Treue und Redlichkeit.

[210] Treue und Redlichkeit kann niemals täuschen, sondern thut allemal, was sie zugesaget hat. So erzählt man von vier Nachbarn, die unter sich das Versprechen gelobten, wer zuletzt unter ihnen leben würde, der sollte für die Kinder der verstorbenen sorgen. Sie starben aber alle vier plötzlich hinter einander. Nun trat ein Sohn von ihnen auf, der unter allen Kindern der Aelteste war. »Ich, sprach er, bin erwachsen und kann mehr als meine Nothdurft verdienen. Wohlan, ich halte das Versprechen, so mein Vater gegeben hat, und sorge für euch!« Ei das war schön und herrlich! Solche Treue und Redlichkeit findet man aber in der Welt gar selten, auch nicht einmal unter Blutsfreunden. Da sagt man zwar gleißende schöne Worte, aber man hält nichts, wird untreu! Aber versprich doch lieber nichts, so du es nicht zu thun gedenkest. Da geloben sie viel, wenn sie Aemter kriegen, oder sonst einen Stand, Freundschaft, Bund anfangen! Aber an Treue und Redlichkeit es zu halten, wird[211] nicht gedacht. Oder man hält es nicht ganz und nur zum Scheine. Das ist rechte Gottlosigkeit!

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 210-212.
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