Elam

[601] 432. Gleichartig ist die Entwicklung Elams, das immer von neuem in die Geschicke Sinears eingegriffen hat. Hier herrscht jetzt die Dynastie des Ebarti und seines Sohns Silhaha (§ 416), aus der bei den Nachkommen der Name des Sirukduch [601] genannt wird; er mag in die letzte Hälfte der Dynastie von Ur gehören. Inschriften haben wir weder von ihm noch von seinen nächsten Nachfolgern, sondern erst wieder von Temtiagun, der sich »Sohn (d.i. Nachkomme) der Schwester des Sirukduch« nennt und den Titel »Minister (sukkal) von Susa« führt. Er hat »für das Leben des Kutirnachundi (und mehrerer anderer Personen, vielleicht Brüder oder Beamte des letzteren) und für sein eigenes Leben« in Susa einen Backsteintempel gebaut. Danach scheint Kutirnachundi (der einen echt elamitischen, später mehrfach wiederkehrenden Namen führt, der mit dem des Gottes Nachundi gebildet ist) sein Oberherr gewesen zu sein. Nun erzählt der Assyrerkönig Assurbanipal, bei der Eroberung von Susa um 645 v. Chr. habe er der Göttin Nanaia von Uruk ihre Statue zurückgegeben, die vor 1635 Jahren der Elamit Kudurnanchundi fortgeschleppt hatte, »als er die Tempel des Landes Akkad ausplün derte«-Akkad bezeichnet hier nach späterem Sprachgebrauch ganz Sinear. Wenn das Datum zuverlässig ist, so fällt Kutirnachundis Zug um 2280 v. Chr., eben in die Zeit, wo das Reich von Isin auseinanderfällt und das Reich von Larsa daneben tritt (§ 417). Vielleicht ist damals auch der Tempel von Nippur durch die Elamiten verwüstet worden. Vermutlich hat Kutirnachundi ein größeres Reich beherrscht, dessen Schwerpunkt im Gebirge lag; vielleicht ist es das Land gewesen, das in der Folgezeit Jamutbal heißt (§ 440); die Herrscher von Susa waren dann seine Vasallen. Überhaupt werden die elamitischen Kriegszüge, wie in der späteren Zeit und bis auf die Gegenwart hinab, viel mehr von den kriegerischen Gebirgsstämmen ausgegangen sein, als von den gewerbfleißigen und halbsemitischen Bewohnern Susas und des Tieflands. Vielleicht gehören die Namen Anšan und Hatamti (§ 363), die in den susischen Inschriften dieser Zeit niemals vorkommen, eben diesen Stämmen an, die dann später, im zweiten Jahrtausend, auch Susa selbst besetzt und hier die nationale Sprache wieder zur Herrschaft gebracht haben.


[602] Inschriften des Temtiagun: Délég. VI 23 (= TH.-D. 184). 25; mit Recht hat ihn SCHEIL wegen der Anknüpfung an Širukduch vor die § 432 a genannten Herrscher gesetzt. – Assurbanipals Angabe: Rassamcylinder (V R 1ff.) col. 6, 107 und die Parallelen [einmal verschrieben 1535 J.], vor allem III R 38, 1; Keilinschr. Bibl. II 208 [der Text III R 38, 2 bezieht sich dagegen auf Kudurnanchundi II., um 1160]. Früher hat man allgemein die Invasion Kutirnachundis unmittelbar mit Kudurmabuk und Kedorla'omer (§ 440f.) verbunden; dazu liegt aber kein Anlaß vor.

432 a. Dies Verhältnis mag sich unter den folgenden Herrschern der Dynastie fortgesetzt haben. Der nächste, von dem wir Kunde haben, Kukkirmaš, nennt sich »großer Minister, Minister von Elam (Nimma), Simaš und Susa« und zugleich, wie alle seine Nachfolger, »Sohn (d.i. Nachkomme) der Schwester des Silhaha« – wie diese Betonung der Abstammung von der Schwester des Ahnherrn, die wir auch schon bei Temtiagun fanden, zu erklären ist, ist ganz dunkel; um mutterrechtliche Erbfolge, wie ich früher annahm, kann es sich dabei nicht handeln, da die Herrscher, die gleichmäßig diesen Titel führen, mehrere Generationen umfassen24. Der Oberherr, dessen »Minister« Kukkirmaš ist, mag ein Nachkomme Kutirnachundis gewesen sein. Von der Ausdehnung seiner Macht gibt auch die Weihinschrift eines Dynasten von Dêr Kunde, der großen, in Sargons Krieg gegen Elam erwähnten Grenzstadt (§ 398), die bei dem Verfall des Reichs von Sumer und Akkad zeitweilig eine sehr selbständige Stellung gewonnen hat. Ihr Herrscher Anumutabil »der mächtige Held, Kommandant (šakkanakku) von Dêr« rühmt sich, »den Truppen von Anšan, Elam und Simaš das Haupt zerschmettert und Barachsu (ein Grenzland, vgl. § 399) besiegt« zu haben; das wäre also ein Sieg nicht nur über den Fürsten von Susa, sondern auch über die sonstigen Machthaber von Elam (Anšan). – Damit mag es zusammenhängen, daß wir bei dem nächsten bekannten Herrscher, Addapakšu, den Ministertitel nicht finden, sondern er sich »Hirte der Scharen von Susa« oder »Hirte [603] Šušinaks« nennt. Aber unabhängig war er nicht; vielmehr ist eine Tontafel aus Susa, die sein Diener Adadrabi Sohn des Rimadad gesiegelt hat-die Namen zeigen, wie stark hier das semitische Element war –, datiert aus »dem Jahre, wo Šumuabi ... « Šumuabi ist der Begründer des Reichs von Babel; das Datum kann aber nur dem Reich von Isin (oder dem von Larsa?) angehören und muß sich auf Kämpfe gegen den babylonischen Dynasten beziehen. Mithin hat Addapakšu um 2220 regiert und die Oberhoheit von Sinear anerkannt. Bei den folgenden Herrschern, Temtichalki und Kuknašur, finden wir dann wieder die Titel »großer Minister, Minister von Elam, Herr von Simaš und Susa, Sohn (d.i. Nachkomme) der Schwester des Silhaha«. Kuknašur gehört bereits der Zeit des Ammiṣaduqa von Babel (1977 v. Chr.) an, dessen Vasall er gewesen ist (§ 448). Dazwischen aber liegt das nochmalige bedeutungsvolle Eingreifen elamitischer Herrscher in die Verhältnisse von Sinear (§ 440f.).


Die Inschriften von Susa TH.-D. S. 182f., von Dêr S. 176. Datum des Addapakšu: Délég. X (él.-sém. IV) p. 18, dessen Deutung durch SCHEIL von UNGNAD, Unters. zu den Urkunden aus Dilbat, Beitr. zur Assyriol. VI, S. 2ff., mit Unrecht bestritten wird; mit chronologischen Bedenken dürfen wir bei der großen Lückenhaftigkeit unseres Materials nicht operieren. Auch das § 416 A. angeführte Datum zeigt Abhängigkeit von den Königen Sinears (Larsa?). – Temtichalki wird auch in der Inschrift eines Königs weit späterer Zeit (Délég. II, él.-sém. I p. 120) genannt, der seinen Bau wiederhergestellt hat, ähnlich wie Šilchakšušinak (§ 416 A.). – Datum des Kuknašur: UNGNAD l.c.S. 3. – Das Verhältnis der Dynasten von Susa zu den sonstigen Machthabern in Elam läßt sich natürlich aus unseren Quellen schlecht erkennen; sehr möglich ist, daß sie gegen die wilden Gebirgsstämme bei den Herrschern von Sinear Anlehnung und Schutz gesucht haben. – Über die Quellen der Herrscherliste vgl. § 416 A. (Fortsetzung der Liste § 462).


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 81965, Bd. 1/2, S. 601-604.
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