Unternehmungen in Westgriechenland. Korinth und Korkyra

[564] Bisher hatte Korinth die Vorherrschaft im westlichen Griechenland und das hier in der Tyrannenzeit gegründete Kolonialreich im wesentlichen behauptet640. Leukas, durch den von Gorgos angelegten Kanal, der den schmalen, von der Stadt zum Festland hinüberführenden Isthmos durchstach (Bd. III2 S. 576, in eine Insel verwandelt – über die lange Nehrung der Lagune weiter im Norden konnten Kriegsschiffe auf einer Schleifbahn gezogen werden, wie über den Isthmos von Korinth –641, Anaktorion am Eingang des Golfs von Ambrakia, und im Mündungsgebiet des Aratthos, auf epirotischem Gebiet, das mächtige Ambrakia selbst, mit ausgedehntem Landgebiet, waren zwar selbständige Gemeinwesen und zum Teil von Korinth in Gemeinschaft mit Korkyra gegründet; aber sie alle hielten zu Korinth und waren jederzeit bereit, ihm tatkräftige Unterstützung zu leihen; daher hatten sie auch am Perserkrieg teilgenommen. Die gleiche Stellung nahm weiter im Norden, schon auf illyrischem Gebiet, Apollonia ein. Ein paar andere Küstenpunkte, wie Molykreion an der engsten Stelle des korinthischen Golfs642, noch auf lokrischem Boden, Chalkis in Ätolien643, Sollion in Akarnanien gegenüber von Leukas644 waren unmittelbarer Besitz Korinths. Die meisten Nachbarstaaten waren [564] ihm befreundet und verbündet, vor allem die Stämme und Fürstentümer von Epiros, sodann Öniadä, die größte und selbständigste Stadt der Akarnanen645, an der Mündung des Acheloos, und von den vier Gemeinden der Insel Kephallenia wenigstens die westlichste und wohlhabendste, Pale, die daher auch zur Schlacht bei Platää ein kleines Korps entsandt hatte (o. S. 385). Auch Sikyon, ein volkreicher, unter gefestigtem aristokratischem Regiment stehender Ackerbaustaat, hatte sich eng an Korinth und Sparta angeschlossen. Ferner haben die Ätoler ohne Zweifel zu Korinth geneigt, schon aus altererbter Feindschaft gegen die Akarnanen, zumal seit die Athener Naupaktos besetzt hatten; freilich waren sie ein unkultivierter, in offenen Dörfern lebender Bergstamm, dessen Mannen zwar zu Raubzügen jederzeit bereit waren und auch gegen Sold in fremde Dienste traten, dessen primitive Volksgemeinde aber (Bd. III2 S. 300f. für eine konsequente politische Aktion gänzlich ungeeignet war646. Feindlich zu Korinth standen dagegen die kleinen akarnanischen Landgemeinden, die sich durch Leukas, Anaktorion, Ambrakia beengt fühlten, und ihre nördlichen Nachbarn, die epirotischen Amphilocher, die Ambrakia gezwungen hatte, ambrakiotische Ansiedler in ihre Hauptstadt Argos aufzunehmen, ferner Zakynthos, dessen antispartanische Haltung früher schon erwähnt wurde (o. S. 484), und vor allem das mächtige Korkyra. Die Staaten haben daher auch am Perserkrieg nicht teilgenommen.

Es schien nahezuliegen, daß Korkyra, seit anderthalb Jahrhunderten mit Korinth aufs tiefste verfeindet, sich mit Athen zu gemeinsamem Kampf gegen die Mutterstadt verband. So hat denn auch Themistokles die Beziehungen Athens zu Korkyra gepflegt, ebenso wie er, offenbar aus gleichem Grunde, dem Molosserkönig Admetos entgegengetreten ist. Aber Korkyra verhielt sich ablehnend. Die Insel war durch die Üppigkeit ihres Bodens und durch die Gunst ihrer Lage – die nach Italien und Sizilien gehenden Schiffe mußten, da sie sich nur ungern von der Küste entfernten, den Weg über Korkyra nehmen – rasch zu großem Wohlstand [565] emporgeblüht. Die Verfassung war, wie es scheint, gemäßigt demokratisch, ähnlich der Korinths; die Regierung lag in den Händen der großen Kaufmannsfamilien, denen auch der Hauptteil des fruchtbaren Weinlands im Zentrum der Insel gehörte. Sie pflegten die Handelsbeziehungen nach Osten und Westen, und schufen daneben eine starke Kriegsmarine, die sich im Jahr 436 auf 120 Trieren belief. Zu ihrer Bemannung (ca. 24000 Mann) reichte freilich trotz der dichten Bevölkerung der Stadt und der Insel die freie Bürgerschaft nicht aus, zumal man doch im Fall eines Kriegs auch eine Landarmee nicht ganz entbehren konnte; daher mußten als Ruderer weitaus in der Mehrzahl Sklaven verwendet werden. So war Korkyra mächtig genug, eine selbständige Politik zu verfolgen, und hatte wenig Neigung, sich durch Anschluß an Athen ins Schlepptau einer fremden Politik zu begeben und dadurch schließlich seine eigenen Interessen zu schädigen. Daher wahrte es in allen Händeln streng die Neutralität wie früher im Perserkrieg (o. S. 342), so jetzt im Kampf zwischen Athen und Korinth. Mit seinen Neigungen stand es sogar, trotz aller Feindschaft gegen Korinth, eher auf seiten der zur See schwächeren Partei; mit Sparta und Sikyon wahrte es gute Beziehungen647.

Athen war jetzt stark genug, um auch allein im Westen vorzugehen. Seit es den megarischen Hafen Pagä und Naupaktos gewonnen hatte, besaß es am Korinthischen Golf feste Positionen, von denen aus es die Ausfahrt sperren konnte. So konnte es, da es durch den Besitz von Ägina und Trözen (mit der Halbinsel Methana) [566] den Saronischen Golf vollkommen beherrschte, jetzt den gesamten Handel Korinths brachlegen. Im Jahr 455 unternahm Tolmides mit einer Flotte von 100 Schiffen und einem starken Hoplitenkorps eine Kriegsfahrt um den Peloponnes. Zunächst verwüstete er das lakonische Gebiet an verschiedenen Stellen und verbrannte den spartanischen Kriegshafen Gythion. Dann ging er ins Westmeer. Zakynthos schloß sich Athen an, ebenso die Städte von Kephallenia. Des weiteren gelang ihm die Einnahme der korinthischen Stadt Chalkis in Ätolien. Auch Molykreion in nächster Nähe von Naupaktos wird wohl damals von Athen besetzt sein. Schließlich landete er im Gebiet von Sikyon und schlug den sikyonischen Landsturm zurück648. – Um dieselbe Zeit war es den Spartanern endlich, nach zehnjährigen Kämpfen, gelungen, die Messenier auf dem Ithome zur Kapitulation zu zwingen. Da sie einen Sturm, der schwere Verluste drohte, nicht wagen wollten, gewährten sie ihnen freien Abzug. Die Athener nahmen die Flüchtlinge auf, Tolmides führte sie nach Naupaktos und siedelte sie dort neben den alten Einwohnern an. Dadurch war diese Position für Athen dauernd gesichert649.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 564-567.
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