Ramses' III. Regierung. Kultur und Kunst

[593] Die späteren Jahre Ramses' III. sind, wie die seines großen Vorgängers, friedlich verlaufen. »Ich habe«, so faßt er am Schluß seines Lebens seine Regierung zusammen1151, »im ganzen Lande grüne Bäume wachsen lassen, und ließ die Bewohner in ihrem Schatten sitzen. Ich bewirkte, daß die Frauen Ägyptens nach ihrem Wunsch überall hingehn konnten, ohne daß sie irgend jemand auf dem Wege belästigte.[593] Ich ließ das Fußvolk und die Wagenkämpfer daheim sitzen zu meiner Zeit; die Šerdana und Kahak konnten sich in ihren Garnisonen lang auf dem Rücken ausstrecken ohne Besorgnis; da war kein Feind in Kuš oder in Syrien (Chor). Die Bogen und Waffen lagen friedlich1152 in den Magazinen« – ein solches reich ausgestattetes Waffenmagazin hat Ramses III. in seinem Grabe abgebildet –; »sie konnten sich sattessen und -trinken in Behagen. Ihre Frauen und ihre Kinder waren bei ihnen; sie brauchten nicht zurückzublicken, ihr Herz war froh, denn ich war ihr Verteidiger und Beschützer.«

»Das ganze Land und alle Volksklassen habe ich belebt. Ich habe den Menschen aus der Not herausgezogen und ihm Luft gegeben; ich schützte ihn gegen den Vornehmen, der gewichtiger war als er, ich gewährte allen Ruhe in ihren Ortschaften. In den Bezirken, die öde waren, habe ich das Land ausgestattet. Das Land war wohlzufrieden mit meiner Regierung; ich habe den Göttern und Menschen Gutes getan.« Zum Schluß spricht er den Untertanen seine Anerkennung aus für ihre Dienstbereitschaft. »Ihr waret meinem Herzen wohlgefällig, wie ihr meine Befehle und Aufträge eifrig erfüllt habt.«

Diese Schilderung gibt ein anschauliches Bild von dem, was man von einem tüchtigen Herrscher, dem »guten Gotte« erwartete. Zugleich aber zeigt sie, wie alle Energie und vollends der kriegerische Geist geschwunden ist; friedliches Behagen ist durchaus die Hauptsache geworden, der Niedergang kündet sich deutlich an.

Von friedlichen Unternehmungen erwähnt Ramses III. die Anlage eines großen Brunnens im Kalksteingebirge von 'Aian bei den Steinbrüchen gegenüber von Memphis, eine neue Expedition nach Punt, die, mit Geschenken reich ausgestattet, diesmal wieder über Land von Koptos aus ans Rote [594] Meer ging – der Kanal von Suez mag wieder versandet gewesen sein – und Massen von Weihrauch und Myrrhen zurückbrachte, geleitet von den zur Huldigung entsandten Söhnen der Häuptlinge, ferner die Arbeiten in den Malachitgruben am Sinai und die Erschließung großer Kupferminen in 'Atika, vielleicht ebendort.

Wie Ramses III. seinen Thronnamen in Anlehnung an den Ramses' II. gebildet hat, so hat er in allem versucht, es seinem großen Vorgänger gleichzutun1153. Auf dem Ostufer Thebens hat er in Medinet Habu einen großen Amontempel ganz nach dem Muster des Ramesseums gebaut – es ist der weitaus am besten erhaltene Tempel des Neuen Reichs. An ihn schloß, aus Lehmziegeln erbaut, der große Palast des Königs, dessen Empfangsfenster sich nach dem ersten Hof des Tempels öffnet, in dem die Menge sich versammelt, um dem König zuzujubeln und die Belohnungen zu empfangen. In den Kammern des innern Tempels waren auch die reichen Schätze bewahrt, darunter Massen von Gold aus Nubien, aus mehreren Bezirken Oberägyptens, auch Flußgold, ferner Silber, Kupfer, Blei, Edelsteine u.s.w.1154. Vorgelagert ist dem Tempel ein mächtiges Eingangstor in die Umwallung des Palastbezirks, das von zwei als Wohnräume für den Harem dienenden Türmen eingeschlossen ist, das sog. Hohe Tor.

Die Wände des Tempels sowie des Tores sind auch hier durchweg mit Reliefgemälden geschmückt, von denen wir [595] die Kriegsbilder schon kennen gelernt haben; dazu kommen, wie üblich, Festdarstellungen und Kultszenen sowie Jagdbilder, darunter ein Meisterwerk, das das Nachleben der aus Kreta gekommenen Anregungen erkennen läßt in einer Jagd auf Wildstiere, die, durch das Schilf zum Strom flüchtend, unter den Geschossen zusammenbrechen. Die Schlachtenbilder reihen sich an die von Ramses II. geschaffenen an, gehn aber über sie in der Steigerung des Getümmels und der Bewegung noch hinaus. Fortwährend überschneiden sich die Figuren in kaum übersehbarem Gewirr, oft in den kühnsten Stellungen; ganze Trupps kommen in geschlossenen Reihen anmarschiert, der Charakter des Gefechts wird wahrheitsgetreu geschildert, auch die Feinde kämpfen tapfer, wenn sie auch erliegen und sich verzweifelt zur Flucht wenden. Der König ist in der üblichen Weise dargestellt, auf dem Wagen oder zu Fuß seine Pfeile entsendend; aber für das eigentliche Schlachtbild tritt er ganz zurück und könnte völlig ausgeschieden werden. So ist der Realismus des Bildes gesteigert; zugleich sind die Gestalten durch Vertiefung des Reliefs und die dadurch erzeugte Schattenwirkung stärker herausgehoben, und sie werden meist schlanker, die Gesichtszüge – neben vortrefflichen Porträts wie denen der gefangenen Häuptlinge am Hohen Tor – zeigen oft eine glatte Eleganz, der das innere Leben fehlt. Man erkennt, daß die Kunst sich von dem klassischen Stil Sethos' I. und Ramses' II. und ihren strengen Formen übersättigt abzuwenden beginnt.

Eine weitere Entwicklung, die zur Ausbildung eines modernen Stils hätte führen können, ist der ägyptischen Kunst nicht mehr beschieden gewesen. Mit den Denkmälern Ramses' III. schließt die Kunst des Neuen Reichs jäh ab. Schlachtengemälde sind in Ägypten nie wieder geschaffen worden, und auch als nach vielen Jahrhunderten nochmals ein neuer Aufschwung einsetzt, hält sich die Kunst von allen Beziehungen zu Staat und Krieg vollständig fern. Wohl mit Recht hat man ein Anzeichen dieser Abwendung vom öffentlichen Leben darin gefunden, daß uns aus der Zeit Ramses' III. ein Papyrus [596] mit Illustrationen zu Tierfabeln erhalten ist, der einen Krieg der Mäuse gegen die Katzen darstellt, in dem der Mäusekönig, in deutlicher Karikatur der großen Schlachtengemälde, rückwärts auf dem Wagen sitzend die Unterwerfung des Katers entgegennimmt1155.

Auch die Baukunst und ebenso die statuarische Plastik hat dasselbe Schicksal erlitten. Ramses III. hat außer dem Tempel von Medinet Habu und seinem Riesengrabe im Königstal, das an Größe dem Sethos' I. gleichkommt, an Feinheit der Ausführung der Reliefs und Inschriften freilich weit hinter ihm zurücksteht, in Karnak einen Tempel des Amon (südlich von dem Haupttempel), einen des Chons und einen der Mut gebaut, ferner natürlich auch für die anderen Hauptgötter wie den Ptaḥ von Memphis und den Atum von Heliopolis und gar manche andere gesorgt, in der jetzt nach seinem Namen benannten Ramsesstadt im Delta einen Tempel für Amon und einen für Seth erbaut oder wohl eher restauriert1156, einen mit glasierten Ziegeln verkleideten Tempel in Leontopolis (Tell el Jehudîje) nördlich von Heliopolis u.a.m. Aber Ramses II. hat er es doch nicht gleichtun können; die Mittel dafür reichten eben, trotz der Schätze, die er ansammelte, nicht mehr aus, und sind durch seine Bauten offenbar vollends erschöpft worden. Bezeichnend für die wirkliche Lage Ägyptens ist auch, daß der Tempel des Chons so gut wie ganz aus Steinen älterer verfallener Bauten errichtet ist, auf denen man die Skulpturen notdürftig abhackte oder mit Mörtel überzog. Vor allem hat der große Tempel Amenophis' III. geradezu als Steinbruch gedient1157. Wie der rasche Verfall dieses großen Gebäudes zu erklären ist, bleibt dunkel; man könnte vermuten, daß es in den Wirren vor Setnachts Auftreten zerstört worden ist.

Mit dem Tode Ramses' III. bricht dann die Folge der großen Bauten jäh ab; von der langen Reihe der folgenden [597] Ramessiden kennen wir außer einzelnen Reparaturen u.ä. nur ihre Gräber im Königstal, und mit dem Ende der Dynastie schließen auch diese ab.

Ganz anschaulich tritt uns der Niedergang des geistigen Lebens und das völlige Fehlen neuer Gedanken in der Literatur entgegen. An innerer Leere und ständig die gleichen Phrasen wiederholendem Schwulst übertreffen die Inschriften Ramses' III. alles, was seine darin doch auch nicht kargen Vorgänger geleistet haben; poetische Gestaltungskraft, wie sie in dem Gedicht über die Schlacht bei Qadeš noch hervortritt, fehlt völlig, und die wenigen Tatsachen, die erwähnt werden – in bezeichnendem Gegensatz zu der anschaulichen Darstellung der Bilder –, verschwinden fast in diesem Meer inhaltlosen Geredes. Noch bequemer war es freilich, die älteren Texte einfach zu kopieren und auf den Namen des neuen Herrschers umzustellen; und das hat Ramses III. wiederholt getan, so mit dem Siegeshymnus Thutmosis' III. und mit einem Hymnus, in dem Ptaḥ dem König die Fülle seiner Segnungen verheißt1158.

Umso eifriger wird Religion und Kultus gepflegt. In dem Bericht, der die Leistungen und Taten der einunddreißig Jahre seiner Regierung zusammenfaßt, wird ganz ausführlich aufgezählt, was alles er den Göttern zugewendet hat; dabei werden freilich auch ihr gesamter ererbter Besitz und ebenso die regelmäßigen Abgaben der Untertanen des Tempelguts mitgezählt, weil er diesen Besitz ebenso wie seine legitimen Vorgänger bestätigt hat – der Choriter Arsu freilich ist, ebenso wie früher Echnaten, anders vorgegangen –, so daß seine Gaben noch weit größer erscheinen als sie in Wirklichkeit waren1159. Immerhin bleibt es gewaltig, was er ununterbrochen den Göttern zugewiesen hat, abgesehn von den [598] schon berührten Bauten – deren Kosten und Arbeiten wohl größtenteils aus dem Tempelvermögen bestritten sein werden – nebst den zugehörigen Statuen, Schreinen, Barken und Kultgeräten, vor allem die Scharen der Kriegsgefangenen und die Viehherden, dazu Grundbesitz, weiter Gold, Silber, Kupfer, Edelsteine und Kostbarkeiten aller Art. Überdies stand aller Tempelbesitz zwar unter der Kontrolle des Königs, war aber frei von allen staatlichen Steuern und Fronden; Ramses III. rühmt, daß er auch bei dem Besitz der kleineren Tempel die Hörigen nicht, wie frühere Könige, zu Aushebungen für den Krieg herangezogen habe1160. In manchen Fällen, z.B. in der Zuweisung von Gold, hat er dem Atum, Ptaḥ und den übrigen Göttern mehr zugewendet als dem Amon, da jene weit bedürftiger und offenbar vielfach vernachlässigt waren, während Amon auch an Gold bereits aus den regelmäßigen Jahreseinnahmen sehr viel mehr bezog als die übrigen. Wie gewaltig die Überlegenheit Amons über alle andern Götter, auch über Atum-rê' von Heliopolis und Ptaḥ von Memphis, gerade in diesem Dokument zutage tritt, ist oben S. 511 schon erwähnt. Der Grundbesitz Amons bildet geradezu einen Staat im Staate; so ist es nur natürlich, daß seine Priesterschaft, je mehr die Königsmacht erlahmte, immer selbstherrlicher und anspruchsvoller geworden ist.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 593-599.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon