Die Nachfolger Thutmosis' III.

Das Reich unter Amenophis III.

[146] Thutmosis III. ist um 1450, gegen Ende des 54. Jahres seiner offiziellen Regierung, am letzten Phamenot (März), gestorben. Der Tod des großen Kriegsfürsten gab das Signal zu einem Aufstande in Syrien. Aber sein Sohn Amenophis II. [146] hatte den kriegerischen Geist seines Vaters geerbt; er rühmt, daß weder in seinem Heere noch unter den Fürsten Syriens ein einziger imstande sei, seinen Bogen zu spannen. Im Frühjahr des nächsten Jahres282 zog er gegen die Rebellen, eroberte die Stadt Šamš-edom in Palaestina, unterwarf das Libanongebiet, und zog über den Orontes zum Euphrat. Ernstlichen Widerstand wagte man nirgends; »die Fürsten von Mitani kamen mit ihren Abgaben auf dem Rücken zu ihm, um von ihm den Lebensatem zu erflehn, ein großes Ereignis, wie man es seit der Götterzeit nie gehört hat«. Als er auf dem Rückmarsch an Neje vorbeizog, »standen alle Asiaten dieser Stadt, Männer und Weiber, auf der Mauer, ihn zu verehren«. Die Stadt 'kt, vielleicht Schreibfehler für Ugarit, die versucht hatte, die ägyptische Garnison zu überwältigen, wurde gezüchtigt; im Bezirk von Tachas in Coelesyrien (o. S. 132) erschlug er vor Amon sieben rebellische Fürsten, deren Leichen, wie die des Trogodytenhäuptlings unter Thutmosis I. (o. S. 79), am Bug des Königsschiffes mit dem Kopf nach unten mitgeführt, sechs an der Mauer von Theben, eine an der von Napata in Nubien aufgehängt wurden. Außer reicher Beute wurden 550 Marjanni mit ihren Weibern nach Ägypten gebracht283.

[147] Von weiteren Feldzügen Amenophis' II. hören wir nichts, obwohl er lange, etwa bis 1415, regiert zu haben scheint284. In diese Zeit fällt ein neues Vordringen des Mitanireichs nach Nordsyrien (s.u. S. 157f.), gegen das die Ägypter nichts Ernstliches unternommen zu haben scheinen; vielmehr ist ein Friedens- und Freundschaftsvertrag mit diesem Reich geschlossen worden, der die Grenze regelte. Amenophis' II. Sohn Thutmosis IV. ist dann noch einmal nach Nordsyrien (Naharain) gezogen und hat die Tribute in Empfang genommen, aber offenbar mit Mitani Frieden gehalten. Die rebellische Stadt Gazer in Palaestina hat er besiegt und hier in der Festung Choriter angesiedelt. In seinem [148] 8. Jahr hat er einen Aufstand der Neger in Uauat niedergeworfen. Auf seinem uns erhaltenen Wagenkasten285 ist dargestellt, wie er auf dem Streitwagen mit Pfeil und Kriegsaxt oder als Königslöwe alle Feinde niederwirft; als bezwungen sind, mit scharf erfaßten Porträtköpfen (vgl. o. S. 103), dargestellt Naharain, Sinear, Tunip, die Šos-beduinen, Qadeš und Tachas sowie sechs Negerstämme.

Thutmosis IV. ist in jungen Jahren gestorben286; ihm folgte sein Bruder Amenophis III., der 36 Jahre lang, ca. 1405 bis 1370, das Weltreich beherrscht hat. Der einzige Feldzug, der in seinen zahlreichen Inschriften erwähnt wird, ist sein »erster Siegeszug«, ein Feldzug nach Kusch im 5. Jahre seiner Regierung – auch das zeigt, wie friedlich die Zeiten gewesen sind. Zur Zeit des höchsten Wasserstandes, im[149] Oktober, in den sein Krönungsfest fiel, fuhr er mit der Flotte nach Nubien. Die Gefechte, bei denen etwas über 1000 Neger erschlagen oder gefangen wurden, werden in üblicher Weise als glänzende Siege geschildert. Er wird auch in einige der schwer zugänglichen Täler zur Seite des Flusses eingedrungen sein, in denen die räuberischen Wüstenstämme immer von neuem versuchten, sich den Ordnungen des Kultur staats zu entziehn. Aber wenn der König sich rühmt, »er habe seine Grenze so weit gesetzt wie er wollte bis zu den vier Pfeilern des Himmels«, so ist er doch im Niltal schwerlich über Napata hinaus in die unzugänglichen Gebiete des vierten Katarakts vorgedrungen; nirgends findet sich hier eine Spur ägyptischer Herrschaft, die Südgrenze des Reichs ist auch unter ihm die Landschaft Kari.

Die asiatischen Länder hat Amenophis III. niemals betreten, trotz seines Rühmens, daß er Rezenu und Naharain mit seinem Schwerte niederschlage; und ebensowenig Wert hat es, daß er, wie seine Vorgänger, unter den untertänigen Gebieten (unter denen auch die Stämme von Libyen und Kusch sowie Punt nicht fehlen) neben den Namen aus Syrien und Naharain auch Sinear, Assur und Arrapcha und sogar die Kafti aufzählt287 – natürlich auf Grund der Geschenke, die im diplomatischen Verkehr mit diesen Staaten ausgetauscht wurden. Das wahre Bild zeigt ein an ihn gerichteter Brief des Fürsten von Byblos (Amarna 85, 69), der ihn dringend bittet, selbst zu kommen und den Übergriffen des Amoriterfürsten Abdaširta ein Ende zu machen: »seit dein Vater aus Sidon heimgekehrt ist, seit diesen Tagen haben die Länder sich an die Beduinen (Gaz) angeschlossen«. Danach ist Thutmosis IV. in dieser Epoche der letzte Pharao gewesen, der persönlich in Syrien eingegriffen hat.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 146-151.
Lizenz:
Kategorien: