Sturz des Königtums in Kyrene

[601] Um die gleiche Zeit ist auch das Königtum in Kyrene gefallen. Da dasselbe, obwohl aus dem alten erblichen Stadtfürstentum hervorgegangen, nach den Revolutionen des 6. Jahrhunderts (Bd. III2 S. 625f. einen ähnlichen Charakter trägt wie die sizilische Tyrannis, werden wir seine Geschichte hier anreihen dürfen. Die demokratischen Formen in Kyrene hatte Arkesilaos III. um 525 beseitigt; seitdem konnten er und seine Nachfolger sich nur durch Gewalt behaupten trotz all ihrer Schätze und Einkünfte und trotz der Pflege adliger Künste und der Gastlichkeit. Sie hatten sich den Persern unterworfen (Bd. III2 S. 735; aber nach dem Scheitern der Angriffskriege gegen Griechenland schüttelten auch sie die fremde Oberherrschaft ab. Auf Battos IV. den Schönen, der zur Zeit der persischen Expedition gegen Barka (o. S. 151) [601] regierte709, folgte Arkesilaos IV. Wir kennen ihn und die Zustände in Kyrene fast nur durch die beiden Gedichte, mit denen Pindar seinen Wagensieg in Delphi im Jahr 462 besungen hat. Er hält ihm die rechte königliche Art vor; Arkesilaos ist der legitime, von den Göttern begnadete Herrscher, über sein Alter hinaus umsichtig – er war also noch jung und noch nicht lange auf den Thron gekommen. Er hat einen Aufstand bezwungen und Strafgerichte verhängt: aber jetzt soll er Gnade üben: »leicht ist die Stadt zu erschüttern auch für Schwächere; sie wieder auf ihre Stelle zu setzen ist schwer, wenn nicht ein Gott die Fürsten lenkt. Entschließe dich, dem gesegneten Kyrene allen Eifer zuzuwenden.« Er bittet, einem der Verbannten, Damophilos, die Rückkehr zu gewähren. – Arkesilaos hat, um seine Macht zu stärken, Ansiedler nach Euhesperides an der großen Syrte entsandt710, das also wieder unter kyrenäische Herrschaft gekommen sein muß (vgl. Bd. III2 S. 626; o. S. 151). Dazu hat er in Griechenland durch Euphemos Mannschaften anwerben lassen; nach dessen Tod übernahm des Königs Schwager Karrhotos, der bei den Pythischen Spielen seinen Wagen gelenkt hatte, die Führung. Auch einen Sieg in Olympia, den Pindar ihm wünscht, hat Arkesilaos noch im Jahr 460 gewonnen. Aber das Gebet um dauernden Schutz gegen alle Gefahren ging nicht in Erfüllung. Die Kyrenäer empörten sich, Arkesilaos suchte Zuflucht in Euhesperides, wurde aber hier erschlagen711. – Spätestens um dieselbe Zeit wird das Königtum auch in Barka gestürzt sein. Damit war, da das spartanische Königtum von den Alten mit Recht nicht als eine wirkliche Monarchie betrachtet wird, die monarchische Staatsform mit Ausnahme von Cypern aus der ganzen griechischen Welt geschwunden. – Zu dauerhaften Zuständen scheint die demokratische Gestaltung des Staats auch in Kyrene nicht geführt zu haben. Fast das einzige, was wir aus [602] dem nächsten Jahrhundert von ihm erfahren, ist ein Usurpationsversuch des Ariston (um 400 v. Chr.), bei dem 500 Vornehme umgebracht wurden. Er führte zu einem blutigen Bürgerkrieg, an dem auch flüchtige Messenier teilnahmen, bis schließlich die Überreste der dezimierten Parteien sich wieder vertrugen712.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 601-603.
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