Katastrophe des Kleomenes. Erhebungen gegen Sparta

[327] Noch stärkere Erschütterungen hat gleichzeitig der spartanische Staat erfahren. König Kleomenes, Sieger über Argos, mit Athen verbündet, seit Demarats Absetzung in Sparta ohne Rivalen, glaubte die Zeit gekommen, wo er seine weitreichenden Pläne ausführen, die spartanische Verfassung stürzen und die Herrschaft über ganz Hellas gewinnen könne. Von Sparta aus freilich ließ sich sein Unternehmen nicht betreiben. So ging er zunächst nach Thessalien, wo er seit langem Verbindungen angeknüpft haben mochte, dann nach Arkadien, dessen Gemeinden, Tegea voran, sich nur widerwillig der spartanischen Führerschaft gefügt hatten und die Gelegenheit herbeisehnten, die volle Freiheit wiederzugewinnen. An militärischer Tüchtigkeit fühlten sie sich den Spartanern gewachsen, an Volkszahl waren sie ihnen überlegen; es fehlte nur eins, die Einigkeit und der geeignete Führer. Kleomenes rief ihre Vertreter zusammen und ließ sie beim Wasser des Styx, des geheimnisvollen Wasserfalls von Nonakris, schwören, ihm zu folgen, wohin immer er sie führe. Auch mit Elis wird er Verbindungen angeknüpft, auch die Heloten gegen ihre Herren aufgewiegelt haben, wie bald nachher sein Neffe PAUSANIAS: seine Ziele waren nur zu erreichen, wenn der Demos von Sparta, der spartiatische Herrenstand, seiner Macht beraubt war. Wie die Dinge weiter gegangen sind, läßt unser Bericht, der die offizielle [328] spartanische Version wiedergibt, nicht erkennen. Die Spartaner waren in großer Besorgnis und knüpften mit Kleomenes Verhandlungen an; aber wenn es heißt, »sie boten ihm an, unter denselben Bedingungen in Sparta zu herrschen wie vorher«, so wird uns die Hauptsache verschwiegen. Jedenfalls ließ Kleomenes sich betören; wie es scheint, war er ein Mann, der wohl stolze Pläne zu entwerfen verstand, dem aber im entscheidenden Moment der königliche Mut versagte. Nach Sparta zurückgekehrt, wurde er als wahnsinnig gefangengesetzt; wie man erzählte, hat er sich in einem Anfall von Tobsucht selbst zerfleischt390.

Kleomenes' Königtum erbte sein Stiefbruder Leonidas, der wie alle seine Brüder mit ihm in Unfrieden gelebt hatte. Der andere König Leotychidas war seiner ganzen Stellung nach nicht imstande, selbständig aufzutreten. So war die innere Krisis glücklich vorübergegangen. Der Versuch des Königtums, seine volle Macht wiederzugewinnen, war gescheitert, die bestehende Ordnung und damit die dominierende Stellung des Ephorats neu gefestigt. Auch zu der geplanten großen Erhebung gegen Sparta kam es nicht. Aber an verschiedenen Stellen führten die Umtriebe des Kleomenes doch zu Ausbrüchen, die zwar, da sie isoliert blieben, überwältigt werden konnten, aber dennoch zeigten, auf wie unsicheren Grundlagen Spartas Stellung ruhte. So entstellt die Tradition ist, welche die Messenier zur Zeit der Schlacht von Marathon in Waffen stehen läßt, so unverkennbar ist darin die Erinnerung an einen Helotenaufstand in dieser Zeit bewahrt391. Von den besiegten Messeniern scheint ein Teil nach Sizilien gegangen und von Anaxilaos, dem Herren von Rhegion, in Zankle angesiedelt zu sein, das seitdem ihren Namen trägt (Bd. III2 S. 765. Um dieselbe Zeit hat [329] Tegea den Spartanern den Gehorsam aufgekündigt; und ein elischer Seher, Hegesistratos aus dem berühmten Prophetenge schlecht der Telliaden, schürte eifrig gegen ihre Herrschaft. Schließlich fiel er den Spartanern in die Hände und sollte hingerichtet werden; aber es gelang ihm, aus dem Kerker nach Tegea zu entkommen, indem er sich den gefesselten Fuß abhieb und die Mauer durchgrub392. Schwerlich ist die Wiederherstellung der spartanischen Suprematie ohne offenen Kampf gelungen. Auch die Ägineten standen infolge des Einschreitens des Kleomenes (o. S. 303) zu Sparta feindlich, obwohl die Regierung ihnen freigab, sich zum Ersatz an die Person des Königs Leotychidas zu halten. Das Anerbieten lehnten sie ab, aber Leotychidas' Bemühungen, ihnen ihre Geiseln aus Athen wieder zu verschaffen, waren vergeblich393.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 327-330.
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