Die Perser gegen Euagoras und Ägypten. Sonstige Aufstände im Perserreich

[304] Während in Griechenland Sparta den Gewinn des Friedens einheimste, haben die Perser die Griechenstädte Kleinasiens, die noch nicht in ihren Händen waren, besetzt559 und den Krieg gegen die Rebellen begonnen. Euagoras war jetzt Herr von fast ganz Cypern (o. S. 263) und im Besitz einer starken Land-und Seemacht; die Perser hatten ihn fast unbehelligt gelassen, ja Hekatomnos, der sich in Karien eine ähnliche selbständige Macht zu gründen gedachte, unterstützte ihn insgeheim mit Geld. Seine Hauptstütze aber war der König Akoris von Ägypten (o. S. 256). Dieser Herrscher, der nach Manetho im J. 392 auf den Thron gelangt war, hatte das Nilland fester in seiner Gewalt als seine Vorgänger; er hat daher auch eine größere Zahl von Monumenten in Theben, Memphis u.a. hinterlassen560. Er verfügte über eine ansehnliche Flotte und reiche Geldmittel und konnte daher gleichfalls ein starkes Söldnerheer anwerben; auch Chabrias trat jetzt in seine Dienste (o. S. 303)561. Zu dem Zwecke hat er mit den Pisidern, die in den zerrissenen Alpentälern des Tauros seit langem die persische Oberhoheit abgeschüttelt hatten, ein Bündnis geschlossen; auch Barka trat mit ihm in Verbindung. – Während Tiribazos mit der Rüstung der Flotte gegen Euagoras beauftragt wurde, gingen Abrokomas, Tithraustes und Pharnabazos zu Lande gegen Ägypten vor. Aber obwohl Pharnabazos die Abberufung des Chabrias von Athen forderte und erreichte, konnten sie nichts [305] ausrichten. Das Ergebnis des dreijährigen Krieges (etwa 385 bis 383 v. Chr.)562 war, daß das persische Unternehmen aufgegeben werden mußte; Akoris konnte daran denken, nach Asien hinüberzugreifen. Währenddessen hatte Euagoras seine Macht über das Meer hinaus erweitert und die Insurrektion nach den Küsten Kilikiens und Phönikiens getragen; selbst das feste Tyros fiel in seine Hände. Mit seiner Flotte von 90 Trieren aus Cypern und Tyros brachte er die Kauffahrer auf und fing den Feinden die Zufuhr ab; das Ostbecken des Mittelmeers war zur Zeit in seiner Gewalt563.

Diese Erfolge machten es für die Perser nur noch dringender, alle Kräfte an die Niederwerfung des Euagoras zu setzen; sonst liefen sie Gefahr, ihre Herrschaft über die Küsten, aus denen sie bisher die Flotten genommen hatten, vollends zu verlieren und [306] hier im Osten ein neues und unabhängiges großes griechisches Reich entstehen zu sehen, wo sie eben die übrige Griechenwelt unter ihren Willen gebeugt hatten. Im J. 382 war Tiribazos endlich mit seinen Rüstungen fertig564. Die Schiffe stellten vorwiegend die Ionier; ein starkes Landheer, dessen Kern die griechischen Söldner bildeten, führte des Königs Schwager Orontas heran. Von Kilikien aus gingen sie zum Angriff auf die Insel vor. Auch Euagoras hatte zu den Bürgertruppen ein griechisches Söldnerheer geworben und von Akoris 50 Schiffe erhalten. Seine Flotte, jetzt angeblich 200 Trieren stark, gegen 300 persische, tat den Feinden starken Abbruch, so daß, als die Lebensmittel ausgingen und überdies in üblicher Weise der Sold ausblieb, die Söldner zu meutern begannen; nur durch rücksichtsloses Vorgehen gegen die Rädelsführer konnte der Flottenkommandant Glos565, der Sohn des Tamos, des Admirals des Kyros (o. S. 182), und Schwiegersohn des Tiribazos, die Disziplin wiederherstellen. Auch zu Lande errang Euagoras manchen Vorteil. Endlich kam es bei Kition zur Seeschlacht. Euagoras war anfangs im Vorteil; schließlich aber erlagen seine Schiffe trotz ihrer besseren Schulung der Überzahl. Damit brach seine Macht zusammen (381 v. Chr.). Sein Landheer verlief sich bis auf 3000 Peltasten; er mußte sich nach Salamis zurückziehen und auf die Belagerung einrichten. Er machte noch einen Versuch, aus Ägypten Hilfe zu bekommen; während sein Sohn Pnytagoras die Verteidigung der Stadt leitete, ging er selbst zu Akoris. Aber dieser verhielt sich lau, und er konnte nur wenig Geld zurückbringen. Inzwischen hatte Tiribazos vom König neue Geldmittel und Truppen geholt; Euagoras erkannte, daß seine Stellung nicht mehr zu halten war. Er erbot sich, auf alle Eroberungen zu verzichten und den Jahrestribut zu zahlen. Tiribazos war bereit, darauf einzugehen; aber er forderte zugleich, daß Euagoras erklären solle, »dem König gehorsam zu sein wie ein Knecht dem Herrn«. Das weigerte Euagoras; er wollte sich nur unterwerfen »als König dem Könige«. So ging der Krieg weiter; [307] der Ausgang konnte kaum zweifelhaft erscheinen. Aber die persischen Oberfeldherrn vertrugen sich schlecht miteinander; Orontas, neidisch auf Tiribazos' Erfolge, verklagte ihn beim König, daß er den Krieg nicht energisch zu Ende führe, dagegen mit Sparta in Verhandlung stehe und an Abfall denke, und Artaxerxes gab Befehl, Tiribazos festzunehmen566 und zur Aburteilung an den Hof zu schicken. Die Folge war, daß die persische Stellung sich zusehends verschlechterte: die Truppen hingen an dem alten Feldherrn; Glos, der besorgt war, in das Schicksal seines Schwiegervaters verwickelt zu werden, bereitete sich abzufallen567 und trat mit Akoris und mit Sparta in Verbindung; Euagoras, der nach Theopomps Angabe bei Orontas' Intrigen mitgewirkt und ihm das Material zur Anklage des Tiribazos geliefert hatte, faßte neuen Mut und rief Spartas Entscheidung an568. Orontas sah keine andere Möglichkeit, den drohenden Gefahren zu entgehen, als daß er die Forderung des Euagoras bewilligte und einen Frieden schloß, der ihn als tributären König, nicht als Knecht des Großkönigs bezeichnete (380 v. Chr.). So war zwar das selbständige cyprische Reich gebrochen, aber zugleich die innere Schwäche des Perserreichs aller Welt offenbart; obwohl sie, wie Isokrates behauptet, nicht weniger als 15000 Talente für den Krieg ausgegeben hatten569, hatten sie zuletzt doch nachgeben müssen. Wenn Euagoras durch seine Ausdauer sich schließlich gegen die Übermacht ruhmvoll als König von Salamis behauptet hatte, was hätte er erreichen können, wenn die Griechen des Mutterlandes ihn unterstützt hätten, statt den Feinden der Nation die besten Truppen zu liefern! – Der Ausgang des Krieges hatte zur Folge, daß Tiribazos freigesprochen570 und in alle Ehren wieder eingesetzt wurde, während Orontas in Ungnade fiel. Euagoras hat noch 6 Jahre in Salamis regiert und [308] eine Verschwörung Nikokreons unterdrückt; im J. 374 wurde er und der Thronfolger Pnytagoras infolge einer Liebesintrige von einem Eunuchen umgebracht571, und sein jüngerer Sohn Nikokles übernahm die Herrschaft. An der Ermordung seines Vaters war er vielleicht nicht unbeteiligt; aber er richtete ihm eine glänzende Leichenfeier572 aus und bestellte bei Isokrates einen Nekrolog, der die herrlichen Taten und Eigenschaften des Verstorbenen im ruhmreichsten Lichte der Welt verkündete (o. S. 191, 1). Im übrigen suchte Nikokles die Ruhe in der Stadt aufrechtzuerhalten und den leeren Schatz wieder zu füllen; an eine Erhebung gegen Persien dachte er nicht mehr573.

Die Empörung des Glos ist gescheitert wie 20 Jahre früher die seines Vaters (o. S. 182). Zwar schloß Akoris ein Bündnis mit ihm, und auch Sparta, das eben jetzt den Krieg gegen Olynth und Phlius glücklich zu Ende führte, schien nicht abgeneigt, sich mit ihm einzulassen; aber er wurde ermordet, und damit ging die Gefahr vorüber. Mit den Resten seines Heeres behauptete sich Tachos noch ein paar Jahre bis an seinen Tod in Leukä an der Hermosmündung574. Im übrigen hielt Autophradates, der Satrap von Sardes, die Bewegungen im westlichen Kleinasien nieder575. Um dieselbe Zeit gelang es dem Karer Datames, dem Statthalter eines Teils Kappadokiens, den Fürsten von Paphlagonien, Thuys, gefangenzunehmen und wenig später einen Rebellen Aspis in Kataonien niederzuwerfen576. Die eroberten Gebiete sind offenbar zu seiner [309] Provinz geschlagen worden, so daß er hier im Osten vom Tauros bis zum Schwarzen Meer ein großes Gebiet beherrschte, in dem er dem Reich bald gefährlicher werden sollte als die von ihm besiegten Rebellen. – In den Griechenstädten am Schwarzen Meer hatten die Perser einstweilen noch nicht mehr zu sagen wie zur Zeit, als die Kyreer hier durchzogen. Die Räuberstämme, im Norden die Bithyner und Myser, im Süden die Pisider, schlugen alle Versuche der Satrapen, sie wieder botmäßig zu machen, erfolgreich ab; ihre Plünderungszüge waren eine fortdauernde Plage der Kulturländer. Die Pisider traten mit Akoris in Verbindung (o. S. 305) und unterstützten die Erhebung des Aspis. Auch Lykien, wo nach der Zurückdrängung der Athener die persische Oberhoheit zeitweilig wiederhergestellt war (Bd. IV 2, 261), ging jetzt dem Reiche aufs neue verloren. Perikles von Limyra, dem Vorort einer kleinen Küstenebene im Osten, zwang alle Dynasten unter seine Herrschaft; er besiegte den persischen Fürsten Artembares, der in Pinara und Tlos gebot, unterwarf das Xanthosthal und schuf einen nationalen Einheitsstaat unter seinem Königtum. Auch Telmessos, die berühmte Orakelstadt an der Grenze gegen Karien, wurde zur Anerkennung seiner Oberhoheit gezwungen; und ob im Osten die reiche Griechenstadt Phaselis, die früher fest zu Athen gehalten hatte, sich jetzt noch unabhängig behaupten konnte, ist recht fraglich577. Daß sein nördlicher Nachbar Hekatomnos von Karien (391-377)578 gleichfalls darauf ausging, seine Satrapie in ein erbliches [310] Königreich umzuwandeln, wenn er auch die offene Auflehnung gegen den Großkönig vermied, ist schon erwähnt (o. S. 263). Wie es scheint, hat er, wie später sein Sohn Maussollos, den karischen Adel in den Städten und Burgen der Gaue (Bd. IV 1, 145), aus dem er selbst hervorgegangen war, nicht ohne Kämpfe niedergehalten. Seine Hauptstütze war das Griechentum in den Küstenstädten und in seinem Söldnerheer. Wie er griechische Münzen nach rhodischem Fuß prägte, mit dem karischen Kriegsgott mit der Streitaxt als Münzbild, so haben die Karerstädte unter der Herrschaft seiner Dynastie ihre Beschlüsse griechisch abgefaßt (Bd. IV 1, 146), und sein Sohn und Nachfolger Maussollos hat dann das Land vollends der griechischen Kultur erschlossen. – Auch König Artaxerxes selbst hat um das Jahr 380 den Versuch gemacht, sich auf einem großen Heerzug gegen die Kadusier am Kaspischen Meer (Bd. IV 1, 109) kriegerisch zu betätigen; aber er geriet in dem wilden Bergland in arge Bedrängnis und mußte froh sein, daß Tiribazos die feindlichen Häuptlinge dazu brachte, ihm den Rückweg zu öffnen579.

In Ägypten ist König Akoris im J. 379 gestorben. Sein Sohn Psammuthes konnte sich nicht lange behaupten; vielmehr traten aufs neue Prätendenten auf, von denen Nektanebis I. (äg. Nachtenebef)580 von Sebennytos, der sich vielleicht schon in den letzten Jahren des Akoris empört hatte, im J. 378 die Krone gewann und [311] eine neue Dynastie gründete581. Der Perserkönig beabsichtigte, diese Wirren zu einem neuen Kriegszug gegen Ägypten zu benutzen. Wieder wurde Pharnabazos mit der Ausrüstung eines großen Heeres beauftragt; er erbat und erhielt von Athen den Iphikrates als Führer der griechischen Söldner. Aber auch diesmal vergingen Jahre, bis die Rüstungen vollendet waren; wie immer ließ die Regierung ihre Feldherrn bei der Ausführung im Stich. Die Eifersucht der Hofbeamten und die Reibereien zwischen den höheren [312] Offizieren taten das übrige; so zog es z.B. Datames (o. S. 309), der eine Zeitlang an Pharnabazos' Stelle den Oberbefehl erhalten haben soll, alsbald vor, aus Furcht vor Intrigen am Hofe in seine Provinz zurückzukehren und Vorbereitungen zur Insurrektion zu treffen. Endlich im Frühjahr 373 war man so weit, daß Heer und Flotte von Akko in Palästina, das zum Sammelpunkt bestimmt war, aufbrechen konnten. Inzwischen hatte Nektanebis Ägypten in Verteidigungszustand gesetzt, alle Nilmündungen befestigt, und namentlich den Zugang bei Pelusium durch Kanäle und Verschanzungen gesperrt. Hier war nicht durchzudringen; aber die Feldherrn sandten ihre Flotte nach der mendesischen Nilmündung, und hier gelang es festen Fuß zu fassen und das Kastell an der Mündung zu nehmen. Iphikrates riet, jetzt sofort zu Schiff gegen Memphis vorzugehen; man werde die Stadt nehmen können, ehe das feindliche Heer herangekommen sei. Aber Pharnabazos versagte der Mut; er wollte zunächst seine gesamte Armee heranziehen; auch mißtraute er dem Iphikrates, der sich hier leicht unabhängig machen könne. Darüber verging der günstige Moment; die ägyptischen Truppen kamen heran und brachten die Feinde auf dem engbegrenzten und öden Fleck, den sie besetzt hatten, in arge Bedrängnis. Als nun vollends mit dem Hochsommer die Nilschwelle begann, wurde ihre Stellung unhaltbar. Pharnabazos führte das Heer nach Asien zurück; Iphikrates, der sich nicht mehr sicher fühlte, entwich nach Athen. An seine Stelle trat freilich im J. 372, nach seiner Absetzung in Athen (u. S. 393), sein Rivale Timotheos582, aber er konnte nichts mehr ausrichten. Den Feldzug noch einmal von neuem zu beginnen, besaßen die Perser nicht mehr die Kraft, zumal alsbald wieder Insurrektionen in Asien ausbrachen. So war die Unabhängigkeit des Niltals zum zweitenmal gerettet.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 5, S. 304-313.
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