Freiheit vom Aberglauben in der Religion und im gemeinen Leben.

[68] Die Unwissenheit der Menschen ist so groß, daß alles über und über mit Aberglauben erfüllt ist. Da vertrauet man nicht Gott, sondern erwartet Gutes oder Böses von andern Dingen, die außer Gott, und nichts als Gauckeleien sind, wie es uns Gott nicht verheißen und versprochen hat, und wo nur der Name Gottes auf das schändlichste gemisbraucht und entheiligt wird. – Was hilft dir dein Kreuz schlagen, dein Vater unser beten, dein Singen und Schreien ohne Andacht und Herz, und wozu nützet dein Abendmalgehen, ohne Buße, Reue und Glauben? Meinest du, daß Gott daran Wohlgefallen habe, wenn du blos mit dem Munde, mit Hand und Fuß ihm dienest. Ja das thaten die abergläubischen Heiden und Juden, die Gott nicht im Geist und in der Wahrheit anbeteten, sondern mit äußerlichen[68] Werken, wodurch sie allein glaubten, gutes zu thun. – Wie einfältig sind wir doch, die wir uns so gern von Gaucklern und Betrügern irre führen lassen, und so gern übernatürliche Dinge glauben, die nicht von Gott kommen. Lassen uns oft schrecken und fürchten uns ohne Ursache, und vergessen, daß alles solches ein Greuel ist vor dem Herrn. Wie denn 5. Mos. 18. gesagt ist: Es soll nicht unter dir funden werden ein Weissager, der künftige Dinge vorher verkündigen und die Leute zu fürchten machen will, Glück und Unglück weissagt, und das Wort Gottes auslegt, aber nach seinem Kopfe; oder ein Tagewähler, der einen Tag glücklich hält, und den andern schädlich, und so die Leute überredet und irre macht, was sie an jedem Tage vornehmen und ausrichten sollen; oder der auf Vogelschrei achte, der aus der Luft und Himmel will weissagen und wahrnehmen; oder ein Zauberer, das sind eigentlich, die da Hexen wollen und den Namen Gottes misbrauchen; oder Beschwörer oder Wahrsager, oder Zeichendeuter, oder der die Todten frage. Denn wer solches[69] thut, der ist dem Herrn ein Greuel. Aber die Welt läßt sich nicht klüger machen und auf Gott allein sehen. Ich will aber die mancherlei Secten und Orden des Aberglaubens zusammenfassen, daß man es desto besser behalten möge. Da wollen sie Büchsen und Schwerdter beschwören, daß sie hierdurch nicht mögen verwundet werden. Etliche findet man wieder, die wollen solche beschworne Waffen wieder auflösen und entledigen von dem Segen, mit einem Zirkel und mit etlichen Zeichen in den Sand gemacht. Andere schreiben etliche Buchstaben und andere Zeichen auf ein Blatt, und meinen, wer sie bei sich trage, der könne nicht getödtet noch verwundet werden, und könne ihm niemand nichts thun noch abgewinnen. Wiederum wollen andere durch geheime Kunst und Mittel, die Mägdlein zwingen zu ihrer Liebe. Etliche nehmen wahr der Monden und Tage, darin etwas gut auszurichten sei, und wo gut heirathen sei. Die elenden Narren und ist doch des Narrenwerks alle Welt voll! Etliche nehmen Wachs und andere Dinge aus der Kirche und treiben damit, weiß nicht was für Aberglaube[70] und Zauberei. Etliche nehmen geweihetes Wasser und etliche Gebete, damit verhoffen sie, so sie das bei sich tragen, sollen sie nicht gesehen werden. Sie schreiben auch die Namen derer, so sie in Argwohn des Diebstahls haben, auf Zeddel, und werfen die Zeddel in das Weihwasser, welches Zeddel denn zu Boden fällt, der ist der Dieb. Etliche, so sie haben ein Weib genommen, und wollen gerne wissen, welches das andere überlebe, so geben die Narren wohl Achtung darauf, welches zuerst vom Altar gehe oder die erste Nacht zuerst einschlafe, das werde zuerst sterben. Desgleichen machen sie Kinder gesund durch Aberglauben, und hängen ihnen mit Geheimnißen beschriebene Zeddel an den Hals. Hier wollte ich, daß die Kinder verständig wären und reden könnten, daß sie ihren Müttern solche große Narrheit verweisen möchten. Denn es ist kein Zweifel, sie würden sich den Müttern widersetzen und zeigen, daß sie klüger wären. Ja, sprechen sie, wer wollte sich nicht seines Kindes erbarmen. Antwort: man soll sich ja erbarmen, aber nicht, daß du dadurch dem Teufel zu Willen werdest.[71] Entweder suche natürliche Arzenei oder rufe zu Gott mit einfältigen lauterm Glauben. Sie zeichnen auch wohl ihr Vieh mit solcher Gauckelei, daß es vor Gefahr sicher sei, auch die Früchte in Aeckern und Gärten, daß sie den Teufel darüber um Schutz anrufen, und zum Hüter setzen, so sie doch von Gott Regen und Wachsthum der Früchte erhalten haben. Ferner achten sie auf Zeichen und Vogelschrei, nehmen etlicher Tage wahr, an welchen es gut sei zu bauen, über Land zu gehen, Geschäfte zu treiben, neue Kleider anzulegen. Hieher gehören auch, die da sagen, wenn gut Aderlassen, Kinder entwöhnen, baden, gut säen und dergleichen nach der Planeten und Sterne Wirkung mehr, als nach Bequemlichkeit der Früchte und Wärme und des Leibes Nothdurft, so doch die erfahrensten Aerzte sprechen, man solle allein Acht haben, ob es noth sei. Da kömmt auch die liebe Sterndeuterei, die wollte auch gerne eine Kunst sein, wenn sie vor angeborner Narrheit dazu kommen könnte. Diese will aus den Sternen lehren, was aus dem Menschen werden soll, der unter diesem oder[72] jenem aufgehenden Zeichen geboren wird. Denn die Sterndeuter lassen sich dünken, sie wissen Gottes heimlichen Rath, der auch den Engeln vorborgen ist. Die Sterne und andere böse Dinge, sprechen sie auch, neigen die Menschen zur Sünde. Aber ist das nicht Lästerung? Sollte Gott die Creatur darum geschaffen haben, daß sie zur Sünde reitze, und nicht vielmehr den Menschen zur Frömmigkeit leite, so doch alle Dinge dem Menschen zum Besten dienen sollen und nicht zum Schaden. Sage mir, welcher Mensch wird zu Sünden gezwungen, weil jedermann zu Sünden willig und geneigt ist? Wer wollte sagen, daß einer wider seinen Willen sündigen sollte? Alle böse Neigung zu Sünden steckt in uns, kömmt nicht vom Himmel oder von ausser her. Wie Christus spricht: Matth. 15, 11. Aus dem Herzen kommen böse Gedanken. Was zum Menschen eingehet, beflecket den Menschen nicht u.s.w. Und Jacobus. Ein jeglicher wird versuchet, wenn er von seiner eigenen Lust gereitzet und gelocket wird. Denn alles, was von Gott geschaffen ist, ist gut, darum kann nichts von Natur den Menschen zum Bösen neigen[73] sondern allein zum Guten. Denn alle Dinge wirken also, wie sie Gott geschaffen hat, daß sie aber dem Menschen zuweilen zum Bösen dienen, geschiehet nicht von Natur, sondern ungern und gezwungen. Hieher gehören auch die Schatzgräber, die mit der Wünscheruthe verborgene Schätze suchen und die Leute äffen und betrügen; die Wahrsager, zu welchen man von fernen Orten läuft, Bescheid zu holen von verlohrnen und gestohlnen Sachen, wer der Dieb sey, und den Schaden gethan habe. Es ist nur Wunder, daß solche Leute noch geduldet und ungestraft gelassen werden, da glauben auch viele, daß die Hexen reiten auf einem Besen oder Bock an einem Ort, da alle Hexen zusammenkommen und mit einander prassen. Das doch verboten ist, nicht allein zu thun, sondern auch zu glauben, daß dem also sei. Wie man auch nicht glauben soll, daß die alten Weiber verwandelt werden in Katzen und bei Nacht herumschwärmen, oder Krankheiten heilen und vertreiben können. Es sollen auch etliche den Teufel im Hause haben und den Kobold, der groß Glücke bringe, und sollte einer den Kolbold erzürnen,[74] so erzürnet er lieber Gott und alle Welt. Es wäre auch viel zu sagen, was für Abentheuer die Weiber vornehmen mit den Frauen in Kindesnöthen. Etliche hängen der Kindbetterin des Mannes Kleidung an den Hals, machen Kreutze und ander Narrenwerk mehr. Und was erzählt man nicht von Gespenster und Geistern? Das ist uns aber von der Mutter Eva angeboren, daß wir uns also äffen und betrügen lassen. Daraus mag nun ein jeder dergleichen Abentheuer urtheilen. Und wiewohl sie mehr närrisch denn böse sind, und der Teufel damit nur die Leute äffet, so mag doch zuletzt aus dem Affenwerke ein böser Ernst werden. Denn an solchen Dingen lernen die Leute, daß sie Vertrauen auf die Creatur setzen, daraus denn folget, daß sie Gott auch nicht glauben in großen Dingen. Doch entschuldigen sie sich immer damit und sprechen: es seien ja doch heilige Zeichen und Worte, die sie brauchen, und wollen nicht wissen, daß sie eben damit die größte Sünde thun, daß sie heilige Dinge, Zeichen und Wort Gottes zu solchen unheiligen und teufelschen Sachen misbrauchen. – Es sind[75] auch immer furchtsame, unwissende Leute, die solches glauben und sich betrügen lassen. Darum vertraue nur auf Gott, und laß dich nicht irre führen noch erschrecken, sonst gehörst du unter die Einfältigen und Dummen. Die aber solches thun, und die Leute äffen wollen und vorreden, die sind, wie Moses spricht, dem Herrn ein Greuel, und werden der Strafe nicht entgehen.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 68-76.
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