Die Aufstände unter Amenophis III. Erstes Eingreifen Mitanis und der Chetiter

[347] Die ältesten Nachrichten über das Vordringen der Chabirî erhalten wir durch die Briefe des Fürsten von Byblos Rib 'addi (Ribhadad) an den Pharao. Immer von neuem klagt er, daß diese Kriegerscharen Byblos bedrängen und in Not bringen, so daß Lebensmittel aus dem Delta beschafft werden müssen und Gefahr besteht, daß dies ganze Gebiet dem Pharao verloren geht. »Seit dein Vater aus Sidon heimgekehrt ist,« schreibt er einmal an Amenophis III.641, »seit diesen Tagen haben sich die Länder den Chabirî zugewandt, daher habe ich nichts (kann ich nichts ausrichten).« Diese Äußerung zeigt, daß die Bewegung die ganze Regierungszeit Amenophis' III. erfüllt hat. Einmal ist Byblos durch Pachamnata, den Kommandanten von Simyra (Şumur) und Statthalter (rabiş) des Pharao, gerettet worden; aber jetzt ist auch Simyra selbst bedroht642. Hier hat der Amoriterhäuptling Abdaširta643 eingegriffen. In einem Rechtfertigungsschreiben an Pachamnata, »seinen Herrn«, der also damals mit seinen Truppen abwesend war, berichtet er, daß Krieger aus dem [347] (sonst nie erwähnten) Orte Šechlal Simyra überfallen hätten; da sei er von 'Arqa (Irqat) aus herbeigeeilt, habe Stadt und Palast aus ihren Händen gerettet und bitte jetzt um Entsendung von Truppen. Ebenso erklärt er dem König, daß er das ganze Amoriterland, Ullasa und Simyra für ihn schirme644. Aber diese Loyalität ist nur Maske; in Wirklichkeit ging er darauf aus, sich, wenn auch unter der Oberhoheit des Pharao, in den Besitz des ganzen Küstengebiets zu setzen. Daher tritt er in enge Verbindung mit den Kriegerscharen der Chabiri, während er zugleich die Bevölkerung der Ortschaften gegen die Stadtherren, die Vasallen der Ägypter, aufhetzt. In mehreren Orten, so in Ambia und 'Arqa, ist sie diesen Lockungen gefolgt und hat die Fürsten erschlagen; auch Ribaddi von Byblos wurde bei einem Mordanfall schwer verwundet. Er geriet in schwerste Bedrängnis, eine der Ortschaften seines Gebiets nach der anderen wurde ihm entrissen, schließlich auch Batrun (Botrys) im Norden von Byblos645. Durch immer erneutes Drängen erreicht er schließlich, daß der König den Amanappa (d.i. Amenope, [348] Amenophis), der früher Regent der Provinz gewesen war, jetzt aber am Hofe lebte, mit einer kleinen Truppenschar entsendet646. Dieser scheint auch wirklich nach Simyra gekommen zu sein, konnte sich aber hier nicht behaupten647; sein Erscheinen bewirkt vielmehr nur, daß Abdaširta und die Chabirî ihre Angriffe umso nachdrücklicher gegen Byblos als die Hauptstütze der ägyptischen Herrschaft richten (79). Auch Zimrida von Sidon ist auf die Seite Abdaširtas getreten648, was ihn ebensowenig wie diesen hindert, an den Pharao und seine Beamten loyale Briefe zu schreiben und um Hilfe gegen die Chabiri und Entsendung eines Heeres zu bitten. Der Fürst von Tyros dagegen wurde erschlagen, und mit ihm die Schwester Ribaddis und ihre Kinder, die sich hierher geflüchtet hatten649. Man sieht, wie die Notlage die Dynasten zwingt, nach beiden Seiten Verbindung zu suchen, wenn sie nicht untergehn wollen. Byblos schwebte drei Jahre lang (85, 8f. 86, 38) in äußerster Bedrängnis, zumal auch die Verproviantierung vom Delta aus nur nachlässig betrieben wurde. [349] Ribaddi klagt, daß die Bewohner ihre Habe und ihre Kinder hergeben müssen, um damit ihr Brot zu bezahlen: »Mein Feld ist wie eine Frau ohne Gatten, weil die Bestellung fehlt.« Schließlich droht er, wenn er keine Antwort erhalte oder in zwei Monaten kein Heer eintreffe, werde er entweder gleichfalls sich mit Abdaširta verbünden oder mit seinen Leuten abziehn und so sein Leben retten (82, 83). Das hat gewirkt. »Als Abdaširta Simyra besetzt hatte«, schildert Ribaddi später den Hergang, »und ich die Stadt auf eigene Faust schirmte, aber keine Besatzungstruppe bei mir war, da schrieb ich dem König meinem Herrn, und ein Heer zog aus und nahm Simyra«650. Der Führer des Heeres war Jancham651, der Vertrauensmann des Königs für die syrischen Lande. Abdaširta scheint sich gefügt und seinen Frieden mit Ägypten gemacht zu haben652; Simyra mußte er diesem wieder überlassen und sich auf das Amoriterland beschränken.

In diese Wirren haben nun aber auch die Nachbarreiche eingegriffen, Mitani und die Chetiter. In den Briefen ist davon immer nur in kurzen, oft unverständlichen Andeutungen die Rede. So schreibt Ribaddi, als er schon in großer Bedrängnis ist, daß der Chetiterkönig Eroberungen gemacht hat653. Ein unbekannter Dynast berichtet, daß der König von [350] Mitani mit seinen Streitwagen und Truppen ausgezogen ist; und durch Ribaddi erfahren wir, daß der Mitanikönig bis Simyra vorgerückt war und nach Byblos ziehn wollte, aber durch Wassermangel zur Umkehr genötigt wurde; dabei wurde das Amoriterland ausgeplündert654. Damit werden wir verbinden dürfen, daß Dušratta von Mitani, als er nach seiner Thronbesteigung und Beseitigung der Mörder seines Bruders die Freundschaft seines Vaters mit Amenophis III. erneuert, diesem schreibt, die Chetiter hätten sein Land angegriffen, er aber habe sie besiegt, und ihm aus der Beute ein Zweigespann, einen Knaben und ein Mädchen als Geschenk sendet (17,30ff.). Mit eben diesem zeitweiligen Erfolge Dušrattas beginnt der Chetiterkönig Subbiluljuma die Skizze der Vorgänge in der Einleitung des Vertrags, den er später mit Dušrattas Sohn geschlossen hat. Offenbar hat Dušratta den Krieg mit den in Nordsyrien vordringenden Chetitern benutzt, um als Verbündeter der Ägypter, wenn auch mit der Nebenabsicht, seine Machtstellung zu erweitern, weiter im Süden einzugreifen; Abdaširta dagegen wird in Verbindung mit den Chetitern gestanden haben655.

Das Eingreifen des ägyptischen Heers unter Jancham hat keine dauernde Beruhigung gebracht. Aus einem nur teilweise [351] verständlichen Brief erfahren wir, daß Abdaširta von Truppen, die ins Amoriterland eingebrochen sind, erschlagen ist, und daß die Inselfestung Arados, die, soweit wir wissen, niemals unter ägyptischer Oberhoheit gestanden hat, in diese Händel eingegriffen und mit ihren Schiffen die Küstenplätze angegriffen hat656. Ribaddi von Byblos fordert daher, der König solle die aradischen Schiffe in Ägypten beschlagnahmen; aber das geschah nicht, und so schritten sie unbekümmert weiter. Allen Besitz des Abdaširta haben sie dessen Söhnen, dem Aziru und seinen Brüdern, übergeben, ihnen die Wiederbesetzung von Ullaza, Ardata, Ambia, Šigata u.a. ermöglicht, 'Arqa und Simyra bedrängt (105). Die Stadtfürsten, soweit sie nicht zu Aziru übertraten, wurden hingerichtet (125, 35. 130, 32). »Alle Gebiete von Byblos bis Ugarit sind feindlich im Anschluß an Aziru«, während der ägyptische Statthalter Jancham untätig zuschaut (98). Alle Mahnungen Ribaddis, schleunigst Truppen aus Ägypten an Jancham zu schicken und in die Städte zu legen, verhallten wirkungslos. Schließlich hat Ribaddi es auf wiederholtes Drängen Janchams möglich gemacht, den Entsatz von Simyra zu versuchen, aber ohne Erfolg. Die Stadt wird von den Söhnen Abdaširtas zu Lande und den Schiffen von Arados zur See »wie ein Vogel im Käfig« eingeschlossen657. In engem Bunde mit ihnen und mit [352] Arados stand auch jetzt wieder Zimrida von Sidon, der die Inselfeste Tyros blockierte und ihr Wasser und sonstige Zufuhr abschnitt, die Boten ihres Königs Abimelek abfing, und den Aziru über alle Vorgänge in Ägypten auf dem laufenden hielt658.

In diesen Kämpfen, die sich jahrelang hinzogen659, hat Aziru an der Spitze seiner Brüder die zeitweilig von seinem Vater gewonnene Machtstellung wieder erlangt660. Aber die Bewegung ging viel weiter. Aziru stand in enger Verbindung [353] mit Aitaqama, dem König der großen Stadt Kinza (Qadeš) am Orontes im Hinterlande des Amoritergebiets, der daran ging, sich das 'Amq, die Hochebene der κοίλη Συρία (Biqâ') zwischen Libanon und Antilibanon, und das Land Ubi, die Ebene von Damaskus, zu unterwerfen. In beiden Landschaften machten einzelne Dynasten, in Ubi Arzawija von Ruchizi und Teuwatti von Lapana, im 'Amq Daša mit ihm gemeinsame Sache, während diejenigen, die Ägypten treu blieben, ihre Ortschaften niedergebrannt sahen und erfolglos flehentliche Hilfsgesuche an den König sandten661. Der benachbarte Dynast Namjawaza662 sah sein Gebiet verwüstet, sein Leben bedroht; die Stadt Janu'am verschloß ihm die Tore, mehrere andere Fürsten, so der von Busruna (wahrscheinlich Bostra im Haurân) traten auf Seiten seiner Gegner; er versuchte, die Landschaft Tachas, Damaskus und die Festung Kumedi am Südeingang der Biqâ' zu schützen, aber auch Damaskus ist, wie es scheint, von Aziru besetzt worden663.

Diese Erfolge sind dem Aitaqama und Aziru ermöglicht worden durch die Verbindung mit den Chetitern. Bei diesen [354] hatte König Subbiluljuma zunächst die stark verfallene Macht des Reichs im östlichen Kleinasien wieder gefestigt. Dann wandte er sich gegen Dušratta von Mitani, um ihm seine Eroberungen in Nordsyrien zu entreißen. Dabei kam ihm die Verbindung mit den Aufständischen wesentlich zu statten; während er Nordsyrien verwüstete, zog Aitaqama ihm mit seinen Truppen entgegen und griff den König Akizzi von Qaţna664 an, den er vergeblich zum Anschluß an die Chetiter zu bringen suchte. In gleiche Bedrängnis gerieten die Könige von Nuchasse, Nî, Zinzar, Tunanat und die Stadt Tunip; Hadadnirari von Nuchasse, Akizzi von Qaţna und andere richteten dringende Hilfsgesuche an den Pharao; Tunip bat, ihm endlich – nach zwanzig Jahren – ihren Thronerben, den Sohn des Akitešup, zuzusenden, aber vergeblich. Vielmehr drang jetzt auch Aziru nach Norden vor und hat Nî und bald darauf auch Tunip besetzt. Der König von Nuchasse, Aitaqama, Aziru haben dann dem Subbiluljuma gehuldigt; dieser kann sich rühmen, daß er seine Herrschaft bis zum Libanon ausgedehnt habe665. Mit Ägypten blieb er trotzdem in freundschaftlichen Beziehungen und tauschte mit Amenophis III. [355] Briefe und Geschenke; da von hier aus nichts gegen ihn geschah, mag er Nordsyrien als herrenloses Land betrachtet haben, auf das ihm von den Siegen seiner Vorfahren über Aleppo her ein Anrecht zustehe. Auch von einer Gegenwehr Dušrattas erfahren wir nichts666. Seine Lage zwang ihn zu noch engerem Anschluß an Ägypten; als Amenophis III. auch von ihm seine Tochter Taduchepa verlangte, schickte er sie, anders als seine Vorgänger, sofort mit reicher Mitgift; natürlich erwartete er dafür noch viel mehr Gold, als diese erhalten hatten667.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 347-356.
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