Die Könige von Tanis

[17] Wenn diese uns durch einen glücklichen Zufall erhaltene Episode wenigstens einigen Einblick in die Lage Ägyptens zu Beginn der einundzwanzigsten Dynastie gewährt, so haben wir über den weiteren Verlauf nur dürftige Kunde. Das einzige Denkmal, das [17] den Namen des Smendes trägt, ist eine Inschrift in den Steinbrüchen von Gebelên oberhalb Thebens, die erzählt, wie dem König in einer Thronsitzung in Memphis berichtet wird, die von Thutmosis III. erbaute Kaimauer von Luxor sei durch eine Hochflut zerstört worden, und er habe zu ihrer Herstellung 3000 Arbeiter in diesen Steinbruch entsendet. Mithin hat Smendes seine Oberhoheit auch über die Thebais ausgedehnt, sei es noch zu Ḥriḥors Lebzeiten, sei es nach dessen Tode. Dem entspricht es, daß Ḥriḥors Nachkommen nicht mehr den Königstitel führen, sondern wieder auf ihr Priestertum beschränkt sind. Wohl aber hat sein Enkel, der Hohepriester Pinoẕem I., die Tochter des Psusennes I. von Tanis, des Nachfolgers des Smendes, geheiratet, die ihm eine reiche, von den thebanischen Göttern unter ihren Schutz gestellte Mitgift mitbrachte.20 Dann ist er selbst zum Königtum in Tanis aufgerückt und hat das Hohenpriestertum in Theben seinen Söhnen, erst Masaherta, dann Menche perrê', überlassen, aber auch selbst als König mehrfach in Theben eingegriffen und am Chonstempel gebaut.21 Auch unter den folgenden Hohenpriestern, Mencheperrê's Sohn Pinoẕem II. und dessen Sohn Psusennes, ist die Stellung des thebanischen Gottesstaats die gleiche geblieben; die Könige von Tanis greifen nach Bedürfnis in die dortigen Verhältnisse ein, und in den Aufschriften der Särge unter ihnen beigesetzter Priester und der in andere Gräber überführten Königsmumien datieren die Hohenpriester nach den Jahren jener, so Pinoẕem II. nach König Amenophthis und König Siamon.

Manetho nennt in der einundzwanzigsten Dynastie 7 Taniten mit 130 Jahren. Da ihre Tätigkeit sich im wesentlichen auf Unterägypten beschränkt hat und sie über größere Mittel nicht verfügten, [18] sind von ihnen außer dem von einer mächtigen Ziegelumwallung umschlossenen, völlig zerfallenen Tempel in Tanis, an dem Psusennes I. und Siamon gebaut haben, nur ganz wenige und unbedeutende Denkmäler und Inschriften erhalten.22 Dadurch und durch die erwähnten Aufschriften auf den Särgen in Theben sind uns 6 Königsnamen der Dynastie erhalten, zum Teil abweichend von den manethonischen. Insgesamt werden wir für die Zeit der einundzwanzigsten Dynastie eine größere Jahrzahl als die Manethos, etwa 140 Jahre, ca. 1090-950 v. Chr., ansetzen müssen.23

Unter die letzten Könige der Dynastie muß ihr Eingreifen in Palaestina zur Zeit Salomos fallen, der eine Tochter des Pharao zur Gemahlin und die von diesem eroberte Stadt Gaza als Mitgift erhält, wie andrerseits der vor David geflüchtete Prinz Hadad von Edom Aufnahme am ägyptischen Hof findet, als er herangewachsen ist, mit der Schwester der Hauptfrau des Pharao vermählt wird, und dann nach dem Tode Davids und [19] Joabs die Erlaubnis zur Rückkehr in seine Heimat erhält.24 Man sieht, daß die Könige von Tanis versuchen, ihre Oberhoheit in Palaestina aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, und die Rivalität der verschiedenen Dynastien dafür ausnutzen. Auch vorher, in den Zeiten Gideons und denen der Philisterherrschaft, wird es an Beziehungen zu Ägypten niemals gefehlt haben, wenn auch die Trümmer der israelitischen Überlieferung davon nichts mehr berichten.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/2, S. 17-20.
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