Chronologie

[274] Die ersten sichern Daten, die wir besitzen, sind die Angaben der Annalen Salmanassars III., daß im Jahre 853 König Achab von Israel zu der Koalition syrischer Fürsten gehörte, die er bei Qarqar besiegte, und daß im Jahre 841 Jehu (Jaua bal Ḫumri, d.i. König des Reichs bet 'Omri oder Israel) ihm Tribut zahlte615. Nun ist das Jahr der Tributzahlung Jehus 841 wahrscheinlich in der Tat das erste Jahr dieses Usurpators, dagegen das der Schlacht bei Qarqar 853 nicht das letzte des Achab, da dieser nach dem hier durchaus zuverlässigen Bericht des Königsbuchs (I 22) im Kampf gegen Hadad'ezer von Damaskus616 vor Rama in Gil'ad gefallen ist, mit dem er bei Qarqar gegen die [274] Assyrer verbündet war; sein Tod kann daher frühestens ins Jahr 852 gesetzt werden. Auf ihn folgt im Königsbuch sein Sohn Achazja mit 2 Jahren, und dann dessen Bruder Joram mit 12 Jahren; in Wirklichkeit aber stehn für beide höchstens 10-11 Jahre (852/1-842/1) zur Verfügung. Selbst wenn wir annehmen wollten, daß Achazjas kurze Regierung chronographisch nicht mitzurechnen, sondern in dem letzten Jahr seines Vorgängers und dem ersten seines Nachfolgers enthalten sei617, wären also 12 Jahre für Joram immer noch zu hoch. Noch viel ärger liegen die Dinge bei der Königsliste von Juda, wo nach den Daten des Königsbuchs die letzten 9 Jahre Jošaphaṭs (17-25), 8 Jorams und 1 Achazjas, also zusammen 18 Jahre, diesem Zeitraum entsprechen. In Wirklichkeit hat Jošaphaṭ dem Joram von Israel im Kriege gegen Meša' von Moab Heeresfolge geleistet (Reg. II 3), wird also etwa 850 oder 849 gestorben sein. Sein Sohn Joram von Juda ist dann spätestens 842 gestorben, also wenn auch nicht nach achtjähriger Regierung, so doch im Verlauf seines 8. Jahres. Dessen Sohn Achazja zieht dann, spätestens im Frühjahr 841, mit Joram von Israel zusammen gegen Chazael von Damaskus; aber beide werden alsbald von Jehu umgebracht. In dasselbe Jahr 841 fällt ein neuer Zug Salmanassars III. (in seinem 18. Jahre) über den Euphrat, auf dem er Chazael besiegte, während Jehu ihm Tribut brachte.

So zeigt sich, daß sich in den Regierungszahlen des Königsbuchs die richtigen Zahlen mehrfach noch erkennen lassen, wenn wir sie anderweitig kennen, daß es aber ohne die in den assyririschen Annalen erhaltenen Daten unmöglich war, aus ihnen die richtige Chronologie zu ermitteln. Das gleiche gilt für die folgende Zeit; die Zahlen der beiden Königsreihen von Israel [275] und Juda stimmen weder zueinander618 noch zu den Daten der assyrischen Annalen: die Summe der Jahre vom Antritt Jehus von Israel und dem gleichzeitigen der 'Atalja von Juda (841) bis zur Eroberung Samarias (722) im 9. Jahr des Hošea' (Reg. II 17, 6) und im 6. des Ḥizqia (II 18, 10) ergibt für Israel 143 Jahre 7 Monate, für Juda 165 Jahre, während es in Wirklichkeit nur 120 Jahre sind. Diese Differenz bestätigt zugleich, daß die beiden Listen unabhängig nebeneinander gestanden haben.

Als zuverlässig erweisen sich überall Namen und Folge der Könige; auch die Angaben über ihr Alter und die Namen ihrer Mütter werden auf gute Überlieferung zurückgehn. Genaue Datierungen nach Königsjahren sind im Königsbuch für Juda mehrfach erhalten, so zuerst für Beginn und Abschluß des Tempelbaus in den Jahren 4 und 11 Salomos und für die Auslieferung der Schätze Jerusalems an Šošenq im Jahre 5 Reḥabe'ams619. Somit wird die Führung regelmäßiger Chroniken (»Tagebücher«), wie sie in Tyros und anderen Kulturstaaten seit langem bestand, unter Salomo begonnen haben und hat sich dann in jedem der beiden Reiche weiter fortgesetzt. Dem Alltagsleben dagegen ist die Datierung nach Königsjahren noch lange fremd geblieben620; und ebensowenig verwendeten sie die [276] aus ganz anderen Kreisen hervorgegangenen Geschichtswerke, wie die über David, über Achab und Joram, über Jehu, obwohl sie über den Zeitabstand der einzelnen Ereignisse mehrfach Angaben bringen. Das Bedürfnis, in dem ununterbrochenen Ablauf der Ereignisse das Jahr, in das es gefallen ist, der Nachwelt zu überliefern, ist eben überall erst sehr spät erwacht. Bezeichnend dafür ist, daß im Gegensatz zu den ägyptischen und assyrischen Königsinschriften von den aus den syrischen Kleinstaaten erhaltenen Königsinschriften keine einzige datiert ist, weder die des Meša' von Moab noch die des Zakir von Ḥamât noch die aus Sendjirli, und ebensowenig die des Siloahtunnels in Jerusalem; und gewiß würde auch in Inschriften Davids und Salomos, wenn sie uns erhalten wären, jedes Datum fehlen. Ein paar chronologische Angaben enthält nur die Inschrift des Meša': »Mein Vater war König über Moab 30 Jahre, und ich wurde König nach meinem Vater«; »'Omri hatte das Land Madeba in Besitz genommen, und er (d.h. Israel) wohnte darin seine Tage und die Hälfte der Tage seines Sohns, 40 Jahre« – aber diese Zahlen sind so vag und geschichtlich ungenau wie noch jetzt die der Beduinen; sie zeigen, daß es Chroniken in Moab noch nicht gab und daß Meša' weder das Interesse noch die Möglichkeit besaß, genauere Daten zu geben.

Bis zur Reichsteilung hinauf gehn die im Königsbuch überlieferten Zahlen auf die Königschroniken zurück621. Sie ergeben bis auf Jehus Usurpation 841 für Israel 98, für Juda 95 Jahre, was sich etwa dadurch ausgleichen läßt, daß man für die drei zweijährigen Regierungen in Israel (Nadab ben Jerobe'am und [277] Ela ben Ba'ša, die beide von Usurpatoren ermordet werden, und Achazja ben Achab, der alsbald erkrankt und stirbt) chronographisch nur je ein Jahr rechnet622. Daß die Zahlen auch sonst Fehler enthalten, haben wir bei Achabs Söhnen Achazja und Joram gesehen. Aber als annähernd zuverlässig werden wir sie betrachten623 und daher die Reichsteilung um 935-930 ansetzen dürfen. Dazu stimmt, daß der 842 gestorbene Joram ben Jošaphaṭ von Juda der vierten Generation nach Salomo angehört624; auch verträgt sich dieser Ansatz mit den freilich recht unsichern Daten, die sich für Šošenq I. und seinen Feldzug nach Palaestina gewinnen lassen. Eine Bestätigung bietet die tyrische Königsliste, nach der Chiram I., der Zeitgenosse Davids und Salomos, 969-936, Itoba'al I., der Schwiegervater Achabs, 887-856 regierte625.

Somit kann die folgende Königsliste als annähernd zuverlässig gelten:


Israel


Jerobe'am I. (trad. 22 J.) ca. 935-914

Nadab (trad. 2 J.) [278] Ba'ša (trad. 24 J.) ca. 912-888

Ela (trad. 2 J.)

[Zimri, Tibni]

'Omri (trad. 12 J.) 885-874

Achab (trad. 22 J.) 873-851

Achazja (trad. 2 J.) 851/0

Joram (trad. 12 J.) 850-842/1

Jehu seit 841


Juda


Reḥabe'am (trad. 17 J.) ca. 935-919

Abijam (trad. 3 J.) ca. 918-916

Asa, sein Bruder (trad. 417 J.) ca. 915-875

Jošaphaṭ (trad. 25 J.) ca. 874-849

Joram (trad. 8 J.) 849-842

Achazja (trad. 1 J.) 842/1

'Atalja seit 841


Für die vorhergehende Zeit hat dagegen unsere Überlieferung keinerlei Angaben besessen, auch nicht für Salomo, dessen Regierungsdauer doch in der Königschronik verzeichnet gewesen sein muß. Bei Saul hat der Schlußredaktor Sam. II 13, 1 das Schema: » ... Jahre war Saul alt, als er König wurde, und ... Jahre regierte er über Israel« in den Text eingefügt, aber sich nicht getraut, eine Zahl einzusetzen. Für David und Salomo gibt er ebenso wie vorher für die »Richter« 40 Jahre, das ständig wiederkehrende Normalmaß einer Generation, behilft sich also ebenso wie Meša' bei seinen Daten.

Für Salomo sind 40 Jahre viel zu viel; sein Sohn Reḥabe'am war nach der Schilderung seines Verhaltens noch ein jüngerer Mann. David dagegen ist körperlich und geistig altersschwach geworden; da mögen für ihn mindestens 40 Jahre und für ihn und Saul zusammen 50 und selbst 60 Jahre zutreffend sein626. [279] Somit werden wir nicht allzusehr fehlgehn, wenn wir Salomos Regierung auf ca. 955-930, Davids Erhebung in Hebron auf ca. 1010, seine Einsetzung in Israel auf ca. 1003 und den Anfang von Sauls Königtum auf rund 1025 setzen.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/2, S. 274-281.
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