Xerxes' Rüstungen. Bündnis mit Karthago

[331] Im Jahr 483 begann Xerxes die Rüstungen für den Kriegszug gegen Hellas. Diesmal sollte das Unternehmen in umfassendster Weise vorbereitet werden, so daß jeder Fehlschlag unmöglich erschien. Mardonios, durch die Niederlage des Datis gerechtfertigt und rehabilitiert, stand dem König als Ratgeber zur Seite. Wie er es 492 versucht hatte, sollten auch diesmal Landheer und Flotte gemeinsam operieren und sich gegenseitig decken; ein schrittweises streng methodisches Vorgehen mußte sicher zum Ziel führen. Mardonios' Feldzug hatte gezeigt, welche Gefahren die Klippen des Athos boten; deshalb gab der König Befehl, die schmale flache Landenge zu durchstechen, welche das Gebirge mit dem Festland verbindet. Im Jahr 483 wurden große Scharen von Arbeitern und Ingenieuren, vor allem Phöniker, entsandt, die mit [332] den einheimischen Arbeitskräften zusammen das Werk in Angriff nahmen; in drei Jahren konnte es vollendet sein395. Auch über den Strymon wurde eine Brücke geschlagen und in Abydos alles Material zusammengebracht, um den Hellespont auf zwei Brücken nebeneinander überschreiten zu können396. Überall an der thrakischen Küste und in Makedonien wurden für den Marsch des Heeres Proviantmagazine angelegt, in allen Häfen des Reichs Schiffe gebaut und Matrosen ausgehoben. Die Kontingente des Landheeres erhielten Befehl, sich im Herbst 481397 im östlichen Kleinasien zu sammeln, damit zu Beginn des nächsten Frühjahrs das Heer über den Hellespont geführt werden könne. Die traditionelle Auffassung betrachtet Xerxes' Expedition als ein kopfloses, phantastisches Unternehmen; in Wirklichkeit ist kaum je ein Kriegszug systematischer und sorgfältiger vorbereitet gewesen als dieser398.

Auch im Feindeslande waren die Aussichten für Xerxes [333] durchaus günstig. Die Adelsgeschlechter von Thessalien und Theben sehnten sein Erscheinen herbei, ebenso im Peloponnes Argos; daß der Spartanerkönig Demarat und die Pisistratiden mit ihrem Anhang attischer Exulanten am Heerzug teilnahmen, konnte im geeigneten Moment von großer Bedeutung werden. Nur eine griechische Macht gab es, die unter Umständen gefährlich werden konnte: das war das sizilische Reich Gelons. Das neue syrakusanische Königtum war an Umfang des Gebiets wie an Machtmitteln allen anderen griechischen Staaten weit überlegen. Gelon verfügte über ein sieggewohntes, trefflich geschultes Heer, eine starke Flotte399, einen wohlgefüllten Schatz, und vor allem, er konnte die Kräfte seines Reichs voll ausnutzen. Wenn er den Griechen des Mutterlandes zu Hilfe kam und sie mit Geld und Proviant unterstützte, konnte der Krieg langwierig und der Erfolg ungewiß werden; ganz abgesehen davon, daß es den Persern auch im günstigsten Falle kaum möglich war, Sizilien selbst anzugreifen. Aber das mächtige Reich, welches Hippokrates und Gelon gegründet hatten, an das sich Theron von Agrigent anlehnte, hatte in seiner Nachbarschaft erbitterte Gegner. Schon waren Terillos von Himera und Anaxilaos von Rhegion den Karthagern in die Arme getrieben; Karthago selbst aber hatte allen Anlaß, nicht länger untätig zuzuschauen. Es war ihm in den letzten Jahrzehnten gelungen, sein Macht- und Handelsgebiet zu einem großen Reich zusammenzuschließen; alle Versuche der Griechen, innerhalb desselben, auf Korsika, auf der Westspitze Siziliens, am Syrtenmeer, festen Fuß zu fassen, hatte es energisch zurückgewiesen. Jetzt war die Zeit gekommen, wo es die Offensive ergreifen und versuchen mußte, seine Macht auf Sizilien zu erweitern, wollte es nicht Gefahr laufen, sie zu verlieren. Daß Theron Himera eroberte und Terillos verjagte, gab den äußeren Anlaß zum Krieg. Die Zeit war gekommen, wo die beiden auf der Basis der orientalischen Kultur erwachsenen Großmächte in Ost und West sich die Hand bieten mußten, um das zwischen ihnen emporgekommene Griechentum zu ersticken: Persien und Karthago verabredeten, im Frühjahr 480 [334] gemeinsam zum Angriff vorzugehen400. Da durch wurde dem Mutterlande die Unterstützung der sizilischen Tyrannen ebenso entzogen, wie diesen die Hilfe der alten Heimat. Die kleinen Kämpfe und Streitigkeiten um lokale Interessen verschmolzen zu einem die ganze Kulturwelt vom Atlantischen Ozean bis zum Indus umfassenden Riesenkampf um die politische Stellung der griechischen Nation. Wenigstens denjenigen Griechen, die schon inmitten des Kampfes standen, ist die Empfindung dafür zum Bewußtsein gekommen. Dionysios von Phokäa, der mutige Schiffskapitän, der eine Zeitlang die ionische Flotte kommandiert hatte, ging nach der Schlacht bei Lade als Pirat erst in die phönikischen Gewässer, dann nach Sizilien und plünderte hier karthagische und etruskische Schiffe, aber keines, das unter griechischer Flagge fuhr401.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 331-335.
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