Salmanassar III. und seine Nachfolger

[406] Assurnaṣirpals Sohn, Salmanassar III. (859-824), hat in seiner langen Regierung das Werk seines Vaters methodisch fortgesetzt899. Seine Kriegführung ist kaum weniger brutal als die [406] seines Vaters; das Niederbrennen der Ortschaften, die Aufrichtung der Köpfe zu Pyramiden, das Pfählen, das Verbrennen der Knaben und Mädchen kehrt auch bei ihm immer wieder, nur das Hautabziehn und die Verstümmelung der Gliedmaßen wird nie erwähnt, scheint ihm also keine Freude gemacht zu haben.

Nach einem ersten Kriegszug gegen die Gebirgsstämme im Osten (859), bei dem er nördlich gegen die Alarodier (Urarṭu, Araraṭ) und ihren König Arame bis zum »See des Nairilands«, dem Wansee, vorstieß, nahm er den Krieg gegen Achuni von Bet-'Edin am Euphrat wieder auf. Alle Dynasten Nordsyriens und Kilikiens empfanden die Gefahr, die ihnen drohte, und schlossen sich mit Achuni zu einer Koalition zusammen900. Gleich im Jahre 858 überschritt Salmanassar den Euphrat im Norden und durchzog von Kummuch bis zum Orontes und zum Meer nach zwei Siegen über das verbündete Heer sengend und mordend der Reihe nach die einzelnen Staaten und nahm die Tribute entgegen. In den folgenden Jahren (857-855) hat er die Unterwerfung Bet-'Edins durchgeführt, die Hauptstadt Barsip erobert, in eine »Salmanassarstadt« Kar-Sulmanasarid mit einem Königspalast umgewandelt und mit Assyrern besiedelt; schließlich hat Achuni selbst, der über den Euphrat geflohen war, sich ihm ergeben müssen und wurde mit seinen Kindern, Göttern und Habe nach Assur überführt. Nach einem Streifzug ins Kašijargebiet (854) und Unterwerfung der Dynasten am Belichos ging er 853 wieder über den Euphrat, nahm die Tribute der Kleinstaaten entgegen, darunter auch den von Melitene (Milid), und wandte sich wieder nach Süden. Die Stadt Aleppo unterwarf sich und zahlte Tribut; im Gebiet von Ḥamât aber trat ihm die früher schon besprochene große Koalition der syrischen Staaten entgegen, an deren Spitze die Könige Hadad'idri von [407] Damaskus, Irchulini von Ḥamât und Achab von Israel standen. Salmanassar rühmt sich des vollen Sieges in der großen Schlacht bei Qarqar; gewaltige Massen der Feinde habe er erschlagen, den Orontes mit ihren Leichen überbrückt. Aber irgend einen weiteren Erfolg, etwa die Einnahme einer Stadt, kann er nicht verzeichnen; erst nach vier Jahren hat er den Angriff wieder aufgenommen. Den nordsyrischen Fürsten halfen ihre Tributzahlungen wenig; wieder und wieder wurden die Ortschaften im Gebiet von Karkemiš so gut wie die im Reich von Ḥamât ausgeplündert und niedergebrannt. In den Jahren 848 und 845 treten ihm beim weiteren Vorrücken, in letzterem Jahre angeblich mit einem Heer von 120000 Mann, die verbündeten Könige entgegen, und wieder rühmt er sich des Sieges, hat ihn aber nicht weiter ausbeuten können. Die Lage änderte sich erst, als in Damaskus und Samaria die Usurpatoren Chazael und Jehu auf den Thron gekommen waren. Im Jahre 841 wurde Chazael am Ḥermon geschlagen. Damaskus konnte der Assyrerkönig freilich nicht einnehmen, aber er hat das Land bis zum Ḥaurân hin verheert, den Tribut Jehus und der Phoenikerstädte empfangen und am Nahr el Kelb bei Beirut sein Bild aufgestellt. Im Jahre 838 hat er diesen Zug gegen Chazael noch einmal wiederholt; von Ḥamât ist auffallenderweise nicht mehr die Rede; aber im wesentlichen blieb die Machtsphäre der Assyrer auf Nordsyrien beschränkt, auch die Tribute Israels und der Phoenikerstädte sind nur vorübergehend gewesen. Ein ergebener Vasall scheint dagegen Lubarna von Chattin geblieben zu sein; als dieser von der Bevölkerung erschlagen und ein Usurpator Šurri auf den Thron gesetzt wurde, entsandte Salmanassar seinen Feldmarschall (turtan) Dâjan-assur, und dieser hat 830 den Aufstand niedergeworfen. Šurri gab sich den Tod, seine Söhne und Anhänger wurden gepfählt, ein Aramaeer Šâši aus dem Stamme 'Ûṣ zum König eingesetzt, in der Hauptstadt Kunalua ein Bild des assyrischen Oberherrn aufgestellt (o. S. 372). Erweitert hat er sein Machtgebiet dagegen nach Westen gegen Que (839. 834. 832), wo sich 832 auch Tarsos ergeben mußte und an Stelle des Königs Kâti sein Bruder Kirri eingesetzt [408] wurde. In den Jahren 836 und 835 haben auch die 24 Dynasten der Tibarener (Tabal) nördlich vom Taurus Abgaben gebracht, und ebenso mußte König Lalla von Melitene sich wieder unterwerfen. Auch Mûru, die Hauptstadt des Arame von Bet-Agûši, wurde 834 in eine assyrische Königsstadt verwandelt; doch hat sich dies Fürstentum weiter in der Folgezeit erhalten. Im übrigen wurden, wie früher, diese Kriegszüge regelmäßig benutzt, um Bauholz vom Amanos zu holen.

In Babylonien hat Salmanassar im Jahre 851 eingegriffen, als gegen König Mardukzakiršum (ca. 851-825), den Sohn Nabubaliddins, sich sein Bruder Mardukbelusate empörte. Salmanassar kam dem rechtmäßigen König zu Hilfe, besiegte den Rebellen östlich vom Tigris, verfolgte ihn im Jahre 850 in. seine Zufluchtsstätten im Gebirge und erschlug ihn. Dann huldigte er in den heiligen Städten Kuta, Babel und Borsippa demütig den großen Göttern, die dort in ihren Tempeln thronen, brachte ihnen reiche Opfer und richtete der frommen Bevölkerung ein großes Festgelage aus. Darauf zog er am Euphrat abwärts bis zum Meer gegen die chaldaeischen Dynasten, die jetzt schon ganz zu selbständigen Fürsten geworden waren. Adin von Bet-Dakuri wurde besiegt, Mušallim-marduk von Bet-Amukani und Jakin vom »Meerlande« (das später nach ihm gewöhnlich Bet-Jakin genannt wird) brachten ihm Huldigungsgaben. Eroberungen hat er dabei nicht beabsichtigt, vielmehr die Selbständigkeit des Reichs von Babel (Karduniaš) unangetastet gelassen. Die Landschaft Šuach im Euphrattal oberhalb Babyloniens dagegen blieb nach wie vor ein Vasallenstaat der Assyrer.

Die übrigen Unternehmungen des Königs waren in alter Weise gegen die Gebirgslande im Norden und Osten gerichtet901. In den Zagrosketten hat er, wie schon im ersten Feldzug 859, so in denen der Jahre 843. 835. 830-828 in den Landschaften (Ma)zamua, Namri, Parsua im Bereich des oberen Diâla sowie[409] weiter nördlich mit den Mannaeern am Urmiasee den Machtbereich beträchtlich erweitert; auch mit den Modern (Amadai) ist er im Jahre 835 in Berührung gekommen. In den armenischen Bergen, dem Lande Nairi, hat er die Feldzüge Tiglatpilesers I. wieder aufgenommen und 856 im Anschluß an den Angriff auf Bet-'Edin die Landschaften am oberen Tigris und am Euphrat von Alzi (S. 363) und Enziti bis nach Dajaeni (den Taochern, o. S. 378) verwüstet und ausgeplündert. In den Jahren 852 und 844 ist er zum Quelltunnel des Tigriszuflusses gezogen und hat hier sein Bild und seine Inschrift neben die Tiglatpilesers gesetzt902. Weiter östlich, am Wansee, fand er bei den Alarodiern (o. S. 407) und ihrem König Arame kräftigen Widerstand. Wie 859 von Osten her, hat er ihn 856 nach Überschreitung des Arsanias von Westen aus angegriffen und seine Königsstadt Arzaskun erobert und zerstört, aber die weitere Verfolgung aufgeben müssen; im Jahre 832 hat in seinem Auftrag Dâjan-assur diesen Angriff gegen König Šarduri (Šeduri) wiederholt, auch diesmal ohne nachhaltigen Erfolg; vielmehr werden wir alsbald sehn, daß sich hier ein kräftiges Reich gebildet hat, das den Assyrern das Gegengewicht hielt und sich in derselben Weise seiner Erfolge rühmt.

Wie seine Vorgänger hat auch Salmanassar III. auf seinen Feldzügen an zahlreichen Stellen sein Bild und eine Siegesinschrift an eine Felswand einmeißeln oder aufstellen lassen. Erhalten sind uns von seinen Kunstwerken die kupfernen Schienen, mit denen die Torflügel eines Palastes in Imgurbel (Balawat) beschlagen waren. Diese 27 Zentimeter hohen Schienen sind durchweg mit zwei übereinander stehenden, durch einen Streifen von Rosetten voneinander getrennten und eingefaßten Reihen von Reliefbildern geschmückt, die einzelnen Figuren sind also nur etwa 8 Zentimeter hoch. Sie illustrieren die Kriegszüge seiner ersten elf Jahre; erläuternde Beischriften und ein zusammenfassender Bericht sind beigefügt. In langen Reihen [410] sehn wir die Scharen der Tributbringer und der Gefangenen, einen hinter dem anderen, einherziehen, ebenso die assyrischen Schützen im Marsch oder im Ansturm auf eine Festung, dazwischen den König auf dem Streitwagen und vereinzelte Reiter. Mehrere Figuren nebeneinander zu stellen oder zu überschneiden haben die Künstler nur sehr selten gewagt, bloß die Pferde galoppieren über Leichen hinweg. Innerhalb dieser Schranken aber sind ganz anschauliche Szenen gelungen, so die Belagerung einer Stadt, in die wie bei Assurnaṣirpal der Sturmbock eine Bresche legt; bei der Zerstörung fehlen auch die als hohe Pfähle aufgeschichteten Köpfe nicht. Andere Szenen zeigen den Marsch im Gebirge oder die Quellgrotte des Tigris, an der das Königsbild und die Inschrift eingemeißelt wird, oder den König, wie bei den Ägyptern, in einer rechteckigen Umwallung sitzend, umgeben von seinen Dienern mit Sonnenschirm und Wedel; auch das runde Heerlager ist angedeutet. Besonders beachtenswert ist die Darstellung der Festung Arados oder Tyros auf ihrem Felsenriff im Meer, aus der die Phoeniker in Kähnen ihren Tribut ans Land bringen, denen der König an der Spitze seines Gefolges entgegenschreitet.

Ein weiteres Denkmal Salmanassars ist der sog. Schwarze Obelisk aus seinem Palast in Kalach, ein großer, oben wie der 'Zerbrochene Obelisk' (S. 380f.) terrassenförmig abgestufter Alabasterpfeiler, auf dem seine Annalen bis zum 31. Jahr verzeichnet sind. Darauf hat er fünf Tributlieferungen aus seinen ersten Jahren darstellen lassen. Der König Šua von Gilzan in den östlichen Gebirgen bringt unter anderen Gaben auch ein paar zweihöckerige Kamele, ebenso das Land Muzri (im Gebirge hinter Ninive), nebst einem Wildstier, einem Einhorn, einer Antilope, einem Elefanten und verschiedenen Affen. Daß diese Tiere nicht im Zagros zu finden waren, ist klar; sie werden aus dem Osten dorthin gebracht worden sein, vielleicht durch die Meder, und dem König als Merkwürdigkeiten besonders willkommen gewesen sein. Die anderen Stufen stellen den Tribut des Jehu, der mit seinen Leuten charakteristisch jüdische Züge trägt, den von Šuach und den des Qalparunda von Chattin dar.

[411] Vom Jahre 832 an ist Salmanassar nicht mehr selbst ins Feld gezogen, sondern hat die Kriegführung seinem Feldmarschall Dâjan-assur übertragen. Ob Altersschwäche oder Krankheit der Grund war, wissen wir nicht903; wohl aber erfahren wir aus den in der Eponymenliste erhaltenen Chroniknotizen, daß vom Jahre 827 an904 Assyrien im Aufstand war. An der Spitze dieser Empörung stand des Königs Sohn Assur-daninbal. Ob er der rechtmäßige Thronfolger war, wissen wir nicht; aber den Anlaß wird, wie so oft in den despotischen Reichen des Orients, die Rivalität des Prinzen gegen einen Stiefbruder und die Besorgnis um sein Leben gegeben haben. Er fand weithin Anklang; mit Ausnahme von Kalach, wo Salmanassar eingeschlossen gesessen haben wird, fiel ihm nahezu das gesamte Gebiet östlich vom Tigris zu, von Amedi (Diârbekr) und Til-abni im Nordwesten bis nach Zaban und Arrapcha, den Grenzgebieten gegen Babylonien, darunter die Städte Ninive, Imgurbel, Arbela sowie die Reichshauptstadt Assur, aber auch nicht wenige Bezirke Mesopotamiens sowie Chindâni am Euphrat, »im ganzen 27 Städte mit ihren Befestigungen«. Der Aufstand zeigt, daß, so unumschränkt die Könige erscheinen, sie doch gebunden waren, Grenzen innezuhalten. Man wird annehmen dürfen, daß die Empörung vor allem in den höheren Offizieren und Stadtkommandanten ihren Halt hatte, deren Anhänglichkeit der grimme Herrscher durch sein Auftreten verscherzt haben mag. Für ihn hat sein Sohn Samsiadad gekämpft; aber erst drei Jahre nach Salmanassars Tode, im Jahre 821, [412] ist es ihm gelungen, der Gegner Herr zu werden und in den vollen Besitz des Reichs zu gelangen.

Samsiadad V. (824-810) erzählt auf einem großen Steinblock, den er in Kalach aufgestellt hat, von Feldzügen gegen die armenischen Berglande (Nairi), bei denen sein General Mutarriṣ-assur, »ein weiser, kriegskundiger und einsichtiger Mann«, »bis zum oberen Meer des Sonnenuntergangs« (dem Schwarzen Meer) vorgedrungen sei (s.u. S. 421). Dann folgt 820 ein Feldzug gegen die östlichen Gebirge bis zu den Medern hin; 500 Orte habe er niedergebrannt, Gefangene fortgeführt, in Ṣibara, der Hauptstadt von Gizilbunda, sein Bild aufgestellt; 28 Dynasten der kleinen Kantone zählt er auf, die ihm Tribut gezahlt haben. Über die folgenden Jahre dagegen schweigt er vollständig; aus den Chroniknotizen aber erfahren wir, daß er drei Jahre hindurch (818-816) gegen Tille gezogen ist, eine Stadt auf der Westseite des Tigris in der Gegend seiner Wendung nach Südosten, also tief im assyrischen Machtbereich. Da ist die Vermutung sehr wahrscheinlich, daß es sich um einen Gegenstoß des Königs von Urarṭu handelt, der zu langen, wenig erfolgreichen Kämpfen führte, so daß Samsiadad es vorzog, sie nicht zu erwähnen. Tille mag er allerdings wiedergewonnen haben; im Jahre 792 erscheint sein Statthalter als Eponym, und ebenso 794 der von Tušchan am oberen Tigris.

In den Jahren 812 und 811 ist Samsiadad gegen König Mardukbalaṭsuiqbi von Babel gezogen, der mit den Gebirgsstämmen im Osten und den Aramaeerscharen in Verbindung stand. Er überschritt den Turnat (Diâla), plünderte die dort liegenden Ortschaften und erstürmte die große Stadt Dûrpapsukal am Tigris (in der Gegend von Bagdad). Der Babylonierkönig, der ihm hier entgegentrat, wurde völlig geschlagen. In weiteren Kämpfen, von denen wir nur unvollständige Kunde haben, wurde Bauachiddin, der als sein Nachfolger erscheint (ob er sein Sohn war, wissen wir nicht), in einer Stadt, deren Name verloren ist, gefangen und mit den Schätzen seines Palastes nach Assur gebracht. Zahlreiche Städte sowohl östlich vom Tigris wie im eigentlichen Karduniaš hat er ausgeplündert und [413] ihre Götterbilder weggeführt; dann hat er, wie sein Vater, in Kuta, Babel, Borsippa geopfert und den Tribut der chaldaeischen Dynasten entgegengenommen905.

Samsiadad hat zwar nicht selbst den Titel eines Königs von Babel angenommen und die Stadt auch schwerlich unmittelbar dem Reich einverleibt, wohl aber das Königtum aufgehoben. Die babylonische Chronik bucht daher diese Zeit als »Jahre, in denen es im Lande keinen König gab«906, und eine Urkunde[414] ist aus dem vierten Jahr der königslosen Zeit datiert907. Prätendenten hat es allerdings gegeben, die dann in der Königsliste A aus der Zeit Assurbanipals mitgezählt gewesen sind.

Kurz darauf ist Samsiadad V. gestorben (810), mit Hinterlassung eines unmündigen Sohnes Adadnirari III. Für ihn hat zunächst seine Mutter Semiramis (Šammuramat) die Regentschaft geführt; erst in sei nem 5. Jahre (805) konnte er selbst auf dem Thron Platz nehmen und damit offiziell die Regierung übernehmen908. Tatsächlich freilich scheint Semiramis noch lange die Leitung behalten zu. haben. Sie stammte wahrscheinlich aus Babel (ob aus dem Königshause, wissen wir nicht); dadurch erklärt es sich, daß unter ihr im Jahre 787 der bis dahin in Assyrien nicht verehrte Gott Nebo, der große Orakelgott von Borsippa, in seinen neuen Tempel in der Hauptstadt eingezogen ist; zwei Statuen Nebos, die der Statthalter von Kalach »für das Leben des Königs Adadnirari und der Königsfrau Šammuramat« geweiht hat und wobei er mahnt, auf keinen anderen Gott als Nebo zu bauen, sind aus Kalach (Nimrud) erhalten909. Auch die Politik gegen Babylonien (Karduniaš) wurde geändert oder wenigstens gemildert: die sog. »synchronistische Geschichte«, eine Zusammenstellung der Beziehungen zwischen Assyrien und Babylonien vom assyrischen Standpunkt aus, die eben in dieser Zeit abgefaßt ist, schließt mit der Angabe, daß Adadnirari sich mit dem König von Karduniaš (der Name ist weggebrochen) geeinigt und die fortgeführte Bevölkerung unter Auflage dauernder Lieferungen für den Kult zurückgeführt habe und daß beide Staaten sich über die Festsetzung der Grenze einigten. Der neue König von Babel war ein Chaldaeer, Erbamarduk; von ihm erfahren wir, daß er die aus Mesopotamien (Subartu) eingedrungenen [415] Aramaeer, die den Bewohnern von Babel und Borsippa ihre Felder weggenommen hatten, verjagt hat910. Es ist sehr wohl möglich, daß eine Erhebung gegen die Assyrer zugrunde liegt; aber Adadnirari hat sie anerkannt, wenn auch unter Wahrung seiner Oberhoheit: in einer Inschrift sagt er, daß alle Könige der Chaldaeer ihm dienstbar waren und dauernd Tribut zahlten, während Babel, Borsippa und Kuta ihren Göttern Bel, Nebo, Nergal reine Opfer darbrachten, natürlich auf Grund seiner Verordnung911.

Die einzigartige Stellung der Königin Semiramis kommt auch darin zum Ausdruck, daß sie, offenbar als Regentin, ihre Stele (wie immer ganz primitiv gearbeitet) vor Assur am Westende der Königsstelen aufgestellt hat912. So hat sich ihr Gedächtnis dauernd erhalten. Herodot, für den Assyrer und Babylonier ein einheitliches Volk sind, das er Assyrer nennt, kennt sie als einzige Königin, fünf Generationen vor Nitokris, der Gemahlin Nebukadnezars, auf die bei ihm die Werke ihres Mannes übertragen sind913. Durch Verschmelzung mit mythischen Elementen, vor allem den Erzählungen von der großen westsemitischen Göttin des Geschlechtslebens und ihren Abenteuern (o. S. 166) ist dann der Roman des Ktesian entstanden, der sie zur Gattin des Ninos und eigentlichen Gründerin des Assyrerreichs und zugleich zur Erbauerin von Babel macht, ein Roman, der geschichtliche Momente gar nicht mehr enthält, aber die Tradition der Folgezeit bis auf die Erschließung der Monumente dauernd beherrscht hat.

In die Zeit der Regentschaft fallen einige Kriegszüge gegen [416] die Meder (809) und Mannaeer im Osten (807. 806), aber auch nach Guzana (808) am Chaboras (Tell Chalâf), wobei wohl das Sindjargebiet mit Raṣappa zur Provinz gemacht worden ist. Als dann aber Adadnirari selbst die Regierung ergriff, entschloß er sich, die Dynasten Syriens, gegen die sein Vater nichts hatte tun können, wieder zur Tributzahlung zu zwingen. Bezeichnend ist, daß er als Ziel seines Kriegszugs das Land Palastu nennt, die südlichste Landschaft, die hier zum erstenmal in den assyrischen Inschriften auftaucht; man erkennt, wie der Name des Küstengebiets zur Bezeichnung des gesamten Südens Syriens (Συρίη ἡ παλαιστίνη bei Herodot) geworden ist. In den vier Jahren 805-802 ist er in Syrien gewesen914 und hat »jenseits des Euphrat das ganze Chetiter- und Amoriterland, Tyros, Sidon, das 'Omriland (Israel), Edom, Philistaea bis zum großen Meer des Sonnenuntergangs seinen Füßen unterworfen«, im Reich von Damaskus den König Mari' in seiner Hauptstadt eingeschlossen, so daß dieser, von der Furcht vor dem Gott Assur überwältigt, sich ihm zu Füßen warf und ihm in seinem Palast seine reichen Schätze und Prunkstücke auslieferte. Die Untertänigkeit der Vasallenfürsten und ihre Verpflichtung zur Tributzahlung und Heeresfolge wird überall durch Verträge und feierliche Eide gesichert worden sein915; schwerlich aber sind sie lange gehalten worden.

Über den Euphrat ist Adadnirari III. nur noch einmal gezogen, [417] im Jahre 796 »nach Manṣuate«, einem östlich vom Orontes, nördlich von Ḥamât, gelegenen Gebiet916. Weit mehr jedoch waren die Waffen der Assyrer durch Kämpfe in den Gebirgsländern des Ostens und Nordens in Anspruch genommen. Adadnirari rühmt sich, nach einer Aufzählung zahlreicher Einzelgebiete (darunter Ellip, Charchar, ganz Gizilbunda, die Meder, Mannaeer und Parsua u.a.) »das Land Nairi in seinem ganzen Umfang, das ferngelegene Andia, den gesamten Gebirgsabhang bis zum großen Meer des Sonnenaufgangs«, d.i. bis zum Kaspischen Meer, unterworfen zu haben. Feldzüge gegen diese Gebiete, vor allem gegen die Meder, sind unter ihm in den Jahren 801-797. 793-784 fast in jedem Jahr verzeichnet917.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/2, S. 406-418.
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