Vorrede zu der zweiten Auflage

[5] Die neue Auflage der Römischen Geschichte weicht von der früheren beträchtlich ab. Am meisten gilt dies von den beiden ersten Büchern, welche die ersten fünf Jahrhunderte des römischen Staats umfassen. Wo die pragmatische Geschichte beginnt, bestimmt und ordnet sie durch sich selbst Inhalt und Form der Darstellung; für die frühere Epoche sind die Schwierigkeiten, welche die Grenzlosigkeit der Quellenforschung und die Zeit- und Zusammenhanglosigkeit des Materials dem Historiker bereiten, von der Art, daß er schwerlich andern und gewiß sich selber nicht genügt. Obwohl der Verfasser des vorliegenden Werkes mit diesen Schwierigkeiten der Forschung und der Darstellung ernstlich gerungen hat, ehe er dasselbe dem Publikum vorlegte, so blieb dennoch notwendig hier noch viel zu tun und viel zu bessern. In diese Auflage ist eine Reihe neu angestellter Untersuchungen, zum Beispiel über die staatsrechtliche Stellung der Untertanen Roms, über die Entwickelung der dichtenden und bildenden Künste, ihren Ergebnissen nach aufgenommen worden. Überdies wurden eine Menge kleinerer Lücken ausgefüllt, die Darstellung durchgängig schärfer und reichlicher gefaßt, die ganze Anordnung klarer und übersichtlicher gestellt. Es sind ferner im dritten Buche die inneren Verhältnisse der römischen Gemeinde während der karthagischen Kriege nicht, wie in der ersten Ausgabe, skizzenhaft, sondern mit der durch die Wichtigkeit wie die Schwierigkeit des Gegenstandes gebotenen Ausführlichkeit behandelt worden. – Der billig Urteilende und wohl am ersten der, welcher ähnliche Aufgaben zu lösen unternommen hat, wird es sich zu erklären und also zu entschuldigen wissen, daß es solcher Nachholungen bedurfte. Auf jeden Fall hat der Verfasser es dankbar[5] anzuerkennen, daß das öffentliche Urteil nicht jene leicht ersichtlichen Lücken und Unfertigkeiten des Buches betont, sondern vielmehr wie den Beifall so auch den Widerspruch auf dasjenige gerichtet hat, darin abgeschlossen und fertig war.

Im übrigen hat der Verfasser das Buch äußerlich bequemer einzurichten sich bemüht. Die varronische Zählung nach Jahren der Stadt ist im Texte beibehalten; die Ziffern am Rande bezeichnen das entsprechende Jahr vor Christi Geburt. – Bei den Jahresgleichungen ist durchgängig das Jahr 1 der Stadt dem Jahre 753 vor Chr. G. und dem Olympiadenjahr 6, 4 gleichgesetzt worden; obgleich wenn die verschiedenen Jahresanfänge des römischen Sonnenjahres mit dem 1. März, des griechischen mit dem 1. Juli berücksichtigt werden, nach genauer Rechnung das Jahr 2 der Stadt den letzten zehn Monaten des Jahres 653 und den zwei ersten des Jahres 752 v. Chr. sowie den vier letzten Monaten von Ol. 6, 3 und den acht ersten von Ol. 6, 4 entsprechen würde. – Das römische und griechische Geld ist durchgängig in der Art reduziert worden, daß Pfundas und Sesterz, Denar und attische Drachme als gleich genommen und für alle Summen über 100 Denare der heutige Gold-, für alle Summen bis zu 100 Denaren der heutige Silberwert des entsprechenden Gewichtsquantums zu Grunde gelegt wurde, wobei das römische Pfund (= 327, 45 Gramm) Geld gleich 4000 Sesterzen nach dem Verhältnis des Goldes zum Silber 1: 15, 5 zu 304 1/2 Talern preußisch, der Denar nach Silberwert zu 7 Groschen preußisch angesetzt ward. Die dem ersten Bande beigefügte Kiepertsche Karte wird die militärische Konsolidierung Italiens anschaulicher darstellen als die Erzählung es vermag. Die Inhaltsangaben am Rande werden dem Leser die Übersicht erleichtern. Ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis wird dem dritten Bande beigegeben werden, da anderweitige Obliegenheiten es dem Verfasser unmöglich machen, das Werk so rasch, wie er es wünschte, zu fördern.

BRESLAU im November 1856.


Quelle:
Theodor Mommsen: Römische Geschichte. Berlin 1923, Bd. 1, S. V5-VII7.
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