Beständigkeit in seinen Gesinnungen.

[88] Des Menschen Herz ist gleich wie Quecksilber, das jetzt da, bald anderswo ist, heut so morgen anders gesinnet. Heute wünschet es das, und kann die Zeit gar nicht erwarten, bis es da ist, und morgen verdammet und verfluchet es dasselbe. Da hat einer einen Freund seit einigen Tagen. Ach er weiß gar nicht, wie er ihn genug lieben und gutes erzeigen soll. Er herzet, küsset und schmeichelt ihn. Aber gar bald, so ist die Freundschaft ganz aus, da doch der andere ihm nicht das geringste zu Leide gethan hat. Desgleichen wird heute einer gefragt, ob er das und das für gut halte und: ja! ja! ja! ist die Antwort. Aber morgen spricht er, trotz dessen, daß er ja gesagt hatte: nein! Ist das nicht eine verkehrte Welt, die unbeständig ist in ihren Worten und Werken! Ganz anders ist der vernünftige heilige Mann, der ändert sich nicht, ausser wenn es Gott und sein Gewissen haben wollte. Wie er heute ist, so ist er morgen, und wie er morgen ist, so ist er übermorgen. – So unbeständig man im weltlichen[89] Thun, so ist man es auch im geistlichen. Da spricht man ja wohl: lieber Gott, ich will die Sünde lassen, ich will keusch, züchtig, gerecht und heilig fortan leben, vergieb mir es nur diesmal! Aber da kommt der vorige Kamerad und Genoße, und aller guter Sinn und Vorsatz ist dahin. Lieber, mache du es nicht also!

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 88-90.
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