Dionysios' Regiment. Rüstungen. Finanzen

[90] Seit der Niederwerfung des Aufstandes von 404 war Dionys in sicherem Besitz der Herrschaft über Syrakus. Man hat vermutet, daß seine Stellung verfassungsmäßig festgelegt sei163, etwa in der [90] Art, wie Augustus seine Machtbefugnisse innerhalb der Republik gesetzlich regelte; aber in unseren allerdings auf diesem Gebiet über alle Maßen dürftigen Quellen führt keine Spur darauf hin. Offiziell blieb die Souveränität des Volks unangetastet bestehen; wie die Verurteilung des Daphnäos und die Kriegserklärung an Karthago und seine finanziellen Maßregeln (u. S. 97ff.) hat Dionys offenbar auch sonst alle wichtigeren Entscheidungen durch die Volksversammlung annehmen lassen. Auch der Rat und die republikanischen Behörden haben nach wie vor funktioniert, wie unter den älteren Tyrannen Siziliens und des Mutterlandes. Aber neben sie war im J. 405 Dionys gestellt worden, als alleiniger Feldherr mit unumschränkter Machtbefugnis für den Krieg und alle militärischen Maßnahmen; und diese Stellung hat er auf Lebenszeit festgehalten. Sie gab ihm ein so entscheidendes Übergewicht, daß die republikanische Ordnung daneben vollständig verschwand und Volk und Beamte zu ausführenden Organen des Herrscherwillens wurden. Ohne Zweifel hat er tatsächlich alle Ämter nach seinem Ermessen besetzt. Ob ihm auch richterliche Befugnisse übertragen waren und wie die Gerichte unter ihm gebildet wurden und funktionierten, wissen wir nicht; über seine Soldaten und Offiziere und seine Umgebung sprach er das Urteilkraft seiner Militärgewalt. So stand er, wie Gelon und Hieron oder wie Pisistratos, als eine selbständige Macht zugleich in und neben der auf die inneren Angelegenheiten beschränkten und dadurch tatsächlich vollständig dem allmächtigen General unterworfenen Republik. Bei den Festen wurde für das Wohl und den Fortbestand seiner Herrschaft gebetet. Einen Titel zur Bezeichnung seiner Macht hat Dionys innerhalb des Staates sowenig geführt wie die älteren Tyrannen – daher tragen auch die unter ihm geprägten Münzen den Namen von Syrakus, nicht etwa den des Herrschers. Im Verkehr mit auswärtigen Staaten hat er sich vermutlich von Anfang an »Herrscher Siziliens« (ἄρχων Σικελίας) genannt, mit unverhüllter Angabe des Ziels, das er sein Leben hindurch unverrückbar im Auge behalten hat164.

[91] In seiner inneren Struktur ruht der Staat des Dionysios durchaus auf moderner Grundlage; in dieser Beziehung steht er dem demokratischen Athen viel näher als dem Staat der älteren Tyrannen von Syrakus. Von Privilegien der Aristokratie war keine Rede mehr. Wie die freien Bewohner des Gebiets wurden zahlreiche Sklaven aus Stadt und Land unter die »Neubürger« aufgenommen, ja vielleicht hat Dionys überhaupt das leibeigene Landvolk, das aus der Urbevölkerung hervorgegangen war, emanzipiert; von den Scharen der hörigen Killyrier (Bd. III2, S. 444) ist in der Folgezeit keine Rede mehr165. In dieser Beziehung hat Dionys den demokratischen Ursprung seiner Macht nicht verleugnet. Aber der Demagoge war zugleich der Erbe des Hermokrates und der Erfüller seiner Entwürfe. Das Volk ist nicht fähig zu herrschen, sondern muß regiert werden. Es delegiert seine Souveränität auf den erwählten Machthaber, der fortan seine wahren Interessen gegen alle äußeren und inneren Gegner zu vertreten hat. Durch seine Zwingburg im Arsenal, auf dem schmalen Isthmus zwischen Festland und Insel, hielt Dionys die Stadt in Untertänigkeit. Die starken Mauern und Türme, welche den Rebellen im J. 404 Trotz geboten hatten, wurden jetzt noch durch eine neue Mauer verstärkt; der einzige Zugang war durch einen gewaltigen Torbau gesperrt, mit fünf Toren hintereinander166. Dies Bollwerk beherrschte zugleich den großen von Dionys angelegten Markt der Unterstadt auf dem Festlande mit seinen Hallen und Geschäftsräumen. Die entwaffnete Bürgerschaft war wehrlos gegen die Söldner und die Garde. Auf die Majorität der Bevölkerung, die Ärmeren, die er mit Grundbesitz ausgestattet, die befreiten Sklaven und die Fremden, denen er das Bürgerrecht verliehen hatte, konnte der Herrscher [92] sich verlassen; gegen Komplotte sicherte er sich durch ein umfassendes, mit raffinierter Kunst gehandhabtes Polizei- und Überwachungssystem167. Ohne vorherige Untersuchung, ob er Waffen bei sich trage, wurde niemand vorgelassen; zum Volk redete der Herrscher von einem hohen turmartigen Bau, da er das gewöhnliche Tribunal nicht zu betreten wagte. Unnötiges Blutvergießen hat er jederzeit zu vermeiden gesucht, sowohl nach dem Staatsstreich wie nach den beiden Aufständen, in scharfem Kontrast gegen die Art, wie gleichzeitig im griechischen Mutterlande die neuen Machthaber, die sich für den Adel der Nation ausgaben, ihr Regiment übten. Daß er die Ritter, die sein Weib mißhandelt hatten, umbrachte oder verjagte, ist selbstverständlich; aber sonst ist von größeren Strafgerichten in unserem gegen Dionys durchaus feindlich gesinnten Bericht niemals die Rede. Freilich wer sich verdächtig machte, sei es auch nur durch ein unbesonnenes Wort, oder wer gar mit der Idee des Tyrannenmords liebäugelte, war verloren. Dionys wußte, wie schnell aus geringfügigem Anlaß eine Umwälzung entstehen und wie leicht nicht nur die unzufriedenen Magnaten, sondern auch ehrgeizige Emporkömmlinge und Männer, die ihm persönlich nahestanden, sich zu einem Attentat konnten verlocken lassen; nach den Erfahrungen, die er zweimal gemacht hatte, durfte er keine Nachsicht mehr üben. So fehlte es denn nicht an Todesurteilen und Verbannungen, Einkerkerungen und Konfiskationen168. Allmählich jedoch begann er milder aufzutreten, zeigte sich leutselig, erschien wie ein Privatmann unter der Menge, zog angesehene und verdiente Bürger an seine Tafel169. Je deutlicher das Ziel hervortrat, um dessentwillen er die Herrschaft ergriffen hatte, desto mehr durfte er hoffen, daß die Gegensätze sich ausgleichen und die Untertanen sich freiwillig in seine Herrschaft fügen würden.

[93] Nachdem Dionys den Osten der Insel dem Staat von Syrakus einverleibt hatte, begann er die systematischen Vorbereitungen für den großen Krieg; und hier entfaltete er neben einer auch vor den größten Aufgaben nicht zurückschreckenden Energie ein ungewöhnliches Organisationstalent, durch das er sich einen hervorragenden Platz in der Geschichte der Kriegskunst gewonnen hat. Das Wichtigste war die Sicherung der Hauptstadt. Daß für dieselbe die bisherigen Befestigungen nicht ausreichten, hatte die athenische Belagerung erwiesen; Dionys beschloß, das ganze Plateau von Epipolä, auf dem die Athener sich festgesetzt hatten, in die Festungswerke einzubeziehen. Zunächst wurde die Nordmauer, längs des steilen Abhanges des Plateaus, in Angriff genommen, eine Strecke von drei Viertelmeilen. Sie wurde stadienweise unter die Architekten verteilt und die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung des Landgebiets, 60000 Männer, aufgeboten, die Quader zu behauen, herbeizuschaffen und aufzuschichten. Für die eifrigsten Arbeiter wurden Preise ausgesetzt; Dionys selbst legte überall mit Hand an und spornte durch sein Beispiel die Bürgerschaft. In 20 Tagen war das gewaltige Werk vollendet. Die Südmauer ist, wie es scheint, langsamer gebaut worden; auch sie lief zunächst am Rande der Höhe, stieg dann aber in die Ebene hinab, um die ausgedehnte, von Dionys erweiterte Neustadt am Fuß der Achradina einzuschließen170. Da wo beide Mauern im äußersten Westen von Epipolä zusammentreffen, bei dem schmalen Sattel, der das Plateau mit den Höhen des Hinterlandes verbindet, legte Dionys das mächtige Kastell Euryalos an, mit breiten Gräben, zahlreichen Türmen und in den Felsen gearbeiteten Tunneln und Kasematten, ein Musterbeispiel des entwickelten Festungsbaus. In der Nordmauer war der Zugang zur Stadt auf der von Katana kommenden Küstenstraße durch ein sechsfaches Tor, das Hexapylon, gedeckt. So war Syrakus in eine Riesenfestung verwandelt. Die Grundfläche [94] der Stadt betrug 1814 Hektar; Syrakus war jetzt weitaus die größte Stadt nicht nur der Hellenenwelt, mehr als dreimal so groß als Athen mit dem Piräeus, anderthalbmal so groß als das Rom der Kaiserzeit, mit einem Mauerring von 180 Stadien (27320 Meter171). Durch die umfassenden Transplantationen und die Ansiedlung der Söldner und befreiten Sklaven erhielt das gewaltige Areal eine ausreichende Bevölkerung, wenngleich unzweifelhaft noch immer manche Strecken gar nicht oder nur sehr dünn bebaut waren; leider fehlt uns jede Angabe über die Zahl der Bevölkerung.

Währenddessen wurde das übrige Kriegsmaterial instandgesetzt. Aus ganz Hellas, auch aus der karthagischen Provinz, berief Dionys tüchtige Werkmeister und Techniker gegen hohen Lohn. Ununterbrochen waren die Waffenfabriken172 in Tätigkeit: 140000 Schilde, ebenso viele Dolche und Helme, über 14000 für die Reiterei, die Garde und die Offiziere bestimmte Panzer wurden angefertigt. Dionys paßte die Rüstungen den nationalen Gewohnheiten seiner buntscheckigen Truppen an, nahm aber jede technische Vervollkommnung an. Auch einen Belagerungspark hat er geschaffen; damals zuerst ist das Geschütz, die Wurfmaschine, [95] erfunden worden. Neben der Landarmee sollte eine gleich unbesiegbare Flotte stehen. Bisher war das Schlachtschiff die Triëre; Dionys ging darüber hinaus und schuf die Schlachtschiffe der folgenden Epoche, die Tetreren und Penteren. Auf dem Ätna und in den großen Waldungen Unteritaliens – zu denen ihm die Lokrer den Zugang gewährten – wurde das Holz geschlagen, auf den Werften von Syrakus entwickelte sich eine fieberhafte Tätigkeit; angeblich hat er den Bestand seiner Flotte auf über 300 Schiffe gebracht, und für die Zukunft war eine noch weitere Vermehrung in Aussicht genommen: in den Docks des Kriegshafens von Syrakus waren 310 Schiffshäuser angelegt, die meist für zwei Schiffe Raum hatten. Auch zu diesen Arbeiten wurde die gesamte Bevölkerung herangezogen. Die Schiffsoffiziere und Ruderer wurden zur Hälfte aus der Bürgerschaft genommen, die übrigen waren geworbene Matrosen; insgesamt hat er für die nahezu 200 Schiffe, mit denen er ausfuhr, über 40000 Mann Bemannung gebraucht. Als alle Vorbereitungen fertig waren, begannen die Werbungen zur weiteren Verstärkung des Landheers, namentlich im Peloponnes, wo die Spartaner ihrem Alliierten die Werbung freigaben. Auch auf die Kräfte der Untertanen aus Stadt und Land wollte Dionys keineswegs verzichten; nur gebrauchte er die Vorsichtsmaßregel, daß er den ausgehobenen Bürgern erst nach dem Ausmarsch aus der Stadt die Waffen in die Hand gab173.

So hat Dionysios in sieben Jahren (404-398) Syrakus zur ersten Militärmacht der griechischen Welt erhoben. Es war der wahre Erbe Athens, ja es übertraf noch dessen Leistungen, da es zu Lande wie zur See gleich stark dastand. So gewaltige Flotten und Truppenmassen, wie Dionys zu Anfang des Jahres 397 besaß, hat Athen auch auf der Höhe seiner Macht niemals gleichzeitig aufstellen können. Und doch ist es fraglich, ob man beide Mächte mit Recht würde als gleichwertig betrachten dürfen. Denn so bewunderungswürdig Dionys' Leistungen sind, eins fehlte ihnen, was Athen besaß: die solide Fundierung, welche nur eine stetige Entwicklung schaffen kann, die die Kräfte nicht überspannt. Bei [96] Dionys war, seiner Stellung und Aufgabe entsprechend, alles in möglichster Eile künstlich getrieben und fieberhaft überhastet; es war sehr fraglich, ob seine Macht in der Feuerprobe sich so widerstandsfähig würde erweisen können wie die Athens. Nirgends tritt das deutlicher hervor als im Finanzwesen. Im attischen Reich bildeten die Finanzen das feste Fundament; als sie erschöpft waren, begann es zusammenzubrechen. Dionys muß für seine Bauten, Rüstungen und Werbungen noch viel mehr Geld aufgewandt haben als Athen jemals in einem gleichen Zeitraum: und überdies schluckte alljährlich der Sold und die Verproviantierung gewaltige Summen. Bare Geldmittel aber, wie sie Athen seit alters in dem Schatz der Göttin besaß, waren in Syrakus schwerlich in irgendwie erheblichem Umfang vorhanden. So mußte Dionys beständig aus der Hand in den Mund leben und immer neue Mittel ersinnen, um das nötigste Geld zu beschaffen. So wenig er für sich selbst brauchte, seine Regierung erhielt dadurch zeit seines Lebens das Gepräge eines schweren finanziellen Drucks; wenn er durch Förderung kommerzieller und industrieller Unternehmungen den Wohlstand zu heben suchte, so hemmte er ihn ebensosehr durch fortwährende Auflagen und neue Steuern. Nirgends so sehr wie hier empfinden wir das Fehlen einer wirklich ausreichenden Darstellung seiner Regierung, wie sie Philistos ohne Zweifel geboten hat; was uns erhalten ist, beschränkt sich auf eine Anzahl tendenziös entstellter Anekdoten von Finanzkniffen, die sich ohne chronologische Daten über seine ganze Regierung verteilen und in keiner Weise genügen, um System und Umfang seines Finanzwesens festzustellen. Die ersten Bedürfnisse mochten durch die Konfiskation des Vermögens der Gegner gedeckt sein; weitere Mittel schafften die Tempel. Das perikleische Athen hat bei seinem Finanzsystem wenigstens die Fiktion gewahrt, daß es die Summen, die es der Göttin nahm, sich nicht aneignete, sondern nur entlieh; Dionys war auch darin ein vollständig moderner Mensch, daß er vor dem in den Heiligtümern aufgehäuften und verarbeiteten Edelmetall nicht den mindesten Respekt zeigte, sondern es ohne jedes Gewissensbedenken konfiszierte, wenn er Geld brauchte. Wie die Athener war auch er der Ansicht, daß die Götter, die der Staat [97] verehre, verpflichtet seien, ihm in seiner Not zu helfen – nur daß die Athener an diese Götter glaubten, er dagegen nicht. Doch derartige Maßregeln und ebenso die Kriegsbeute konnten nicht mehr ergeben als willkommene Zuschüsse; den Hauptteil des Bedarfs mußten die Bürger selbst decken. Es ist kein Zweifel, daß Zehnten, Marktsteuern, Zölle in hohen Sätzen erhoben wurden; auch eine Viehsteuer hat Dionys eingeführt. Wenn die regelmäßigen Abgaben nicht reichten, blieb, wie in Athen, kein anderer Ausweg als die Erhebung einer außerordentlichen Vermögenssteuer. Dabei ist Dionys jedoch nie willkürlich verfahren, sondern hat immer die gesetzliche Form gewahrt, daß er einen motivierten Antrag an die Volksversammlung brachte und annehmen ließ. Die direkte Steuer war wohl immer für einen besonderen Zweck bestimmt, z.B. für die Flottenrüstung, oder etwa für die Summe, durch die er eine feindliche Stadt durch Bestechung gewinnen zu können glaubte – dafür hat er sich einmal zwei Stater auf den Kopf der steuerpflichtigen Bürger geben lassen und den Betrag, als der Plan scheiterte, zurückgezahlt. Wir erfahren, daß die Bürger mehrfach erklärten, an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt zu sein, und Dionys von seinem Antrag abstehen und auf andere Mittel sinnen mußte. Dann hat er wohl Anleihen bei den Bürgern erhoben oder sich die Mündelgelder vorschießen lassen mit der Verpflichtung, sie zurückzuzahlen, wenn die Kin der großjährig geworden seien; oder er hat beantragt, daß die Frauen ihren Schmuck der Demeter weihen sollten, und ihn dann mit Beschlag belegt oder auch eine Steuer an die Göttin für das Tragen von Goldschmuck erhoben. Endlich blieb als letzter Ausweg die Münzverschlechterung: das Silber wurde durch Zinngeld ersetzt und dies zum vierfachen Betrage des Wertes ausgegeben; ein Dekadrachmenstück von Kupfer, das mit Zinn überzogen ist, mit dem prächtigen, von Euainetos geprägten Stempel der Silbermünzen ist uns erhalten174. Ein andermal hat Dionys bei der Rückzahlung einer Anleihe den Wert des Silbers durch einen aufgedrückten [98] Stempel verdoppelt175. Daneben werden mancherlei kleine Mittel berichtet, durch die der Herrscher das bei den Bürgern vorhandene Geld zu ermitteln und in seine Hände zu bringen suchte; z.B. soll er einmal seine eigene Habe versteigert und dann den Käufern wieder abgenommen haben. Natürlich erregten alle diese Maßregeln sehr viel Erbitterung, zumal bei der Eintreibung der Steuern rücksichtslos vorgegangen wurde. Ohne Zweifel ist die Steuerkraft der Bürger während seiner ganzen Regierung aufs äußerste angespannt worden; und doch kann zweifelhaft erscheinen, ob er ihnen so viel zugemutet hat wie Athen während des zehnjährigen Verzweiflungskampfes um seine Herrschaft. In beiden Fällen handelte es sich um die Existenz des Staats, ja in Syrakus in noch weit höherem Maße als in Athen, wo, wenn es sich rechtzeitig unterwarf, der Fortbestand der Stadt und der Nationalität nicht, wie bei Syrakus, in Frage stand; da war die äußerste Anspannung aller Kräfte vollauf gerechtfertigt. Es war der Einsatz für den unermeßlichen Gewinn, der in Aussicht stand, wenn es gelang, den Kampf zum glücklichen Ende durchzufechten. Für Athen war, wie jeder besonnen Urteilende eingestehen mußte, nach 413 dies Ziel nicht mehr erreichbar. Aber auch Syrakus ist der volle Gewinn nicht beschieden gewesen, da Dionys trotz aller Erfolge sein letztes Ziel, die Unterwerfung ganz Siziliens, doch nicht erreicht hat und alsbald nach seinem Tode, wo die Ernte hätte reifen können, sein Reich der Opposition erlegen ist176.

[99] Zu Anfang des J. 397 waren die Rüstungen vollendet. Wie sicher Dionys sich des Erfolges fühlte, geht daraus hervor, daß er beschloß, vor Beginn des Krieges sich wieder zu vermählen und dadurch den Grund zum Fortbestand seiner Dynastie zu legen. Aus politischen Gründen führte er, mit Hinwegsetzung über die Sitte, zwei Frauen heim, die Syrakuserin Aristomache, die Tochter des Hipparinos, seines vertrautesten Gehilfen, und Doris, die Tochter des Xenetos aus Lokri, die die Bürgerschaft selbst ihm ausgesucht hatte (o. S. 90)177. Das stolzeste Kriegsschiff seiner Marine, die erste vom Stapel gelaufene Pentere, führte die Braut heim; die Hochzeit mit beiden Frauen wurde am gleichen Tage mit allem Glanz gefeiert, die Truppen und die Bürger zu Gast geladen. Wenige Tage darauf brachte Dionys bei der Bürgerschaft den Antrag ein, Karthago den Krieg zu erklären. Er wurde mit Begeisterung angenommen. Eine Gesandtschaft ging nach Karthago, um im Namen von Syrakus den Krieg anzukündigen, falls es nicht freiwillig sich entschließen wolle, alle Griechenstädte herauszugeben.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 5, S. 90-100.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon