Der Thronwechsel in Ägypten. Fortgang der Wirren in Syrien

[356] Bald darauf ist Amenophis' III. Regierung in seinem 36. Jahre zu Ende gegangen. Dušratta sandte ihm, offenbar um ihm Genesung zu bringen, das Kultbild der Istar von Ninive, der »Herrin der Lande«, die selbst verkündet hatte, sie wolle nach Ägypten ziehn, »dem Lande, das ich liebe«. »Möge Istar, die Herrin des Himmels668, meinen Bruder und [356] mich beschützen und hunderttausend Jahre uns große Freude uns beiden geben!« – Wünsche, wie sie in den ägyptischen Königsinschriften immer wieder ausgesprochen und von den Göttern zugesagt worden.

Die Erfüllung hat auch Istar nicht zu gewähren vermocht. An den Thronerben Amenophis IV. senden dann sowohl Subbiluljuma wie Dušratta Schreiben mit der Bitte um Fortsetzung der alten Freundschaft und Überweisung der vom Vater versprochenen Geschenke. Dem Mitanikönig mußte alles daran liegen, die Verbindung mit Ägypten zu festigen; immer von neuem versichert er seine Anhänglichkeit und Liebe – »Chanigalbat und Ägypten sind eins« –; er wendet sich zugleich an die Königin Teje, die die Beziehungen zwischen beiden Reichen genau kenne, damit sie bei ihrem Sohn ihren Einfluß geltend mache. Aber Amenophis IV. blieb spröde, trotz der Rücksicht, die er auf seine Mutter nahm669; er hat zwar die Taduchepa aus dem Harem seines Vaters in den eigenen übernommen, aber die Hoffnung auf viel Gold nicht erfüllt: statt der vom Vater versprochenen Gottesbilder aus purem Gold, besetzt mit Lasursteinen, schickte er nur mit Gold überzogene Holzbilder. Die Boten aus Mitani hielt er lange Zeit an seinem Hofe fest670. Der kriegerische Geist seiner Ahnen war schon in seinem Vater völlig erloschen, sein Interesse aber ganz anderen Aufgaben zugewandt; so blieben ihm die Vorgänge in Asien gleichgültig, und er hat sie im Grunde gehn lassen, wie sie wollten.

Beiden Pharaonen sind offenbar die fortwährenden Klagen aus Syrien und vor allem die dringenden Mahnungen Ribaddis unbequem und lästig gewesen671. Man mochte am Hofe denken, [357] daß diese Zänkereien zwischen den Dynasten herkömmlich seien und ein jeder selbstsüchtige Absichten verfolge, ja daß im Grunde durch ihre Rivalität die ägyptische Oberhoheit nicht gefährdet, sondern eher sicher gestellt werde. Auch haben die Beschuldigten sich nicht etwa offen als Rebellen erklärt, sondern schrieben an den Pharao und seine Beamten als loyale Untertanen, die ihnen von den Gegnern gemachten Vorwürfe seien böswillige Verleumdungen. Aitaqama von Kinza (Qadeš) behauptet, Namjawaza habe die Händel angefangen und seine Ortschaften niedergebrannt; er dagegen habe ihm die Landschaften Tachas und Ubi wieder entrissen und unter dem Schutze »deiner Götter und deiner Sonne an den König, meinem Herrn, zurückgebracht«. Da jeder der beiden Dynasten Nomadenscharen in seinem Dienst hatte, kann jeder dem anderen vorwerfen, dieser übergebe das Land den Chabiri, während er selbst diese wieder verjage672. Nicht anders äußern sich später Zimrida673 und Aziru, der sein Vorgehn gegen Simyra damit verteidigt, daß man ihn dort nicht eingelassen habe674, und um Schutz gegen den drohenden Angriff des Chetiterkönigs bittet; damit wird er auch die Besetzung von Tunip gerechtfertigt haben675. Auch war es ja keineswegs die[358] Absicht dieser Dynasten, nun etwa die ägyptische Oberhoheit mit einer anderen zu vertauschen; sondern sie benutzen die politische Lage, um ihren Machtbereich gegen die Rivalen möglichst auszudehnen, verwenden dazu die Truppen, die sie von den Beduinen beziehn, und halten sich in den Verhandlungen mit den Ägyptern wie mit dem Chetiterkönig den Weg nach beiden Seiten offen.

Schließlich hat man sich in Ägypten doch noch zu einem Einschreiten aufgerafft, wie es scheint, eben um die Zeit des Thronwechsels676. Die Oberleitung der asiatischen Angelegenheiten am Hof lag in den Händen Janchams, um dessen Wiederentsendung mit einem Heer Ribaddi und andere immer von neuem bitten. Er selbst ist freilich zunächst noch in Ägypten geblieben677; aber nach Syrien wird ein Heer entsandt, wie es scheint unter Führung des Pachor678. An alle Vasallen ergeht der Befehl, dafür Truppen und Lebensmittel bereit zu halten, und nicht nur zahlreiche kleinere Dynasten [359] erklären ihren Gehorsam679, sondern ebenso Aitaqama sowie Arzawija von Ruchizi680.

Zu bedeutender Wirkung hat freilich auch dies Eingreifen nicht geführt. Vielmehr ist eben um die Zeit des Thronwechsels Simyra dem Aziru übergeben worden; der Kommandant Pawaru, den Ribaddi vergeblich gewarnt hatte, wurde erschlagen681. So geriet Ribaddi vollends in dieselbe Lage, wie zur Zeit Abdaširtas. Nicht besser erging es dem Abimelek von Tyros; zwar ein Angriff Zimridas von Sidon im Bunde mit Aziru und Arados auf die Festung selbst wurde abgeschlagen, aber Uzu (Palaetyros) auf dem Festlande hat Zimrida besetzt und so der Inselfestung das Trinkwasser und den Bezug von Holz abgeschnitten und die Bestattung der Toten unmöglich gemacht682. Ribaddi hielt allen Mahnungen seiner Familie zur Versöhnung mit Aziru gegenüber an dem Vertrauen auf ägyptische Hilfe fest, und als seine Untertanen, deren Bedrängnis stetig anwuchs, in dem Glauben, diese werde niemals kommen, sich empörten, hat er den Aufstand blutig niedergeschlagen. Schließlich aber blieb ihm kein anderer Ausweg, als nach Berytos zu dessen König Ammunir (Chammunir) zu gehn, um von dort Hilfe zu holen. Da hat ihm,[360] unter Führung seines Bruders, Byblos die Tore verschlossen und ist zu Aziru übergetreten. »Was seit Ewigkeit nicht geschehn ist, unsere Götter sind aus der Stadt ausgezogen.« Aus seinem Exil sandte der alte Mann, dessen Familie in den Händen seiner Feinde war, immer wieder flehentliche Briefe an den Pharao, in denen er den Reichtum und die Bedeutung von Byblos für Ägypten betont; er schickte seinen Sohn an den Hof, aber schon vier Monate lang ist er dort festgehalten, ohne daß er das Antlitz des Königs gesehn hat683. Nicht minder dringend sind die Hilfsgesuche des Abimelek von Tyros. Endlich erhalten er und Ammunir von Berytos die Ankündigung, daß ein ägyptisches Heer eintreffen wird, und halten sich bereit, es aufzunehmen. Damit brechen diese Briefe ab684. Aus einem späteren Schreiben des Pharao an Aziru erfahren wir, daß Ribaddi, der sich vergeblich an diesen gewandt hatte und schließlich nach Sidon gegangen war, – offenbar hat er in Verzweiflung über seine Lage ein Abkommen mit seinen Gegnern gesucht, das ihm die Rückkehr nach Byblos ermöglichen sollte – hier von Aziru seinen Feinden ausgeliefert und getötet ist685.

Diese Vorgänge haben sich offenbar über mehrere Jahre erstreckt. Wie weit dabei ein Eingreifen einerseits Mitanis, andrerseits der Chetiter mitgewirkt hat, läßt sich nicht erkennen. Nach Subbiluljumas Darstellung hat Dušratta den [361] Frieden mit ihm aufs neue durch Kriegszüge nach Nordsyrien – das die Chetiter als von Rechts wegen ihnen gehörig betrachteten – gebrochen und dabei den König Sarrupsa von Nuchasse verjagt. Der Chetiterkönig hat diesem Unterstützung zugesagt und ihm, wie es scheint, auch einige Truppen gesandt, aber weiter zunächst nicht eingegriffen686. In den nächsten Jahren regieren hier mehrere Könige gemeinsam, die auch mit dem ägyptischen Gesandten wieder in Verbindung stehn687; auch Aitaqama von Kinza und Aziru treten jetzt unter die ägyptische Oberhoheit zurück. In den Amarnabriefen wird ein Eingreifen Mitanis in dieser Zeit nie erwähnt688; trotzdem ist wohl anzunehmen, daß ein von Dušratta im Bunde mit Ägypten ausgeübter Druck diesen Wandel herbeigeführt hat.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 356-362.
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