Beherrschung seiner selbst.

[97] Es ist gar eine schwere Sache, Land und Leute zu regieren. Aber ich halte dafür, daß es noch schwerer sei, sich selbst zu regieren. Du kannst leicht in deinem Hause befehlen und ordnen, was geschehen soll und nicht. Aber deinen Lüsten und Begierden zu gebieten, daß sie dich nicht überwältigen, erfordert eine größere Kunst und Wissenschaft. Denn wie Paulus Gal. 5,[97] 17. sagt: Den Geist gelüstet wider das Fleisch, und das Fleisch wider den Geist. Und ist da ein großer Streit in dem Menschen. Das Fleisch will: du sollst unkeusch sein, huren, stehlen, betrügen, afterreden, dich betrinken und Völlerei treiben. Und der Geist will: du sollst das alles lassen und meiden, und dafür gutes thun. Wer nun dem Fleische den Zaum lässet und folget seinen Lüsten, der sündiget wider sein. Gewissen, ist ein Sündenknecht, und beherrscht sich selbst nicht. Welcher aber dem Fleische widerstehet und demselben nicht folget, der hat die rechte Heiligkeit und ist Gott angenehm. Von dieser Herrschaft über die Sünde heißt es auch Röm. 6. Laßt die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe u.s.w. Ein Mensch, der sich vom Fleische beherrschen läßt, dünket mir ein Haus zu sein, in dem der Knecht zu gebieten hat und den Herrn und die Frau regiert, so daß diese nichts sagen dürfen, noch sich bekümmern, ob etwas verloren gehe oder nicht. Aber würdest du das nicht ein gar sehr verkehrtes Wesen und eine schlechte Wirthschaft heißen, wo es so zugehen sollte. Nun eine solche schlechte[98] Wirthschaft leidest du bei dir selbst, so du nicht über die Glieder des Leibes herrschest. Denn die Glieder des Leibes müßen Knecht und Mägde sein und thun, was ihnen befohlen wird. Aber der Geist muß der Herr sein, und was der sagt, muß geschehen, und keine Widersetzlichkeit sich finden. Das heißt auch kreuzigen den alten Menschen. Der alte Mensch wird er genannt, nicht der Jahre halben, denn es kann wohl sein ein frischer, starker und junger Mensch, der Gott nicht achtet, geizet und pranget; sondern darum heißet er alt, weil er noch nicht bekehret und anders worden ist.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 97-99.
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