Hoffnung

[264] Hoffnung ist der Affekt freudiger Erwartung eines zukünftigen Guts. Um hoffen zu können, muß man die Erinnerung an erfüllte Wünsche und gelungene Pläne haben; wem alles mißlungen ist, der hat allmählich das Hoffen verlernt. Weil aber die Hoffnung sich auf ein künftiges, also höchstens wahrscheinliches Gut bezieht, so ist sie nicht ohne Begleitung der Besorgnis zu finden, daß das Erwartete auch nicht eintreffen könne. Sie ist daher mit Unlust verbunden. Sie stärkt zwar des Menschen Kraft im Tun und im Leiden, da sie aber auch die Phantasie anregt, und sich der Hoffende die Zukunft leicht zu rosig ausmalt, so folgt ihr oft Enttäuschung, wenn ihre Erfüllung ausbleibt oder ihr nicht entspricht. Auch ist der Hoffende wohl in Gefahr, über den Zukunftsbildern die Pflichten der Gegenwart zu versäumen. – Die Alten stellten die Göttin der Hoffnung ('Elpis, Spes) als leicht schreitendes Mädchen mit langem Gewande dar, in der Rechten eine Blume oder Kornähre oder Schale, mit der Linken das Gewand etwas lüpfend. Die Hoffnung gilt in der christlichen Ethik als eine der Haupttugenden. (Vgl. 1. Korinth. 13, 13 nyni de menei pistis, elpis, agapê, ta tria tauta.) Descartes (Pass. an. III, 165) nennt sie einen Zustand der Seele, in dem man Glaubt, daß das Gewünschte eintreffen werde. Sie wird veranlaßt durch eine Mischung der Freude und des Verlangens. – Spinoza (1632-1677, Ethik III Def. d. Aff. 12) definiert: Die Hoffnung ist eine unbeständige Freude, welche aus der Vorstellung einer kommenden oder vergangenen Sache entsteht, über deren Ausgang wir in Zweifel sind. Vgl. Schillers Gedicht Die Hoffnung (Zu was Besserem sind wir geboren) und Goethes Urworte. Orphisch Str. 5 (Ein Flügelschlag und hinter uns Äonen).

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 264.
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