Neue Spannung zwischen Athen und Sparta. Umtriebe des Alkibiades

[183] Währenddessen gingen die Verhandlungen zwischen Athen und Sparta über die Ausführung des Friedens weiter. Es ist begreiflich, daß die Athener zu vollem Frieden zu gelangen wünschten und deshalb von Sparta verlangten, es solle die Staaten, die sich fernhielten, vor allem Böotien, Korinth und die Chalkidier, zum Beitritt zwingen; als Korinth nach dem Vorgang Böotiens um den Abschluß einer Waffenruhe von zehn zu zehn Tagen nachsuchte, schlug Athen das ab: Korinth sei als Mitglied des peloponnesischen Bundes in den Frieden einbegriffen. Sparta erkannte die Berechtigung der Forderung an, es erklärte sich sogar bereit, im Notfalle mit Athen zusammen gewaltsam vorzugehen und vor allem Böotien zur Rückgabe des Grenzkastells Panakton und der attischen Kriegsgefangenen zu zwingen; aber es bat um Zeit, um zum Frieden zu gelangen. Noch bedenklicher war die Differenz um Amphipolis. Sparta erklärte sich außerstande, hier die Friedensbedingung zu erfüllen: es habe die Stadt nicht in der Gewalt, so daß es sie gebunden ausliefern könne; indem es seine Truppen aus Thrakien wegzog, habe es alles getan, was Athen billigerweise verlangen könne. [183] Die Folge war, daß auch Athen sich weigerte, Pylos und Kythera herauszugeben172. Darüber wurde lange verhandelt; schließlich willigte Athen ein, als Gegenleistung gegen die Räumung Thrakiens die Messenier und die flüchtigen Heloten aus Pylos wegzuführen – sie wurden in Kranion auf Kephallenia angesiedelt – und durch eine attische Garnison zu ersetzen.

So erhoben sich von allen Seiten neue Verwicklungen; es war die entscheidende Krisis der athenischen Politik. Formell war Athen mit seinen Forderungen zweifellos im Recht, und das erkannte Sparta an. Aber mit dieser Anerkennung hätte Athen sich begnügen sollen. Denn mit den Zusagen, die Sparta in dem Streben gemacht hatte, unter allen Umständen zum Frieden zu gelangen und seine Gefangenen zurückzuerhalten, hatte es Verpflichtungen übernommen, die es nicht erfüllen konnte. Ernsthaft war doch von ihm nicht zu verlangen, daß es Athen zu Gefallen seine alten Bundesgenossen mit Krieg überziehe und sich dadurch um den letzten Rest seines Ansehens in Hellas bringe; und wie hätte es, selbst wenn es bereit war, seine Ehre mit Füßen zu treten, die Chalkidier zum Frieden zwingen und gar eine volkreiche Stadt wie Amphipolis gebunden an Athen ausliefern können? Daß die Menge der Athener sich derartigen Illusionen hingab, ist begreiflich; es war die Aufgabe der leitenden Staatsmänner, dem entgegenzuwirken und die Forderungen auf ein vernünftiges Maß herabzudrücken. Daß Sparta die Berechtigung des athenischen Standpunktes anerkannte, war Gewinn genug; aber helfen konnte in Thrakien nur Athen sich selbst. Jetzt, wo Sparta die Hand von ihm abgezogen hatte, mußte es ein starkes Heer hinüberschicken und aus eigener Kraft die Rebellen niederwerfen; war es dazu nicht imstande, so sprach es damit selbst aus, daß es sein Reich nicht behaupten konnte. Aber nichts Derartiges geschah. Zwar die Belagerung von Skione wurde zu Ende geführt und nach dem von Kleon beantragten Beschluß (s.S. 125) die Männer abgeschlachtet, die Weiber und Kinder verkauft, die Stadt den Resten der Platäer [184] übergeben. Aber Amphipolis und die Chalkidier überließ man vollständig sich selbst, ja man duldete, daß sie noch im Jahre 421 Thyssos am Athos und Mekyberna bei Olynth eroberten; hier verlangte man von Sparta, daß dies Athen zu Gefallen tun solle, was Athen selbst zu tun keine Lust hatte. Deutlich spricht sich darin aus, wie sehr auch Athen sich erschöpft fühlte. Und in der Tat hatte es den Frieden mindestens so dringend nötig wie Sparta. In ganz anderer Weise als nach dem vorigen Kriege war die Bürgerschaft dezimiert und die Finanzen erschöpft – im Schatze auf der Burg lagen außer dem Reservefonds von 1000 Talenten nur noch etwa 700 Talente, die für weitere kriegerische Unternehmungen disponibel waren; die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, konnten nur durch eine längere Friedenszeit geheilt werden. Diese dem Staate zu schaffen, mußte die erste Aufgabe einer besonnenen Politik sein. Die neue Gestaltung der Verhältnisse im Peloponnes war für Athens Interessen so günstig wie möglich. Daß Athen sich für Sparta aufopfere, war nicht zu verlangen; aber die neue Freundschaft mit ihm sorgsam zu pflegen und dabei womöglich doch eine offene Feindschaft mit seinen Gegnern zu vermeiden, war sehr wohl erreichbar. Dann mußten die Dinge im Peloponnes von selbst zu einer Krisis treiben; die Gegner Athens mochten sich gegenseitig zerfleischen, während Athen ruhig zusah und nur seinen Interessen nachging. Und selbst eine direkte Unterstützung Spartas, wenn sie sich nicht vermeiden ließ, war besser als die Politik, die Athen in den nächsten Jahren verfolgt hat. Je kühler und vorurteilsloser es die Beziehungen zu den Mächten im Peloponnes behandelte, desto größer war der Gewinn, der ihm zuletzt zufallen mußte.

Eine derartige Politik erforderte freilich einen Staatsmann, der die Entwicklung so klar vorausschauen und in jedem Moment die richtige Maßregel zu ergreifen vermochte wie Themistokles und zugleich die Massen so fest in der Hand hielt wie Perikles. Dazu war Nikias nicht der Mann, und die ihm zur Seite standen, ebensowenig. Nikias war ein tüchtiger Offizier und ein geschickter Diplomat; aber zum leitenden Staatsmann in einer großen Krise war er nicht geschaffen. Er war nicht besonnen, sondern ängstlich; sein eigenes Interesse, die Wahrung seines so mühsam gewonnenen [185] Ansehens war ihm die Hauptsache; die Friedenspolitik war für ihn ein Ergebnis seiner Stellung und seiner persönlichen Wünsche, nicht einer staatmännischen Erkenntnis; die Wucht einer überlegenen Persönlichkeit konnte er der Menge nicht entgegenwerfen. So vertrat er wohl eine vernünftige Politik, aber sie durchzusetzen war er nicht imstande. Trotzdem hätte er vielleicht, nach dem Zusammenbruch der Kriegspartei, Athen in den richtigen Bahnen festhalten können – einem Gegner wie Hyperbolos war er immer noch gewachsen –, wäre nicht jetzt ein übermächtiger Rivale auf den Plan getreten. Alkibiades hatte inzwischen das Alter erreicht, das ihn zu einer selbständigen politischen Rolle befähigte; im Frühjahr 420 wurde er zum ersten Male zum Strategen gewählt. Während des Krieges hatte er sich eine Zeitlang den Radikalen angeschlossen und z.B. bei der Erhöhung der Tribute mitgewirkt. Dann aber, als Kleon ans Regiment kam, war er zur Opposition übergangen, hatte sich eifrig um die spartanischen Gefangenen bemüht und die spartanische Proxenie wieder aufgenommen, die sein Großvater aufgegeben hatte (s.S. 49). Er hatte gehofft, die Spartaner würden sich bei den Friedensverhandlungen in erster Linie an ihn wenden; aber natürlich hatten diese vorgezogen, mit Nikias und Laches zu verhandeln, und dadurch deren Stellung weiter gestärkt. Wollte Alkibiades zur Herrschaft gelangen, so mußte er zunächst den jetzigen Leiter des Staates stürzen; und überhaupt waren für ihn jetzt, wo Frieden war, die Aussichten gering, nur im Kriege konnte sein Gestirn aufsteigen. So ist er, der in anderen Zeiten ein zweiter Themistokles hätte werden können – an Begabung kam er ihm vielleicht gleich –, der Mann geworden, der den Untergang seiner Heimat und ihres Reiches herbeigeführt hat. Denn für ihn, den echten Jünger der Sophistenzeit, gab es gar kein anderes Ziel als ein rein persönliches. Gewissensbedenken kannte er nicht: Treu und Glauben waren ihm und seinen Gesinnungsgenossen nichts als ein Blendwerk für die Dummen. Wohl fühlte er sich imstande, Athen noch größer zu machen als sein Oheim; aber die Vorbedingung war, daß er herrsche, und um diese Herrschaft zu begründen, war ihm jedes Mittel recht. So verband er sich jetzt zum zweiten Male mit Hyperbolos und den Resten der kleonischen [186] Partei und begann aufs neue ein wildes Kriegstreiben. Die Ziele, die sich nur im Frieden erreichen ließen, die innere Neukräftigung des attischen Reiches stellte er als gering, die Friedenspolitik Nikias' als schwächlich und verächtlich hin. Statt mit dem hinterhaltigen und wortbrüchigen Sparta zusammenzugehen, sollte Athen mit Argos und den Sonderbündlern abschließen und mit ihnen zusammen Sparta vollends niederwerfen; war das erreicht, so hatte Athen die Herrschaft über Hellas gewonnen, und dann ergab sich alles andere von selbst. So nahm Alkibiades die Politik wieder auf, die vor mehr als 50 Jahren Themistokles gefordert hatte. Aber damals war Athen, nach herrlichen Siegen, im Vollbesitz seiner Kraft; jetzt war es durch einen langwierigen Krieg und eine verheerende Seuche militärisch und finanziell erschöpft. Indessen je länger Sparta mit der Ausführung der Friedensbedingungen zögerte, desto schwieriger wurde Nikias' Position, desto mehr Erfolg hatten die Angriffe des Alkibiades und Hyperbolos. Der Hader der Parteien und mit ihm das Schwanken der attischen Politik begann von neuem; so ist es gekommen, daß Athen alle Früchte des Krieges und allen Gewinn, den die Situation bot, verloren hat.

Das Verhalten Athens bewirkte, daß auch in Sparta die Kriegspartei in die Höhe kam. Die Allianz mit Athen brachte den Gewinn nicht, den man von ihr erhofft hatte: von Athen bekam man nichts als Rekriminationen, erhielt aber die besetzten Punkte des eigenen Gebietes nicht zurück; und dafür ging der peloponnesische Bund aus den Fugen. Kein Wunder, daß die Bürgerschaft sich abwandte von den Männern, die einen so ungeschickten Frieden geschlossen hatten. Im Herbst 421 gelangten Kleobulos und Xenares, zwei entschiedene Gegner der bisherigen Politik, ins Ephorat. Das neue Kollegium berief noch einmal einen Kongreß von Gesandten aus Athen, Böotien und Korinth nach Sparta; aber auch diesmal verliefen die langen Verhandlungen ohne Ergebnis. Und nun begann ein verwickeltes Spiel diplomatischer Intrigen, derselben Art, wie es das moderne Europa im 17. und 18. Jahrhundert und auch in unseren Tagen sooft gesehen hat. Losschlagen wollte keiner der Staaten: aber jeder fühlte sich in seiner Unabhängigkeit bedroht, und jeder mißtraute jedem anderen aufs höchste. Fest zusammen [187] standen nur Argos, Mantinea und Elis, die womöglich Sparta stürzen und alle Verhältnisse im Peloponnes umgestalten wollten. Eben des halb mochte Korinth nicht weiter mit ihnen zusammengehen, als für seine Deckung dringend notwendig war; und noch weniger wagten die Böoter den Halt preiszugeben, den sie von Sparta auch jetzt noch erhofften, wenn der Krieg mit Athen wieder offen ausbrechen sollte. Sparta aber wollte unter allen Umständen zunächst auf friedlichem Wege Pylos wiedergewinnen und deshalb die Böoter zu Konzessionen an Athen veranlassen, außerdem aber, wenn irgend möglich, den drohenden Krieg mit Argos vermeiden, der in sicherer Aussicht stand, wenn Athen, wie Alkibiades forderte, von Sparta auf die Seite von Argos hinübertrat. Deshalb verhandelten die Ephoren Kleobulos und Xenares insgeheim mit Korinth: dies solle Böotien zum Eintritt in den argivischen Defensivbund bringen, dann werde auch Sparta durch Böotiens Vermittlung dem beitreten können; außerdem sollten die Böoter Panakton an Sparta ausliefern, damit dies es den Athenern als Äquivalent für Pylos zurückgeben könne. Die Korinther und die Böotarchen gingen um so mehr darauf ein, da auch zwei hohe argivische Beamte, die in den hochfliegenden Plänen des Volkes mit vollem Rechte Utopien sahen, ihnen denselben Wunsch aussprachen. Das schien für Böotien so günstig wie möglich; die Böotarchen beantragten, zunächst mit Korinth, Megara und den Chalkidiern eine Defensivallianz abzuschließen und dann geschlossen in den argivischen Bund einzutreten. Aber die Räte Böotiens (Hell. Ox. 11,2) lehnten den Plan ab; sie übersahen die komplizierten Verhältnisse nicht genügend und fürchteten dadurch in Konflikt mit Sparta zu gelangen. So mußte Sparta den Böotern einen Schritt weiter entgegenkommen: es schloß im Frühjahr 420 mit ihnen eine Defensivallianz desselben Inhalts wie der Vertrag mit Athen und erhielt darauf Panakton und die attischen Kriegsgefangenen ausgeliefert, um sie Athen zu übergeben. Vorher aber hatten die Böoter die Festungswerke von Panakton geschleift. Die Folge war, daß nun Argos sich bedroht und isoliert fühlte; jetzt stand Sparta mit Athen und Böotien im Bunde, und beide waren verpflichtet, ihm Hilfe zu leisten, wenn es angegriffen würde. Daß der Vertrag zwischen Sparta und Böotien ohne [188] Vorwissen Athens geschlossen sei, wußte man noch nicht. Daher begannen die Argiver schleunigst Verhandlungen mit Sparta und erklärten sich bereit, die Entscheidung der Differenz wegen Kynuria auf eine günstigere Zeit zu vertagen, wenn die Umstände ein Gottesurteil durch einen Waffenkampf gestatteten, einstweilen aber den Frieden von 450 auf weitere dreißig Jahre zu verlängern. Ehe jedoch der Vertrag ratifiziert war, erhielten sie durch Alkibiades Kunde, daß Athen bereit sei, auf ihre Seite überzutreten.

Alkibiades und der athenischen Kriegspartei konnte die bisherige Entwicklung nur willkommen sein. Alle Versuche Spartas, zu einem dauerhaften Frieden zu gelangen, waren in ihren Augen nur ebenso viele Verletzungen der gegen Athen übernommenen Verpflichtungen. Dem Wortlaut des Vertrages entsprechend hatte Sparta (abgesehen von der Rückgabe der Gefangenen) keine einzige der Bedingungen erfüllt: Amphipolis hatte es überhaupt nicht ausgeliefert, Panakton übergab es geschleift, und jetzt hatte es gar den Böotern, statt sie zum Frieden zu zwingen, ein Schutzbündnis gegen etwaige Angriffe Athens gewährt, entgegen all seinen Versprechungen und in offenkundiger Verletzung des Bündnisses mit Athen. Denn Athen lag noch mit Böotien im Kriege, dieses hatte attisches Gebiet besetzt (eben Panakton): also durfte keiner der beiden alliierten Staaten einseitig einen Vertrag mit ihm schließen. In Sparta wußte man das sehr wohl. Allerdings hatte man den Vertrag nur geschlossen, um Böotien zum Frieden mit Athen zu bringen und zugleich für Panakton Pylos zu erhalten; aber den Makel unehrenhaften Verfahrens hatte man dadurch auf sich geladen, und Alkibiades säumte nicht, ihn nach Kräften auszunützen. Die Spartaner schickten eine Gesandtschaft unter Führung von Philocharidas, der schon die Verhandlungen von 423 und 421 geführt hatte, und Endios nach Athen mit der Vollmacht, Athen für die Rückgabe von Pylos jede ihnen zulässig erscheinende Konzession zu gewähren; aber sie ließen sich durch eine plumpe List des Alkibiades, der ihre Sache durchzusetzen verhieß, wenn sie ihm folgten, dazu verleiten, entgegen ihren Erklärungen vor dem Rat in der Volksversammlung abzuleugnen, daß sie zu sofortigem Abschluß im Namen Spartas bevollmächtigt seien. Damit hatte Alkibiades[189] gewonnenes Spiel; er konnte dem Volk die völlige Unzuverlässigkeit Spartas vordemonstrieren. Die betrogenen Gesandten wurden mit Hohn abgewiesen, die Verhandlungen mit Argos aufgenommen. Man erklärte, wenn Sparta auf eigene Hand einen Vertrag mit Athens Feinden schließe, sei dies dazu ebenso berechtigt. Alles was Nikias durchsetzen konnte, war, daß er noch einmal nach Sparta geschickt wurde – das zeigt, wie stark doch auch jetzt noch die Friedensstimmung war; ohne das gewissenlose Spiel des Alkibiades hätte sich die Majorität vielleicht bei einer besonnenen Politik festhalten lassen. Aber in Sparta konnte Nikias jetzt nichts weiter erreichen, als daß die Verträge mit Athen neu beschworen wurden; die Forderung dagegen, den Vertrag mit Böotien aufzuheben, wurde auf Betreiben des Xenares und seiner Anhänger abgelehnt. Die Folge war, daß Athen den Vertrag mit Argos, Mantinea und Elis abschloß. Es war zunächst eine Defensivallianz wie die mit Sparta, deren Bestimmungen zum Teil wörtlich wiederholt, zum Teil betreffs der eventuellen Hilfeleistung weiter ausgeführt wurden; nur wurde, um den Vertrag mit Sparta zu übertrumpfen, die Dauer des neuen Bundes gleich auf hundert Jahre festgesetzt (Sommer 420)173.

Die nächste Folge dieses Vertrages war, daß Korinth, froh über die Sprengung der Beziehungen zwischen Sparta und Athen, sein Verhältnis zu Argos lockerte und, trotz aller Gegegenvorstellungen der Argiver, zu Sparta zurücktrat. Die natürliche Gruppierung der Mächte, wie sie sich seit 460 gestaltet hatte, stellte sich [190] wieder her. Auf der einen Seite standen die demokratischen Staaten, Athen und Argos, verstärkt durch das aufstrebende Mantinea und Elis, auf der anderen die konversativen, aufs neue um Sparta geschart. Jede der beiden Gruppen lehnte den Gedanken an Krieg und Eroberung von sich ab; sie waren nur durch Schutzbündnisse geeinigt und erklärten, sich lediglich gegen die Intrigen der Gegner decken zu wollen. Bestand doch auch noch immer neben den großen Bünden der Schutzvertrag zwischen Sparta und Athen und der zwischen Argos und Korinth. Den Peloponnesiern, vor allem den Spartanern und Korinthern, war es Ernst mit der Friedenspolitik; zu sehr hatten sie durch den letzten Krieg gelitten. Sparta hatte genug zu tun, seine dezimierte Bürgerschaft zu kräftigen und sein erschüttertes Ansehen bei den Bündnern wiederherzustellen. Die rückgekehrten Gefangenen aus Athen waren nach den strengen Vorschriften der spartanischen Disziplin bürgerlich tot, unfähig Ämter zu bekleiden, zu kaufen und zu verkaufen. Daran hat man auch nach anfänglichen Bedenken festgehalten und sie erst nach Jahren wieder in ihre Ehren eingesetzt. Die 700 Heloten des Brasidas, die sich im Felde so wacker bewährt hatten, wurden freigelassen und sollten mit Land ausgestattet werden, ebenso die kleine aus ehemaligen Heloten gebildete Truppe der »Neubürger« (Neodamoden, s.S. 117f.). Den Übermut Mantineas hatte man bereits 421 ohne Krieg gezüchtigt; jetzt wollte man in ähnlicher Weise Elis bedrohen und siedelte sie daher in Lepreon an, um dies gegen Elis in seiner Unabhängigkeit zu schützen (s.S. 129)174. Die Elier wagten so wenig zu den Waffen zu greifen wie die Mantineer; aber weil die Besetzung des von ihnen beanspruchten Ortes und eines benachbarten Kastells schon in die Zeit des olympischen Gottesfriedens (Aug. 420) gefallen sei, verurteilten sie die Spartaner in eine schwere Geldbuße und schlossen sie, als sie nicht zahlen wollten, von den Spielen aus. Allgemein erwartete man während des Festes einen Überfall, zumal bei demselben ein reicher Spartaner, Lichas, schwer insultiert wurde; so zogen die Elier Hilfstruppen aus Argos, Mantinea, [191] Athen heran. Aber Sparta hielt sich ruhig; es war zufrieden, sein nächstes Ziel erreicht zu haben. – Bedenklicher war, daß ihm während des Winters die mit so großen Hoffnungen gegründete Kolonie Heraklea Trachinia verlorenging. Sie erlitt schwere Verluste durch die von Thessalien unterstützten Nachbarn – auch der gewesene Ephor Xenares, jetzt Gouverneur der Stadt, fand dabei den Tod – und wurde schließlich, damit sie nicht Athen und seinen Verbündeten in die Hände falle, von den Böotern besetzt, die Xenares' Nachfolger auswiesen. Den Thebanern war die Festsetzung Spartas an dieser Stelle offenbar niemals willkommen gewesen, da sie sich dadurch in der Aussicht auf eine Expansion nach Norden beengt fühlten. Durch die Okkupation Herakleas entstand neue Spannung zwischen Sparta und Böotien; aber Sparta konnte einstweilen nicht daran denken, etwas zur Wiedergewinnung der Position zu unternehmen175.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 4/2, S. 183-192.
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