübersetzung verdammt hatte. Er äußerte sich sogleich in äußerst heftiger Weise in der Synagoge über Wesselys »ketzerisches Sendschreiben«, obwohl er ihn nicht lange vorher in einem öffentlichen Belobigungsschreiben aus eigenem Antriebe als Muster der Rechtgläubigkeit hingestellt hatte. Sendschreiben flogen von Prag aus an deutsche und polnische Rabbinen mit heftiger Anfeindung Wesselys, als ob er plante, das ganze Judentum zu untergraben. Sie fanden indessen nur bei zwei Winkelrabbinen Anklang, bei dem Rabbinen Salomo Baer (Berusch) von Glogau (starb 1784)88, Bruder des Naphtali Herz, welcher Salomo Dubno von Mendelssohn abgezogen hatte (o. S. 45), und bei David Tewel von Lissa. Dieser ging in seinem Eifer so weit, daß er an einem Sabbat von der Kanzel predigte, Wesselys Sendschreiben müsse dem Scheiterhaufen übergeben und [91] selbst seine älteren Schriften, die er selbst einige Jahre vorher über die Maßen gepriesen hatte, müßten beiseite geschafft werden (Ende März).

Die deutschen Rabbinen verhielten sich aber ruhig. Nur der Berliner Oberrabbiner Hirschel, von Landau, Berusch und Tewel aufgestachelt, machte Miene, gegen Wessely vorzugehen und sich über ihn das Zensoramt anzumaßen. Hirschel war vielleicht zu diesem Schritt genötigt, weil er selbst wegen seiner Nachsicht gegen Mendelssohn bei den frommen Rabbinen nicht im besten Geruche stand; sein Sohn Saul, später Rabbiner von Frankfurt a.O., stand im Rufe, mit den Neuerern zu sympathisieren. Daher wollte Hirschel durch irgendeinen Akt gegen Wessely die Stockfrommen beschwichtigen. Er zog aber einige Gemeindeälteste hinzu, um seinem Verfahren mehr Gewicht zu geben. Allein in der Stadt, wo Mendelssohn, sozusagen, geistig herrschte, konnte eine, wenn auch gelinde Verketzerung Wesselys nicht durchdringen. Die Vorsteher, meistens seine Freunde und Verehrer, darunter auch David Friedländer und dessen Schwiegervater Daniel Itzig, jagten dem Oberrabbiner so viel Schrecken ein, daß er von seinem Vorhaben abließ (April 1782). Mendelssohn ließ ihm sagen, er möge den Eiferern antworten, daß in Deutschland die Preßfreiheit allgemein gesetzlich sei, man könne gegen Wesselys Schriften schreiben und drucken, aber nichts verfügen, wodurch jemand gehindert werde, seine Meinung zu sagen89.

Obwohl die Eiferer ohne Unterstützung von Berlin blieben, so fuhren sie dennoch in ihrer Verketzerungswut fort, ließen die Kanzeln von Flüchen gegen Wessely erdröhnen, und in Lissa wurde sein Sendschreiben öffentlich verbrannt. Er machte auch dabei die bittere Erfahrung, daß er im Kampfe vereinzelt stand. Keiner seiner Gesinnungsgenossen nahm sich seiner öffentlich an, obwohl er die gerechteste Sache mit edlen Mitteln in der anständigsten Weise verfocht90. Mendelssohn liebte nicht derartige Fehden, war auch damals körperlich und geistig zu leidend, um sich daran zu beteiligen. So mußte Wessely für sich selbst einstehen. Er veröffentlichte daher ein zweites Sendschreiben (24. April), angeblich an die Triestiner Gemeinde gerichtet, worin er nochmals auf die Wichtigkeit des regelmäßigen Unterrichts und Beseitigung des Schlendrians zurückkam und die Anschuldigung gegen ihn zurückwies. Milde und anständig, wie er war, vermied er es, seine Gegner hart anzufahren; aber unwillkürlich entfuhren ihm tadelnde Äußerungen gegen die Stockfrömmigkeit und gegen die einseitige. [92] verkehrte talmudische Richtung. Das war eben die Ironie der geschichtlichen Verkettung, daß der Gläubigste unter den Mendelssohnianern, ohne es zu wollen, den Kampf gegen den Rabbinismus eröffnete, wie der Kabbalist Jakob Emden der Kabbala den ersten heftigen Stoß versetzt hat. Nach und nach sprachen sich mehrere italienische Rabbiner von Triest, Ferrara und Venedig91 zu Wesselys Gunsten aus und redeten der Bildung das Wort, obwohl sie nicht über die Kluft hinwegkommen konnten, welche zwischen dieser und dem riesig angewachsenen Rabbinismus klaffte. Wessely blieb Sieger; die gegnerischen Rabbinen streckten die Waffen. Es entstanden hier und da, selbst in Prag, Schulen für regelmäßigen Unterricht. Aber die Stocktalmudisten behielten doch Recht. Ihr Argwohn ahnte tiefer die Zukunft als Mendelssohn und Wessely in ihrer Zuversicht. Die starre Form des Judentums konnte sich nicht behaupten. Beide Männer, welche sich in dem alten festen Gebäude so recht behaglich fühlten, es nur hier und da von Spinngeweben und pilzigen Ansätzen gesäubert zu sehen wünschten, trugen selbst zur allmählichen Zerbröckelung seiner Grundmauern bei.

Wessely, der stets vom Glücke Verlassene, sah noch mit tränenden Augen diesen Verfall. Mendelssohn aber, der Glückliche, blieb von diesem Schmerze verschont. Der Tod rief ihn zur rechten Zeit ab, ehe er gewahr wurde, daß sein eigener Kreis, ja seine eigenen Töchter das mit verächtlichem Spotte behandelten und wegwarfen, was er als das Heiligste im Herzen trug, und was er so sehr zu verherrlichen strebte. Hätte er zehn Jahre länger gelebt, so hätte ihm vielleicht seine Weisheit selbst nicht über diesen Schmerz hinweghelfen können. – Er, der ohne eine Spur von Romantik, ein ideales Leben führte, starb zur rechten Zeit, ideal verklärt. Die Freundschaft und die Philosophie, welche sein Leben gehoben und ihm Ruhm verliehen hatten, brachen ihm gewissermaßen das Herz. Als Mendelssohn sich anschickte, seinem unvergessenen Freunde ein Denkmal zu setzen und ihn den künftigen Geschlechtern in seiner wahren Größe zu zeigen, erfuhr er durch Jakobi, daß Lessing kurz vor seinem Tode sich entschieden der spinozistischen Philosophie zugeneigt hatte. »Lessing ein Spinozist!« Das war für Mendelssohn ein Stich ins Herz. Ihm war nichts so sehr zuwider als Spinozas pantheistisches System, welches den persönlichen Gott, Vorsehung, Unsterblichkeit, woran Mendelssohns Herz mit allen seinen Fasern hing, rundweg in Abrede stellte. Lessing sollte eine solche Überzeugung gehegt haben, und er, der Busenfreund, sollte [93] so gar nichts davon gewußt haben! Es war zugleich Eifersucht auf den Freund, der andern das Geheimnis seines Geistes mitgeteilt haben sollte, das er ihm so sorgfältig verbarg, und eine tiefe Verstimmung, daß dieser sein Busenfreund nicht seine Überzeugung geteilt haben sollte. Er ahnte, daß seine Philosophie, wenn Lessing sie mißfällig befunden haben sollte, als veraltet beiseite geschoben werden würde. Sein ganzes Wesen stemmte sich dagegen. Diese Gedanken raubten ihm die Ruhe seiner letzten Lebensjahre, machten ihn leidenschaftlich, aufgeregt, fieberhaft. In seiner letzten philosophischen Arbeit, den »Morgenstunden« (eigentlich Vorlesungen für seinen Sohn, woran auch seine Töchter und jüdische und christliche Jünglinge teilnahmen), heuchelte er noch Ruhe. Aber bei der Ausarbeitung der Schrift zur Widerlegung Jakobis »An die Freunde Lessings« übermannte ihn die Aufregung so sehr, daß sie ihm den Tod brachte (4. Jan. 1786). Dieser gewissermaßen ideale Tod für Freundschaft und Weisheit schloß sein Leben würdig ab und zeigte ihn der Nachwelt, wie er seinen zahlreichen Freunden und Verehrern erschien, als ein Charakter von Aufrichtigkeit und Echtheit, an dem gar nichts Falsches und Erheucheltes war. Um den Mann, der vier Jahrzehnte vorher beklommenen Herzens an eines der Tore Berlins ängstlich gepocht hatte, ob ihn nicht der christliche oder jüdische Büttel flammenden Blickes zurückweisen würde, trauerte fast die ganze preußische Hauptstadt und auch viele andere strebsame Männer in und außerhalb Deutschlands. Mit Wehmut teilte Schleiermachers Oheim (Stubenrauch), ein kirchlich-frommer Prediger, seinem Neffen den Verlust mit, den die deutsche Literatur durch Mendelssohns Tod erlitten hatte92. Am schmerzlichsten wurde dieser Verlust in Berlin empfunden. Es war allerdings nicht mehr dasselbe Berlin, das er so schüchtern und verzagt betreten hatte, sondern ein verjüngtes, bereits für die Zivilisation erobertes, an dessen Erziehung auch Mendelssohn seinen Anteil hatte. Schon der Versuch seiner christlichen Freunde Nikolai, Biester und Engel, letzterer Erzieher des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm III., im Verein mit seinen jüdischen Verehrern auf einer Pyramide auf dem Opernplatze neben Leibniz, Lambert und Sulzer auch Mendelssohns Bildnis anzubringen – wenn er auch nicht allgemeine Teilnahme fand – charakterisiert den Fortschritt der Zeit. Der verwachsene Sohn des sogenannten Zehngeboteschreibers von Dessau war eine Zierde Berlins geworden.


Fußnoten

1 Für christliche Leser wurde die Übersetzung mit deutschen Lettern aufgelegt.


2 S. die Einleitung zu Mendelssohns Pentateuch.


3 S. hebr. Zeitschr. Zion I, S. 64 f.; vgl. dagegen Carmoly, Revue orientale I, p. 192. Dubno hat auch einige nicht ganz schlechte hebräische Verse gemacht. [Der 12. Oktober 1738 war sein Geburtstag, der 23. Juni 1813 sein Sterbetag. Steinschneider, C. B. Nr. 6909.]


4 Vgl. das Abonnentenverzeichnis im ersten Teile der Mendelssohnschen Pentateuchausgabe.


5 Mendelssohns Brief an Elisa Reimarus bei Kayserling, a.a.O. S. 538.


6 Die Probe הפורתל םילע erschien 1778, verbunden mit Mendelssohns Übersetzung der Zionide von Jehuda Halevi.


7 Vgl. über die Opposition gegen Mendelsohns Pentateuch Note 1.


8 Gabriel Riessers Leben nebst Mitteilungen aus seinen Briefen von Dr. Isler I, S. 38.


9 S. Note 1.


10 S. Note 1 und 2. [Nach Horowitz, Dr. M., Frankfurter Rabbinen IV, S. 24, 82 war Pinchas Horowitz um 1730 geboren und starb am 1. Juli 1805. Über sein Auftreten gegen Mendelssohn vgl. das. S. 51-59.]


11 S. über ihn Carmoly, Revue orientale III, p. 219 (nicht ganz richtig), dessen Schrift über die Familien Rapaport und Jungtauben (הנויה ינבו םיברועה תחפשמ) S. 37; Auerbach, Geschichte der israelitischen Gemeinde von Halberstadt, S. 89 f.; David Friedländer, Verbesserung der Juden im Königreiche Polen, Einl. p. XXXV. Anm. [und jetzt namentlich Landshuth, םש ישנא תודלות, S. 69-121.] Hirschels Approbation zu Mendelssohns Pentateuch ist datiert von 1778.


12 J. Fürst, Henriette Herz, ihr Leben und Erinnerungen. S. 89.


13 Die Biographie im Eing. zu Ges. Schr.


14 S. Note 1.


15 Im Jahre 1748.


16 Montesquieu, esprit des lois, livre 25, chap. 13.


17 Über den ersten mißlungenen Anlauf zur Emanzipation der Juden in England vgl. Mirabeau, Sur Moses Mendelssohn, p. 92. Appendice de l'acte de naturalisation portée en 1735 dans la grande Bretagne en faveur des Juifs; Hannah Adams, History of the Jews, p. 389 ff. aus zeitgenössischen Quellen; Spieker, Über die ehemalige und jetzige Lage der Juden in Deutschland, S. 239; Friedr. Rühs, Die Rechte des Christentums und des deutschen Volkes, S. 14; Parliamentary history and reviews during the session of 1825-1826, wo ein Mitglied (Spring Rice) mitteilt, daß die Gründe, welche gegen die Emanzipation der Katholiken in England geltend gemacht wurden, dieselben sind, die ehemals gegen die Juden aufgeführt wurden; Charles Egon, The statuts of the Jews in England, p. 33 f.; H. Heine, Englische Fragmente, ges. Schr. III, S. 128.


18 Vgl. darüber den Artikel »Voltaire und die Juden«, in Frankels Monatsschrift, Jahrg. 1868, S. 163 f., [und Strauß, Voltaire, S. 149 f.]


19 S. Jaarboeken for Israeliten. Amsterdam, 1837, S. 151 f.; Frankels Monatsschr., Jahrg. 1868, S. 204 f.


20 Ad. Detchéverry, Histoire des Israélites de Bordeaux, Bordeaux 1850.


21 Vgl. die Urkunde Detchéverry, p. 73: Les Juifs de dites généralités, connus et établis en notre Royaume sous les titres de Portugais, autrement nouveaux Chrétiens etc. Noch 1761 wurden sie so bezeichnet, das. p. 88.


22 Seine Biographie ist enthalten in Didots Nouvelles Biographies générales s.v.


23 Agent de la nation portugaise à Paris wird er in Urkunden und anderen Schriften genannt.


24 S. Mendelssohns ges. Schr. V, S. 544.


25 Pintos Réflexions critiques sur le premier chapitre du VII


me tome des œuvres de Mr. de Voltaire, Amsterdam 1762. Lettres de quelques Juifs portugais et allemands à Mr. de Voltaire 1769, denen später Pintos Broschüre beigedruckt wurde. Vgl. über diese Streitschriften und Voltaires Verhalten dagegen Frankels Monatsschr., Jahrgang 1868, S. 208 f.


26 Vgl. Carmoly, Revue orientale III, p. 251. Lettre circulaire de Jacob Pereire concernant la requête des marchands de Paris contre l'admission des juifs aux brevets, unterzeichnet: Pereire, pensionnaire et interprête du roi, de la société royale de Londres, et agent de la nation juive portugaise de Bordeaux et de Bayonne.


27 Lettre ou réflexions d'un milord sur la nation juive. Diese Flugschrift polemisiert geradezu, wie im Eingange angegeben ist, gegen die requêtes des marchands. Der Verfasser war ein Jude, der nur die Maske eines Lords, welcher früher Handelsgeschäfte getrieben, vorgenommen hat. Von dieser Flugschrift existiert auch eine italienische Übersetzung: Lettera d'un Milord, Venedig, 1769.


28 Über die Lage der Juden im Elsaß und Metz; vgl. Mémoire sur l'état des Juifs en Alsace (worüber weiter unten). Grégoires Preisschrift (worüber ebenfalls weiter unten). Moniteur universel vom 25. Juli 1806, der Inhalt aufgenommen in Halphen, recueil des lois, concernant les Israélites de France, p. 172 f.


29 Von dem anonymen Verfasser der Schmähschrift Observations d'un Alsacien sur l'affaire présente des Juifs d'Alsace, bemerkt Bonald in seinem judenfeindlichen Artikel (Mercure français) Febr. 1807 (wovon weiter unten), dieser sei früher Bailli und später Deputierter der Nationalversammlung gewesen und habe seine judenfeindliche Schrift 1790 neu herausgegeben. Dr. Isler bemerkt in einer Note zu G. Riesser, Ges. Schr. III, S. 216: Der Verfasser der Schrift Observations ist Hell, geb. 1731, procureur syndic des états d'Alsace, Grand-Bailli de Landser, ex-constituant, administrateur du Haut-Rhin. Er wurde 1794 guillotiniert.


30 Die Nachrichten sind geschöpft aus dem Mémoire, welches die Juden des Elsaß dem Staatsrate einreichten, bei Dohm, Bürgerliche Verbesserung der Juden I. Anhang, S. 186 f. das. S. 194. Enfin l'auteur de tant de maux (nämlich der Bailli und Verfasser der Schrift Observations S. 59, Note) est arrêté par ordre du Roy etc.


31 Dohm sagt (a.a.O. S. 80): »Dem Verfasser ist ein im vorigen Jahre (also 1780) dem königlichen Staatsrat von der elsässischen Judenschaft vorgelegtes Mémoire zu Händen gekommen.« Genauer gibt Dohms Biograph Gronau (Chr. W. Dohm nach seinem Wollen und Handeln, S. 84) das Sachverhältnis an. »Die nähere, jedoch nicht unmittelbare Veranlassung dazu (zur Abfassung der Schrift Die bürgerliche Verbesserung der Juden) rührte von Mendelssohn her. An diesen hatten sich nämlich Elsässer Juden wegen Entwerfung eines Mémoire gewendet, welches dem französischen Staatsrat vorgelegt werden solle. Alle Materialien dazu waren mitgeteilt worden. Mendelssohn beredete Dohm, an der Redaktion dieser Denkschrift teilzunehmen.« – Das bei Dohm a.a.O. angehängte Mémoire war demnach noch nicht von den Juden dem Staatsrate übergeben worden, sondern sollte in Berlin erst die letzte Feile erhalten, um vorgelegt werden zu können, um einen erwünschten Eindruck zu machen. Das Mémoire bei Dohm im Anhange scheint erst im Zustande der Kladde gewesen zu sein.


32 Dohm, a.a.O. I, Vorerinnerung.


33 Gronau, a.a.O., S. 85.


34 Dohm, Vorerinnerung S. 15 f.


35 Dohm, S. 28 f.


36 Das. S. 31 f.


37 Das. S. 32 f.


38 Das. S. 36.


39 Das. S. 39 f.


40 Das. S. 42 f.


41 Dohm, S. 56 f.


42 Das. S. 61 f.


43 Das. S. 91 f.


44 Dohm, S. 99-104.


45 Das. S. 139 f.


46 Dohm, S. 126. Die neun Punkte des Programms sind aufgeführt S. 118-136.


47 Dohm, S. 140 f.


48 Von Mendelssohn rühren wahrscheinlich her Dohms Auslassung über Eisenmenger S. 15; über den Talmud S. 20; über den Krieg am Sabbat S 154.


49 Gronau, a.a.O., S. 85.


50 Das. S. 88.


51 [Vgl. ףסאמ VII, S. 71, n. 1.]


52 Vollständige Sammlung aller Verordnungen und Gesetze Josephs II. (Wien 1788) Bd. I, Nr. 348.


53 Das. Nr. 369.


54 Das. Nr. 412.

55 Verordnungen und Gesetze Josephs II., Bd. II, Nr. 7.


56 Klopstock, Ode an den Kaiser.


57 Dohm, a.a.O. II, S. 89.


58 Dohm II, S. 115. Die Chiffre D bedeutet Diez, der auch eine selbständige Schrift zugunsten der Juden veröffentlicht hat, Dessau 1783.


59 Das. S. 116-118. Die Chiffre M bedeutet Müller. Vgl. auch Joh. v. Müllers Briefe an seine Freunde, Brief an Dohm, d.d. 13. Februar 1782.


60 Vollständige Sammlung der Gesetze Josephs II., Nr. 91. Das Verbot wurde indes wieder zurückgenommen 9. März; das. Nr. 101.


61 Denina, Prusse littéraire, Artikel Hartmann. Mr. Hartmann avait peut-être une autre passion à satisfaire, en écrivant contre les Juifs. Il en avait été dupé quelquefois, et il avait déjà écrit contre eux des satires, qu'il intitula: Hiéroglyphes.


62 Göttinger Gelehrten-Anzeiger 1871, Zugabe, Nr. 48.


63 Mendelssohn machte schon diese Bemerkung im »Jerusalem«, Ges Schr. III, S. 384.


64 Rezension der Dohmschen Schrift in der orientalischen und exegetischen Bibliothek. T. 19, S. 7.


65 Rezension der Dohmschen Schrift, S. 11.


66 Das. S. 16.


67 Das. S. 21.


68 Das. S. 29 f.


69 Mendelssohns Ges. Schr. V, S. 689.


70 Vgl. Mendelssohns Brief an Herz Homburg, d.d. 20. Juni 1782. Ges. Schriften V, S. 655. »Jerusalem«, Abschnitt II, Anf., das. III, S. 303.


71 Anonym, angeblich in Wien, aber in Berlin gedruckt. Isaak Euchel bemerkt in seiner hebräischen Biographie Mendelssohns, der der damaligen Generation bekannte Verfasser habe Mendelssohn gegen das Judentum zu schreiben, aufhetzen wollen, Meassef Jahrg. 1788, S. 184, Note.


72 »Jerusalem«, Ges. Schr. III, S. 287.


73 Brief an Lessing, das. V, S. 82.


74 Schreiben an Elisa Reimarus und ihren Bruder, Ges. Schr., das. S. 704.


75 Schreiben an Sophie Becker, einige Zeit vor seinem Tode; das. S. 648.


76 Jerusalem, Ges. Schr. III, S. 311 f.


77 Jerusalem, Abschnitt II, Ges. Schr. S. 350 ff. An Herz Homburg schrieb er bei Besprechung dieser apologetischen Schrift September 1783, als jener gegen die rationale Notwendigkeit der Ritualgesetze Einwürfe machte: »Wenn auch ihre Bedeutung als Schriftart oder Zeichensprache ihren Nutzen verloren hätte, so hört doch ihre Notwendigkeit als Band der Vereinigung nicht auf. Und diese Vereinigung selbst wird in dem Plane der Vorsehung nach meiner Meinung so lange erhalten werden müssen, so lange noch Polytheismus, Anthropomorphismus, religiöse Usurpation den Erdball beherrschen. So lange diese Plagegeister der Vernunft vereinigt sind, müssen auch die echten Theisten eine Art Verbindung unter sich stattfinden lassen, wenn jene nicht alles unter den Fuß bringen sollen. Und worin soll diese Verbindung bestehen? In Grundsätzen und Meinungen? Da haben wir Glaubensartikel, Symbole, Formeln, die Vernunft in Fesseln.« Ges. Schr. V, S. 669.


78 Jerusalem, Ges. Schr. III, S. 382.


79 Kants Brief an Mendelssohn d.d. 16. August 1783, in Kants sämtlichen Werken, ed. Rosenkranz, 11. T., erster Abschnitt, S. 16, auch angeführt vom Herausgeber von Mendelssohns Ges. Schr. I, S. 31.


80 Orientalische und exegetische Bibliothek, T. 22, S. 59 f.


81 Wesselys Biographie von David Friedrichsfeld קידצ רכז Amsterdam 1809, Auszug im »Sammler« desselben Jahrganges S. 230 f.; Meisel, Leben und Wirken Wesselys, Breslau 1841. Beide mit zu viel Schönfärberei geschrieben.


82 S. Carmoly, Revue orientale III, p. 308. [St. C. B. Nr. 6922].


83 Die drei Werke sind ןונבל, auch לוענ ןג, (1765-66), Kommentar zu Abot ןונבל ןיי, 1775, und hebräische Übersetzung der Weisheit Salomos המלש תמכח nebst einem weitläufigen Kommentar 1780.


84 Mendelssohns Schreiben an 'ם'ל'א, d.h. יול רודגיבא aus Glogau in Prag, in dessen תורגא, Briefe von und an Mendelssohn, Nr. 5. Ges. Schr. VI, S. 453.


85 Vgl. Wesselys Sendschreiben nach Triest in Kerem Chemed I., sein zweites Sendschreiben S. 7 b f. und Note 1.


86 Über die Voreingenommenheit der österreichischen Juden gegen Kaiser Josephs Reformen s. Wessely, Sendschreiben an die Triestiner Gemeinde Kerem Chemed a.a.O.; Friedrichsfeld a.a.O. S. 24; Abraham Trebitsch, םיתעה תורוק, S. 29 b.

87 S. Note 1.


88 [Die Unhaltbarkeit der Kombination, daß der Glogauer Rabbiner zu den Gegnern Wesselys gehört habe, hat Güdemann in der Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums XIX, S. 480 nachgewiesen und Graetz selber (a.a.O. XX, S. 465 f.) zugegeben. Vgl. den Zusatz zu Note 1.]


89 S. Note 1.


90 Wessely beklagte sich darüber im dritten Sendschreiben S. 7.


91 Wessely, drittes Sendschreiben.


92 Aus Schleiermachers Leben, Briefe I, S. 39.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1900], Band 11, S. 95.
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